Zeit für die Schicht - Norbert Fiks - E-Book

Zeit für die Schicht E-Book

Norbert Fiks

4,8

Beschreibung

»Zeit für die Schicht« ist eine Sammlung von zum Teil sehr kurzen Science-Fiction-Geschichten. Es geht um Außerirdische, Raumfahrer, Roboter und Zeitreisende, um Entdeckungen und Enttäuschungen. Humor kommt bei aller Ernsthaftigkeit auch nicht zu kurz.

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Seitenzahl: 156

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Über das Buch

»Science-Fiction? Was ist das?«

»Na ja, Geschichten, die in der Zukunft spielen oder auf fernen Planeten. Oder in Parallelwelten.«

Inhalt

Eingabeaufforderung

Das Artefakt

Zeit für die Schicht

Da ist was im Busch

Überlicht

Prima Volta

Annäherung

Zwei Brüder

F

LASH

F

ICTION

Michael Collins macht ein Foto

Wie bestellt

Unsichtbar

Alphabeta Centauri

Katzenjammer

Zwischenlandung

Testsieger

Fleischesserring gesprengt

Die Zeitmaschine auf dem Küchentisch

Der Zeitreisende, der zu spät kommt

Alles Anders

Die Befreiung

Der Kammerjäger

Déjà-vu

Kurze Unterbrechung

Interview mit mir selbst – statt eines Nachworts

Der Autor

Eingabeaufforderung

Wenn du lesen möchtest, ENTER.

Das Artefakt

Pling!

Endlich kam das erwartete Signal vom Abstandsradar. Ihr Ziel war in Reichweite.

Plum legte das Pad, in dem er die letzten Stunden gelesen hatte, zur Seite und warf einen Blick auf die Anzeigen vor seiner Nase. Alle Werte entsprachen seinen Erwartungen. Sie lagen genau im Plan. Es war ein perfekter Flug gewesen.

»Wir sind da«, sagte er.

Ridding reagierte nicht. Wie immer. Den altgedienten Prospektor als schweigsam zu bezeichnen, war mehr als eine Untertreibung. Das hatte Plum schon bei ihrer erster Begegnung festgestellt. Der Mann redete nur, wenn es nicht anders ging. Manchmal sagte er stundenlang kein Wort und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf die Instrumente um ihn herum. Vermutlich entging seinen hellblauen Augen hier draußen im Asteroidengürtel nicht das kleinste Staubkorn, von größeren Brocken ganz zu schweigen, und von beidem gab es jede Menge.

Dabei hätte er genauso gut schlafen können, wie es Plum auf den stundenlangen, ereignislosen Flügen zwischen ihren Einsatzorten oft tat, denn auf die automatischen Warnsysteme war Verlass. Wenn etwas so nahe kam, dass es dem Boot gefährlich werden konnte, ließ der Computer ein paar Mal die Steuerdüsen aufblitzen, und alles war erledigt. Was größer war als ein Kleinwagen, war ohnehin registriert und kartiert und wurde bei der Kursberechnung einbezogen.

Der Erkundungsflug im äußeren Hauptgürtel war Plums erster richtiger Einsatz. Er hatte den Job bekommen, weil er der beste Pilot seines Jahrgangs war. Er konnte in den Ringen des Saturn Slalom fahren. Aber vom Geschäft der Prospektoren hatte er keine Ahnung.

Plum schaltete den Autopiloten aus, um ihr Raumboot in einen Orbit um den kleinen, namenlosen Asteroiden zu steuern. Er hatte das in den zwanzig Tagen, seitdem sie von Eos losgeflogen waren, so oft getan, dass das Manöver Routine geworden war.

Er richtete sich in seinem Sessel ein wenig auf, um besser durch das kleine Bugfenster schauen zu können. Draußen war nur rabenschwarzer, kalter Weltraum. Links von sich, außerhalb der schützenden Hülle, wusste er die Sonne in 400 Millionen Kilometer Entfernung. Der Asteroid, den sie ansteuerten, war ebenfalls nicht zu sehen. Er lag noch unterhalb seines Sichtfelds.

Zwei Stunden später kreiste das Raumboot der Astro Mining Company mit den beiden Männern an Bord in geringem Abstand um den kleinen, kartoffelförmigen Brocken von gerade einmal einem Kilometer Länge, der träge durch das Nichts taumelte. Ridding war jetzt ganz in seinem Element. Der Prospektor hatte alles an Messinstrumenten und Sensoren aufgefahren, was das Boot hergab. Sie versorgten ihn mit einer stetigen Flut von Daten vor allem über die Zusammensetzung des Himmelskörpers. Die beiden Männer waren auf der Suche nach Vorkommen von seltenen Metallen und anderen Rohstoffen, deren Abbau sich lohnen könnte.

Plum sah die sich schnell bewegenden Zahlenreihen auf seinem Backup-Monitor, aber er konnte damit im Unterschied zu Ridding wenig anfangen. Er hielt sich lieber an die Bilder, die eine hochauflösende Kamera einfing. Der Asteroid wurde von der fernen Sonne in mattes Licht getaucht. Die Oberfläche hatte die Farbe von Sahnebonbons und war mit Dutzenden großen und kleinen Kratern gesprenkelt. Der im Asteroidengürtel allgegenwärtige kosmische Schutt, das Ergebnis ungezählter Kollisionen, hatte in Jahrmillionen alle Kanten rundgeschliffen und die Oberfläche pulverisiert. Der Anblick dieser fremden, trostlosen Welten hatte Plum vom ersten Augenblick an fasziniert, und er konnte sich davon kaum losreißen.

»Scheiße!«

Riddings Ausbruch ließ Plum erschrocken zusammenfahren. Irritiert sah er seinen Gefährten an. Der drehte konzentriert an einigen Reglern und fluchte leise vor sich hin. Solch einen Gefühlsausbruch hätte Plum niemals von ihm erwartet.

»Was ist passiert?«

Gegen seine Erwartung bekam er prompt eine Antwort, auch wenn er nichts damit anfangen konnte.

»Da unten ist etwas, das dort nicht hingehört.«

Ridding blickte von seinen Instrumenten auf und sah Plum grimmig an.

»Ich muss da raus.«

»Willst du mir nicht sagen, was los ist?«

Ridding schnaubte und wollte abwinken. Aber er überlegte es sich und nickte.

»Ich schicke dir ein paar Koordinaten. Sieh es dir an.«

Ein neuer Datensatz tauchte auf Plums Monitor auf. Der Pilot übertrug die Zahlen in die Steuerung der Kamera. Auf dem Bildschirm wischten die Oberflächenstrukturen des Asteroiden einige Sekunden lang vorbei. Dann stand das Bild still. Zu sehen war – das Gleiche wie zuvor.

»Du musst es stark heranzoomen.« Ridding war richtig gesprächig geworden.

Plum tippte ein paar Mal auf den Bildschirm. Wenige Momente später tauchte am Rande einer größeren Kraters ein Fleck auf, der immer größer wurde, bis ein gleichseitiges Sechseck auf dem Monitor zu sehen war. Es glänzte wie Metall und war für eine natürliche Formation zu regelmäßig. Laut dem eingeblendeten Maßstab betrug die Diagonale etwa zwei Meter. Da es fast keinen Schatten warf, musste das Gebilde verhältnismäßig flach sein.

»Was ist das?« Seine Stimme war nur noch ein Flüstern. Plum hatte eine Ahnung, die ihm ein sehr flaues Gefühl im Magen bescherte.

Das Bild weiter zu vergrößern brachte nichts. Plum steuerte das Raumboot näher heran. Die Konturen des Sechsecks wurden klarer, zugleich erkannte Plum eine Reihe von kleinen Aufbauten und Einbuchtungen. Ob sie irgendeine Funktion hatten, war nicht zu erkennen. Die Oberfläche sah aus, wie mit groben Schmirgelpapier behandelt, wahrscheinlich eine Folge des stetigen Beschusses mit Asteroidenstaub und hochenergetischen Partikeln. Plum hatte so etwas noch nie gesehen.

»Es muss sehr alt sein.« Plums Stimme bebte vor Ehrfurcht.

Ridding nickte. Ihn schien der Anblick nicht zu beeindrucken. Stattdessen stapfte er zum Ausgang des Cockpits, wo sein Raumanzug in einer Nische hing. Er gab Plum ein Zeichen, dass er landen solle, und zwängte sich in den Anzug. Das Modell, das sie an Bord hatten, war für kurze Außenbordaufenthalte gedacht und weniger dazu, auf Asteroiden herumzuspazieren. Aber Ridding musste wissen, was er tat. Er war ein erfahrener Prospektor und hatte Hunderte solcher Einsätze hinter sich. Er zog es vor, Bodenproben, die im Labor auf Eos auf ihren Rohstoffgehalt hin untersucht werden sollten, selbst zu holen, statt von Bord aus mit den Werkzeugarmen eines Rovers zu hantieren.

Der Pilot war sicher, dass sie es mit einem außerirdischen Artefakt zu tun hatten. Alles an dem Gebilde, außer der Form, war fremdartig. Selbst die Farbe, ein fleckiges Dunkelgrün, das von perlmuttartigen Schlieren durchzogen war, kam ihm so vor. Das konnte nicht auf der Erde oder in der kleinen Marskolonie entstanden sein. Dafür war es sicher viel zu alt. Sie waren erst seit ein paar Jahrzehnten hier im Asteroidengürtel.

Während er Ridding hinter sich hantieren hörte, ging Plum in den Landeanflug. Als Landeplatz hatte er eine fast kraterfreie Fläche ungefähr 100 Meter von dem Artefakt entfernt ausgesucht. Die Landung stellte ihn vor keine große Herausforderung, dennoch bildete sich Schweiß auf seiner Stirn, und seine Hände wurden feucht, als er zum Steuerknüppel griff. Dies hier, wusste Plum, war ein historischer Moment. Da durfte er ruhig aufgeregt sein.

Als alle sechs Landebeine Bodenkontakt hatten und Plum das Raumboot mit den Sprengankern am Untergrund befestigt hatte, öffnete Ridding die Schleuse im Mittelteil. Plum beobachtete ihn mit einer der vier Außenbordkameras. Zwei andere hatte er auf das Artefakt gerichtet. Aus dem Blickwinkel war aber nicht allzu viel zu erkennen.

Sein Kollege entfernte sich mit kleinen, hüpfenden Schritten vom Boot. Jedes Mal, wenn er einen Fuß auf den Boden setzte, wirbelte ein wenig von dem pulvrigen Regolith auf, das die Oberfläche in einer dünnen Schicht bedeckte. Ridding musste vorsichtig sein. Die Anziehungskraft dieses Asteroiden war so gering, dass ihn ein kräftiger Sprung kilometerweit ins All hinausbefördern konnte und er Stunden brauchen würde, um wieder zu landen. Dennoch kam er gut voran. Das Gelände war eben, es gab nur einige kleine Krater, die er problemlos umgehen konnte.

Plum spürte einen leichten Stich im Herzen, als ihm bewusst wurde, dass er in diesem einmaligen Moment nur Zuschauer war und den Platz in der Geschichte einem anderen überlassen musste. Das erste Mal traf ein Mensch auf ein außerirdisches Artefakt, konnte es berühren, fühlen. Eine solche Gelegenheit gab es nie wieder.

Er seufzte. Immerhin war er in der Nähe, und weil er irgendetwas tun musste, machte er ein paar Standbilder und speicherte sie zusammen mit kurzen Videosequenzen auf seinem privaten Pad ab. Die Erinnerung konnte ihm niemand nehmen, und so hatte er etwas, das er vorzeigen konnte, um zu beweisen: Ich war dabei.

Ridding hatte das Artefakt inzwischen erreicht und ging langsam um es herum, als suche er nach etwas Bestimmtem.

»Tja, sieht ganz nach einem Roswell aus«, hörte Plum ihn über Funk sagen. Er konnte mit diesem Ausdruck nichts anfangen. Aber er fragte nicht danach.

»Los, was siehst du? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen«, drängelte Plum, als er einige Sekunden lang nur das gleichmäßige Atmen des Prospektors gehört hatte.

»Das Ding sieht ein bisschen wie eine zu groß geratene, verbeulte Keksdose aus. Es ist ziemlich tot«, war die erstaunlich lange Antwort. Plum sah, wie Ridding mit dem Fuß dagegen trat. Das Artefakt rührte sich nicht.

In Plums Kopf überschlugen sich die Gedanken. Was mochte das sein? Ein außerirdischer Spionageanlage? Eine Boje? Ihm kam gleich eine ganze Reihe von möglichen Verwendungszwecken in den Sinn. Wenn es, wie es schien, alt und nicht mehr funktionstüchtig war – hatte das Artefakt dann seine Aufgabe längst erfüllt? Hatte es aus Altersschwäche einfach seine Arbeit eingestellt? Wie lange stand es dort schon und warum auf einem bedeutungslosen Asteroiden? Das würde für eine Boje sprechen. Denn wenn es im Sonnensystem für Aliens etwas auszuspionieren gab, war es die Erde. Aber die war weit weg.

Jetzt ging Ridding auf die Knie und schien unter dem Artefakt zu hantieren. Plum konnte nichts erkennen, weil der Prospektor ihm den Rücken zuwandte und sein Körper die Hände verdeckte. Dann stand Ridding auf, klopfte sich Staub vom Raumanzug und machte sich auf den Rückweg. Das Ganze hatte keine fünf Minuten gedauert. Plum war überzeugt, dass er das Artefakt stundenlang ehrfurchtsvoll bestaunt hätte und erst zurückgegangen wäre, weil ihm der Sauerstoff ausging.

Eine halbe Stunde später löste Plum die Anker und ließ das Raumboot langsam vom Asteroiden wegtreiben. Das Artefakt wurde kleiner und kam nur deshalb nicht außer Sicht, weil Plum eine Kamera darauf fokussiert hatte.

Als sie sich fünf Kilometer von der Oberfläche entfernt hatten, leuchtete ein Blitz auf dem Monitor auf, und das Artefakt verging in einer farbenfrohen Explosion. Trümmerteile wirbelten davon.

Plum sah Ridding entgeistert an.

»Was, was – war das?« Er stammelte vor Überraschung und Entsetzen.

»Eine Explosion«, sagte Ridding trocken und grinste.

Dem Piloten dämmerte es.

»Du warst das? Du hast das Artefakt in die Luft gesprengt?« Er hätte sich am liebsten auf Ridding gestürzt und ihn erwürgt, aber der Gurt hielt ihn im Pilotensitz fest. Außerdem musste er das Boot steuern.

»In die Luft nicht gerade, aber ansonsten hast du recht. Wir können jetzt weiterfliegen. Ich kümmere mich schon um alles.«

Plum schnappte nach Luft. Der Mann, mit dem er seit Tagen durchs Weltall flog, hatte mir nichts, dir nichts ein Zeugnis außerirdischen Lebens zerstört und tat, als sei nichts passiert. Die Frage, ob es auf anderen Welten als auf der Erde Leben gab, hatte die Menschheit seit Jahrhunderten beschäftigt. Sie waren bis an den Rand des Sonnensystems geflogen, hatten jedoch nirgends eine Spur von Leben gefunden. Jetzt hatte die Antwort vor ihnen gelegen, und Ridding hatte sie mit einer Hand voll Sprengstoff ausgelöscht.

Plum überhäufte den Mann, dessen Partner er werden wollte, mit Vorwürfen. Ihm fielen gar nicht so viele Schimpfwörter ein, wie er gebraucht hätte, um seiner Empörung Luft zu machen.

Ridding hörte sich die Tiraden ungerührt an, während er an Reglern drehte und auf seinem Pad herumtippte. Die Bilder auf den Monitoren erloschen, und einige Anzeigen wechselten. Plum verstand nicht, warum der Prospektor einfach zur Routine überging. Er war viel zu aufgebracht, um darauf zu achten, was Ridding genau machte.

Irgendwann ging seine Empörung in Resignation über. Er hätte heulen mögen.

Ridding sah auf, als die Stille ein paar Sekunden lang angehalten hatte, und wandte sich Plum zu.

»Glaubst du etwa, das war das erste Mal?«

Was ihm Ridding anschließend verriet, war ungeheuerlich. Seit weit mehr als 100 Jahren, noch bevor der erste Mensch in den Weltraum geflogen war, wussten Regierungen auf der Erde von der Existenz von Außerirdischen. Seither waren immer wieder Artefakte gefunden worden, vor allem in den Weiten des Asteroidengürtels. Wenn sie sich äußerlich nicht von schon bekannten Exemplaren unterschieden, wurden sie gesprengt. Ihr Arbeitgeber, die Astro Mining Company, war dabei der verlängerte Arm der Regierungen.

»Aber warum machen sie das?« Plum war verzweifelt.

Ridding zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«

Der Prospektor war bestimmt kein einfältiger Kerl, sondern jemand, der mit beiden Beinen auf der Erde stand, soweit man das von einem, der im Weltraum arbeitete, sagen konnte. Aber er scherte sich offensichtlich nicht um Dinge, die sein Leben nicht direkt betrafen.

Plum ließ nicht locker, obwohl ihm klar war, dass er nichts ausrichten würde.

»Wie kann das so lange geheim gehalten werden? Es muss sich bloß jemand die Aufzeichnungen ansehen, die wir gemacht haben. Und all die anderen.«

Als Ridding nichts sagte, sondern ihn ruhig anblickte, wusste Plum Bescheid. Sein Denk- und Urteilsvermögen kehrte zurück und seine Erinnerung. Deshalb waren vorhin die Bilder von den Monitoren verschwunden.

»Du hast alles gelöscht?«

Plum hätte fast laut gelacht, als ihm bewusst wurde, dass er in seiner Ahnungslosigkeit diese Verschwörung versehentlich unterlaufen hatte. Aber er riss sich zusammen.

Ridding legte nur den Kopf ein wenig zur Seite. Es sollte wohl ja bedeuten. Er stemmte sich mit beiden Händen aus seinem Sessel hoch und machte Anstalten, das Cockpit zu verlassen.

»Ich hau’ mich aufs Ohr. Bring uns heil nach Hause, Junge«, sagte er und verschwand im hinteren Teil des Bootes. Dort hatte jeder von ihnen eine kleine, enge Kabine mit kaum mehr darin als einer Hängematte und einem Spind.

Der junge Pilot wartete, bis der Kollege aus dem Blickfeld verschwunden war. Er nahm behutsam sein Pad in die Hand und steckte es vorsichtig in die Tasche seiner Montur. Er war jetzt der Hüter eines Schatzes.

Zeit für die Schicht

oder Das unglaubliche Abenteuer des Taxifahrers Jack Lapell und der (un-)vermeidliche Niedergang des Königs Poltrux

Irgendwo auf der Erde:

Jack Lapell, der Not gehorchend Taxifahrer, zog sich hastig an.

»Ist es schon wieder so spät?«, fragte eine schläfrige Stimme von irgendwo unter der Bettdecke. Jack fluchte unterdrückt, weil er in der Dunkelheit fast über eine leere Flasche gestolpert wäre, und nochmal, als er sein Hemd zuknöpfen wollte und bemerkte, dass er es falsch herum angezogen hatte.

»Mach doch das Licht an«, kam wieder die Stimme, eine Frauenstimme, aber da war Jack schon durch die Tür. Zeit für die Schicht!

Das Dumme daran war nur, dass er nicht auf der anderen Seite der Tür ankam.

Irgendwo am anderen Ende des Universums:

König Poltrux klatschte begeistert mit seinen sechs Flossenhänden. Soeben hatte sein Oberster Feldherr, der treue Herzog Wirrox, die Bombe abgeworfen und erklärte mit feierlicher Stimme:

»Mein König! Unser feines Bömbchen wird den verräterischen Graf von Blunk aus dem Universum fegen und mit ihm seine ganze feige Brut.«

Sein Gesichtsausdruck war ganz und gar nicht feierlich.

»Der Raumkrümmungsvektor nimmt zu«, murmelte die Stimme irgendeines Wissenschaftlers aus den verborgenen Lautsprechern. »In wenigen Minuten wird das Raum-Zeit-Gefüge aufreißen und den verdammten Planeten verschlingen.«

Das klang nicht besonders wissenschaftlich. König Poltrux hörte darüber hinweg. Schließlich herrschte Krieg. Diesem elenden Blunk würde er es schon zeigen.

Auf den Bildschirmen, die eben noch einen blau schimmernden Planeten und das samtschwarze All gezeigt hatten, bildete sich ein rot flammender Riss.

»Da stimmt was nicht!«, schrie der Herzog, und so war es auch: Der Riss dehnte sich im Bruchteil einer Sekunde ins Unendliche aus und griff nach Seiner Majestät Flaggschiff »Der Unsinkbare«. Pech für König Poltrux. Aber auch Pech für Jack Lapell, der mit der ganzen Angelegenheit nicht das Geringste zu tun hatte.

Irgendwo:

Jack stolperte in die plötzliche Lichtfülle. Als er seine geblendeten Augen wieder öffnete, stellte er mit erschreckender Kaltblütigkeit fest, dass er nicht im Hausflur angekommen war, sondern in einer fremden, bizarren Welt.

»Verdammter Mist«, murmelte er. Zur Schicht würde er wohl heute nicht mehr rechtzeitig kommen.

Er stand auf einer weiten Ebene, auf der sich blasslila Gras leicht im Wind bewegte. Darüber spannte sich ein grüner Himmel, aus dem zwei knallblaue Sonnen wie riesige Augen auf die Welt starrten. Jack begann zu schwitzen. Er lockerte die Krawatte und zog die Lederjacke aus.

Es war merkwürdig still, selbst der Wind verursachte keine Geräusche. Ringsherum war, so weit das Auge reichte, nur dieses alberne Gras.

»Ist hier denn niemand?«, brüllte er wütend in die Weite. Aber Jacks Stimme versickerte wie Wasser im Sand. Er war sich nicht einmal sicher, ob er überhaupt geschrien hatte.

Um so erschrockener war er, als er hinter sich ein sanftes »Plopp!« hörte. Noch im Umdrehen sah er ein äußerst seltsames Gebilde, das an einen überdimensionierten Flaschenkürbis erinnerte, einige Meter über dem Boden aus dem Nichts auftauchen und, nachdem es dort wie unentschlossen einen Augenblick hängengeblieben war, wie ein Stein durchsacken. Als das Gebilde aufschlug, war nichts weiter zu hören als ein Rascheln, ähnlich dem, das beim Zerknüllen von Zellophan entstand.

»He, hallo!«, schrie er und rannte mit den Armen fuchtelnd los.

König Poltrux erstarb die scharfe Bemerkung, mit der er seinen Herzog zurechtweisen wollte, unter einem ohrenbetäubenden Knall, der das gesamte Schiff wie eine Glocke dröhnen ließ. Kaum hatte sich der kriegerische Herrscher von seinem Schreck erholt, als das Schiff wie ein altertümlicher Fahrstuhl in die Tiefe sackte und mit ungeheurem Dröhnen gegen ein Hindernis prallte. Herzog Wirrox wurde durch die Zentrale gewirbelt und landete bäuchlings auf seinem König.

»Verzeihung«, konnte er gerade noch stammeln, bevor der König in höchsten Tönen auf seinen Obersten Feldherren und die ganze Wissenschaftlerbande zu schimpfen begann.

Poltrux beruhigte sich erst, als die Bildschirme aufleuchteten. Verwundert sah der König auf eine weite, tiefrote Ebene unter einem fast schwarzen Himmel. Auf dieser Ebene bemerkte er in einiger Entfernung ein groteskes Gebilde, das sich mit seltsamen Bewegungen dem Schiff näherte.