Zeichen der Wandlung - Massama Kambia - E-Book

Zeichen der Wandlung E-Book

Massama Kambia

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Beschreibung

Drei Kurzgeschichten, durchzogen von ganz alltäglichen Themen wie Liebe, Familie, Zweifel und der Frage nach dem Sinn des Lebens. Sie beschreiben auf einfache Weise einmalige Begegnungen, welche Botschaften der tiefen Ganzwerdung des Seins darstellen. Durch Aufgreifen der Wirkung unserer Entscheidungen regen sie zum Nachdenken an. Mit ihrer Fülle an emotionalen Ereignissen zeigen diese drei Kurzgeschichten, auf was es im Leben wirklich ankommt. Sie geben Hoffnung und Mut, das eigene Leben zu überdenken und sich nicht vor Veränderungen zu scheuen. Denn: Es ist nie zu spät, dem Weg seines Herzens zu folgen, um seinen eigenen wahrhaftigen Pfad zu gehen.

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Seitenzahl: 178

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Esmeraldas Reise

Die Verabredung

Die Schuld

Drei Kurzgeschichten, durchzogen von ganz alltäglichen Themen wie Liebe, Familie, Zweifel und der Frage nach dem Sinn des Lebens. Sie beschreiben auf einfache Weise einmalige Begegnungen, welche Botschaften der tiefen Ganzwerdung des Seins darstellen. Durch Aufgreifen der Wirkung unserer Entscheidungen regen sie zum Nachdenken an.

Mit ihrer Fülle an emotionalen Ereignissen zeigen diese drei Kurzgeschichten, auf was es im Leben wirklich ankommt. Sie geben Hoffnung und Mut, das eigene Leben zu überdenken und sich nicht vor Veränderungen zu scheuen. Denn: Es ist nie zu spät, dem Weg seines Herzens zu folgen, um seinen eigenen wahrhaftigen Pfad zu gehen.

Esmeraldas Reise

Esmeralda hat all das, was sich die meisten Menschen wünschen: eine verlässliche Familie, einen liebevollen Partner und einen guten Job. Doch tief in ihr gibt es eine unbegreifliche Leere, die zu einer ewigen Suche und Unzufriedenheit führt. Schließlich entsteht für sie daraus der tiefe Wunsch, den Grund dieser ewigen Leere zu verstehen und sich damit zu versöhnen. Um Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, entscheidet sie sich, eine mysteriöse Frau zu besuchen.

Die Verabredung

Cassandra, eine junge Frau, hört auf ihre innere Stimme und entscheidet sich für ein paar Erholungstage im Süden Frankreichs. Doch schon die erste Begegnung dieser Reise mit einem frechen Franzosen im Flugzeug droht ihre Hoffnung auf Ruhe zu zerstören. Ein wenig verunsichert erkennt sie dennoch die einmalige Chance, durch unerwartete Begegnungen und daraus entstandene Einblicke sich ihrer Wunden der Vergangenheit zu stellen.

Die Schuld

Wir alle sind Teil einer Herkunftsfamilie, und deren Geschichte beeinflusst unser Leben, auch wenn wir versuchen, davor zu fliehen. Annabellas Strategie der Verdrängung ist beim Anblick des Vaters, der im Sterben liegt und bei der Begegnung mit ihrer alten großen Liebe Jakob kaum noch haltbar. Und so merkt sie, dass unausgesprochene Themen, Vorwürfe, Schuldgefühle und eine verbotene Liebe sie wieder einholen. Annabellas Herz schreit nach Liebe, Vergebung und Versöhnung.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Esmeraldas Reise

Die Verabredung

Die Schuld

Über die Autorin

Atme. Lebe. Liebe. Leuchte.

Vorwort

Anfang des Jahres 2018 nahm ich einen Auftrag der geistigen Welt an. Es ging darum, eine besondere Art der Energiearbeit bei einem Bekannten durchzuführen, der eigentlich nichts von solchen Sachen hält.

Nach erstem Widerstand entschied ich mich, den Auftrag anzunehmen. Auch auf die Gefahr hin, als „Verrückte“ abgestempelt zu werden, fasste ich meinen ganzen Mut zusammen und erklärte der Person, worum es ging. Nach ihrer Zustimmung fand der Termin statt. Es war für mich ein besonderer und tief emotionaler Moment.

Am Folgetag, nach einer tiefen Phase der Melancholie, erschienen mir am Abend eine Menge Bilder. Auch wenn ich in meiner Kindheit und Jugend bereits die Liebe zum Schreiben entdeckt hatte, fühlte sich das, was sich mir nun zeigte, ganz anders an. Es war der Beginn einer intensiven Zeit des Schreibens, die bis zum heutigen Tag anhält.

In diesem Buch finden Sie eine Auswahl dreier Kurzgeschichten, die beim Schreiben eine Menge in mir geheilt haben. Auch sind mir einige Zusammenhänge in einer klaren Einfachheit bewusst geworden.

Wir alle auf diesem Planeten haben unterschiedliche Lebensgeschichten und Aufgaben. Doch jeder, der vollständig in seiner Kraft stehen und seine Meisterschaft erlangen möchte, geht durch verschiedene Phasen der Wandlung, die für den Verstand kaum greifbar sind.

Ich bin meinen Geistführern für diese unerwarteten und unbezahlbaren Geschenke sehr dankbar und auch dankbar für all die Erfahrungen, die mich zu der Person gemacht haben, die ich heute bin. Während der verschiedenen Phasen sind viele Tränen geflossen, doch jede einzelne hatte eine Botschaft an mich. Sie halfen mir, meine Themen zu heilen und mich so anzunehmen, wie ich bin.

Nachdem ich die erste Kurzgeschichte, Esmeraldas Reise, niedergeschrieben hatte, traute ich mich und ließ sie zweimal lesen, korrigieren und beurteilen. Die Rückmeldungen machten mir Mut, meine Geschichten mit ihren besonderen Botschaften zu veröffentlichen.

Ralf und Armin sage ich an dieser Stelle aus tiefstem Herzen meinen Dank für die wertvollen Tipps und die Geduld beim Korrigieren!

Auch bedanke ich mich ganz herzlich bei Nicole für ihr spontanes Angebot, Teile des Manuskriptes zu lesen. Ich hoffe, diese Geschichten werden Sie – wie mich – inspirieren und fesseln. Und sollte dies nicht der Fall sein, dann lassen Sie das Buch an sich vorbeiziehen und atmen Sie tief durch.

Danke für Ihr Sein.

Om & Prem

Massama Kambia

Auch wenn das Leben ein Spiel ist, ist es nicht Teil des Spiels, die Spielregeln zu kennen und zu befolgen?

Esmeraldas Reise

Meine Uhr zeigte 18:16 Uhr. Alda, meine Cousine, sollte mich bereits vor einer Viertelstunde abgeholt haben. Wie oft in den letzten Tagen spürte ich ohne nennenswerten Grund Unruhe in mir. Alle, die mich kennen, wissen zwar, dass ich Pünktlichkeit schätze und es nicht ausstehen kann, wenn Menschen zu spät zu Verabredungen kommen. An diesem Freitagnachmittag war dennoch alles anders: eine Mischung aus Unruhe, Erwartung und gleichzeitig Hoffnung. Ich war gewiss nicht erfreut, dass Alda sich verspätete, aber mich lähmte vor allem die Unruhe; sie drohte mich zu verschlingen. Ich versuchte mich auf das Spiel meiner vierjährigen Nichte Alicia zu konzentrieren, die mir ihre neue Tanzchoreographie vorführte. Leider konnte ich ihr nur ein verkrampftes Lächeln schenken. In dem Moment, als ich ihr einen Kuss geben wollte, klingelte mein Telefon.

„Schatz, ich warte draußen auf dich“, sagte Alda und legte gleich wieder auf.

Ich verabschiedete mich schnell von Alicia und ihrer Mutter und ging nach draußen. Alda kam sofort auf mich zu.

„Sei bitte nicht sauer. Ich konnte nicht eher los. Ein komischer Tag! Solche unvorhersehbaren Ereignisse gehören zur Normalität an den Tagen, wo ich zu ihr fahre! Man könnte meinen, dass Kräfte, welche auch immer sie sein mögen, sich mobilisieren, damit ich es nicht schaffe. Und gleichzeitig passieren Wunder, die mir zeigen: Es ist alles gut. Weißt du, wie ich es meine? Es ist so wie ein Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen in den uns bekannten Märchen. Doch hier herrscht am Ende eine Art Gleichgewicht. Einfach seltsam …“

„Ja, aber trotzdem hättest du …“

„Erinnerst du dich an meinen Kollegen, Pit? Er hat es mir überhaupt erst ermöglicht, rechtzeitig loszufahren! Ich schulde ihm jetzt ein Abendessen. Also, Sralda, ich bekomme noch Geld für das Essen von dir! Wirklich ein unglaublicher Tag … Aber das ist ja immer so, wenn ich zu ihr fahre. Ich hoffe, wir kommen noch rechtzeitig an, aber aufgrund ihrer starken Intuition weiß sie vermutlich bereits, wann wir eintreffen werden. Lass uns nun losfahren, Schatz.“

Alda konnte wie ein Wasserfall reden. Ohne mich mit ihren zahlreichen Erzählungen zu verschonen, fuhr sie los.

Wir waren nun auf dem Weg zu ihr. War sie vielleicht der Grund, warum ich so nervös war? In meinem Zustand hätte ich diese Frage nicht beantworten können. Im Grunde wusste ich nicht, ob ich Alda nun dankbar sein sollte, weil sie in mir die Idee zu diesem Besuch geweckt hatte. Aber war es wirklich so? Oder wollte ich selbst eine solche Erfahrung machen und schob alles auf meine Cousine?

Wir hatten nun eine dreißigminütige Fahrt vor uns, und ich war erstaunlich ruhig während dieser Fahrt. Ich konnte kaum sprechen, geschweige denn klare Gedanken fassen. Es herrschte Schweigen im Auto, und ich war Alda dankbar, dass sie nicht versuchte, mit mir zu reden. Fast die ganze Zeit über schaute ich mir die schöne Landschaft an. Mächtige Palmen standen am Straßenrand wie eine Allee und streckten ihre Wedel in den Himmel. Sie vermittelten ein Gefühl des Friedens – oder vielleicht eher eine Möglichkeit der Zuflucht? Seltsam tiefe Gedanken, die sofort Tränen in mir weckten.

Trotz meines Versuchs, sie herunterzuschlucken und vor Alda zu verbergen, begannen sie zu fließen. Ich konnte gar nicht anders, als ihnen freien Lauf zu lassen, und der salzige Geschmack auf meinen Lippen war mir mehr als vertraut.

In den letzten sechs Monaten hatte ich fast jeden Tag geweint, ohne zu wissen, warum. Das war seltsam, da ich mich gar nicht erinnern konnte, wann ich davor das letzte Mal geweint hatte: vor vier oder fünf Jahren? Sogar beim Tod und bei der Beerdigung meines lieben Vaters vor drei Jahren hatte ich keine Träne vergossen. Und nun, bereits seit Monaten, war ich extrem empfindlich und konnte für mich immer noch nicht den Grund erkennen. Ein beängstigendes Gefühl!

Ich war so vertieft in meine Gedanken, dass ich kaum bemerkte, dass Alda sanft meine Hand berührte.

Ich schaute zu ihr und sagte: „Danke, dass es dich gibt. Ich bin sehr froh, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen. Und ich hoffe, du kannst dabei sein, wenn sie mich empfängt.“

„Sie wird entscheiden, was geht. Mach dir keine Sorgen, Sralda. Es wird alles so kommen, wie es kommen soll und muss. Hast du alles dabei?“

„Ja“, erwiderte ich, „ich bin anwesend und dafür bereit. Das reicht doch aus, oder?“

„Wir sind in etwa fünf Minuten da, Sralda. Konzentriere dich bitte auf dein Anliegen und versuche, entspannt zu bleiben. In Ordnung?“

Ich erwiderte nichts und richtete meinen Blick erneut aus dem Autofenster.

Alda betätigte den Blinker und bog nach rechts in eine Seitenstraße ab. Es waren kaum Häuser zu sehen. Ich konnte mich nicht daran erinnern, schon einmal in diesem Stadtteil gewesen zu sein. Langsam fuhren wir an einem kleinen See entlang. Am Ufer gegenüber war ein Wäldchen zu sehen. Ein Ort der Ruhe und Geborgenheit.

Ich stellte fest, dass meine Unruhe verflogen war. Ich atmete tief und langsam und spürte eine gewisse Zuversicht in mir. Meine Tränen hatten aufgehört zu fließen. Ich konnte nun eine gewaltige Kraft in mir spüren, die so machtvoll war, dass ich noch kaum länger im Auto hätte sitzen können. Ich spürte, wir waren angekommen.

In diesem Moment sagte Alda: „Wir sind da!“

Etwa hundert Meter entfernt stand ein einfaches, aber schönes Haus. Es war bunt; dennoch hatten die vielen unterschiedlichen Farben eine gewisse Klarheit und Struktur. Auch die Anordnung der Farben schien kein Zufall zu sein. Der Weg zum Haus war rot und direkt vor dem Eingang orange gestrichen. Die Eingangstür war von einer gelb gemalten Blume gerahmt, an ihren Seiten prangten große, grüne herzförmige Blätter. Überall an den Wänden waren grüne Spiralen zu sehen. Das Haus selbst war in drei wechselnden Farben gestrichen: blau, lila und weiß. Es strahlte etwas aus, das ich mit Worten nicht hätte beschreiben können.

Alda parkte das Auto. Zu meiner Erleichterung stiegen wir endlich aus. Ich nahm meine Tasche aus dem Kofferraum und wir gingen zur Eingangstür, wo ein Mädchen von ungefähr fünfzehn Jahren bereits auf uns wartete.

„Seid willkommen. Mutter wartet bereits auf euch. Bitte zieht eure Schuhe aus, wascht eure Füße mit dem Wasser, das wir für euch vorbereitet haben und kommt dann ins Haus. Befreit euch bitte von überflüssigen Sachen, die ihr dabeihabt. Ihr könnt sie einfach im Flur stehen lassen.“

Sie ging ins Haus und ließ uns unsere Vorkehrungen treffen. Neben der Tür stand eine Schüssel mit Wasser, in dem Kräuter schwammen.

Ein Blick zu meiner Cousine bestätigte mir, dass es nun kein Zurück mehr gab – vor allem nicht für mich. Bei dem Gedanken, sie gleich zu treffen, kam eine gewisse Panik in mir auf. Dieses Wechselbad der Emotionen war für mich kaum auszuhalten.

Wer war sie eigentlich? Alda nannte sie die Träumerin oder die Heilerin. Sie hatte zu mir gesagt, sie sei eine Frau, die mir helfen könnte, den Zugang zu mir, zu meiner wahren inneren Stimme wiederzufinden. Sie habe die Gabe, Menschen dazu zu bringen, sich selbst und den Sinn ihres Daseins zu erkennen. Mehr hatte sie nicht verraten wollen, vermutlich um mich durch ihre Erzählungen und Erfahrungen nicht noch mehr zu verunsichern oder zu beeinflussen. Da ich einen großen Drang in mir fühlte, Antworten auf meine Fragen zu erhalten, hatte ich schließlich einem Treffen zugestimmt.

Wir wuschen unsere Füße mit dem Kräuterwasser, trockneten sie ab, ließen unsere Sachen im Eingang stehen und gingen ins Haus. Mein Herz begann, schneller zu schlagen. Es war nun kurz nach sieben und die Abenddämmerung setzte bereits ein. Im Haus brannte eine kleine Kerze, die von Rauch umgeben war. Der Geruch von Kräutern stieg mir in die Nase. Eine Mischung aus Weihrauch, Ysop oder Sandelholz? Ich war mir nicht ganz sicher. Es war ein kräftiger, wach machender und dennoch angenehmer Duft.

„Willkommen, Schwester“, sagte eine klare, sanfte Stimme. Ich schaute in die Richtung, aus der sie kam, und da sah ich sie zum ersten Mal.

Beim Anblick ihres Gesichts hatte ich kurz das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren und umzukippen. Ich fühlte einen Schock und erstarrte. Um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, streckte ich meine Hand hilfesuchend nach Aldas aus. Alda ergriff sie, und ich beugte leicht die Knie, um tief Luft zu holen.

Sie bemerkte meine Reaktion, lächelte und sagte: „Schön, dass du da bist. Ich habe schon lange auf dich gewartet. Komm.“

Sie streckte ihre Hand nach mir aus. Alda befreite sich von meinem Griff und gab mir einen sanften Schubs in den Rücken. Ich bewegte mich langsam auf die Frau zu.

Noch nie in meinem Leben hatte ich ein solches Gefühl gespürt. Die Frau war vielleicht vierzig oder fünfundvierzig Jahre alt. Sie hatte langes dunkles Haar und trug ein schönes, schlichtes Kleid in beige. Sie war barfuß, und bis auf einen Ring, aus dem ein klarer, großer Bergkristall strahlte, trug sie keinen Schmuck. Ein leichter Duft nach Rosen und Sandelholz umgab sie, und mit jedem Schritt in ihre Richtung schien mich eine kraftvolle, warme, wohltuende Energie mehr und mehr zu umhüllen.

„Sei gegrüßt, Schwester. Ich habe viele Namen, aber die meisten nennen mich Amba. Das bedeutet Mutter. Wir sind alle Mütter und Väter; wir sorgen für uns und für andere. Wir sorgen füreinander und halten das Gleichgewicht der Dinge.“

Ich war überrascht zu fühlen, wie sich meine Zunge bewegte und hörte mich sagen: „Ich grüße dich, Amba. Mein Name ist Esmeralda. Danke, dass ich heute hier sein darf.“

Sie lächelte mir zu. Sie hatte etwas Sanftes; dennoch machte mich ihr klarer, fester Blick unsicher. Ich hatte das Gefühl, dass sie komplett durch mich hindurchsehen konnte.

Mit einem weiteren Lächeln deutete sie auf ein Kissen am Boden und bat mich, Platz darauf zu nehmen. Dann ging sie zu Alda, wechselte ein paar Worte mit ihr und kam allein zu mir zurück. Alda verschwand wortlos.

„Deine Cousine kommt dich später abholen. Es ist besser, wenn wir allein miteinander sind. Was führt dich zu mir, Schwester?“

„Amba, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Erst einmal bin ich ziemlich verwirrt, weil ich es nicht erwartet habe, heute hier die Frau zu treffen, die mir in einigen meiner Träume begegnet ist! Ich habe keine Ahnung, was hier geschieht und ich muss zugeben, in diesem Moment überfordert zu sein. Fast dachte ich, ich verliere das Bewusstsein, als ich dich vorhin zum ersten Mal sah, denn ja, ich kenne dich aus meinen Träumen! Dennoch sehe ich dich heute zum ersten Mal! Ich fühle Verwirrung und brauche Zeit zum Nachdenken.“

„Glaubst du an Zufälle?“, fragte sie bedächtig.

„Ich weiß es nicht.“

„Denkst du, es ist ein Zufall, dass deine Cousine dich gerade heute zu mir gebracht hat?“

„Ich weiß es nicht. Ich denke aber nein, wenn du so fragst …“

„Was glaubst du? Besser gesagt, was fühlst du gerade?“

Ich seufzte und wusste nicht, was ich antworten sollte. Die Situation kam mir so seltsam und mystisch vor. Dennoch versuchte ich mich zu beruhigen und klare Gedanken zu fassen. Meine Gedanken begannen sich um mein Leben zu drehen: Für die meisten Menschen war ich eine erfolgreiche Frau. Ich hatte eine gute Arbeit, einen liebevollen Partner und eine verlässliche, liebevolle Familie. Doch fühlte sich mein Leben leer an. Ich hatte das Gefühl, ewig auf der Suche zu sein. Durch das Gefühl, es fehle mir etwas, fühlte ich mich tatsächlich verloren.

„Liebst du dein Leben?“

Woher wusste Amba, dass ich gerade über mein Leben nachdachte? Mein Gedanke, dass sie durch mich hindurchsehen konnte, war also richtig gewesen.

„Ich habe alles, was ich brauche, um es zu lieben. Ich bin dankbar für die Menschen um mich herum.“

„Aber liebst DU dein Leben? Liebst DU DICH selbst?“

Die Art, mit der sie das „DU“ und das „DU DICH selbst“ betont hatte, war nicht zu überhören. Der scharfe Ton klang noch einige Sekunden in meinen Ohren nach.

„Ich weiß es nicht. Ich fühle mich verloren, obwohl ich doch alles habe, was ich brauche. Meine Familie ist liebevoll zu mir, ich kann mich auf sie verlassen. Und seit Kurzem habe ich einen liebevollen Partner, der mir Zuneigung, Liebe und Respekt schenkt. Vor ihm hatte ich eine Beziehung, die in Ordnung war. Es war eine sehr lange Beziehung, und irgendwie hatte ich mich mit meinem Ex-Partner daran gewöhnt, das Leben so zu sehen wie die meisten. Irgendwann aber fühlte ich, dass mich diese Beziehung nicht mehr erfüllte. Ich war nicht mehr glücklich. Dennoch wollte ich mein bekanntes, vertrautes Leben weiterleben und es nicht verlassen, vielleicht aus Bequemlichkeit.

Außerdem ist mein Ex-Partner kein schlechter Mensch. Er liebte mich, und ich wollte ihn nicht verletzen. Ich wusste außerdem gar nicht, was ich unseren Freunden, Bekannten und Verwandten hätte sagen sollen. Ich wollte doch nicht die Böse oder Verräterin sein! Ich will keinem Menschen wehtun und unsere Familien nicht enttäuschen. Doch irgendwann lernte ich Ben kennen. Jedes Mal, wenn ich ihn traf, fühlte ich, wie mein Herz lebte. Eine neue Welt. Das Gefühl mit ihm war so neu und erfüllend. Die Einfachheit und Reinheit seiner Gefühle, unserer Treffen waren überwältigend schön. Ich hatte das Gefühl, Ben sieht und akzeptiert mich, wie ich wirklich bin.

Die letzten Monate waren sehr anstrengend für mich, für uns alle. Aber was passieren sollte, passierte. Ich verliebte mich in Ben und hatte keine andere Möglichkeit, als mich von meinem Ex-Partner zu trennen. Meine Gefühle waren nicht mehr länger zu verleugnen. Nun bin ich seit einem Jahr mit Ben zusammen, und ich bereue diese Entscheidung keine einzige Minute.

Er scheint mich sogar besser zu kennen als ich mich selbst. In der Zeit der Trennung von meinem Ex-Partner hat er mir so viel Verständnis und Liebe entgegengebracht. Ich wusste einfach, es gibt vieles, was ich mit ihm entdecken und erleben will. Es fühlte sich so an, als wäre es eine Schande, uns keine Chance zu geben.“

„Was führt dich also zu mir?“, fragte Amba abermals.

„In bestimmten Zeiten fühle ich immer so etwas wie ein Loch im Herzen, in mir, in meinem Leben. Ich habe das Gefühl, etwas fehlt mir oder fehlt in mir. In den letzten Jahren konnte ich mich der Gesellschaft so anpassen, dass ich dieses Gefühl gut ersticken konnte. Ich habe das Gefühl, ewig auf der Suche zu sein, obwohl ich anscheinend alles habe und dankbar dafür sein sollte. Ich fühle mich schuldig, so zu fühlen. Und ich will wissen, was mit mir nicht stimmt.“

Amba schwieg und wischte behutsam die Tränen ab, die ich nicht mehr hatte zurückhalten können. Es war schön, in diesem Moment meiner Verletzlichkeit ihre liebevolle Art zu fühlen. Auch wenn ich sie tatsächlich zum ersten Mal traf, fühlte sich ihre Anwesenheit vertraut an. Und ich wusste dadurch, ich konnte mich ihr emotional öffnen. Ich war bereit, mich auf sie einlassen.

„Wir können in dieses Gefühl der Leere hineinschauen. Es könnte eine lange Reise werden, aber Schwester, wenn du ja sagst, gibt es kein Zurück mehr. Willst du das?“

„Deswegen bin ich hier. Ja, ich will es!“

Amba stellte mir noch zweimal die Frage, ob ich diese Reise mit ihr wirklich antreten wollte, und zweimal sagte ich „Ja“. In diesem Moment kam das Mädchen, das uns draußen empfangen hatte, mit zwei Tassen und einer mit Sand gefüllten Schüssel herein. Sie stellte alles auf einen Tisch und ging hinaus. Nun war die Tür zu, es war dunkel draußen und ich wusste zum zweiten Mal an diesem Abend, es gab kein Zurück mehr für mich.

Amba stand auf und zog langsam die Vorhänge vor den Fenstern zu. Danach zündete sie eine weitere Kerze an und verbrannte weitere Kräuter in einem kleinen Gefäß. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es inzwischen war, wo sich Alda befand und wie viel Zeit ich hier verbringen würde. Trotz der zusätzlichen Kerze hatte ich das Gefühl einer dichteren Dunkelheit, die vielleicht aus mir selbst kam.

Amba bat mich, mich bequem hinzusetzen und die Beine nicht übereinander zu schlagen. Sie reichte mir eine der beiden Tassen und forderte mich auf, sie auszutrinken. Ich schmeckte ein bitteres, warmes Getränk und hatte keine Ahnung, was es war. Amba nahm die andere Tasse und leerte sie. Einen kleinen Teil spuckte sie in das Gefäß mit dem Sand und begann mit den Fingern, mir unbekannte Symbole zu zeichnen.

Nach ein paar Minuten begann sie zu singen. Dabei saß sie mir gegenüber, und ich konnte ihre Augen, die mich durchbohrten, gut sehen. Sie begannen, wie Sterne zu leuchten. Auf einmal hatte ich das Gefühl, es gäbe tausende Kerzen in dem Raum, die angezündet worden waren.

Amba sang weiter und begann ihren Kopf wie eine Schlange hin- und herzuschwingen; dennoch schienen ihre Augen die ganze Zeit auf mich fixiert zu sein. Langsam begann ich unaufgefordert, mich wie sie zu bewegen und spürte, wie alle Gedanken von mir wichen. Mein Kopf und mein Körper ließen sich von ihrem Gesang erfassen und mitziehen wie von einem mächtigen Strom.

Vor einigen Jahren hatte ich an einer schamanischen Trommelsitzung teilgenommen. Ich konnte deshalb erahnen, was mir bevorstand. Mein Geist begann langsam, sich von den Fesseln des Verstandes zu lösen. Ich geriet in Trance.