Zeitenwechsel - Marc Freund - E-Book

Zeitenwechsel E-Book

Marc Freund

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Beschreibung

Es wird behauptet, im Leben jedes Menschen gäbe es einige wenige Tage, die sein Leben grundliegend verändern können. Einen solchen erlebt der Schriftsteller Oscar Wilde im Frühjahr 1895. Ihm drohen eine Gefängnisstrafe und der persönliche Ruin. Doch dann bietet sich ein Ausweg aus seiner schwierigen Situation: Wenn er sich bereit erklärt, als Sonderermittler der Krone zu arbeiten, könne auf eine Haftstrafe verzichtet werden. Schweren Herzens nimmt Oscar Wilde die neue Aufgabe an. Bereits sein erster Fall entpuppt sich als ein wahrer Horrortrip, denn ein zu allem entschlossener Gegner versucht England und die Monarchie zu zerstören ...

Oscar Wilde ermittelt im Auftrag der britischen Krone. Der erste Teil der erfolgreichen Hörspielserie jetzt als eBook bei beTHRILLED.

Alle Bände der eBook Serie "Oscar Wilde & Mycroft Holmes: Sonderermittler der Krone":

01. Zeitenwechsel

02. Der Nebel des Unheils

03. Der Todesrichter

04. Der Fall Homunculus

05. Hetzjagd in London

06. Sieben Gesichter des Todes

Zur Serie: London, 1895: Ein mysteriöser Geheimbund bedroht die Sicherheit des britischen Königreichs. Mycroft Holmes, der Bruder des berühmten Meisterdetektivs, sieht dafür nur eine Lösung: Oscar Wilde! Der Schriftsteller, der bisher eher für sein ausschweifendes Leben und seine verbale Schlagkräftigkeit bekannt war, wird zum Sonderermittler der Krone.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 150

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

FOLGE 01: Zeitenwechsel

Die Serie: Oscar Wilde & Mycroft Holmes – Sonderermittler der Krone

Über den Autor

Titel

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

In der nächsten Folge

FOLGE 01: Zeitenwechsel

Es wird behauptet, im Leben jedes Menschen gäbe es einige wenige Tage, die sein Leben grundliegend verändern können. Einen solchen erlebt der Schriftsteller Oscar Wilde im Frühjahr 1895. Ihm drohen eine Gefängnisstrafe und der persönliche Ruin. Doch dann bietet sich ein Ausweg aus seiner schwierigen Situation: Wenn er sich bereit erklärt, als Sonderermittler der Krone zu arbeiten, könne auf eine Haftstrafe verzichtet werden. Schweren Herzens nimmt Oscar Wilde die neue Aufgabe an. Bereits sein erster Fall entpuppt sich als ein wahrer Horrortrip, denn ein zu allem entschlossener Gegner versucht England und die Monarchie zu zerstören …

Die Serie: Oscar Wilde & Mycroft Holmes –Sonderermittler der Krone

London, 1895: Ein mysteriöser Geheimbund bedroht die Sicherheit des britischen Königreichs. Mycroft Holmes, der Bruder des berühmten Meisterdetektivs, sieht dafür nur eine Lösung: Oscar Wilde! Der Schriftsteller, der bisher eher für sein ausschweifendes Leben und seine verbale Schlagkräftigkeit bekannt war, wird zum Sonderermittler der Krone.

Als eBook bei beTHRILLED verfügbar:

01. Zeitenwechsel

02. Der Nebel des Unheils

03. Der Todesrichter

04. Der Fall Homunculus

05. Hetzjagd in London

06. Sieben Gesichter des Todes

Über den Autor

Marc Freund wurde 1972 in Flensburg geboren und wuchs in Osterholz an der Ostsee auf. Neben dem Schreiben von Kriminalromanen arbeitet er hauptsächlich als Hörspielautor.

MARC FREUND

Zeitenwechsel

OSCAR WILDE & MYCROFT HOLMES

Sonderermittler der Krone

Folge 01

beTHRILLED

Digitale Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Die eBook Reihe basiert auf der gleichnamigen Hörspielserie, Copyright © Maritim Verlag, www.maritim-hoerspiele.de

»Maritim« ist eine eingetragene Wort-/Bild-Marke und Eigentum der Skyscore Media GmbH, Biberwier/Tirol, www.skyscore.media

»Zeitenwechsel« basiert auf dem Hörspiel von Jonas Maas.

Textredaktion: Lars Schiele

Projektmanagement: Kathrin Kummer

Covergestaltung: Mark Freier (www.freierstein.de)

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-4472-1

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Kapitel 1

Wie dunkle Schatten bewegten sie sich durch die Nacht. Dabei gaben sie sich nicht einmal besondere Mühe, leise zu sein. Ein gutes Dutzend Männer in blauen Uniformen, angeführt von einem entschlossen dreinblickenden, leicht untersetzten Chief Constable, bahnte sich seinen Weg durch die enge Gasse. An deren Ende lag das weiß getünchte, mehrstöckige Haus, das mehrere Wohnungen beherbergte.

Eine davon war ihr auserkorenes Ziel. Noch ahnten die beiden Männer, die sich darin aufhielten, nicht, was ihnen bevorstand.

Mit einem leisen Quietschen wurde die Haustür aufgedrückt, die, wie es das Schicksal an jenem Abend wollte, unverschlossen war.

Einer nach dem anderen huschten die uniformierten Beamten ins Innere. Ihr Ziel lag im zweiten Stock – die Wohnung von Albert Henslow. Vor der mit Schnitzereien verzierten Holztür blieben die Polizisten im Halbkreis stehen. In den Gesichtern der überwiegend jungen Männer spiegelte sich eine Spur von Unsicherheit. Trotz der bisweilen ruchlosen Zeiten um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert kam es nicht alle Tage vor, dass sie in eine Wohnung eindringen mussten, um einen Mann abzuführen, um den sich allerhand obskure Gerüchte rankten.

Der Chief Constable blickte einen nach dem anderen an. Kein Wort wurde gesprochen. Er drückte vorsichtig die Klinke herunter und nickte, als er die Wohnungstür verschlossen vorfand. Dann gab der Mann einem der Uniformierten einen Wink.

Der junge Mann verstand sofort. Er nickte seinem Vorgesetzten zu und hob die schwere Feuerwehr-Axt, die er bis dahin verborgen gehalten hatte.

Unwillkürlich wichen die Kameraden zurück, als der Beamte zum ersten Schlag ausholte. Mit einem fürchterlichen Krachen traf das Werkzeug auf das Türblatt.

Die Tür erzitterte, als die Klinge der Axt im Holz stecken blieb. Sofort zog und hebelte der junge Beamte daran, um das Werkzeug wieder freizubekommen. Feine Holzsplitter rieselten zu Boden.

Aus dem Innern des Raums waren undeutliche Stimmen zu hören. Zwei Männer unterhielten sich hastig und aufgeregt miteinander. Jemand räusperte sich. Dann eine Stimme: »Würde es Ihnen etwas ausmachen, später wiederzukommen, Gentlemen? Wir sind hier drinnen nämlich gerade … beschäftigt.

Der nächste Schlag wurde mit wesentlich mehr Kraft geführt.

»Noch einmal! Streng dich an, du Nichtsnutz«, schallte die Stimme des Chief Constables durch das Treppenhaus. Gleichzeitig wandte er sich zur Tür und rief: »Aufmachen, Polizei!«

Von drinnen war jetzt kein Geräusch, keine Regung mehr wahrnehmbar. Wenn die Bewohner des Hauses sie gehört hatten, ließen sie sich nichts anmerken. Vielleicht waren sie vor Angst erstarrt und warteten mit lähmendem Entsetzen ab, was weiter geschah.

Der Chief Constable gab seinem Untergebenen ein Zeichen, mit seiner zerstörerischen Arbeit fortzufahren.

»Gleich ist es so weit. Noch ein oder zwei Schläge und wir sind drin«, flüsterte eine Stimme aus der hinteren Reihe der Männer. Ein rotwangiger Beamter grinste dümmlich und rieb sich voller Vorfreude die fleischigen Hände.

Erneut fraß sich die glänzende Klinge der schweren Axt in das Holz der Tür, und dieses Mal entstand tatsächlich eine längliche Öffnung, durch die ein seltsam flackernder Lichtschein nach draußen in das dämmrige Treppenhaus fiel.

Der Chief Constable zog den Mann mit der Axt am Ärmel seiner Uniform beiseite. Jetzt waren andere Kaliber gefragt.

Wortlos traten zwei kräftige Männer vor, die auf ein Zeichen ihres Vorgesetzten hin gegen die wuchtige Holztür stürmten und diese mit einem berstenden Geräusch in der Mitte durchbrachen.

Größere Holzteile und Splitter wurden ins Innere der Wohnung katapultiert, als die Männer sich gewaltsam Zutritt verschafften.

Einer der beiden Beamten fiel durch den enormen Schwung und die Kraft, die er in seine Bewegung gelegt hatte, bäuchlings hin und landete ungeschickt auf einer der beiden Türhälften.

Der Rest der Mannschaft beachtete ihn kaum. Nach und nach drängten die Männer, angeführt vom Chief Constable, in das geräumige Wohnzimmer.

In dessen Mitte befand sich eine große Staffelei, die ein unfertiges Bild hielt, auf dem die Ölfarbe noch nass glänzte. Dahinter, auf einem kleinen Podest und in kniender Pose, einem griechischen Götterbild gleich, hockte ein junger, gut gebauter Mann, der keine Faser am Leib trug. Er hatte die Augen weit aufgerissen und starrte mit offenem Mund auf die Beamten, die in immer größerer Zahl in das Zimmer hineinströmten.

»Mon Dieu, was für ein Lärm. Sag Albert, hast du noch Besuch erwartet?« Der Maler, der eigentlich ein Schriftsteller war, trat mit dem nassen Pinsel in der Hand einen Schritt auf die Beamten zu und hob dabei in einer eher amüsiert wirkenden Pose die rechte Augenbraue ein wenig. »Mir war nicht bekannt, dass dich Männer in Uniform reizen. Obwohl diese ungewaschenen und ungehobelten Barbaren sicherlich nicht die Crème de la Crème ihres Berufsstandes darstellen dürften.«

Der Chief Constable, der anstelle des ebenfalls gänzlich unbekleideten Malers einen hochroten Kopf bekommen hatte, trat kampflustig einen Schritt auf den Künstler zu. »Ruhe! Sie reden nur, wenn Sie direkt angesprochen werden!«

Der Maler lächelte. Er fuhr sich durch sein schulterlanges Haar und legte in einer betont langsamen und lässigen Bewegung seinen Pinsel auf die Ablage seiner Staffelei. Danach drehte er sich wieder zu dem Polizisten um.

»Vielleicht verkennen Sie ein wenig die Situation, mein Herr. Dies ist das Stadtdomizil von Albert Barnabas Henslow, dem zweiten Viscount of Warwickshire. Ich sehe Ihnen Ihr ungebührliches Verhalten nach, wenn Sie sich bitte erklären könnten und uns darüber informieren, warum die britische Krone uns zu dieser späten Stunde belästigt und auf brutalste Art der Haustür entledigt.«

Der Nackte hatte mit leicht versnobter Stimme, aber durchaus nicht unsympathisch gesprochen. Seine dunklen Augen ruhten nach wie vor auf dem Anführer der späten Besucher.

Die jungen Beamten im Hintergrund traten von einer Stelle auf die andere. Einige tuschelten miteinander, andere wandten den Blick ab und wussten offensichtlich nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollten. Sie warteten auf einen Befehl des Chief Constables, der in diesem Moment zu registrieren schien, dass er reagieren musste.

Doch der junge Albert Henslow kam ihm zuvor: »Komm, Oscar, lass es gut sein, das ist alles sicher nur ein großes Missverständnis, das sich in wenigen Sekunden aufklären wird.«

Der Angesprochene hörte die Stimme seines Aktmodells, wandte jedoch den Blick nicht von den Gesetzeshütern.

Der Chief Constable fühlte sich unbehaglich, beobachtet. Es schien, als müsse er seinen aufsteigenden Ekel bekämpfen.

»Sie sollten besser auf Ihren jungen Gespielen hören, Mister Wilde.« Der Beamte deutete auf die Blöße des Schriftstellers. »Und ich würde es begrüßen, wenn Sie sich endlich bekleiden würden. Ihr Verhalten ist abartig.«

Das letzte Wort wurde Oscar Wilde vor die Füße gespien. Die Mundwinkel des Dichters zuckten. »Oh, aber natürlich. Doch wie gesagt: Wir haben keine weiteren Gäste erwartet, deshalb haben wir es etwas, wie sagt man, leger angehen lassen. Albert, reichst du mir bitte einmal einen Bademantel?«

Der junge Mann erhob sich sportlich elegant aus seiner Pose und schlüpfte in einen seidenen Morgenmantel, während er gleichzeitig nach dem gewünschten Kleidungsstück griff und es Wilde hinüberwarf. »Hier, Oscar.«

Der Angesprochene griff geschickt nach dem marineblauen Bademantel und zog ihn sich über. Sorgfältig verschnürte er den Gürtel über seinen Lenden. Er besaß die Ruhe, ein unsichtbares Staubkörnchen von seinem Ärmel zu entfernen und es dem Beamten demonstrativ entgegenzuschnippen.

Albert Henslow trat an die Seite des Schriftstellers und blickte den Chief Constable an. »Dürfen wir jetzt erfahren, was Sie von uns wollen? Falls Sie keinen guten Grund haben sollten, dann gnade Ihnen Gott. Mein Vater ist Mitglied des britischen Oberhauses.«

Der Beamte grinste feist und musterte den jungen Mann von Kopf bis Fuß. »Ist dem so? Ich glaube, Ihren Vater würde der Schlag treffen, wenn er hiervon morgen aus der Times erfahren würde.«

Der Uniformierte verengte die Augen zu Schlitzen, als er fortfuhr: »Und nun halt die Klappe, Junge, und setz dich dort rüber, hier geht es nicht um dich.«

»Womit nur noch einer übrig bliebe, wegen dem Sie hier unsere Zeit vergeuden, nämlich ich.« Oscar Wilde reckte stolz sein Kinn in die Höhe, das schwarze Haar fiel ihm dabei auf seine Schultern.

Der Chief Constable wandte den Kopf in seine Richtung. »Es scheint zu stimmen, was man sich so über Sie erzählt, Sie scheinen ein ganz ausgeschlafenes Bürschchen zu sein.«

»Danke für die Blumen, doch so langsam beginnt mich diese Unterhaltung zu langweilen. Deshalb würde ich es wirklich begrüßen, wenn Sie mir nun endlich erzählen, was diese ganze Farce hier eigentlich soll. Ich habe mich keines Verbrechens schuldig gemacht.«

Das Grinsen auf dem Gesicht des Beamten erstarb von einer Sekunde auf die andere. »Dass ich nicht lache. Ich und meine Männer haben Sie dabei erwischt, wie Sie und Ihr Lustknabe hier der Unzucht frönten.«

Dies war der Augenblick, in dem es Albert Henslow nicht mehr auf seinem Stuhl hielt. Er sprang auf und tat einen großen Schritt in die Richtung des Uniformierten. Auf seinem Gesicht zeigten sich hektische rote Flecken. »Ich verbitte mir diesen Ton. Außerdem ist es eine ausgemachte Lüge, ich habe Mister Wilde lediglich Modell gestanden.«

Die schallende Ohrfeige des Chief Constables kam wie aus dem Nichts und fegte Henslow regelrecht zur Seite. Der junge Mann prallte gegen eine Kommode und stieß dabei einen hellen Schmerzenslaut aus. Im letzten Moment gelang es ihm, seinen Sturz an dem Möbelstück abzufangen. Als er sich wieder umwandte, war seine rechte Wange feuerrot und in seinen Augen begannen sich Tränen zu sammeln.

In den Augen des Chief Constables blitzte es amüsiert auf. »Ich habe dich gewarnt, Bursche. Ich hoffe, ich habe mich nun klar genug ausgedrückt. Solltest du dich noch einmal einmischen oder ungefragt das Wort erheben, werden wir dich ebenfalls einsacken wie den feinen Mister Wilde.«

Henslow entgegnete darauf nichts. Er hielt sich die Wange und starrte den Beamten in einer Mischung aus Angst und unverhohlenem Hass an.

Nun war es an Oscar Wilde, zu reagieren. Die teilweise eingeschüchterten Blicke der Beamten im Hintergrund ruhten auf dem Dichter, als dieser sich in voller Größe vor ihrem Vorgesetzten aufbaute.

»Ich denke, Sie befinden sich im Irrglauben. Ich werde Sie ohne einen triftigen Grund nirgendwohin begleiten, Constable. Ich kenne meine Rechte als freier Bürger. Dort ist die Tür, ich fordere Sie unverzüglich auf, diese Wohnung zu verlassen.«

Der Angesprochene lachte Wilde dreckig ins Gesicht. »Deine Rechte? Du glaubst doch nicht etwa wirklich, du hättest mehr Rechte als irgendein Stück Dreck aus der Gosse, bloß weil du schöne Worte auf ein Stück Papier schmieren kannst.«

Oscar Wilde zögerte nicht lange. Einen einzigen großen Schritt tat er auf den Beamten zu und packte ihn am Kragen. »Jetzt habe ich endgültig die Nase voll! Ich werde dir Benehmen einbläuen, du Scherge! Ich …«

Wilde hatte den jungen Constable nicht bemerkt, der an seine Seite geeilt war und nun den schweren Polizeiknüppel schwang. Der wohlgezielte und kräftig geführte Schlag traf den Dichter direkt an der rechten Schläfe.

Wilde stieß einen schmerzerfüllten und zugleich verblüfften Laut aus. Er versuchte, seinen Kopf in die Richtung des jungen Beamten zu wenden, doch gelang es ihm nicht mehr, diese Bewegung zu Ende zu führen. Er verlor das Bewusstsein und schlug hart auf dem Dielenboden auf, wo er reglos liegen blieb.

»Sie haben ihn umgebracht, Sie Scheusal!«, kreischte Henslow. Seine Stimme überschlug sich. Er wollte Wilde zu Hilfe eilen, wurde jedoch sogleich von mehreren Uniformierten gepackt und nach hinten gezogen.

»Keine Sorge, so schnell stirbt es sich nicht«, schaltete sich der Chief Constable ein. »Außerdem wären einige hohe Herren sehr ungehalten, wenn ich es dem feinen Oscar so einfach machen würde.« Er gab seinen Gefolgsleuten das Zeichen, auf das sie alle die ganze Zeit über gewartet hatten: »Männer, packt diesen Haufen Abschaum ein und bringt ihn in die Droschke. Das wird ein böses Erwachen, wenn unser Schriftsteller das nächste Mal seine Äuglein öffnet.«

Kapitel 2

Dunkelheit.

Sie umgab ihn wie eine zweite Haut. Sie erfüllte nicht nur den Raum, sondern auch sein Denken. Wie viel Zeit war vergangen, seitdem man ihn aus Henslows Wohnung entführt hatte? Oscar Wilde wusste es nicht. So sehr er seine Augen auch anstrengte, es wollte ihm nicht gelingen, der vollkommenen Finsternis irgendwelche Details zu entlocken. Das Loch, in das man ihn gesteckt hatte, schien über kein Fenster zu verfügen.

Irgendwo tropfte Wasser von der Decke und sammelte sich mit platschenden Geräuschen in einer Pfütze. Aber das war nicht das einzige Geräusch, das an Wildes Ohren drang. Um sich herum vernahm er ein verdächtiges Rascheln. Kleine Pfoten, die über den Untergrund trippelten, kleine haarige Leiber, die sich durch das vergammelte Stroh am Boden wühlten, auf der Suche nach Nahrung.

Wilde lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Wenn es etwas gab, das er abgrundtief hasste, waren es Ratten. Und diese waren scheinbar so nahe, dass er nur seine Hand nach ihnen hätte auszustrecken brauchen. Doch eben dies funktionierte leider nicht, denn bei dem Versuch, sich zu bewegen, stellte er fest, dass man ihn an den klobigen Stuhl gefesselt hatte, auf dem er saß.

Allein diese kleine Anstrengung ließ den Schriftsteller wieder in sich zusammensinken. Er fühlte sich schlapp und kraftlos, und sein Kopf schien bei jeder kleinen Neigung, vollkommen gleich in welche Richtung, explodieren zu wollen.

Von irgendwoher war eine klagende Stimme zu hören. Sie schluchzte wie unter dem Erleben immenser Pein auf, bis die Laute in ein leises Wimmern mündeten und schließlich ganz versiegten.

Wo um alles in der Welt war er hier? Wohin hatte man ihn gebracht?

Ein fetter, pelziger Leib sprang ihm auf sein rechtes Bein. Wilde schrie auf und wollte das Vieh abschütteln, doch das stellte sich als äußerst schwierig heraus, da seine Füße an die beiden vorderen Stuhlbeine gebunden worden waren.

»Verschwinde, du verfluchtes Miststück«, schrie Wilde und bewegte seine Knie so heftig hin und her, dass sie mehrfach schmerzhaft aneinanderschlugen. Endlich verschwand das Gewicht von Wildes Oberschenkel. Der Gefangene hörte, wie der fette Körper der Ratte irgendwo seitlich von ihm ins feuchte Stroh klatschte.

»Hallo, ist da jemand?«, schrie Wilde. »Kann mich jemand hören?«

Nichts. Nicht einmal die Stimme von nebenan antwortete.

»Hallo, das muss ein großes Missverständnis sein. Ich habe keiner Menschenseele etwas zuleide getan.« Wilde hatte noch lauter gerufen als zuvor, die Wirkung jedoch blieb dieselbe. Niemand zeigte sich und nichts rührte sich.

Er wollte verzweifeln. Es war so stockdunkel, dass er nicht das Geringste erkennen konnte. Da kam ihm ein neuer Gedanke. Vielleicht hatte ihn der derbe Schlag gegen den Kopf ja auch erblinden lassen. Das wäre angesichts der Brutalität des Chief Constables nicht einmal so unwahrscheinlich.

Genug davon, schrie eine Stimme in Wildes Kopf. Die Lage war schon ausweglos genug, er durfte sie durch eine wuchernde Paranoia nicht noch schlimmer machen.

»Warum bin ich gefesselt, was soll dieser ganze Unsinn? Ich habe genug davon. Hallo! Ich will hier raus, sofort!«

Wilde begann zu toben. Er versuchte erneut aufzustehen, doch damit schnitt er sich nur die eng geschnürten kräftigen Seile in das Fleisch seiner Handgelenke.

Und dann passierte das Unausweichliche: Der Stuhl bekam Übergewicht und kippte vornüber. Wilde schlug der Länge nach hin, noch immer an das verdammte Möbelstück gefesselt, und prallte mit dem Kinn auf den festgetretenen Boden. Er nahm den Geruch von Fäkalien wahr und spürte die Nähe der Ratten noch intensiver als zuvor. Gerade als Wilde zu einem erneuten Schrei ansetzen wollte, hörte er ein Geräusch. Schritte näherten sich seinem Gefängnis. Dann wurde ein schwerer Schlüssel ins Schloss geschoben und mehrfach umgedreht.

Eine breite Metalltür wurde mit einem gewaltigen Ruck aufgerissen. Das eindringende, gleißende Licht blendete Wilde, bohrte sich schmerzhaft in seine Pupillen und ließ ihn aufstöhnen. »Meine Augen. Verdammt noch mal, ist das hell!«

Eine ihm inzwischen zumindest vage vertraute Stimme begann hämisch zu lachen. »Ah, unser Gast ist erwacht und hat nichts Besseres zu tun, als sich umgehend zu beschweren – wo wir ihn doch so komfortabel untergebracht haben.«

Wilde versuchte noch immer, sich aus seiner misslichen Lage zu befreien, doch mit jeder Bewegung machte er es nur noch schlimmer. »Was soll das alles? Warum hält man mich hier fest?«

Der Chief Constable trat einen Schritt näher und legte den Kopf leicht schief, um sich an Wildes Situation zu weiden.