Zehn Jahre klüger - Wolfgang Gründinger - E-Book + Hörbuch

Zehn Jahre klüger Hörbuch

Wolfgang Gründinger

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Beschreibung

Als er 35 wurde, dachte Wolfgang Gründinger über sein Leben nach. Am Ende stand dieses Buch, das mehr ist als ein Ratgeber. Es ist ein Plan fürs Leben, voller Inspirationen und Tipps für dein Leben und deine Karriere. Es zeigt unter anderem, wie man halb so viel arbeitet, aber doppelt so viel erledigt, das beste Gehalt verhandelt, sein Geld auf dem Finanzmarkt vermehrt — und wie man richtig fit wird und vielleicht 100 Jahre lebt. Hier findest du Antworten, warum ·ein Staubsauger-Roboter das Leben verändert, ·ein Börsencrash die optimale Zeit ist, in Aktien zu investieren, ·ein Superman-Cap dich berühmt machen kann, ·und du mit deinem Chef verhandeln solltest wie mit einem ·Geiselnehmer (oder einer Katze). Eine unterhaltsame, lehrreiche Lektüre. Nicht nur für Berufsstarter. Denn das wichtigste Buch in deinem Leben sollte über dein Leben sein. Garantiert frei von Glückskeksen. »Verschmelzung von pragmatischen Coaching-Tipps und authentischer Rückschau. Zehn Jahre klüger bringt zum Lachen, lädt zum Reflektieren ein und lässt die Lesenden in der Tat klüger werden. Ich hätte dieses Buch vor zehn Jahren lesen wollen.« Christina Lang, CEO und Mitgründerin Tech4Germany »Zusammenfassung großartiger Lifehacks und garantiert kein Bullshit!« Anna Kaiser, CEO und Gründerin Tandemploy »Das Buch ist Inspiration und Mutmacher.« Katja Urbatsch, Gründerin Arbeiterkind.de »Mit diesem Buch liefert Wolfgang, insbesondere meiner Generation Z, einen konkreten Plan voller tiefgreifender Shortcuts.« Bastian Krautwald, Gründer von deineStudienfinanzierung.de

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Zeit:7 Std. 14 min

Sprecher:Dominik Kuchta

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Wolfgang Gründinger

ZEHN JAHRE KLÜGER

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen. Meistens wurde das generische Maskulinum verwendet, gelegentlich auch das generische Femininum.

Originalausgabe

2. Auflage 2021

© 2021 by Finanzbuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Die im Buch veröffentlichten Ratschläge wurden von Verfasser und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann jedoch nicht übernommen werden. Ebenso ist die Haftung des Verfassers beziehungsweise des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.

Redaktion: Anne Büntig

Korrektorat: Silvia Klinkel

Umschlaggestaltung: Karina Braun

Umschlagfoto: Paul Alexander Probst

Satz und Bearbeitung der Abbildungen: Tobias Prießner

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-502-6

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-951-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-952-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

INHALT

1 Vom Dönerverkäufer zum Cheflobbyisten

Wie ich (versehentlich) Elite wurde

2 Smart Work beats Hard Work

Wie du in der Hälfte der Zeit doppelt so viel schaffst

3 Mit dem Superman-Cappy zur Kanzlerin

Wie du berufliche Netzwerke schmiedest

4 Keine Kompromisse

Wie du jede Verhandlung gewinnst

5 Detox your Life

Wie du mit Achtsamkeit besser im Job und glücklicher im Leben wirst

6 Zu alt, um jung zu sterben

Wie du dich gesund ernährst und 100 Jahre lebst

7 Unfuck your Kontostand

Wie du dein Geld vermehrst und sogar reich werden kannst

8 Was du wirklich, wirklich willst

Warum es für die wichtigen Dinge im Leben keinen Hack gibt

Das Buch ist noch nicht zu Ende

Es geht digital weiter!

Anmerkungen

VOM DÖNERVERKÄUFER ZUM CHEFLOBBYISTEN

WIE ICH (VERSEHENTLICH) ELITE WURDE

35 ist das Alter, in dem man auf sein Leben zurückblickt und überrascht feststellt, dass man auf einmal erwachsen ist. Man hat das Studium hinter sich, ein paar Jahre in diversen Jobs verbracht, alle Freunde bekommen Kinder, und man merkt plötzlich, dass man für sein Leben nun selbst verantwortlich ist.

35 ist auch das Alter, in dem man anfängt zu sagen: »OMG, wenn ich all das schon mit 20 gewusst hätte! Wie viel einfacher wäre mein Leben gewesen! Aber ich hatte ja keinen Plan!«

Die Schule versuchte, uns die Dinge beizubringen, die wir im Leben brauchen. Ich lernte das jambische Versmaß und den Satz des Pythagoras. Nach der Klausur war das schnell wieder vergessen. Nach dem Abitur erst recht. Was ich aber wirklich im Leben brauchte, lernte ich nicht: wie man seine Karriere in die eigenen Hände nimmt; sein Gehalt verhandelt; mit Geld umgeht; mit Stress klarkommt; sich gesund ernährt.

Wenn ich selbst heute zehn Jahre jünger wäre: Was würde ich mir raten? Was würde mir weiterhelfen? Was habe ich erst auf die harte Tour in der Schule des Lebens lernen müssen und hätte ich gern schon viel früher wissen wollen?

Um diese Fragen dreht sich dieses Buch. Es ist wie eine Botschaft an mein jüngeres Ich sowie eine Sammlung an Ideen und Inspiration für jeden, der zum Helden seines eigenen Lebens werden will.

Du erfährst unter anderem, wie du

halb so viel arbeitest, aber doppelt so viel erreichst.

kompromisslos das beste Gehalt verhandelst.

dein berufliches Netzwerk schmiedest.

mit Stress umgehst und auf dich selbst achtest.

dein Geld auf dem Aktienmarkt vermehrst.

hundert Jahre alt werden kannst.

Du lernst außerdem, warum

Mark Zuckerberg mich zum Mittagessen einlud.

ein Staubsauger-Roboter dein Leben verändert.

ein Superman-Cap dich berühmt machen kann.

ein Börsencrash die optimale Zeit ist, um in Aktien zu investieren.

du »Mr. Dax« lieber nicht dein Geld anvertrauen solltest.

es sich lohnt, Tantra auszuprobieren.

Work-Life-Balance besser als Life-Life-Balance gedacht werden sollte.

ein Kaffee mit Butter und Kokosöl dich angeblich kugelsicher macht (und was wirklich dran ist).

Smoothies nicht einmal halb so gesund sind, wie sie angepriesen werden.

Dieses Buch wird dich weiterbringen. Egal, ob du 20, 30 oder noch älter bist. Das wichtigste Buch in deinem Leben sollte ein Buch über dein Leben sein.

Als ich mit meinem Agenten das erste Mal über die Idee zu diesem Buch sprach, haderte ich mit mir. Bin ich der Richtige, um anderen Menschen Tipps zu geben? Ist das nicht überheblich? Was kann denn ausgerechnet ich schon für kluge Ratschläge geben, auf die jemand, der auch schon einige unnütze und unnötige Umwege gegangen ist, nicht selbst gekommen wäre?

Genau das ist aber Teil meiner Botschaft: Viele erfolgreiche Menschen, die ich für ihre berufliche Karriere und ihre Multitalentiertheit bewundere, haben hinter den Kulissen oft ganz eigene Probleme. Krasse Start-up-Gründerinnen, gefeierte Manager, hyperintelligente Harvard-Studentinnen: Sie haben extrem viel erreicht und wirken manchmal unnahbar. Aber auch sie sind nur Menschen, mit handfesten und ganz normalen Problemen hinter der Fassade. Einige brennen so aus, dass sie vom Arbeitsplatz direkt in die Nervenheilanstalt transportiert werden müssen – wegen psychischer Erschöpfung. Andere kriegen es im Privaten nicht einmal auf die Reihe, pünktlich zu einem Abendessen zu erscheinen. Ich kenne viele solche Geschichten, und es fasziniert mich immer wieder, wie solche Menschen so weit oben und so durchschnittlich zugleich sein können. Wenn es einen Satz gibt, den mir genau diese Menschen bei einem Glas Wein erzählen, dann lautet er: »Wir kochen alle nur mit Wasser.«

Jeder bringt seine eigene Geschichte mit, hatte Glück oder Pech im Leben, hat sein Päckchen zu tragen und muss daraus das Beste machen. Meine eigene Biografie ist ein schlagendes Beispiel dafür. Ich wuchs am Arsch der Welt auf, in einer Kleinstadt im bayerischen Nordosten, wo es nichts gab außer Felder, die Kirche und die Grenze zu Tschechien, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs immerhin die Versorgung mit billigem Benzin und Zigaretten sicherstellte. Die nächste größere Stadt war weit weg, ein Zug fuhr längst nicht mehr, der einstige Bahnhof war leer und verwildert.

Mein Vater starb vor meiner Geburt bei einem Unfall mit dem Traktor, und Mama musste – über Nacht plötzlich auf sich allein gestellt – das Überleben von meinem Bruder und mir sichern. Erst viel später verstand ich, was das für eine harte Zeit für Mama gewesen sein musste, und ich bin dankbar und berührt, mit welch eiserner Sparsamkeit und harter Arbeitsdisziplin sie unser Auskommen ermöglichte.

Als ich von der Grundschule auf das Gymnasium wechselte, verlor ich meinen Freundeskreis. Für meine Freunde, die nun auf die Hauptschule gingen, war ich plötzlich der eingebildete Gymnasiast, der im späteren Beruf keine »richtige« Arbeit leisten würde (meine Oma pflegt diese Ansicht bis heute). Auf dem Gymnasium wiederum wurde ich zum Außenseiter. Für alle um mich herum gehörten Shopping, Musik, Kultur und Urlaub zum Alltag, ich kannte das alles nicht. Wir hörten zu Hause nicht einmal Radio, im Urlaub waren wir nur einmal an der Nordsee, und beim Italiener ums Eck eine Pizza zu essen, war das Höchste der Gefühle. Wir waren arm oder »sozial benachteiligt und bildungsfern«, wie man es euphemistisch formuliert. Die stärkste Erinnerung an meine Kindheit ist bis heute, dass Mama immer sparen und immer arbeiten musste. Oft sagte sie: »Wenn die Waschmaschine kaputt ist, dann haben wir kein Geld mehr.« Der Satz hat sich in mein Hirn eingebrannt wie kein anderer.

Meine Pubertät verbrachte ich zeitweilig mit Kleinkriminellen. Einmal entwendeten sie den Safe aus dem Schlafzimmer des Filialleiters der örtlichen Bank. Ansonsten rauchten sie sehr viel. Das war nicht meine Welt, aber zumindest gehörte ich irgendwo dazu.

Mein einziges Hobby bestand darin, Bücher zu lesen. Für Bücher braucht man keine Freunde. Ich war ein blasser, dünner Junge, der die ausrangierten Quelle-Katalog-Klamotten seines großen Bruders auftrug und in den zahlreichen Prügeleien mit ihm immer den Kürzeren zog. Ich hatte keinerlei Ahnung von der Welt da draußen. Woher auch, das Internet war ja gerade erst erfunden worden. Ich fühlte mich wie eine Mischung aus Lisa Simpson und Milhouse: nicht cool.1

»But my mom says I’m cool.«

Milhouse Mussolini van Houten, uncooler Typ

Mit 18 bestieg ich zum ersten Mal ein Flugzeug – und zwar nach Johannesburg in Südafrika zum UN-Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung. Dank des Internets hatte ich eine Jugendorganisation für Nachhaltigkeit mitgegründet, und meine Mitstreiter hatten das Auswärtige Amt überzeugt, uns die Flugtickets zu finanzieren. Um ein Haar wäre meine Reise allerdings schon gescheitert, bevor sie begonnen hatte. Als die Dame am Check-in-Schalter am Frankfurter Flughafen nach meinem Reisepass fragte, reichte ich ihr meinen Personalausweis. Sie bestand auf dem Reisepass, sonst könne sie mich nicht zum Boarding zulassen. Ich zuckte mit den Schultern: Bis zu diesem Moment war ich überzeugt, dass Personalausweis und Reisepass exakt dasselbe Dokument seien. Ich rief Mama an (Nokia-Handys gab es schon!), aber sie war noch ratloser als ich. Ich hetzte zur Zweigstelle der Bundespolizei und fragte dort nach einem vorläufigen Reisepass. »Das geht nicht so schnell«, versuchten die Beamten mich abzuwimmeln. »Aber ich habe ein Fax von UN-Generalsekretär Kofi Annan, der alle staatlichen Stellen um Unterstützung bittet, denn ich bin UN-Delegierter.« Der Beamte schaute etwas irritiert. Da stand also ein blasser, schlecht gekleideter Halbstarker mit einem Fax von Kofi Annan? »Na, warten Sie mal.« Zehn Minuten später kam er wie verwandelt wieder: »Sehr geehrter Herr Gründinger, hier ist Ihr vorläufiger Reisepass!« Gerade nochmal gut gegangen. (Beim UN-Gipfel wurde ich dann übrigens von der Polizei während der Rede des US-Außenministers aus dem Sitzungssaal abgeführt. Aber das ist eine andere Geschichte.)

Mein Studium finanzierte ich mit einem Job als Dönerverkäufer. Stundenlohn: 6 Euro, plus freies Essen. Den Mindestlohn führte die SPD erst Jahre später ein. Nebenher veröffentlichte ich mehrere Bücher und engagierte mich bei der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen, die mich alsbald zu ihrem Sprecher ernannte. Zumindest dafür schien sich das viele Lesen gelohnt zu haben.

Dönerverkäufer – Mit viel scharf!

Nach dem Master-Abschluss bewarb ich mich um ein Stipendium für meine Doktorarbeit. Ich wollte den Einfluss von Lobbyisten in Energiepolitik und Klimaschutz unter die Lupe nehmen. Zweimal wurde ich abgelehnt, beim dritten Mal klappte es. Nur 1 Prozent aller Arbeiterkinder erwirbt einen Doktorgrad, und ich darf mich dazuzählen. Zum Vergleich: 10 Prozent aller Akademikerkinder promovieren. Wer arme Eltern hat, ist nicht zehnmal dümmer. Er hat nur zehnmal schlechtere Chancen im Leben – und muss zehnmal härter arbeiten und zehnmal mehr Glück haben. Wer weiß, wo ich heute stünde, hätte auch beim dritten Anlauf die Jury meine Bewerbung in die Tonne gekloppt.

Kaum war die Doktorarbeit abgegeben, erhielt ich einen überraschenden Anruf: Google fragte, ob ich nicht die exklusive Internet Leadership Academy der Oxford University absolvieren wolle, man habe da einen Platz frei. All expenses covered! Drei Monate später saß ich also in diesem obskuren Harry-Potter-Bauwerk in England, ließ mir bei einem Drei-Gänge-Dinner den Wein einschenken, und diskutierte mit 20 Wissenschaftlern und Abgeordneten aus halb Europa die Zukunft von Künstlicher Intelligenz und digitaler Transformation. Ausgerechnet ich? Was hatte ich dort zu suchen? Aber wenn Google der Meinung ist, man gehört dazu, dann ist es wohl so. Wenn jemand alles über mich weiß, dann die.

Das Ende meines Stipendiums bedeutete allerdings auch den Beginn meiner offiziellen Arbeitslosigkeit. Am Ausfüllen eines Arbeitslosengeld-II-Antrags – vulgo: »Hartz IV« – scheiterte ich intellektuell (jeder, der das schon versucht hat, weiß, wovon ich spreche). Ich bewarb mich um offene Stellen bei den großen Umweltorganisationen; schließlich war ich Klimaschutz-Aktivist, seit ich 15 war. Doch die luden mich nicht einmal zum Vorstellungsgespräch ein – obwohl ich an drei UNKlimakonferenzen teilgenommen, ein preisgekröntes Buch zur Energiewende veröffentlicht, und sogar meine Doktorarbeit der deutschen Energiepolitik gewidmet hatte! Ich fühlte mich wie ein Hochstapler: Offenbar konnte ich so wenig, dass es nicht einmal zu einem Jobinterview reichte. Würde mich jemals jemand einstellen?

Über Umwege meldete sich der Chef des deutschen Digitalverbands bei mir: Er würde gern mit mir über eine Stelle als Lobbyist sprechen, für die er seit Monaten ohne Erfolg einen passenden Kandidaten suche. Gerade zurück aus Oxford, und mit meinem druckfrischen Buch mit einem dicken Kapitel über digitale Transformation in der Tasche, war das ein nahezu perfektes Match – und das zu einem wesentlich höheren Gehalt, als es Umweltorganisationen jemals bezahlen würden. Zu der Zeit war ich gerade 30 geworden. Fortan ging ich bei Konzernen genauso ein und aus wie bei Ministerien und Parteizentralen und beschäftigte mich mit Themen wie digitaler Nachhaltigkeit, der Regulierung sozialer Medien, der Transformation der Energieversorgung, selbstfahrenden Autos und Künstlicher Intelligenz. Ich arbeitete extrem viel, lernte schnell und hatte unglaublich viel Spaß dabei.

Eines Tages bekam ich eine E-Mail von Facebook, ob ich nicht Lust hätte, mit Mark Zuckerberg für zwei Stunden zu Mittag zu essen. Klar, warum nicht? Da saß ich nun mit dem Facebook-Chef und rund einem Dutzend Professorinnen und Professoren in der Facebook-Zentrale über den Dächern Berlins am Potsdamer Platz, futterte mein Drei-Gänge-Menü und stellte möglichst toughe Fragen. Im echten Leben sieht Mark übrigens wirklich so aus, wie man ihn von Fotos kennt: ziemlich blass. Vor jeder Antwort nimmt er sich eine Sekunde Zeit, geht in sich, überlegt. Ich muss gestehen, dass er sehr nahbar und einnehmend wirkt.

Kurze Zeit später schickte mir ein Freund ein Foto von der f8, der jährlichen Facebook-Entwicklerkonferenz im Silicon Valley: Dort steht Mark auf einer riesigen Bühne und präsentiert ein Foto, auf dem unser Mittagessen abgebildet ist! Wie bin ich bloß dahingekommen?

Lunch mit Mark Zuckerberg in der Berliner Facebook-Zentrale. Quelle: Facebook.

Noch immer lebte ich mit dem Gefühl, irgendwann doch ertappt zu werden: Wann würde auffallen, dass ich in Wahrheit gar nichts kann? Doch noch war mir niemand auf die Schliche gekommen. Nach drei Jahren als Lobbyist im deutschen Digitalverband luden mich Google, Instagram, TikTok, Volkswagen und andere globale Konzerne zu Vorstellungsgesprächen für Spitzenpositionen ein. Um ein Haar wäre ich Redenschreiber des Bundespräsidenten geworden.

An einem Mittwochabend um 21 Uhr rief mich der Leiter des Cyber Innovation Hub der Bundeswehr an, der digitalen Eliteeinheit unserer Streitkräfte. Wir hatten uns einige Wochen zuvor während einer Podiumsdebatte bei McKinsey kennengelernt. Nach dem ersten Eindruck hielt ich ihn für einen seltsamen alten weißen Mann in Marineuniform, aber seine Geschichte als Seriengründer mehrerer Unternehmen im Bereich Künstlicher Intelligenz und seine lässige Art sorgten schnell für Sympathie. Seit langem suche er nach einem neuen Mitarbeiter in seinem Team, erzählte er am Telefon, und immer wieder höre er meinen Namen. »Wir sollten mal essen gehen.« Das taten wir. Bei Trüffelpasta und Wein sinnierten wir mehrere Stunden über digitale Innovation im Staat. Dann sagte ich zu und brach alle anderen Gespräche ab. Ich wollte meinem Land etwas zurückgeben, und das war meine Gelegenheit.

Fortan arbeitete ich in engem Schulterschluss mit Soldaten und zivilen Experten daran, die Bundeswehr agil zu machen. Ich lernte besondere Menschen kennen: den Kommandanten eines Minenjagdboots, der während der Corona-Pandemie mit seiner Mannschaft für sechs Monate zur See war – mit 40 Personen an Bord, in Sechsbett-Kabinen, ohne Handyempfang; die Offizierin, die erzählte, wie es sich anfühlt, ein Leichentuch für die eigene Beerdigung zu kaufen – weil sie nach Afghanistan ging und die Bundeswehr für Muslima keine militärische Seelsorge anbietet; den General, der das Kommando für die deutsche Mission in Afghanistan innehatte und der mir mahnend ein Video eines tödlichen Gefechts zeigte, das ich nie in meinem Leben vergessen werde; den Ex-Hacker, der sich aus der Armut einer türkischen Einwandererfamilie hochgearbeitet hatte, schließlich ein Cybersecurity-Start-up gründete und nun führend in Zivil für die Bundeswehr arbeitet. Und alle wussten, warum sie jeden Morgen aufstehen.

Immer noch bemerkte niemand, dass ich die überhöhten Erwartungen gar nicht würde erfüllen können; dass ich gar nicht würde liefern können, was man sich versprochen hatte. Aber wieder flog ich nicht auf. Vielleicht konnte ich doch mehr, als ich mir selbst zutraute?

Nach einem Jahr in der digitalen Elitetruppe der Streitkräfte bat mich ein Start-up-Gründer um ein Gespräch. Ich sei ihm als der ideale Kandidat empfohlen worden, erzählte er. Zunächst winkte ich ab, wie bei anderen Jobangeboten, die ich inzwischen regelmäßig bekam. Aber dann skizzierte er seine Vision: auf jedes Dach der Welt eine Solarenergie-Anlage zu bauen, den größten Energiekonzern der Welt zu schaffen, und die Klimakrise abzuwenden. Mit dem gesamten Führungsteam diskutierte ich stundenlang, wie man mit einem Start-up der globalen Energiewende zum Durchbruch verhelfen könne. So wurde ich Chief Evangelist, oberster »Chefprediger«, des inzwischen größten deutschen Solardächer-Start-ups Enpal, des »deutschen Tesla« (Manager Magazin). Es ist das erste Unternehmen in Deutschland, in das Leonardo DiCaprio mehrere Millionen investierte.

Noch heute wundere ich mich in mancher stillen Minute, wie ein blasser dünner Junge vom Dorf ins Epizentrum der deutschen Start-up-Welt stolpern konnte. Als ich damals mit 20 in meine Studenten-WG einzog, hatte ich keinen blassen Schimmer von der Welt da draußen. Ich konnte nicht einmal Nudeln kochen. Heute ist immer noch kein Bart Simpson aus mir geworden. Dennoch ist mein Leben ein völlig anderes. Ich bin nicht mehr so blass und ungepflegt. Ich trage Kleidung, die mir gefällt. Ich kann mir den Italiener ums Eck sorglos leisten – und habe Internet. Ich bin Spitzenverdiener, auf Konferenzen teile ich die Bühne mit Angela Merkel, esse mit Konzernchefs zu Mittag und werde im Fernsehen nach meiner Meinung gefragt.

Ich will damit gar nicht prahlen. So besonders bin ich nicht. Ehrlich gesagt, bin ich weder richtig berühmt, noch habe ich irgendeinen Weltrekord aufgestellt, noch bin ich Multimillionär – zumindest noch nicht. Ich tauge nicht zum Vorbild, und ich werde wohl in kein Geschichtsbuch eingehen. Es gibt etliche Menschen, die erfolgreicher sind als ich.

Für mich zählt der Kontrast, wie ich früher war, wie wenige Chancen ich hatte – und dass ich dennoch mein Leben selbst in die Hand nehmen konnte.

Damit bin ich nicht allein. Jeder kann zum Helden seines eigenen Lebens werden – zur besten Version von sich selbst. Was ich kann, das kannst du auch.

»I still have a little [bit of] impostor syndrome, it never goes away (...), that feeling that you shouldn’t take me that seriously. What do I know? I share that with you because we all have doubts in our abilities, about our power and what that power is.«

Michelle Obama über das seltsame Gefühl, irgendwann als Hochstaplerin entlarvt zu werden2

Auf der Suche nach einem Ratgeber schrieb ich selbst einen

Mein Weg von unten nach oben klappte mit harter Arbeit, verlässlichen Freunden und einer riesigen Portion Glück. Warum muss das so beschwerlich sein? Geht das nicht einfacher? Kann man das nicht irgendwo nachlesen?

Ich machte mich auf die Suche nach einem Ratgeber für das Leben. Ich arbeitete mich durch einen ganzen Berg an Literatur zu Karriere und Selbstentwicklung, aber nichts stellte mich zufrieden. Die meisten Bücher behandelten nur ein Thema – nur produktives Arbeiten, nur Geldanlage oder nur Gesundheit –, aber ich wollte ja alles auf einmal. Einige Bücher waren komplett überladen, andere zu bruchstückhaft, wiederum andere hoffnungslos veraltet. Oft waren ein paar seichte Thesen mit Mühe und Not auf Buchlänge ausgedehnt. Manche Bücher über Zeitmanagement hätte man auf einer Seite zusammenfassen können. So raubten ausgerechnet Ratgeber einem die Zeit, die doch eigentlich zeigen wollten, wie man sich mehr Zeit verschafft.

Nichts aber fand ich so schlimm wie die Erzeugnisse der berühmtesten sogenannten Erfolgstrainer.

Einmal kam ich abends nach Hause und meine damalige Mitbewohnerin Laura schaute einen Film auf Netflix: I am not your Guru. Sie war begeistert von der »Dokumentation«, ich verdrehte schnell die Augen: Es handelte sich um einen Werbefilm über Starcoach Tony Robbins, den vermutlich bekanntesten Erfolgsguru der Welt. Für ein Massenseminar mit teilweise 9.000 Teilnehmern muss man zwischen 2.500 und 5.000 Dollar auf den Tisch blättern. Immerhin nur 400 Dollar kostete mich die covidbedingte Billigvariante, ein viertägiger Onlinekurs. Der Meister selbst war allerdings nur selten dabei. Den Rest erledigten Hilfsgurus, die weitere Seminare und unnütze Produkte vertickten. Eine große Show, aber inhaltlich dünn und einiges nachweislich falsch. Ich hatte mir mehr erwartet als eine Dauerwerbesendung mit Motivationssprüchen und Teleshopping.3

Tony Robbins mag life-changing sein für Leute, die am Anfang ihrer Selbstfindung stehen und einen charismatischen Guru brauchen, um endlich mal ein paar Gedanken in einem Tagebuch zu formulieren. Oder die über glühende Kohlen laufen wollen. Alle anderen können sich das Geld sparen.4

Die deutsche Reinkarnation von Tony Robbins heißt Jürgen Höller. Trotz hässlicher Anzüge ist er zu »Europas erfolgreichstem Motivationstrainer« (RTL) aufgestiegen. Als seine Vorbilder benennt er Jesus Christus, Muhammad Ali und Arnold Schwarzenegger, und man fragt sich, ob es nicht auch eine Nummer bescheidener ginge (Frauen sind nicht unter seinen Vorbildern). Bei seinen Massenseminaren ruft Jürgen Höller von der Bühne: »Willst du wirklich erfolgreich sein?« Das Publikum jubelt: »Ja!« Darauf Höller: »Willst du dafür auch Geld ausgeben?« Und der Saal schreit: »Ja!« Prima, denn zum Glück gibt es ein »Sonderangebot« für die »Power Days« in Höhe von 1.497 Euro. »Wenn du nicht einmal bereit bist, diese 1.497 Euro zu investieren, warum soll das Universum dir helfen, ein besseres, ein erfolgreicheres Leben zu führen?« Der Saal klatscht und kreischt, und am Ende werfen die Leute einen Monatslohn zum Fenster raus und springen tanzend herum.

In seinem E-Book lüftet Höller die »geheimen« Erfolgsregeln, die angeblich bereits Leonardo da Vinci, Michelangelo, Isaac Newton, Johann Wolfgang von Goethe, Thomas Edison und Henry Ford kannten und anwandten (no joke!), wobei man sich fragt, wie alle diese Männer (Frauen kennen die geheimen Regeln offenbar nicht) über Jahrhunderte und über Kontinente hinweg das alles geheimhalten konnten, bis endlich Jürgen Höller uns erlöste und die Erfolgsgeheimnisse offenbarte. Das Layout des E-Books ist so miserabel, dass man damit nicht einmal ein Praktikum bei der Sparkasse Tirschenreuth bekommen würde. Wenn man sich nicht schon vorher fremdgeschämt hat, dann tut man es jetzt.5

Der Bestsellerautor Bodo Schäfer verspricht »in sieben Jahren die erste Million«, meint aber vermutlich sein Bankkonto. Wie dieser magische Finanzplan aussehen soll, wird natürlich nicht erklärt. Stattdessen empfiehlt er, immer einen 500-Euro-Schein im Portemonnaie mitzuführen, so zur Motivation.6 OK Boomer.7

Wenn ich ein Buch über Leben und Karriere wollte, musste ich wohl selbst eines schreiben.

Also legte ich los. Alle Bücher, die ich finden konnte, kamen auf meinen Lesestapel, egal ob zu Karriere, Geld oder Glück, egal ob alte Klassiker oder neueste Bestseller. Ich durchforstete Datenbanken und recherchierte die wissenschaftliche Studienlage. Bei McKinsey in Wien, bei pwc am Potsdamer Platz, bei DHL im Post-Tower in Bonn und in anderen Unternehmen nahm ich an Trainings teil. Und ich sprach mit etlichen Menschen, die erfahrener, talentierter und schlauer sind als ich selbst.

In diesen Seiten stecken über 100 Bücher, minus Bullshit, plus stapelweise wissenschaftliche Studien. Ich habe noch niemals »Tschakka, du schaffst es!!!« von der Bühne geschrien und gedenke auch nicht, dies jemals zu tun. Ich bin kein Coach und kein Trainer, der davon lebt, zu coachen und zu trainieren. Ich startete bei null im Leben und musste vieles selbst auf die harte Tour mühsam lernen.

Dieses Buch ist ein Erfahrungsbericht für Leben und Karriere: über produktives Arbeiten, berufliches Netzwerken, Verhandlungsführung, Achtsamkeit, Geldanlage sowie Gesundheit und Ernährung. Alles, was ich gern vor zehn Jahren oder, noch besser, vor 15 Jahren gewusst hätte.

Dies ist kein Lehrbuch, denn ich bin kein Professor. Es ist auch keine Gebrauchsanweisung, denn dein Leben ist ja auch kein Ikea-Regal. Es ist ein Angebot, das du nutzen kannst, wie es für dich passt.

Nutze dieses Buch wie ein Büffet: Nimm dir, was du magst und so viel du willst. Lass liegen oder schau nur kurz an, was dir nicht gefällt. Wenn du etwas probierst und es ist nicht ganz dein Geschmack, dann lass es gerne übrig. Lies das Buch von vorn bis hinten oder picke einzelne Kapitel raus, die dich interessieren – egal in welcher Reihenfolge. Alles kann, nichts muss.

Schauen:

ARD, Der Motivationstrainer, in der ARD-Mediathek und auf YouTube – Dokumentarfilm über Jürgen Höller, der einen ganz besonderen Einblick in dessen Methoden (und Charakter) gibt.

Steve Jobs, Stanford Commencement Address, auf You-Tube – Für meine Generation ist der Apple-Gründer eine Legende. In dieser berühmten Ansprache an die Graduierten der prestigeträchtigen Stanford University, die er selbst besucht hatte, aber an der er nie einen Abschluss machte, gibt er der jungen Generation drei Erfahrungen aus seinem Leben mit.8

Lesen:

Christian Busch: The Serendipity Mindset. The Art and Science of Creating Good Luck

alle Bücher von Julia Friedrichs, vor allem: Ideale. Auf der Suche nach dem, was zählt; Gestatten: Elite und Working Class

Hören:

How to Hack, #115: Natalya Nepomnyashcha (Netzwerk Chancen) über sozialen Aufstieg, Spotify

Realitäter*innen, Wie schwer ist sozialer Aufstieg in Deutschland?, Spotify

Tun:

The Life Canvas, thelifecanvas.org – Inspiriert vom Business Model Canvas, einem bekannten Managementinstrument zur Erstellung von Businessplänen, entwickelte die Karriereberaterin Songya Kesler von der Cambridge Judge Business School eine Denkschablone, die dir hilft, über dein Glück und deinen Plan im Leben nachzudenken.

Leidest du unter dem Hochstapler-Syndrom? Einen Selbsttest findest du hier: http://impostortest.nickol.as/

SMART WORK BEATS HARD WORK

WIE DU IN DER HÄLFTE DER ZEIT DOPPELT SO VIEL SCHAFFST

In diesem Kapitel erfährst du unter anderem,

wie du richtig prokrastinierst;

wie minimale Verbesserungen zu maximalen Ergebnissen führen;

was du von US-Präsident Eisenhower über das Priorisieren von Aufgaben lernen kannst;

wie du Meetings effizienter machst;

was McKinsey-Legende Barbara Minto zu Problembären zu sagen hätte.

Dieses Kapitel richtet sich vor allem an Menschen, die am Computer arbeiten. Das ist laut Bitkom Digital Office Index immerhin fast die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland.9 Wer nicht oder wenig am Bildschirm arbeitet, kann aber auch von einigen der Erfahrungen profitieren.

Jahrelang war ich als Autor und Doktorand mein eigener Chef. Das hieß: keine Vorgesetzten, keine Kolleginnen oder Kollegen, kein Büro, kein tägliches 9-to-5. Jede Minute, die ich produktiver arbeitete, verschaffte mir Zeit für andere Dinge – also andere Arbeit, die mir mehr Spaß machte oder mehr Geld brachte, für mein ehrenamtliches Engagement oder eben für Freizeit. Langer Urlaub, yeah!

Schnell und intuitiv lernte ich, wie ich aus möglichst wenig Zeit möglichst viel herausholte. Meine Doktorarbeit war nach gut zwei Jahren fertig. Andere schreiben vier (und mehr) Jahre daran. Dem Ergebnis hat es nicht geschadet.

Produktivität heißt nicht, härter zu arbeiten, sondern smarter zu arbeiten. Anders formuliert: die richtigen Ziele möglichst gut erreichen, in kürzerer Zeit und mit weniger Anstrengung. Wer seine Zeit perfekt managt, aber sein Ziel nicht kennt, der tut lediglich das Falsche oder Unwichtige besser.

Mein Professor an der Uni Regensburg erzählte vom angeblich einstmals verbreiteten Brauch des »Fensterlns«: Nachts schlichen sich die Junggesellen heimlich zu ihren Geliebten, indem sie mit einer Leiter in das Schlafzimmer kletterten. Effizient, also ressourcenschonend, fensterlt jemand, der beim Klettern wenig Kraft aufwenden muss und schnell nach oben kommt. Effektiv, also wirksam, ist das Fensterln aber nur dann, wenn der Junggeselle auch das richtige Fenster erwischt und nicht versehentlich das Fenster der Schwiegermutter in spe. Wer lernt, beides zu kombinieren, fensterlt produktiv.

Zeitmanagement half mir enorm bei meinem ersten Angestelltenjob. Der deutsche Digitalverband, ein Zusammenschluss von Start-ups, Mittelständlern und Großkonzernen, übertrug mir die Aufgabe, den Bereich »Digitale Transformation« aufzubauen. Erstmals bestimmte ich nicht mehr selbst über Ort, Zeit und Gegenstände meines Arbeitens, sondern war eingebunden in ein Team, das an zwei Standorten, mit verschiedenen Abteilungen und komplexen, sich ständig ändernden Prozessen arbeitete. Dazu kam das Präsidium, bestehend aus gewählten Vertretern der Mitgliedsunternehmen, die zufrieden sein und alles Mögliche durchwinken mussten – plus die 700 Start-ups, Agenturen, Kanzleien, Verlage und Konzerne, die Mitgliedsbeiträge zahlten und eine Leistung für ihr Geld erwarteten. Überdies die vielen Kontakte in Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die ich für uns begeistern sollte. Ich hatte einige Bälle zu jonglieren.

Anfangs versuchte ich, meine Kollegen zu kopieren, weil ich neu war und nichts falsch machen wollte. Bald fand ich heraus, wie ich trotz der Einbettung in die Verbandsprozesse mit meinen eigenen Methoden arbeiten und manche Prozesse neu denken konnte – nicht als Selbstzweck, sondern um meine Arbeit und die unseres Teams schneller und besser zu erledigen. Immer öfter wurden Projekte, die bislang nicht funktionierten, auf mich übertragen, weil man mir zutraute, die Dinge in den Griff zu bekommen. Meinem Chef verhandelte ich ab, dass ich die Projekte nur unter der Maßgabe übernehme, dass ich die Sache auf meine Art und Weise regeln durfte.

Was gute Arbeitgeber heute begreifen: Am Ende zählt nicht, wie lange du halbkonzentriert körperlich anwesend bist, nur um deine Stunden abzusitzen, sondern ob du qualitativ hochwertige Ergebnisse rechtzeitig lieferst. Du kannst nicht produktiv arbeiten, wenn dein Hirn matschig und dein Körper erschöpft ist. Smarte Arbeit schlägt harte Arbeit.

Die Torte der Wahrheit. Eigene Darstellung in Anlehnung an Miriam Junge.

Nicht mehr, sondern besser

Ein befreundeter Unternehmensberater arbeitet regelmäßig 60 bis 80 Stunden die Woche. Einmal forderte sein Vorgesetzter drei Tage vor Projektende, doppelt so viele PowerPoint-Slides zu erstellen wie ursprünglich geplant. »War der Kunde dann auch doppelt so zufrieden, weil ihr ihm doppelt so viele Folien geliefert habt?«, fragte ich. »Nein, dem Kunden war das egal. Wir versuchten auch, den Vorgesetzten davon zu überzeugen. Aber der wollte eben nicht anders.« Wer solche Chefs hat, braucht keine Feinde mehr.

Morten Hansen, Managementprofessor an der University of California in Berkeley, hat über 5.000 Beschäftigte fünf Jahre lang untersucht und konnte nachweisen: Wer durchschnittlich 30 bis 50 Stunden pro Woche arbeitet, kann seine Leistung durch mehr Arbeitsstunden zwar vorübergehend steigern. Wer aber ständig länger arbeitet, erbringt nicht mehr Leistung, sondern sogar weniger, obwohl er in Summe mehr arbeitet! »Wir sollten anders arbeiten statt mehr«, sagt Hansen: weniger Stunden, aber dafür mit Fokus und Leidenschaft, und mit weniger Störung und Ablenkung.10

Studien der Stanford University11 zeigen: Wir sind zwar acht Stunden körperlich anwesend. Aber nur zweieinhalb Stunden sind wir wirklich konzentriert. Diese Zeit muss man möglichst optimal ausschöpfen, und den Rest mit Aufgaben ausfüllen, die weniger geistige Anstrengung erfordern.

»I choose a lazy person to do a hard job. Because a lazy person will find an easy way to do it.«

Bill Gates, Gründer von Microsoft

Dummerweise hat Arbeitszeit die seltsame Eigenschaft, dass sie nie zu viel ist, sondern dass man die Aufgaben immer gerade so schafft. Das ist das sogenannte Parkinsonsche Gesetz, benannt nach dem britischen Soziologen Cyril N. Parkinson: »Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht« – und eben nicht so weit, wie sie tatsächlich an Zeit benötigt.12

Teresa Amabile, BWL-Professorin an der Harvard Business School, ließ in einem Experiment über 1.000 Probanden stupide Sätze abschreiben, räumte den Testpersonen dafür aber absichtlich zu viel Zeit ein. Anstatt die langweilige Aufgabe schnell über die Bühne zu bekommen, trödelten sie lieber vor sich hin. Bei einer Vergleichsgruppe, die weniger Zeit für die Aufgabe erhielt, waren die Testpersonen wie auf magische Weise schneller fertig.13 Business ist eben kein Indikator für Produktivität.

Als Microsoft in Japan probeweise die Vier-Tage-Woche einführte, stieg die Produktivität schlagartig um 40 Prozent.14 Ein erholter Mitarbeiter ist auf jeden Fall produktiver als ein Mitarbeiter mit Burn-out, denn der arbeitet gar nicht mehr. Ein Kollege von mir fiel einmal wegen Krankheit aus. Erst für drei Tage. Dann für vier Wochen. Dann für drei Monate. Dann für ein halbes Jahr. Dann nochmal für ein halbes Jahr. Diagnose: Burn-out. Eine Vertretung konnte man nicht anstellen, weil sich die lange Suche und Einarbeitung nicht gelohnt hätte – und man nicht wusste, wie lange der Kollege wirklich ausfallen würde. Seine Arbeit wurde gar nicht mehr gemacht. Auch für Arbeitgeber lohnt es sich, genau hinzuschauen, wenn die Mitarbeiter überlastet sind.

Wir alle brauchen ein Leben neben dem Job, selbst wenn er Sinn, Spaß und Erfüllung bringt. Jeder verdient ein Privatleben. Don’t forget to go home!

Wie man echte Ziele setzt – und richtig prokrastiniert

Es gibt Dinge, die man tun, haben oder sein möchte, bevor man tot (oder einfach zu alt) dafür ist. Bei mir ist das: ein begnadeter Salsa-Tänzer sein; den Iran bereisen; das Nordlicht sehen; Spanisch sprechen; einen Podcast machen; richtig gut Volleyball spielen.

Es hilft, Pläne zu machen. Sonst verstreicht die Zeit, und man merkt plötzlich, dass man seine Vorsätze schon wieder nicht erfüllt hat. Schreib dir auf, was du in sechs Monaten, in zwölf Monaten, in zwei und in fünf Jahren getan haben, besitzen oder sein möchtest – ambitioniert, aber realistisch. Das ist deine Bucket List. Du kannst deine Ziele auch visualisieren, also dir beispielsweise an einer Tür oder am Kühlschrank aufhängen. Das erinnert dich täglich daran.

Leider gibt es keinen Schalter im Kopf, den man einfach umlegen könnte und schwupps, hört man auf zu rauchen oder ist hochmotiviert für den Spanischkurs um 8 Uhr früh. Bei manchen mag das manchmal klappen, doch die Regel sieht anders aus: Kaum will man sich an die eigentliche Aufgabe machen, ist alles andere plötzlich wichtiger – die berühmte Prokrastination. Diese »Aufschieberitis« ist an sich ein völlig natürlicher Mechanismus: Wir prokrastinieren, wenn wir uns überfordert fühlen. Das kann sogar dann der Fall sein, wenn die Aufgabe eigentlich nicht so fordernd ist, sondern liegt einfach daran, dass wir das Neue nicht gewohnt sind. Unser Hirn liebt Gewohnheit und Routinen, und leider auch die schlechten, die wir eigentlich gar nicht mögen. Wie, was und wann wir arbeiten, essen, trinken und so weiter, auf all das haben wir unser Gehirn gut programmiert, damit wir unseren Energiespeicher für andere Dinge nutzen können.

Die Probleme der Prokrastination. Quelle: Twitter.

Das Schreiben eines Artikels kann einen Tag brauchen, eine Woche oder auch einen Monat. Wer für seine Doktorarbeit drei Jahre bewilligt bekommt, der wird nicht schon nach zwei Jahren abgeben. Es dauert immer so lange, wie man Zeit hat. Als die National Science Foundation der USA die Abgabefristen für Forschungsanträge lockerte, nahm die Zahl der Einreichungen um 59 Prozent ab – obwohl man eigentlich das Gegenteil erreichen wollte.15 Das ist typisch menschlich: Wer sich vornimmt, »mal zu schauen, wie weit ich komme«, wird nicht fertig. Das Problem: Je länger man aufschiebt, desto mehr muss man später auf einen Schlag nachholen – und das unter Zeitdruck. Das geht selten gut.

[BEISPIEL]

Eine Freundin prokrastinierte bei ihrer Masterarbeit so lange, dass sie am Tag der Abgabe noch nicht fertig war. Sie schrie ihren Laptop an und konnte nicht mehr. Ich übernahm und rettete, was möglich war, inklusive Ausdruck und persönlicher Abgabe im Prüfungsamt, weil für die Post die Zeit fehlte. Das Ergebnis war deutlich schlechter, als es hätte sein können. Die Note ebenfalls.

Wer das vermeiden will, sollte lieber früh anfangen und sich einen klaren Plan machen. Dafür brauchst du nicht nur das Ziel (»Was will ich erreichen, wohin will ich kommen?«), sondern vor allem ein System (»Wie komme ich dorthin?«). Dieses System darf dir möglichst wenig Willenskraft und Disziplin abverlangen. Daraus folgen zwei Prinzipien:

Mach es dir so einfach wie möglich, deinen Plan umzusetzen.

Mach es dir so schwer wie möglich, deinen Plan zu brechen.

Auf dieser Basis baut man sich ein System aus Anreizen: Wie ein Esel mit einer Karotte vor der Nase und der Peitsche am Hintern bringt man sich selbst dazu, seinen Plan wirklich zu befolgen, ohne viel darüber nachdenken zu müssen. Wer sich besser ernähren möchte, kauft keine ungesunden Lebensmittel mehr – wenn die Chips nicht im Schrank lagern, kommt man gar nicht erst in Versuchung, beim Netflixen abends die Packung leer zu futtern. Wer mehr Sport treiben will, schließt sich mit Freunden zu einem Team zusammen und schafft sich hierdurch mehr Verbindlichkeit. Vielleicht mietet man sich sogar zusammen einen Sportplatz und engagiert einen Trainer und muss dann die vereinbarten Termine auch tatsächlich einhalten. Wer mehr lesen will, legt sich ein Buch neben das Bett; wer weniger rauchen will, verbannt alle Aschenbecher und Feuerzeuge; wer mehr Muskeln will, hängt sich eine Klimmzugstange in die Schlafzimmertür.

[BEISPIEL]

Google hat in seinen Büros die kostenlosen Süßigkeiten in Schubladen und Boxen vor den hungrigen Augen der Mitarbeiter »versteckt« – und allein dadurch den Konsum der Süßigkeiten reduziert, im Vergleich zu vorher, wo sie offen in Körben herumlagen. Einzig der Handgriff, einen Deckel öffnen zu müssen, um an die Schokolade zu gelangen, verändert das menschliche Verhalten.

[BEISPIEL]

Da ich mehr Yoga machen will, lege ich die Yogamatte immer bereit und bitte meine Freundin, mit mir zusammen jeden Sonntag eine Session zu machen. Das erhöht die Anreize durchzuhalten.

Der Plan muss das Ziel systematisch formulieren. »Ich will mehr Sport machen« ist ein zu schwammiger Vorsatz, den man im realen Leben schleifen lässt. Du musst genau festlegen, was du bis wann exakt messbar erreichen wirst: »Ich spiele einmal pro Woche Volleyball über die Sommersaison.« Das macht dein Ziel smart: spezifisch, messbar, aktivierend, realistisch und terminiert. Nur so ist dein Ziel eindeutig, du kannst deinen Fortschritt tracken und machst dir klar, was du erreichen willst – und weißt auch erst dann, ob du noch auf der Zielgeraden bist.

Ziele müssen SMART sein

S

Specific

Spezifisch

eindeutig definiert, nicht vage

M

Measurable

Messbar

messbar anhand von Kriterien

A

Activating

Aktivierend

wünschens- und erstrebenswert

R

Reasonable

Realistisch

machbar, nicht utopisch

T

Time-bound

Terminiert

mit fixem Enddatum versehen

Eigene Darstellung in Anlehnung an Peter Drucker.16

[BEISPIEL]

Ich habe mir zum Ziel gesetzt, mehr Yoga zu machen. In die SMART-Formel übersetzt habe ich das wie folgt:

spezifisch: Ich möchte mit gestreckten Beinen mit den Fingern meine Zehen berühren können, ohne dass es schmerzt.

messbar: Ich mache mindestens einmal pro Woche für mindestens eine Stunde Yoga.

aktivierend: Ich freue mich darauf, dass ich damit weniger verspannt und besser erholt bin. Yoga tut außerdem Rücken, Schultern und Nacken gut. Und meine Freundin macht mit!

realistisch: Eine Stunde am Wochenende bekomme ich auf jeden Fall hin.

terminiert: Ich möchte das Ziel innerhalb eines Jahres erreicht haben.

Ziele müssen zeitlich geplant werden, sonst wird man sie immer vor sich herschieben. Dieser Zeitplan muss fixe Deadlines für erste Zwischenschritte setzen, lange bevor es brenzlig wird. Läuft die Frist erst nächstes Jahr ab, lässt man sich bis dahin eben viel Zeit. »Die Energie, die man in ein Projekt investiert, steigt proportional zur abnehmenden verbleibenden Zeit«, lautet Edwards Gesetz von Zeit und Aufwand, benannt nach dem legendären Ingenieur Edward A. Murphy: Je näher die Deadline rückt, desto mehr strengen wir uns an.

Plan statt Panik. Eigene Darstellung in Anlehnung an Tim Reichel.

Du kannst in deinem Kalender feste Blocker eintragen, in denen du vermerkst, welche Aufgabe du konkret wann und wo erledigen willst (»Timeboxing«). Ist der Termin erst einmal fest notiert, wirst du eher durchhalten. Erzähle möglichst vielen Freunden davon; das erhöht die Verbindlichkeit.17

[BEISPIEL]

Jeden Dienstag 19 Uhr spiele ich Volleyball in Beachmitte, trage das im Kalender ein und poste jeden Dienstag auf Instagram ein Foto vom Beachvolleyballspielen: »Tuesday is Beach Day.« Dadurch wissen meine Freunde: An dem Tag habe ich keine Zeit. So schaffe ich es zum Volleyball, egal bei welchem Wetter und egal wie schlapp ich mich fühle – auch ohne eiserne Disziplin.

Baue bei der Zeitplanung einen Puffer ein. Wenn du die Weihnachtsgeschenke am 24. Dezember haben musst, plane die Einkaufstour lieber für den 24. November. Wenn du im nächsten April am Halbmarathon teilnehmen möchtest, dann mach dir einen Trainingsplan, mit dem du bereits im Februar die Generalprobe bestehst. Denn wir tendieren dazu zu unterschätzen, wie lange wir für die Erledigung einer Aufgabe brauchen, und kalkulieren mit einem Best-Case-Szenario statt mit dem realen Leben mit all seinen unvorhergesehenen Zwischenfällen. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman hat an Beispielen wie dem Ausfüllen von Steuerformularen oder dem Aufbau von Möbeln nachgewiesen, wie heftig wir mit unseren Schätzungen über den Zeitaufwand danebenliegen.18 Daher sollte man immer reichlich Puffer einkalkulieren – und wenn man doch schneller fertig ist, feiert man den Bonus der geschenkten Zeit.

Hast du die Aufgabe bereits vor der Deadline erledigt, kannst du dir immer noch Zeit lassen, tatsächlich abzugeben – sonst läufst du Gefahr, unangenehm herauszustechen, da alle anderen ja viel später abgeben (»Schon fertig? Da kann was nicht stimmen!«), oder deine Chefin drückt dir noch mehr Arbeitspakete auf. Liefere also lieber pünktlich als überpünktlich ab, und nutze die gewonnene Zeit, um dich anderen Dingen zu widmen – oder einfach nach Hause zu gehen.

Die 1-Prozent-Regel: Warum es darauf ankommt, klein anzufangen

Die 1-Prozent-Regel sagt: Lieber mit minimalen Veränderungen anfangen, als sich große Ziele zu setzen und dann die Motivation zu verlieren. Kleine Schritte machen dich zwar nicht von heute auf morgen klüger, talentierter oder sportlicher. Du merkst die Verbesserung vermutlich gar nicht. Aber wenn du jeden Tag 1 Prozent besser wirst, bist du nach einem Jahr 37-mal so gut wie vorher. Minimale Veränderungen addieren sich auf und erzielen in ihrer Summe maximale Wirkung.

Große Ziele portioniert man in kleine Unteraufgaben: Zehn Minuten Vokabeltraining am Tag ist besser als zwei Stunden die Woche. Der Zeitraum ist insgesamt zwar etwas kürzer, dafür ist das Lernen aber regelmäßiger – und wird bald zur Gewohnheit. Man fängt bewusst sehr klein an, übt diese Kleinigkeit so oft wie möglich und baut darauf auf.

Am effektivsten wird eine neue Gewohnheit, wenn sie Teil deiner Identität wird. Du machst nicht nur Yoga, sondern du bist Yogi. Du läufst nicht nur zwei Mal pro Woche, sondern du bist Läufer. Du arbeitest nicht einfach nur gut, sondern du bist Leistungsträger. Lass Gewohnheiten zum Teil von dir werden. Dann brauchst du nicht mehr darüber nachdenken, sondern folgst der neuen Routine unbewusst wie von selbst.

[BEISPIEL]