Zeitdokument 1965-2015 -  - E-Book

Zeitdokument 1965-2015 E-Book

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Beschreibung

Frankfurt. Flughafen. Ausbau. Ein Konflikt, der Züge einer unendlichen Geschichte trägt - Widerstand und Protest, die inzwischen seit 50 Jahren aufrechterhalten werden. Dieses Buch versteht sich als Chronik des friedlichen Protestes gegen den Ausbau des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens. Es umfasst in Wort und Bild die Zeitspanne von 1965 bis 2015 - vom Konflikt um die Startbahn West über die Landebahn Nordwest bis zum Vorabend des Baus des Terminals 3. Anlass für diese in ihrer Art bisher einzigartige Chronologie ist der 50. Geburtstag der "Interessengemeinschat zur Bekämpfung des Fluglärms" im Jahr 2015. Band I endet mit einer Nachbetrachtung zur Landtagswahl in Hessen am 22. September 2013. In welche Richtung sich die Protestbewegung nach der 150. Montagsdemo und dem ersten Spatenstich fürs Terminal 3 entwickelt, ist Thema in Band II, der im Frühjahr 2016 erscheinen wird. Der Konflikt geht auf jeden Fall weiter…

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Zeitdokument 1965 – 2015

50 Jahre Protest gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens

BAND I

herausgegeben von Walter Keber,Wilma Frühwacht-Treber und Dirk Treber

 

Walter Keber, Wilma Frühwacht-Treber und Dirk Treber(Herausgeber)

© 2015, mainbook Verlag Frankfurt, Gerd Fischer

Alle Rechte vorbehalten

Gestaltung: Anne Fuß

Bilder: Walter Keber

ISBN 9783944124-88-9

eISBN 9783944124-91-9

 

Weitere Titel www.mainbook.de

Inhalt

Teil I: Eine fast unendliche Geschichte

von Walter Keber, Wilma Frühwacht-Treber, Dirk Treber

Teil II: IGF seit 50 Jahren aktiv

von Dirk Treber

Teil III: Startbahn 18 West

1. Die Anfänge

· Die frühen Jahre von Walter Keber

· Der Wald – eine natürliche Lebensgrundlage von Henner Gonnermann

2. Protest und Bürgerkrieg in Bildern

· Hüttendorf und Hüttenkirche

· Die Küchenbrigade

· Kampf um das 7 ha-Gelände

· Blutsonntag

· Die Räumung des Hüttendorfes

· Der Nackten-Samstag

· Heiße Tage im November

· Blockade und Kuchenstand

· Satire zur Inbetriebnahme

· Todesschüsse

· Feuer frei? Nachdenkliches zu den Todessschüssen von Gerhard Krum

· „Schmeißt die Zwillen weg!“ von Gerhard Krum

· Tödliche Schüsse – 25 years later von Wolf Wetzel

3. Kultur gegen die Startbahn West

· Wo Unrecht zu Recht wird, gehört das Lied zum Widerstand von Siggi Liersch

· Umweltbüro und noch viel mehr von Walter Keber

· Menschenkette von Stuttgart nach Neu-Ulm von Dirk Treber

· Walduni und Energiewendekomitee von Hanspeter Maier

· Umweltstafette in Hessen von Wilma Frühwacht-Treber

4. Volksbegehren gegen die Startbahn West

· Die politische Langzeitwirkung des Volksbegehrens von Dirk Treber

· Die Zentrale im Keller von Wilma Frühwacht-Treber

5. Politik und Parteien

· Ein politisches Erdbeben von Walter Keber

· Parteien-Aktionsgemeinschaft von Leonhard Peez

· Die Zerreißprobe der SPD von Heinrich Krobbach

· Nur wer sich bewegt, spürt seine Fesseln von Jürgen Martin

6. Die Unterstützer der Protestbewegung

· Die Rolle der Ev. Kirche im Konflikt um die Startbahn West von Herbert Olbrich

· Flughafenausbau in Frankfurt und Naturschutzverbände in Hessen von Dirk Treber

· Gewerkschaften und Arbeitsplätze – von Herbert Debus

7. Die Rolle der Justiz

· Die Flughafenurteile – eine Bewährungsprobe des Rechtsstaatsprinzips von RA Matthias Möller-Meinecke

· Strafverfahren gegen Startbahngegner von Walter Keber

· Politische Entscheidungen zum Flughafenausbau werden juristisch legitimiert von Dirk Treber

8. Rückblicke

· Blätter von Siggi Liersch

· Ein Autonomer blickt zurück von Achim Weidner

· Die demokratische Qualität der Demokratie von Gerhard Krum

Buttons der Startbahn-Zeit

Teil IV: Trügerische Ruhe zwischen Startbahn West und Landebahn Nordwest

1. Wiederaufbau der Hüttenkirche von Walter Keber

· Eine Kirche geht auf Reisen von Walter Keber

· Gute Gründe für den Wiederaufbau der Hüttenkirche

2. Ausbauwahn und kein Ende

· Der Flughafen wächst weiter von Petra Schmidt

· Gründung des Bündnisses der Bürgerinitiativen (BBI) von Dirk Treber

· Das Frankfurter Mediationsverfahren und das Regionale Dialogforum (RDF) von Dirk Treber

Neue Buttons

Teil V: Die Landebahn Nordwest

1. Der Flughafen frisst sich weiter in die Rhein-Main-Region

· Ein Nachbarschaftsstreit der ganz besonderen Art von Walter Keber

· Das Camp im Kelsterbacher Wald von Peter Illert

· Die kreischenden Bäume im Terminal von Peter Illert

· Die Mahnwache im Kelsterbacher Wald von Wilma Frühwacht-Treber

· Bürgerbegehren gegen Waldverkauf von Dirk Treber

· … und wächst und wächst von Walter Keber

· Eine richtige Lärmpause gab es 2010 dank „Eyjafjalljokull“ von Walter Keber

· Es geht los: der 21. Oktober 2011 von Walter Keber

2. Eine neue Protestkultur wird geboren von Walter Keber

· Kreativität kontra Ausbauwahn von Monika Plottnik

· Die Montagsdemonstrationen von Jochen Krauss

· Die Mahnwachen von Wilma Frühwacht-Treber

3. Region im Eimer von Walter Keber

· Flörsheim-Hochheim leidet unter der neuen Landebahn von Walter Keber

· Von Menschenketten, Paulskirche und „Bankfurt“ von Walter Keber

· Der Lärm zieht über den Rhein von Dietrich Elsner

· 25 Jahre Bürgerinitiative Luftverkehr (BIL) Offenbach von Ingrid Wagner

· Protest in der ganzen Region in BildernBad Homburg, Bayerischer Untermain, Bischofsheim, Darmstadt, Eddersheim, Groß-Gerau, Ginsheim-Gustavsburg, Hanau, Hattersheim, Hofheim, Ingelheim, Kelsterbach, Kinzig-Tal, Königstädten, Mörfelden-Walldorf, Mühlheim, Nauheim, Nierstein, Neu-Isenburg, Raunheim, Rheingau, Rodgau, Rumpenheim, Rüsselsheim, Schwabenheim, Trebur, Vordertaunus, Wiesbaden.

4. Landtagswahl in Hessen 2013

· Hoffnung und Frust der Protestbewegung von Birgit von Stern

Buttons der Landebahn Nordwest

Teil VI: Epilog

von Wilma Frühwacht-Treber

Teil VII: Vita der Autoren

Wächter der Freiheit

Die 150. Montagsdemo am 28. September 2015: Protestumzug vor Terminal 1 mit dem Jubiläumsbanner und der symbolträchtigen Zahl 150

TEIL I

Walter Keber, Wilma Frühwacht-Treber und Dirk Treber

Eine fast unendliche Geschichte

Warum dieses Buch?

Es war an der Zeit, endlich ein solches Buch über den nun schon Jahrzehnte andauernden Konflikt um den Ausbau des Rhein-Main-Flughafens vorzulegen, bevor noch mehr davon in Vergessenheit gerät: ein Buch, das den Bogen spannt von der ersten großen Frankfurter Flughafenerweiterung in den 1970er und 1980er Jahren, was mit der Auseinandersetzung um die Startbahn West auf den Punkt gebracht werden kann, bis zum aktuellen Konflikt um die Landebahn Nordwest und am Vorabend des Baues des Terminal 3, unserem Redaktionsschluss. Aktueller Anlass zur Herausgabe dieses Buches über eine fast unendliche Geschichte war der 50. Geburtstag der von Umweltpfarrer Kurt Oeser gegründeten „Interessengemeinschaft zur Bekämpfung des Fluglärms“ (IGF), was im Mai 2015 in Walldorf gefeiert wurde.

Wer sind die Herausgeber?

Die drei Herausgeber haben diesen Konflikt seit dem Ende der 1960er Jahre aktiv miterlebt, oft buchstäblich in der ersten Reihe, bei ungezählten Veranstaltungen und Protestaktionen. Wilma Frühwacht-Treber und Dirk Treber wirkten und wirken mit an herausragender Stelle in den Bürgerinitiativen – damals und heute. Wilma Frühwacht-Treber ist als Moderatorin beispielsweise bei Mahnwachen im Terminal tätig. Dirk Treber war einer der ersten Grünen-Landtagsabgeordneten in Hessen nach dem Startbahn-West-Konflikt, ist heute Vorsitzender der IGF sowie als Autor und Publizist tätig. Walter Keber, von dem alle Fotos in diesem Buch stammen, war von 1970 bis 2004 als Redakteur und Korrespondent der „Frankfurter Rundschau“ in Wort und Bild beruflich tätig. Im Unruhestand arbeitet er ehrenamtlich als Freier Journalist und dokumentiert bis heute fotografisch den Konflikt um den Flughafenausbau.

Die große zeitliche Spanne des Konfliktes machen wir mit den beiden Fotos zu dieser Einleitung klar: Der „Wächter der Freiheit“ genannte Protestturm aus dem Startbahn-West-Protestjahr 1981 an der Okrifteler Straße soll beispielhaft für die Vergangenheit stehen, das Foto von der 100. Montagsdemo am 19. Mai 2014 im Terminal 1 für den Protest unserer Tage. Ein Ende dieser unendlichen Geschichte der besonderen Art ist nach wie vor nicht absehbar.

Als Vorbemerkung: Dies ist kein Anti-Flughafenbuch. Vielmehr wird dessen Bedeutung für das ökonomische Leben der Region und die Arbeitsplätze ausdrücklich anerkannt. Im Mittelpunkt dieses Buches steht der Kampf gegen den maßlosen und ungehemmten Ausbau des Airports, ist somit ein Plädoyer für die Grenzen des Wachstums. Bewusst ist dies eine Chronik des friedlichen Protestes, erteilt jeder Form von Gewalt – egal von wem – eine eindeutige Absage.

Vor allem aber soll das herausragende Umwelt-Engagement vieler Bürger/innen über so lange Jahre hinweg gewürdigt werden. Ihrem bürgerschaftlichen Engagement wollten wir ein Denkmal setzen und dies alles vor dem Vergessenwerden bewahren. Denn leider sterben immer mehr Zeitzeugen. Darunter sind Frauen und Männer, die sich seit rund 50 Jahren aktiv in herausragender Form in die Protestbewegung eingebracht haben, sozusagen von der Startbahn West zur Landebahn Nordwest. Auch deswegen war es Zeit für ein solches Buch. Schließlich soll diese Chronik Ansporn sein, sich zu engagieren, aktiv und friedlich an der Gestaltung des demokratischen Gemeinwesens mitzuwirken. Leider konnten wir nicht alle aktiven Mitstreiter/innen in unserer Foto-Sammlung berücksichtigen. Sonst hätte das Buch mehr als doppelt so umfangreich werden müssen, was nicht mehr zu finanzieren gewesen wäre.

Denn dieses Buch ist ein Non-Profit-Unternehmen, an dem niemand etwas verdient. Alle – auch jeder Autor der einzelnen Kapitel – arbeiteten ohne einen Cent Honorar, machten so diese Publikation überhaupt erst möglich, ja halfen letztlich sogar oft mit eigenem Geld, das nicht unbeträchtliche Risiko abzufedern. Den Autoren wurde größtmögliche Freiheit beim Schreiben eingeräumt, sodass sie ihre Sicht der Ereignisse vortragen können, die im Einzelfall nicht unbedingt die der Herausgeber ist. Doch soll dies letztlich auch die Breite der Protestbewegung und die Unterschiedlichkeit der Positionen widerspiegeln.

Mit Gerd Fischer und seinem Mainbook-Verlag fanden wir einen engagierten Verleger. Ihm gilt unser besonderer Dank, ebenso wie allen, die uns unterstützt haben.

TEIL II

Dirk Treber

IGF – seit 50 Jahren aktiv

Fluglärm, Schadstoffe, Verlust von Waldflächen, Flächenversiegelung

Die mittlerweile über 50 Jahre andauernde Erweiterung des Frankfurter Flughafens hat bereits mit dem Bau der Startbahn 18 West in den Jahren 1980 bis 1984 dazu geführt, dass die Belastungen für die Menschen in der Rhein-Main-Region bei weitem überschritten wurden. Lärm wird von der Bevölkerung in Deutschland, aber auch in der Rhein-Main-Region, als die bedeutendste aktuelle Umweltbelastung wahrgenommen und nimmt bei Befragungen den ersten Platz ein. Ganz vorne dabei der Fluglärm, von dem sich bereits jeder Dritte belästigt fühlt.

Fluglärm stört überall im Alltag. Beeinträchtigt die Konzentration beim Lernen und Arbeiten, stört in der Freizeit und vor allem beim Schlafen. 100.000ende Bürgerinnen und Bürger in der Rhein-Main-Region erleiden durch andauernde Lärmbelastungen eine Beeinträchtigung ihrer Gesundheit, vorrangig durch Herz-Kreislauferkrankungen bis hin zu Herzinfarkten. Zahlreiche Untersuchungen von Medizinern und Wissenschaftlern haben den Nachweis erbracht: Fluglärm macht krank.

Protest vor Ort – IGF-Aktive in der östlichen Einflugschneise der Landebahn Nordwest bei Kelsterbach

Der Flugbetrieb ist noch mit weiteren Belastungen für die Flughafenanwohner verbunden: Luftschadstoffe führen ebenfalls zu gesundheitlichen Problemen und der steigende CO²-Ausstoß führt weltweit zu einer Beschleunigung des Klimawandels. Der Verlust von Bannwaldflächen, die Zerstörung von Flora und Fauna und die permanente Flächenversiegelung durch den ungebremsten Expansionsdrang des Frankfurter Flughafens führt zum Verlust von Naturerholungsgebieten, Sport- und Freizeitflächen, ganz allgemein zum Verlust an Lebensqualität.

Die Bekämpfung des Flughafenausbaus in Frankfurt, des damit zusammenhängenden Anstiegs von Fluglärm und Luftschadstoffen, ist daher eine vorrangige umweltpolitische aber auch gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Geschichte

Prof. Dr. Kurt Oeser, erster Umweltpfarrer der EKD und der EKHN

Die Interessengemeinschaft zur Bekämpfung des Fluglärms (IGF) e.V. wurde am 27. April 1965 in Mörfelden gegründet. Sie war die erste Bürgerinitiative mit zeitweise über 15.000 Mitgliedern, die im Rahmen des Konfliktes um die Startbahn 18 West und die Erweiterung des Frankfurter Flughafens von Prof. Dr. hc. Kurt Oeser, später bekannt geworden als „Umwelt- oder Startbahnpfarrer“, gemeinsam mit Ingenieuren, Medizinern, Juristen und aktiven fluglärmbetroffenen Bürgern gegründet wurde. Nach Kurt Oeser waren Ernst Wodli aus Walldorf und Prof. Dr. Rolf Denk aus Rüsselsheim-Königstätten Vorsitzende der IGF, heute ist dies Dirk Treber aus Mörfelden-Walldorf.

Aufgaben und Ziele

Die IGF wendet sich gegen die ständige Erweiterung des Frankfurter Flughafens und die damit verbundenen unzumutbaren Fluglärm- und Schadstoffbelastungen. Sie tritt für die Erhaltung der natürlichen Lebengrundlagen in der Umgebung des Frankfurter Flughafens ein und fördert den Gedanken des Natur- und Umweltschutzes. Der Verein engagiert sich für mehr Lebensqualität in der Rhein-Main-Region.

Vereinsstruktur, Aktivitäten und Vernetzung

Die IGF hat zurzeit über 50 Einzelmitglieder. Außerdem gehören ihr die Kommunen Kelsterbach, Büttelborn, Bischofsheim und Riedstadt aus dem Kreis Gross-Gerau und die Stadt Neu-Isenburg aus dem Kreis Offenbach-Land als juristische Personen an. Der Verein Lebenswertes Nauheim e.V. mit über 200 Mitgliedern hat sich im Spätsommer 2014 der IGF angeschlossen. Im September 2015 ist die Stadt Mörfelden-Walldorf als neues Mitglied hinzugekommen.

Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF) e.V.

Die IGF gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF). Sie wurde 1967 in Neu-Isenburg gegründet und organisiert Städte, Gemeinden und andere Gebietskörperschaften sowie Schutzvereinigungen. Der Bundesverband ist eine überparteiliche Umweltschutzorganisation in Deutschland, die sich für die Vermeidung schädlicher Auswirkungen des Luftverkehrs engagiert.

Eine wesentliche Aufgabe der Organisation ist die Benennung und Weiterbildung von Mitgliedern der Lärmschutzkommissionen. Nach §32b Luftverkehrsgesetz muss in jede Fluglärmkommission mindestens ein Vertreter der Bundesvereinigung berufen werden.

Neben der Arbeit in den Normungsausschüssen und der Bundeskommission nach §32a Luftverkehrsgesetz wirkt die BVF auch auf europäischer und internationaler Ebene durch Prüfung von EU-Richtlinien und ICAO-Regularien.

Europäische Vereinigung gegen die schädlichen Auswirkungen des Luftverkehrs (UECNA)

Bei der Gründungsversammlung der BVF in Deutschland waren Vertreter aus anderen europäischen Ländern eingeladen, insbesondere die „Schweizerische Liga gegen den Lärm“ und der AICB (Association International Contre le Bruit). Damals regte Kurt Oeser auch die Gründung einer Europäischen Vereinigung an: Dies führte ein Jahr später am 28. Januar 1968 in Genf zur Gründung der UECNA (Union Européenne contre les Nuisances des Avions).

Tagung der Bundesvereinigung gegen Fluglärm – 2014 in Frankfurt

Die IGF bei der 137. Montagsdemo im Terminal – Mai 2015

Die UECNA ist die einzige europäische Organisation zum Thema Fluglärm. Mitglieder gibt es in Frankreich, Spanien, Griechenland, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Großbritannien, Österreich, der Schweiz und in Deutschland.

Die UECNA versteht sich als Dachverband der Fluglärmgegner in Europa. Die UECNA ist Mitglied bei dem European Enviromental Bureau (EEB), einer Umweltdachorganisation in Brüssel. Die UECNA hat wesentlich dazu beigetragen, das Thema Fluglärm auf die europäische Agenda zu setzen.

Darüber hinaus pflegt die IGF seit Ende Oktober 2009 Kontakte zu einem europaweiten Netzwerk von Umweltaktivisten, die sich in Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, der Schweiz, Luxemburg, den Niederlanden, Belgien, Dänemark und Norwegen gegen die Fluglärm- und Schadstoffbelastungen und die Beschleunigung des Klimawandels durch den ständig zunehmenden Flugverkehr wenden.

Dieses Netzwerk gibt seit 2011 in unregelmäßigen Abstand einen Newsletter for Aviation Compaigners across Europe „EXCHANGE“ heraus. Bisher sind 16 Ausgaben erschienen.

Deutscher Fluglärmdienst (DFLD)

Weiterhin arbeitet die IGF mit dem Deutschen Fluglärmdienst (DFLD) e.V. zusammen. Der DLFD ist ein 2002 gegründeter, eingetragener gemeinnütziger Verein, der sich für die quantitative Erfassung aller Emissionen des Luftverkehrs und deren transparenter Darstellung mit einer Langzeit-Archivierung engagiert. Unter Transparenz versteht der DFLD die graphische und numerische Darstellung der Emissionswerte der einzelnen Flugbewegungen im Gegensatz zu Langzeit-Durchschnittswerten wie sie bei dem Dauerschallpegel erhoben werden. Das Fluglärmgesetz schreibt zum Beispiel eine Mitteilung über die sechs verkehrsreichsten Monate vor.

Bündnis der Bürgerinitiativen (BBI): Kein Flughafenausbau – für ein Nachtflugverbot

Schließlich hat die IGF 1998 das Bündnis der Bürgerinitiativen (BBI) „Kein Flughafenausbau – für ein Nachtflugverbot“ in Frankfurt am Main im Zusammenhang mit dem neuerlichen Flughafenausbau (Landebahn Nordwest, Terminal 3) mitbegründet.

Im BBI haben sich mittlerweile zahlreiche Gruppen aus Rheinhessen, der Stadt Mainz, dem Kreis Groß-Gerau, dem Kreis Offenbach, dem Kreis Darmstadt-Dieburg, dem Rheingau-Taunus-Kreis, dem Main-Taunus-Kreis, dem Vorder- und Hochtaunus, den Städten Frankfurt, Offenbach, Wiesbaden und Darmstadt, dem Kreis Wetterau, dem Main-Kinzig-Kreis, der Stadt Aschaffenburg und dem bayerischen Untermain zusammengeschlossen.

Die IGF hat bisher an über 147 Montagsdemonstrationen und über 37 Mahnwachen im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens mitgewirkt sowie an allen in den Jahren 2000 bis 2015 durchgeführten Protestaktionen und Demonstrationen.

Die IGF macht auch Lobbyarbeit auf allen Ebenen, also neben der Beteiligung an bunten, kreativen und friedlichen Protestaktionen, führt sie Gespräche mit Politikern auf allen Entscheidungsebenen, also mit Kommunen, Kreisen, Land, Bund und EU. Wir setzen uns kritisch und argumentativ mit den Forderungen der Luftverkehrsseite und anderer gesellschaftlicher Gruppen auseinander.

Der 50. Geburtstag – Jubiläumsfeier der IGF im Rathaus Walldorf, am 21. Mai 2015

Netzwerk Umwelt und Klima (NUK) Rhein-Main

Seit 2010 gehört die IGF außerdem dem Netzwerk Umwelt und Klima (NUK) Rhein-Main an. Das NUK wurde Ende 2007 mit der Forderung nach einer Gesamtbelastungsstudie für das Rhein-Main-Gebiet, die bereits 1991 zum ersten Mal auf der Agenda der Landespolitik stand, gegründet. Es erhebt folgende Forderungen:

1. Ein integriertes Monitoring von Umweltbelastungen (auf Landesebene), wie es zuletzt der von der Bundesregierung beauftragte Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem Gutachten 2012 vorgeschlagen hat.

2. Eine Konzeptstudie, in der methodische Grundlagen zur monetären Bewertung von externen Umweltkosten zur praktischen Anwendung anhand vorliegender statistischer Daten präzisiert werden. Dieses kann auf Grundlage von mittlerweile allgemein anerkannten Methodenkonventionen des Umweltbundesamtes (UBA) erfolgen.

3. Ein auf den beiden erstgenannten Bestandteilen aufbauendes, periodisch fortzuschreibendes Berichtswesen, bei dem vorhandene Umweltbelastungen im Kontext einer Nachhaltigkeitsstrategie dargestellt werden, die diesen Namen auch tatsächlich verdient. Basis hierfür wäre das in der Schweiz etablierte Berichtswesen zu den externen Kosten des Verkehrswesens, das seit dem Jahr 2000 in Zeitabständen von 4-5 Jahren periodisch fortgeschrieben wird. Dort erfolgt nicht nur eine laufende Anpassung von Zahlenwerken, sondern eine jeweilige Anpassung an neuere wissenschaftliche Erkenntnisse.

Das Logo der IGF

Forderungen der IGF

1. Festsetzung eines neuen Lärmgrenzwertes im Luftverkehrsgesetz und im Fluglärmschutzgesetz von 40 dB (A), wie dies von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit 10 Jahren gefordert wird.

2. Betriebsbeschränkungen und Nachflugverbot von 22.00 bis 6.00 Uhr müssen im Luftverkehrsgesetz und im Fluglärmschutzgesetz verankert werden.

3. Festlegungen von Lärmobergrenzen.

4. Schaffung eines Gesetzes zur Gesamtlärmerfassung und -reduzierung.

5. Luftschadstoffe am und um den Flughafen messen und reduzieren.

6. Erstellung einer Gesamtbelastungsstudie für die Rhein-Main-Region.

7. Wald, Naherholungs- und Naturschutzgebiete in der Rhein-Main-Region schützen und ausbauen.

8. Keine Monopolstellung für den Flughafen Frankfurt und Beendigung der internationalen Drehkreuzfunktion, keine Airport-City Frankfurt.

9. Begrenzung der Zahl der Flugbewegungen auf 380.000 pro Jahr.

10. Verlagerung des Kurzstreckenflugverkehrs bis 500 km auf die Schiene.

11. Kerosinbesteuerung und Umweltabgaben auf den Flugverkehr.

12. Erarbeitung eines integrierten Gesamtverkehrskonzeptes.

Weitere Informationen

Interessengemeinschaft zur Bekämpfung des Fluglärms (IGF) Rhein-Main e. V. Facebook: https://facebook.com/pages/Lärmfurt/210719355691201

TEIL III: Startbahn West

1. Die Anfänge

Walter Keber

Die frühen Jahre

Heute ist das bei vielen schon fast vergessen: Der Protest gegen die Frankfurter Flughafenerweiterung im Allgemeinen und die Startbahn West im Besonderen begann einst eher verhalten.

Fast wie die Idylle eines Kleingartens wirkten 1972 die von einem Holzzaun abgegrenzten Anlagen des Airports in dessen Einflugschneise an der Okrifteler Straße zwischen Kelsterbach und Walldorf

Wenn mancher sich nämlich an die Protestbewegung gegen die Startbahn West erinnert, dann fallen ihm spontan die Großdemonstrationen mit Tausenden Mitwirkenden in der heißen Phase des Protestes 1980/81 ein – als eine ganze Region den Aufstand zu proben schien. Doch dem ging ein vergleichsweise ruhiges Jahrzehnt voraus, trotz des schon 1973 erlassenen Planfeststellungsbeschlusses zur Flughafenerweiterung. Jahrelang wurde dafür und dagegen, hoch und runter prozessiert, beschäftigten sich viele Kommunalpolitiker mit diesem Thema, oft im Clinch mit ihrer eigenen Partei auf Landesebene, die vorbehaltlos den Ausbau unterstützte. Eine breite Bürgerbewegung gab es zunächst noch nicht.

Umweltpfarrer Kurt Oeser (Mitte) war – wie hier 1970 beim Vortrag im Raunheimer Stadtparlament – schnell die bekannteste Figur der frühen Protestbewegung

1970 startete das Regierungspräsidium Darmstadt die Anhörungstermine im Zuge des Planfeststellungsverfahrens für die Flughafenerweiterung. Hier die RP-Vertreter in der Stadthalle Rüsselsheim

Gallionsfigur der frühen Protestbewegung war Kurt Oeser, evangelischer Pfarrer in Mörfelden, später EKD-Umweltpfarrer, und Gründer der Interessengemeinschaft zur Bekämpfung des Fluglärms (IGF), die erste Bürgerinitiative im Konflikt um den Frankfurter Flughafenausbau. War Oeser anfangs manchmal fast so etwas wie der sprichwörtlich einsame Rufer in der Wüste, wuchs die Zahl seiner Mitstreiter binnen weniger Jahre rasant. Begonnen hatte alles in den 1960er Jahren, als sogar ein erster Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau wegen formaler Fehler aufgehoben wurde und ein zweiter Durchgang gestartet werden musste. Aus der vorausgegangenen Diskussion verschiedener Ausbauvarianten war am Ende das Projekt Startbahn West hervorgegangen, was auch im zweiten Anlauf so blieb.

Das alles ereignete sich zu einer Zeit, als das Wort Umweltschutz überhaupt erst langsam in den allgemeinen Sprachgebrauch Einzug hielt, das allgemeine Umweltbewusstsein jedoch stetig wuchs. Außerdem setzte sich wegen des zunehmenden Flugverkehrs bei immer mehr in der An- und Abflugschneise lebenden Menschen die Erkenntnis durch, was als Kehrseite des Glamours der großen weiten Welt durch Waldverlust, Fluglärm und weiteren Umweltbelastungen auf sie und ihre Heimat zukam. Die sich so formierende Protestbewegung ging quer durch die Anhängerschaft aller Parteien. Erst um 1979 entstand die Bürgerinitiative gegen die Flughafenerweiterung Rhein-Main mit zahlreichen Ortsgruppen, dem Zeitgeist entsprechend basisdemokratisch organisiert. Ein lokaler Schwerpunkt des Protestes wurde die Stadt Mörfelden-Walldorf im Kreis Groß-Gerau.

Mit einem Hungerstreik reagierte im Oktober 1980 die Protestbewegung auf die kurz zuvor vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof erteilte endgültige Genehmigung zum Bau der Startbahn West

Damals ging es übrigens nicht nur um den Neubau der Startbahn West tief in den Wald hinein Richtung Mönchbruch, sondern auch um die Verschiebung des vorhandenen Start- und Landebahnsystems des Airports um ein paar hundert Meter nach Westen hin. Gerechtfertigt wurde das mit Gefahrenabwehr wegen der im Osten sehr niedrig über die Autobahn am stark frequentierten Frankfurter Kreuz anfliegenden Jets. Dieser Sicherheitsaspekt wurde auch von den meisten der gegen die Startbahn West Protestierenden akzeptiert, weshalb dieser Teil des Ausbaus letztlich unumstritten war. Weil diese Bahnen-Verschiebung jedoch auf dem Gelände stattfand, wo auch der Kopf der Startbahn West liegt, sorgte das alles doch für Diskussionen. Denn viele fürchteten, dass so schon früh der Startbahnbau präjudiziert werde. Außerdem: Der Airport rückte so noch ein Stück näher an das ohnehin schon stark belastete Raunheim heran.

Eine der ersten großen Demonstrationen fand im frühen Frühjahr 1979 an der Okrifteler Straße statt – mit schon rund 400 Teilnehmern

Die ersten großen Demonstrationen mit 300 bis 500 Teilnehmern ereigneten sich gegen Ende des 1970er Jahrzehnts, teilweise auf jenem Gelände zur Verschiebung der vorhandenen Pisten und für den späteren Kopf der Startbahn West. 1980 erreichte der Protest endgültig Massencharakter. Spektakulär war das in diesem Jahr illegal im Flörsheimer Wald erbaute Hüttendorf, das rund um die BI-Hütte ständig wuchs. Dort wurde auch jene Hüttenkirche errichtet, die heute am Vitrolles-Ring in Mörfelden-Walldorf steht und als einziges Bauwerk des fast schon legendären Hüttendorfs erhalten geblieben ist.

Auf der großen Düne an der Okrifteler Straße versammelten sich zu einer der ersten Großdemonstrationen im Sommer 1980 über 3000 Menschen

Bedeutsam war der 10. Oktober 1980, als nach jahrelangen Prozessen der Verwaltungsgerichtshof Kassel endgültig grünes Licht für den Bau der Startbahn West gab und die Flughafen-Aktiengesellschaft (FAG) – heute Fraport – sofort den Baubeginn ankündigte. Die Folge war eine Protestwelle ungeheuren Ausmaßes. Die unmittelbare Reaktion der Protestierenden auf Urteil und Bauankündigung sorgte bundesweit für Schlagzeilen: ein Hungerstreik von Kommunalpolitikern im Rathaus Mörfelden.

Die ersten Rodungen auf dem Sieben-Hektar-Gelände an der Okrifteler Straße machten 1980 jedem klar, welcher Kahlschlag drohte. Erst jetzt – nachdem konkret etwas passiert war – konnten sich viele, die mit einer eher abstrakten Planung relativ wenig anfangen konnten, vorstellen, was drohte. Dieses Phänomen griff übrigens auch bei späteren Ausbaukonflikten, was ein Slogan jener frühen Jahre so auf den Punkt brachte: Wenn die Bäume fallen, stehen die Menschen auf!

Im Februar 1980 wurde der Protest bereits in die Landeshauptstadt getragen – eine Massenbewegung war entstanden

Mit dieser Protestaktion Anfang 1981 vor dem Gebäude des Hessischen Landtags in Wiesbaden wurde klar – schwere Zeiten zogen in der Rhein-Main-Region herauf

Henner Gonnermann

Der Wald, eine natürliche Lebensgrundlage

Die Motivationsebenen des Widerstandes gegen den Bau der Startbahn West

Reflektiert man die Geschichte der Bürgerbewegung gegen den Bau der Startbahn West und seiner weiteren Ausbauentwicklung, so ging es immer mindestens um zwei Ebenen der Motivation des Widerstandes:

• Die eine Ebene zielt auf das reale Veränderungsgeschehen von Landschaft, Wald-Natur und damit die Betroffenheit des Lebensumfeldes auf einem Stückchen Erde unmittelbar vor Ort.

• Die zweite Ebene ist von politischer Natur. Sie basiert auf dem grundsätzlichen Zweifel an der nachhaltigen Trag- und damit Zukunftsfähigkeit einer bis heute ungebrochenen Wachstumsideologie. Basis dieser kritischen Positionierung war das Gedankengut aus Publikationen wie „Grenzen des Wachstums“ (1972) des Club of Rome oder „Haben oder Sein“ (1976) von Erich Fromm.

Je nach persönlicher Orientierung entwickelte sich mit zunehmender Dauer des Konfliktes eine gegenseitige Vermischung und Befruchtung in der individuellen Bewusstseinsbildung.

Zum Thema Wald und Startbahnbau – eine in Ton gebrannte Hoffnung der Küchen-Brigade – 1980er Jahre

Der Startbahnwald im Fokus der Widerstandsgeneration

Die Auseinandersetzung um den Startbahnwald war von Beginn an maßgeblich getragen von einer Generation, die mit diesem Waldgebiet in besonders enger Verbindung aufgewachsen ist. Es ist die Generation der Kriegs- und Nachkriegsjahre. Für sie war der Wald nicht nur ein Ort der Erholung und des Naturerlebens, sondern in Not- und Hungerjahren Bestandteil der Bewältigung elementarer Bedürfnisse. Mit Fuhrwerken jeglicher Art bis zum mit Leseholz beladenen Hand gezogenen Leiterwagen musste der Wintervorrat an Brennholz beigeschafft werden. In schwerster Handarbeit wurden auch noch Stubben und Wurzeln gefällter Bäume zur Holzgewinnung ausgegraben.

Das Sammeln von Waldbeeren und Pilzen bildete einen wenn auch nur marginalen Beitrag. Die Dramatik der Ernährungslage dokumentiert sich aus der Tatsache, dass im Herbst dieser Notjahre die Menschen scharenweise in die Wälder zogen zum Sammeln von Bucheckern.

Für den Bedarf u.a. der Stadt Frankfurt wurden aus den umliegenden Wäldern durch Sondereinschläge große Mengen an Brennholz aufgebracht. Die daraus entstandenen Kahlschlagflächen mussten in der Nachkriegszeit wieder aufgeforstet werden. Die Pflanzung und Pflege dieser Jungwälder bot den Frauen aus den Gemeinden um den Mönchbruchwald eine Verdienstmöglichkeit als Saisonarbeiterinnen und bewirkte damit eine besondere Bindung der Bevölkerung an diesen Wald.

Unter diesen Voraussetzungen bedeutete die drohende Rodung des Startbahnwaldes nicht das Verschwinden irgendeiner Waldfläche, sondern die Vernichtung eines in der Bevölkerung tief verwurzelten Stückes Heimatnatur und Kulturgeschichte.

Bestürzt sehen Demonstranten wie in „ihrem“ Wald die für den Bau der Startbahn West gefällten Bäume unter Polizeischutz abtransportiert werden – 1983

„Risiken und Nebenwirkungen“ des Flughafenausbaus

Die Waldzerstörung für den Flughafenausbau ist mit gravierenden mittelbaren Folgen verknüpft. Exemplarisch wird dies an der Thematik Grundwasser deutlich:

• Die Versiegelung großer Flächen durch den Flughafenausbau führt zu einer Reduzierung der Grundwasserneubildung, daraus resultierender Grundwasserabsenkung und damit Gefährdung Wasser abhängiger Biotope und Ökosysteme.

• Gravierende Folgen hat die Verseuchung des Grundwassers durch Schadstoffeinträge aus dem Flughafenareal. Im angrenzenden Bereich des Frankfurter Waldes führt dies dazu, dass seit Jahrzehnten bestehende Anlagen zur Trinkwassergewinnung stillgelegt oder mit nur noch reduzierter Fördermenge betrieben werden. Zur Deckung der entstandenen Versorgungslücke erfolgt eine Erschließung entfernter Gewinnungsgebiete bis in den Burgwald nördlich von Marburg. Im südlichen Hessischen Ried erschlossene Fördergebiete haben inzwischen maßgeblich das Absterben wertvoller Laubwälder auf etwa 10.000 Hektar Waldfläche bewirkt. An dieser Entwicklung ist die Schädigung der Grundwasserkörper durch den Flughafenausbau mittelbar beteiligt. Demzufolge ist die Zerstörung oder Schädigung der natürlichen Lebensgrundlage nicht auf das Flughafenareal begrenzt. Eine Bewertung derartiger zerstörerischer Entwicklungen findet keinen Niederschlag in den einschlägigen Rechtsverfahren. Sie waren und sind damit unverzichtbarer Inhalt des Widerstandes gegen jegliche Ausbauplanungen.

2. Protest und Bürgerkrieg in Bildern

Das folgende Kapitel spiegelt in Fotos und Texten die heiße Phase des Konflikts um den Bau der Startbahn West wider: vom Bau des Hüttendorfs im Flörsheimer Wald im Jahr 1980 bis zur Inbetriebnahme der Startbahn im Jahr 1984. Ein herausragendes Bauwerk im Hüttendorf war die ebenfalls 1980 erbaute Hüttenkirche. Abschluss dieses Kapitels sind die Todesschüsse auf zwei Polizisten im Jahr 1987, mithin drei Jahre nach der offiziellen Einweihung der neuen Betonpiste. Diese verabscheuungswürdige Tat wurde quer durch alle Fraktionen der Protestbewegung verurteilt.

Hüttendorf und Hüttenkirche

Das Hüttendorf im Flörsheimer Wald – 1981 gesehen – rund um die im Vorjahr in einer Nacht- und Nebel-Aktion errichteten zentralen BI-Hütte

Auf etwa 40 Hütten unterschiedlichster Bauart – darunter auch einige Baumhäuser – wuchs das Protestdorf an

1981: alternatives Dorfidyll im Flörsheimer Wald, wo heute die Startbahn West verläuft

Der Fantasie der Bauherren waren keine Grenzen gesetzt

Vor allem an Wochenenden war das Hüttendorf für Alt und Jung Anziehungspunkt für die gesamte Region

1980 wurde die Hüttenkirche im Hüttendorf erbaut. Bis heute hat das Holzkirchlein hohen Symbolwert für den friedlichen Protest

Bescherung für die Bewohner des Hüttendorfs – am 24. Dezember 1980 vor der Hüttenkirche

Pfarrer Kurt Oeser hält vor der Hüttenkirche den Weihnachtsgottesdienst

Küchen-Brigade

Legendär ist bis heute die einstige Küchen-Brigade der Bürgerinitiativen. Diese engagierten Frauen versorgten über Wochen und Monate die Demonstranten mit Verpflegung. Hier beim Latwerje-Kochen in Walldorf

Mit originellen und zudem wohlschmeckenden Beiträgen unterstützten diese Frauen den Protest, nannten sich unter Anspielung auf die Abkürzung der Fraport-Vorgängerin ebenfalls FAG, was sie aber mit Frauen-Arbeitsgemeinschaft übersetzten

Der Kampf um das Sieben-Hektar-Gelände

Fast ein Idyll – der frühe Morgen des 5. Oktober 1981 auf dem Sieben-Hektar-Gelände: Doch mit diesem Tag ändert sich alles, begannen die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen um die Startbahn West

Von einem fahlen Morgen an füllte sich über Stunden hinweg das Areal mit Tausenden protestierender Menschen, nachdem die telefonische Alarmkette der BI ausgelöst worden war

Dann erst begann die polizeiliche Räumung der Sitzblockade – teilweise mit Szenen von hoher Dramatik

Erst in den Nachmittagsstunden rückte die Polizei mit einem Großaufgebot an Menschen und Material an

Zunächst blieb es tagelang relativ friedlich, wofür dieser Small Talk am Nato-Draht steht. Es wurde gar von einem „Frankfurter Modell“ der Friedfertigkeit gesprochen. Doch das ändert sich bald

Während der Protestturm mitten auf dem Gelände am zweiten Tag geräumt wurde, blieb der zweite Turm – am Waldrand – zunächst noch stehen, wurde später aber ebenfalls zerstört

Die Gräben waren tief, nicht nur am Protestgelände selbst, sondern auch emotional. Die Gewaltspirale stieg, wofür sich beide Seiten wechselseitig verantwortlich machten

Power an der Mauer – Demonstranten versuchten den Stacheldraht von der als Nachfolgerin der ersten Drahtabsperrung errichteten Betonmauer zu ziehen

Die Polizei setzte großflächig Wasserwerfer ein – im Oktober eine eiskalte Sache, wenn einem solch eine Wasserkanonade, der Tränengas beigemischt ist, erwischte

Nicht immer wurden nur große Maschinen eingesetzt, das Wasser-Tränengas-Gemisch wurde auch im Handbetrieb gesprüht gegen die Mauerspechte

Bei vielen so „geduschten“ Demonstranten nahmen ehrenamtlich arbeitende Ärzte, Medizinstudenten und Sanitäter Augenspülungen vor. Anlaufstelle war dafür in vielen Fällen die Ärztehütte im Hüttendorf

Der Blutsonntag

Der Sonntag, 11. Oktober 1981, ging als sogenannter ‚Blutsonntag‘ in die Geschichte der Protestbewegung ein. Nachmittags spritzten plötzlich Wasserwerfer der Polizei auf die Demonstranten ein

Der bei weitem größte Teil der Menschen nahm völlig friedlich an einem Gottesdienst des evangelischen Dekanats Rüsselsheim teil, darunter (am Mikro) Dekan Kurt Holighaus. Später wurden bei einem Einsatz der Polizei zahlreiche friedliche Demonstranten verletzt, darunter der Mörfelder Revierförster Hermann Dammel

Dies wurde am nächsten Morgen bei einer BI-Pressekonferenz gemeinsam mit Betroffenen heftig kritisiert – ein diskreditierender Spruch aus Politiker-Mund über Demonstranten wurde einfach umgedreht!

Die Räumung des Hüttendorfs

Am Morgen des 2. November 1981 war es soweit: Die Polizei räumte das Hüttendorf im Flörsheimer Wald

Der Reihe nach wurden alle Hütten zerstört, wofür beispielhaft das Schicksal dieses Baumhauses stehen soll

Handstreichartig wurden alle aus dem Hüttendorf vertrieben. Demonstranten blieben ausgesperrt. Journalisten wurden von der Flughafenseite erst herangefahren, als das Hüttendorf bereits weitgehend geräumt war

Anfangs konnten Hüttendorf-Bewohner wie Alex noch auf dem Wall um das Dorf stehen

Immer wieder kam es im Lauf des Tages zu Ausfällen der Polizei aus dem besetzten Hüttendorf

Viele Szenen wirkten zu Recht bedrohlich

Es gab zahlreiche Verletzte unter den Demonstranten. Verletzt wurde bei einem Polizeieinsatz auch der Fotograf der Presseagentur AP, Rolf Boehm.

Fassungslos verfolgte der im nahen Walldorf wohnende Schriftsteller Peter Härtling das Geschehen – brachte seine Eindrücke von diesem Tag in einem beeindruckenden Essay zu Papier.

Mitglieder des evangelischen Kirchenvorstandes Walldorf um Adolf Pons (links) versuchten einen völligen Abbruch der Hüttenkirche zu verhindern

Dies gelang zumindest teilweise mit Hilfe einiger verständnisvoller Polizisten. Die Kirche wurde schließlich fachkundig in Einzelteile zerlegt, sodass diese später wieder verwendet werden konnten.

Eine Welle der Empörung folgte im gesamten Rhein-Main-Gebiet als Reaktion auf die Räumung des Hüttendorfs: In Rüsselsheim wurde dabei auf dem Bahnhofsvorplatz das Auto einer angeblichen oder tatsächlichen Zivilstreife umgeworfen.

Der Nackten-Samstag

Vielleicht das Symbol-Bild schlechthin aus der heißen Phase des Protestes: der Nackten-Samstag am 7. November 1981. Mit dieser neuen Protestform sollte die Gewaltlosigkeit der Demonstranten bei einer symbolischen Platzbesetzung unter Beweis gestellt werden. Daran nahmen ca. 120 Menschen teil. Insgesamt demonstrierten 40000 Menschen im Wald. Eine fünfköpfige Abordnung handelte mit dem hessischen Innenminister Ekkehard Gries ein Moratorium aus, das aber für den weiteren Ablauf keine großen Auswirkungen hatte.

Heiße Tage im November

An der Großdemonstration zur Übergabe der 220000 Unterschriften des Volksbegehrens im Wiesbadener Innenministerium nahmen am 14. November 1981 über 140000 Menschen teil. Dies war die bis heute größte Demonstration in Hessen.

Am Samstag verlief in Wiesbaden alles friedlich. Am nächsten Tag kam es zu teilweise turbulenten und „gewaltigen“ Auseinandersetzungen am Flughafen, auf der Autobahn und im Wald. Hieran waren etwa 10000 Menschen beteiligt. Über diese Aktionen gingen die Meinungen weit auseinander – für viele war dies der Anfang vom Ende der großen Protestbewegung.

Blockade und Kuchenstand

1982 fanden zum Auftakt der Betonierungsarbeiten für die Startbahn West, die Rodungen waren inzwischen weitgehend abgeschlossen, an der Okrifteler Straße zahlreiche Protestaktionen statt.

Immer wieder kam es auf der zunächst noch mitten durchs Baugelände führenden Okrifteler Straße zu Sitzblockaden. Diese Demonstranten wurden von der Polizei „abgeräumt“.

Bedrohliche Szenen spielten sich manchmal ab, wenn die riesigen Lastwagen der Bauunternehmen blockiert wurden.

Kult-Charakter erhielten die an nahezu jedem Sonntagnachmittag am Südostrand stattfindenden friedlichen Treffen, wozu die Küchen-Brigade der BI Kuchen anlieferte.

Allerdings: Manchmal ging es an Sonntagnachmittagen auch weniger friedlich zu

1982: kalte Dusche am Sonntag

Macht das Tor auf! Nicht selten drang die Polizei bei Ausfällen in das angrenzende Freigelände vor.

Immer wieder bescherten solche Treffen Bürgern besondere Begegnungen mit der Staatsmacht.

Und manchmal geschah das ziemlich hautnah wie bei einer Demonstration am Gundbach bei Walldorf.

Satire zur Inbetriebnahme

Mit einer satirischen Aktion begleiteten am Morgen des 12. April 1984 Bürgerinitiativen und andere Ausbaugegner/innen die offizielle Inbetriebnahme der Startbahn West. Bei diesem Treffen am Südende der neuen Startbahn hatten sich einige der wie für eine konventionelle Festveranstaltung angezogenen Demonstranten außerdem Papiermasken mit den Gesichtern prominenter Ausbaubefürworter aufgesetzt so wie die des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Holger Börner

Die Todesschüsse

Auf die Todesschüsse auf zwei Polizisten an der Startbahn West am 2. November im Jahr 1987 weist eine Vitrine im Museum des Frankfurter Polizeipräsidiums hin. Diese schreckliche Tat fand in der Protestbewegung eine einhellige Verurteilung. Dennoch wirkt dieses Ereignis bis heute auch bei den friedlichen Demonstranten nach.

Gerhard Krum

Feuer frei? Nachdenkliches zu den Todessschüssen an der Startbahn West

Nachdruck aus: DE SCHNÜSS, Kölner Stadtzeitung, 12/87

Gerhard Krum

„Schmeißt die Zwillen weg!“

In einem im Internet auffindbaren Text brüsten sich die „Revolutionären Zellen“ (RZ) damit, in der Protestbewegung gegen die Startbahn West „durch eine relativ kontinuierliche Propaganda der Tat die Verbreitung militanter Kampfformen“ bewirkt zu haben. (1) Die sogenannten Autonomen sind nicht die RZ, aber sie haben die Anti-Startbahn-Bewegung in gleicher Weise zu instrumentalisieren versucht – bis zu dem als „Nacktensamstag“ bekannt gewordenen 7. November 1981 trotz der kurz zuvor erfolgten Hüttendorfräumung allerdings ohne Erfolg. Mit der Flughafenblockade am 15. November 1981, die zur Autobahnblockade wurde, kippte die öffentliche Meinung (2), und die Aktivitäten der „Rest-BI“ wurden mehr und mehr als die vor einer Kulisse grauhaarig gewordener „Wutbürger“ vorgetragenen „Militanz“ genannter Übungen von „autonomen“ Kleingruppen wahrgenommen.

Die Bürgerinitiative hatte stets darauf gebaut, die Betreiber des Startbahnbaus argumentativ (Publikationen), rechtlich (Rechtsweg, Volksbegehren) und moralisch („Wir nehmen der Bürgerkrieg nicht an“) ins Unrecht zu setzen. Jetzt hatten die Autonomen dafür gesorgt, dass die Falle der Landesregierung zuschnappen (3) und die Protestbewegung ihrerseits ins Unrecht gesetzt werden konnte. Jedenfalls war von da an absehbar, dass die Spirale der Gewalt eine Eigendynamik annehmen musste, deren Ende nicht absehbar war. Gewollt oder nicht: Die Polizistenmorde vom 03. November 1987 sind keine logische Folge, insofern aber sehr wohl eine Folge dieser gewollten (Fehl-)Entwicklung gewesen.

Die Bonner Stadtzeitung DE SCHNÜSS ist diesem Zusammenhang in ihrer Dezembernummer 87 nachgegangen und hat im Editorial nachgefragt „weshalb man aus Bonn immer noch zur Startbahn West gefahren ist, warum welche Ausrüstung zur Demonstration für nötig gehalten wird, ob man damit Verletzte und Tote in Kauf nimmt, ob die Demonstrationen (…) darauf gerichtet sind, gesellschaftliche Mehrheiten (…) zu gewinnen oder ob es um die militante und militärische Auseinandersetzung mit der Polizei und damit mit diesem Staat geht“. (4) Die angefragten Autonomen haben sich dieser Diskussion verweigert. Der hier als Faksimile widergegebene Diskussionsbeitrag „Feuer frei?“ will sie jedoch nicht aus ihrer Mitverantwortung für die Eskalation der Gewalt an der Startbahn West entlassen. An diese Mitverantwortung erinnert auch ein von namhaften Vertretern anderer Protestbewegungen verfasster offener Brief an die Autonomen, der mit der Aufforderung endet: „Schmeißt die Zwillen weg!“ (5) Dieser Aufforderung ist auch heute nichts hinzuzufügen.

Anmerkungen

1 www.freilassung.de

2 Zum einen wurde mit der Blockade der Autobahn ein Sakrileg begangen; zum anderen erlitt eine Frau in einem durch die Blockade verursachten Stau stehenden Auto einen Herzinfarkt und starb, weil das Rettungsfahrzeug angeblich nicht schnell genug durchkam.

3 Die Landesregierung ging ja nach dem gleichen Muster vor und wollte mit ihrem massiven Polizeiaufgebot genau die „Gegengewalt“ provozieren, um die von der Bürgerinitiative in Anspruch genommene Gewaltfreiheit des Protests unglaubwürdig zu machen. Diesen Gefallen haben ihr die Autonomen aus freien Stücken getan.

4 DE SCHNÜSS Nr. 12, Dezember `87, 10. Jg., S. 5

5 ebd., S. 8

Wolf Wetzel

Tödliche Schüsse – 25 years later

Nachbetrachtung zum Text von Gerhard Krum aus der Zeitung „De Schnüss“

Zu Recht besteht Gerhard Krum in dem vorangestellten Beitrag darauf, die Schüsse auf Polizisten während einer nächtlichen Aktion am 2.11.1987, an der sich über 300 Startbahngegnerinnen beteiligten, weder den gewalttätigen Verhältnissen noch einem Psychopathen zuschreiben. Das ist in der Tat auf die eine oder andere Weise geschehen, vor allem in den ersten Wochen – als die allermeisten über das Wer, das Wie und Warum rätselten.

Da der hier dokumentierte Text gerade einmal einen Monat nach den Ereignissen geschrieben wurde, reflektiert er nicht die Auseinandersetzungen und Positionen, die danach eingenommen wurden. So wurde u.a. ein Ermittlungsausschuss gegründet, der über drei Jahre alles zusammengetragen und begleitet hatte. Doch nicht nur diese mühsame und kontinuierliche Arbeit ist zu erwähnen, sondern auch der gemeinsame, monatelange Diskussionsprozess vieler Startbahngruppen, mit dem Ziel, eine politische Einordnung und eine gemeinsame Haltung zu den bevorstehenden Prozessen und den darin involvierten Angeklagten einzunehmen. All das findet sich in der vierseitigen „Plattform zum 2.11-Prozess“, die 1988 breit publiziert wurde und tatsächlich eine tragfähige Basis für die kommenden Jahre bot.

Allen Beteiligten war klar, dass die Schüsse keineswegs eine irgendwie geartete Konsequenz aus dem militanten Widerstand waren. Sowohl in der Vorbereitung, als auch in den vielen Aktionen davor, bestand Konsens darin, dass der Einsatz von Schusswaffen weder klammheimlich noch unausgesprochen gedeckt wird. Im Gegenteil: Wir wussten sehr wohl, dass eine Eskalation der (Gegen-)Gewalt weder die Ohnmacht befriedigt noch eine Antwort auf den politischen Stillstand sein kann.

Die Diskussionen über Grenzen und Notwendigkeit von (Gegen-)Gewalt, die Weigerung, politische Schwierigkeiten und Ohnmachtserfahrungen „militaristisch“ zu überspringen, wurden vor dem 2.11.1987 geführt. Dass sich an dem gefundenen Konsens nicht alle halten, markieren Grundverständnis und Bruchstelle von Bewegungen zugleich.

Selbstverständlich haben die „Schüsse“ bis heute ihre Spuren, ihre „Geschichten“ hinterlassen. Am allergefährlichsten sind die Schlüsse, die ohne jede Diskussion, durch Auslassung der konkreten Umstände und eigenen Verortung gezogen wurden und werden.

Und es gibt eine Art, die den tragischen Umständen am 2.11.1987 überhaupt nicht gerecht wird: Wenn man mit dem stillen Verweis auf die „Schüsse“ ein Leichentuch über alle anderen Ereignisse, Brüche und Streitpunkte legt.

Diese sind bis heute virulent – nicht nur im Protest gegen den weiteren Ausbau des Frankfurter Flughafens. Man kann genauso gut den Stuttgart-21-Protest in Erinnerung rufen oder die jahrzehntelange Widerstandsgeschichte gegen die „Castor-Transporte“ im Wendland.

Dann nähert man sich Fragen, die der 2.11.1987 weder ausgelöst noch zu verantworten hat: Wie reagiert man auf die massive staatliche Repression, die in dem besagten Artikel in Ansätzen dokumentiert ist? Was macht man, wenn alle politischen Mittel (Hüttendorf, Demonstrationen, Platzbesetzungen, Volksbegehren, Aufklärung) gegen eine Wand aus Beton fahren?

Was macht man, wenn die Antwort auf den Protest, der eine breite Unterstützung (30.000 bei dem Versuch, die Rodung zu verhindern, 200.000, die einen Volksentscheid befürworteten) genoss, nur noch mehr Repression ist, am allerwenigsten die Bereitschaft, die Zustimmung zu einer weiteren Startbahn mit demokratischen/politischen Mitteln zu suchen?