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Selbst die wertvolle goldene Platte kann Roman nicht von der Wahrheit der darauf aufgeführten Informationen überzeugen. In zwei Jahren soll ein größerer Landstrich an der schweizerisch-deutschen Grenze durch einen Zeitriss ins Jahr 22 n.Chr. versetzt werden. Wer glaubt schon solch einen Humbug! Doch Roman und seine neuen Freunde finden weitere, höchst überzeugende Information. Sie beginnen, ein Transferteam aufzubauen, auszurüsten und auszubilden, das den Sprung in die Vergangenheit mitmachen soll. Tatsächlich erfolgt exakt zum vorausgesagten Zeitpunkt der Zeitsprung des besagten Landstriches in die Vergangenheit. Angekommen, melden sich drei Personen, die als "blinde Passagiere" den Sprung ebenfalls mitgemacht haben. Die drei haben einen Auftrag von größter Tragweite zu erfüllen. Viel zu spät erkennt das Transferteam, dass die Erfüllung dieses Auftrages die Rückkehr in die eigene Zeit verunmöglicht.
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Seitenzahl: 626
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Vorwort
In der heutigen Zeit
Unmögliches
Überprüfung
Grabarbeiten als Beweisführung
Ein vergnügliches Abendessen
Politik
Wie soll es weiter gehen?
Planung ist alles
Eigenmächtige Pressekonferenz
Unerwartete Aufgaben
Was, wenn.…
Erste Auswirkungen
Ein Professor für Zeitreisen
Ackermanns Römerprüfung
Spezialkurs für Roman und Bucher
Buchers Reservelager
Zimmermann im PSI
Sprungübung
Zimmermann lernt das Staunen neu
Ein unliebsamer Mitspieler
Drei Russen
Erste Massnahmen für den Tag X
Das Sonden-Projekt
Da Silva meldet sich
Die Festung
Der Kelten-Test
Zimmermann will „das Ding“ endlich testen
Buchers Lausbubenstreich
Vergessene Rollen aus der Vergangenheit
Im Herzen von „dem Ding“
Abriegelung der Transferzone
Experten-Diskussionen
Die Mafia bereitet Sorgen
„Das Ding“ ist testbereit
Drüben
Warten auf den Sprung
Der Sprung
Glücklich angekommen
Tagesgeschäft oder Kasernenbetrieb
Die Suche nach den Sonden
Unliebsame Besucher
Erste Resultate
Ein Verhör wird zur Farce
Die drei neue Begleiter der Mafiosi
Erkundung aus der Luft
Erstkontakt
Zenturio Gaius in der Festung
Erskine
Zu Besuch in Vindonissa
Erskine in der Festung
Gegenbesuch im Keltendorf
Der Aufbau der Landestelle
Neuzeitlicher Strassenbau
Auf Einkaufsbummel in Vindonissa
Legat Sextus Cornelius
Begräbnisfeier und Vertrag mit den Römern
Peters grosser Erkundungsflug
Im Spital
Das Immobilien-Projekt
Ausbildungskonzepte für Römer und Kelten
Luftaufklärungs-Auswertung
Bei den Kelten
Das Luftschiff
Romans erster Jagderfolg
Die Zeitmaschine meldet sich
Lasst uns nach Rom fliegen?
Wiedergeburt des „Schwarzen Schwans“
Vindonissas neuer römischer Legat
Vorbereitungen für den Römischen Besuch
Der Empfang der Römer
Der Brückenbau gerät ins Stocken
Testflug des neuen „Schwarzen Schwans“
Kommandoübergabe auf „Zigarre uno“
Die erste Zeitkapsel
Briefkontakt mit der Zukunft
Fortschritte beim Brückenbau
Mais und Kartoffel
Ist Rom doch eine Reise wert?
Decius‘ grosser Auftritt
Zu Besuch bei Kaiser Tiberius
Mafiosi in Rom
Sonja
Ein Abendanlass im Capitol
Noch rasch nach Syracusae
Sonjas Geschichte
Freier Ausgang in Rom
Rückflug durch die Alpen
Giusi
Die Zeitbrücke flackert erneut
Der erste Transfer
Die Zeitreisende
Eine wichtige Entscheidung
Rom zum Zweiten
Zigarre uno gelandet, Aktion läuft
Schneller Rückzug
Das Buch des Tiberius
Rückreise, diesmal via Marseille
Und jetzt?
Endlich, Verbindung
Offenbar bleibt es nicht ohne Auswirkungen, wenn vor deiner Haustür gleich zwei Kernkraftwerke stehen. Jetzt noch ein paar Bilder der Katastrophe von Fukushima und schon beginnt die Vorstellungskraft sich langsam bemerkbar zu machen. Eigentlich ist es ja nur ein kleiner, unscheinbarer Fragesatz, der dir zu schaffen macht: was wäre, wenn?
Als überzeugter, gutgläubiger Schweizer weist du natürlich, dass hierzulande niemals ein Atomreaktor hochgehen könnte, das ist alles viel zu sicher gebaut! Leichte Verunsicherung, wenn dir dann die Geschichte von Lucens, im Waadtland, zu Ohren kommt, wonach es in einem kleinen Reaktor zur Kernschmelze gekommen ist, glücklicherweise ohne Verstrahlung von Personen und Umwelt. Wie dem auch sei, es ist allerhand möglich, auch Unerwartetes, Unmögliches! So wohl auch die vorliegende Geschichte. Die oben beschriebenen Verunsicherungen zusammen mit meiner Vorliebe für Science Fiktion und Fantasie Literatur sind vielleicht die auslösenden Voraussetzungen für meine Geschichte.
Es könnte doch sein, dass…
Ein wunderbarer Herbsttag. Keine Wolken, keine Nebelschwaden, einfach nur schön. Eigentlich gar nicht so, wie sonst in dieser Jahreszeit üblich, zumindest Morgennebel wäre angesagt. Aber wer will sich denn beklagen!
Der tägliche Morgenspaziergang mit dem Hund war ein echtes Vergnügen gewesen. Lobo, so nannten sie den langhaarigen, mittelgrossen Hirtenhund, war bestens gelaunt und hatte sein Herrchen auch an diesem Morgen rasch auf Trab gebracht. Die Beiden waren eben von ihrem Spaziergang zurück und hatten das Haus leer vorgefunden. Frauchen war offenbar einkaufen gegangen.
Roman Diethelm, ein vorzeitig pensionierter Betriebswirt und Bauingenieur, der fast sein ganzes Leben lang für eine Grossbank gearbeitet hatte, war mit sich und der Welt zufrieden. Er hatte das Glück gehabt, vorzeitig in Pension geschickt zu wurde. Nach der Pensionierung wäre er dann doch beinah in ein Loch der Langeweile und des Selbstmitleides gefallen. Es bereitete ihm doch einige Mühe zu akzeptieren, dass das Unternehmen sehr wohl auch ohne ihn auskommen konnte. Es war der kleine, kuschelige Hund, der ihn geschickt und zielstrebig aus seiner Selbstzerfleischung zurück ins Leben führte. Geduldig liess er Herrchens Gejammer über sich ergehen. Verständnisvoll blickte er in solchen Notfällen seinen Menschen kurz und eindringlich an, wandte sich dann aber sogleich wieder ab und marschierte mit elegantem Schweifwedeln weiter, ohne auch nur einen Blick zurück zu werfen. Irgendwann begriff auch sein Mensch des Hundes Meldung, vorwärts und nicht rückwärts zu schauen. Ein weiterer Glücksfall war seine geschäftige Ehefrau, die die Therapie des Vierbeiners aktiv unterstützte und ihren Mann zu neuen Beschäftigungen motivierte.
So entdeckte er sein Interesse an der Geomantie. Jetzt sah man ihn nicht nur mit dem Hund die Gegend durchstreifen, sondern auch da und dort mit dem Pendel geschäftig hin und her marschieren und Markierungen setzen, die er dann fein säuberlich in seinem Notizbuch eintrug, exakt und sauber, wie er es vor vielen Jahren in der Vermessungslehre eingetrichtert erhalten hatte. Auch dieses „verschrobene Benehmen“ vergab ihm seine Herzdame, obwohl sie es sich nicht verkneifen konnte, dann und wann mal wieder eine kleine, spitze Bemerkung fallen zu lassen. Ja, sie hatte es nicht leicht mit diesem etwas querliegenden Herrn.
Er hatte noch eine dritte Beschäftigung, die sie noch weniger verstand. Er las fürs Leben gerne Zukunftsromane oder auch Fantasiebücher. Jutta, so hiess seine Frau, kommentierte diese Tatsache gegenüber ihren Freundinnen lakonisch mit „zumindest spinnt er mehrgleisig“.
Er vergab ihr diesen Sarkasmus noch so gerne, denn sie war, im Gegensatz zu ihm, eine überzeugte Realistin und damit der Garant, dass die Bodenhaftung in ihrem Haushalte nie verloren ging.
Zurück zu unserer Geschichte: Roman hatte sich inzwischen die Zeitung geholt, einen Kaffee zubereitet und wollte es sich eben im Wintergarten gemütlich machen, als es klingelte. Missmutig stellte er seine Tasse auf den Tisch, durchquerte das halbe Haus, um die Türe zu öffnen. Vor ihm stand, hoch aufgerichtet, ein grosser, kräftiger Mann mit einer Mappe unter dem Arm. Nein, das konnte kein Hausierer sein! Und tatsächlich stellte er sich als Polizeihauptmann Bucher vor. Roman erschrak und fragte, was denn anliege? Der befehlsgewohnte Hüne bat freundlich um Einlass mit der Begründung, dass er dies nicht auf offener Strasse beantworten möchte. Roman trat zögernd zur Seite und lies Bucher eintreten. Er bat ihn in den Wintergarten, bot ihm einen Sessel und auch einen Kaffee an.
Als er die Tasse dem Polizisten hinstellte, konnte er sich nicht mehr zurück halten und fragte etwas unbeholfen: „Was ist denn los, ist meiner Frau etwas passiert?“ Bucher winkte sofort ab und bekräftigte es mit dem Satz: „Nein, nein, ich muss ihnen nur etwas vorbei bringen, das offenbar ihnen gehört.“ Roman war jetzt zwar etwas beruhigter, aber mehr wusste er noch immer nicht. Er griff nach seiner Tasse und nahm einen ersten Schluck. Der Kaffee war in der Zwischenzeit lau geworden und vermochte seine Stimmung nicht zu heben. Der Polizist, ihm gegenüber sitzend, hielt ebenfalls die Tasse in den Händen. Ohne einen Schluck zu nehmen, fragte er: Haben Sie eine besondere Beziehung zu den Römern? Dabei beobachtete er Roman aufmerksam über seinen Tassenrand hinweg. Die Verblüffung in Romans Gesicht überraschte selbst den erfahrenen Verhörtechniker.
Wie kommen sie denn darauf? Langsam stieg Groll in Roman auf. Was zum Teufel wollte dieser Kerl eigentlich? War das ein Verhör? Er stellte auch gleich die entsprechende Frage, giftig und wenig freundlich. Bucher zuckte nichtssagend mit den Schultern und griff nach seiner Mappe. Umständlich kramte er darin herum und zog schlussendlich ein in Haushaltpapier gewickeltes Paket hervor und legte dieses vorsichtig auf den Tisch. Umständlich stellte er die Mappe wieder zurück und begann den Gegenstand auszuwickeln, bis er ein matt glänzendes Blech, etwa zwanzig auf zehn Zentimeter gross, in Händen hielt. Er nahm die Platte vorsichtig in die rechte Hand und wischte mit der andern das Verpackungsmaterial zur Seite. Das gehört ihnen. Meinte er und begann mit dem goldglänzenden Blech vorsichtig herum zu wedeln. Dabei beobachtete er aufmerksam Diethelms Reaktionen. Was soll das, ich hab‘ das Ding noch nie gesehen. Was ist das? Bucher zog ein Stück des Haushaltpapiers heran, legte das Blech sorgfältig darauf ab, schob es quer über den Tisch zu Roman und sagte in beiläufigem Ton: Gehört Ihnen, ist ja schliesslich an sie adressiert.
Roman nahm das Ding sorgsam auf und staunte erst mal ab seinem Gewicht. Prüfend hob und senkte er das Blech in seiner Hand und murmelte mehr zu sich selbst, aber doch deutlich genug für Bucher: Ist erstaunlich schwer, fast wie Gold.
Es ist Gold! Kam es postwendend zurück.
Roman blickte kurz überrascht auf und begann, das Goldblech genauer zu studieren. Es waren Buchstaben eingestanzt. Er drehte das dünne Blech, interessiert hin und her. Der Text, in Deutsch, war gut lesbar eingestanzt. Ein überraschter Atemzug verriet, dass er die ersten Zeilen gelesen und verstanden hatte. Da stehen ja tatsächlich mein Name und meine Adresse!
Sagte ich ja. War die ganze Antwort.
Sie schauten sich lange, fragend an. Bucher griff zur Tasse und trank einen Schluck, ohne den Blick von Roman zu lassen. Dieser legte die Folie vorsichtig auf den Tisch zurück und fragte den Polizisten in einem harschen, genervten Ton, was denn hier eigentlich vorgehe. Die Antwort „das möchte ich eigentlich von Ihnen wissen“ raubte Roman den letzten Rest von Ruhe und Beherrschung. Fauchend stand er auf, beugte sich über den Tisch zu dem ihn anlächelnden Polizeioffizier hinüber und flüsterte mit vor Wut leise bebender Stimme: Mir reicht’s. Was bilden sie sich eigentlich ein? Sie kommen hier rein, verhören mich wie einen kleinen Schuljungen, unterstellen mir Dinge, von denen ich keine Ahnung habe und grinsen mich dazu auch noch süffisant an. All das in meinen eigenen vier Wänden! Packen sie gefälligst ihren Krempel zusammen und verlassen sie mein Haus, oder erklären sie mir endlich, was hier läuft!
Ausser Atem und mit hochrotem Kopf liess er sich auf seinen Stuhl zurückfallen, dabei blieb aber sein Blick weiterhin fest auf Buchers Gesicht gerichtet. Dieser nickte, hob beschwichtigend beide Hände und entschuldigte sich. Tut mir leid, ich bin wohl etwas zu weit gegangen. Sie haben Recht, ich muss endlich die ganze Geschichte erzählen.
Er hatte sich wieder zurückgelehnt und spielte versonnen mit dem Goldblech, das er eben wieder vom Tisch aufgenommen hatte. Vor etwa drei Wochen rief mich ein Archäologe namens Roger Ackermann ganz aufgeregt an und bat mich dringend auf die Ausgrabungsstätte „Vindonissa“, gleich beim Bahnhof Brugg. Er tat äusserst geheimnisvoll und wollte mir am Telefon nichts Genaueres verraten. Ich machte mich auf den Weg und traf Ackermann in seinem Büro, einem Container, gleich neben den Ausgrabungsstellen. Nachdem ich eingetreten war, schloss er sofort wieder die Tür und holte aus einem abgeschlossenen Panzerschrank eine Kartonschachtel mit Stoff- und Plastikresten und halb verfaultem Stroh hervor. Erstellte die Schachtel vor mich auf den Tisch und fischte aus diesem Abfall dieses Goldblech heraus. Er gab mir die Platte und forderte mich auf, zu lesen.
Das tat ich denn auch und stellte dann rasch fest, genau wie sie, dass es sich bei den ersten Zeilen um einen Namen und eine Adresse handelte. Ich konnte beim besten Willen nichts Verdächtiges erkennen und sagte ihm das auch. Ackermann begann zu grinsen und erklärte mir, was es mit dem Abfall in der Kartonschachtel auf sich hatte.
Die Ausgräber waren nämlich auf eine römische Abfalldeponie gestossen, die aus der Zeit um Christi Geburt stammen sollte. Da solche Abfallgruben immer eine ganze Menge an Informationen und teilweise auch Überraschungen boten, werden solche Grabungen immer äusserst exakt geführt und pingelig genau dokumentiert. Für uns Laien heisst das in etwa, dass kein Stäubchen zur Seite gewischt wurde, ohne es vorgängig zweifelsfrei als „uninteressant“ zu identifizieren. Kurz, in diesem Abfallhaufen stiessen sie auf diese Goldplatte. Bucher liess diese Aussage genüsslich im Raum stehen und amüsierte sich über Diethelms Überraschung. Nicht genug, fuhr er weiter, sie war fein säuberlich in Jute und trockenes Gras, ideal für eine C14-Analyse, und dann noch in einen Plastiksack gewickelt; übrigens von Coop. Kommentierte Bucher grinsend weiter.
Diethelm unterbrach ihn und fragte unsicher: aber, dann müsste das Blech ja 2000 Jahre alt sein! Bucher nickte: sehen sie und hier beginnt mein Problem. Ackermann und ich waren sofort der Meinung, dass sich hier einer einen Spass leisten wolle. Als erster Spassvogel-Kandidat kommt natürlich der Adressat in Frage, also sie.
Er stand schwerfällig auf und räumte seine sieben Sachen zusammen. Das Goldblech liess er auf dem Tisch liegen und wiederholte, dass es ja an ihn, Diethelm, angeschrieben sei. Er verabschiedete sich freundlich und bedankte sich sogar für den Kaffee. Unter der Tür drehte er sich nochmals um und bat Roman, ihn doch anzurufen, wenn ihm noch etwas zur Klärung dieses Verwirrspieles einfallen sollte und überreichte ihm seine Karte. Er stieg in seinen Wagen und fuhr davon, gesittet langsam, wie es sich für einen Gesetzeshüter gebührt. Zurück blieb ein verwirrter Frühpensionär.
Roman liess sich nochmals einen Kaffee raus und nahm erneut die Folie zur Hand. Nur schon vom Gewicht her, musste sie einen Wert von gegen 10‘000 Franken haben. Er lehnte sich zurück und begann endlich den ganzen Text zu lesen, dabei begannen sich seine Nackenhaare aufzustellen. Mit jedem Wort wurde im klarer, warum der Polizist den Fall einfach nur abschliessen wollte.
Diese Nachricht ist für Roman Diethelm bestimmt.
Dies ist kein schlechter Witz. Am Freitag, 17. Juli 2015 um 13:23 Uhr wird ein Zeitriss grosse Teile des Gebietes zwischen den AKW Beznau und Leibstadt um ca. 2000 Jahre in die Vergangenheit schleudern.
Eine weitere Zeitkapsel liegt unter dem Zentralstein des Römer-Theaters Vindonissa.
Ich grüsse mich herzlichst aus der Vergangenheit, für dich wirkt es, wie aus der Zukunft? Egal, grüsse auch Jutta, die Kinder und Lobo.
Als Jutta zurückkam, sass er noch immer im Wintergarten und drehte versonnen die Goldplakette in seinen Händen hin und her. Die Tasse mit dem frisch gezogenen Kaffee stand unberührt vor ihm, inzwischen ebenfalls kalt geworden.
Die Wirklichkeit hatte ihn aber rasch wieder. Jutta forderte ihn lautstark auf, gefälligst beim Hereintragen der Einkäufe zu helfen. Versonnen trottete er zum Wagen und trug Taschen, Tüten und Kartons in die Küche. Es fiel ihm nicht mal auf, dass ihn seine Frau verwundert beobachtete und dann besorgt fragte, was denn los sei. Er schaute sie an und knurrte dann gereizt: ich glaub‘, ich werde grad ganz gewaltig verarscht, von einem Polizisten!
Zehn Minuten später sassen sie gemeinsam im Wintergarten. Jutta betrachtete und las interessiert das golden glänzende Blech mit den eingeprägten Buchstaben, derweil Roman seine Erlebnisse mit dem Polizisten erzählte. Sie hatten eine Tasse Kaffee vor sich, Roman seine Dritte und auch diese war auf dem besten Wege, ebenfalls nicht getrunken zu werden.
Er schilderte, wild gestikulierend, wie er diesem Polizisten die Meinung gesagt hatte und dieser dann kleinlaut und geschlagen das Feld geräumt habe. Jutta hatte sich längst zurückgelehnt, trank ruhig ihren Kaffee und genoss die Erzählkunst ihres Mannes. Als dann Roman eine Pause machen musste, um Luft zu holen, kam Juttas knappe Frage: und, wer will dich denn nun verarschen?
Mit dieser simplen Frage hatte sie ihn wieder auf den Boden zurückgeholt. Er schaute sie etwas verdutzt an und bestätigte dann trocken: Tja, genau das frage ich mich auch. Diese Geschichte stinkt zum Himmel! Ich müsste doch wissen, wenn ich mir selber eine Karte aus Gold schreiben würde, im Wert von etwa 10‘000 Franken und dann noch mit so einem unsinnigen Text. Bucher und der Archäologe sind übrigens der Meinung, dass ich sie an der Nase herumführe, als ob ich 10‘000Fr. für solch einen Humbug übrig hätte.
Er machte eine Pause, die Denkermine aufgesetzt. Andererseits, sinnierte er, wenn dieser Zeitriss erst in zwei Jahren entsteht und ich dann in die Vergangenheit versetzt würde, dann kann ich das tatsächlich noch nicht wissen!? Er schaute seine Frau an, in der Hoffnung, dass sie seine Gedankengänge bestätigen würde. Doch weit gefehlt, sie funkelte ihn zornig an: Spinnst Du jetzt komplett! Transferierst du jetzt deine phantastischen Geschichten auch noch ins wirkliche Leben? Reicht‘s noch nicht mit deinem Pendeln, musst Du jetzt auch noch hochoffiziell Zeitreisen machen? Was glaubst du denn, was die Nachbarn langsam von uns halten? Wutentbrannt stand sie auf und liess ihn mit seiner goldenen Folie alleine.
Verwirrt starrte er das unglückbringende Blech an. Dabei blieb sein Blick auf der zweitletzten Zeile hängen. Das Gehirn begann wieder zu arbeiten. Der Schreck den ihm seine Frau eben bereitet hatte, wurde durch einen irrwitzigen Gedanken verdrängt. Was, wenn tatsächlich etwas unter dem Zentralstein im Römertheater zu finden war? Und überhaupt, wenn der Polizist auch nur halb so schlau war, wie ersieh gegeben hatte, dann hatte er dies längst überprüft. - Der Kerl hat mich voll hereingelegt.-
Er suchte nach Buchers Visitenkarte, griff sich das Telefon und tippte die Nummer des Polizeihauptmannes Bucher, Kommandant der Kantonspolizei in Brugg ein.
Bucher war rasch wieder in seinem Büro. Beim Eintreten meinte er zum Assistenten gewandt: Falls ein Diethelm anrufen sollte, schalte ihn gleich rüber zu mir. Sagte es, entschwand in sein Büro und schloss die Tür hinter sich. Er hatte sich kaum gesetzt als auch schon das Telefon klingelte, es war tatsächlich Diethelm!
Überfreundlich nahm Bucher den Anruf an und fragte scheinheilig, ob ihm denn bereits etwas eingefallen sei? Ja, kam die Antwort, Sie haben vergessen mich über den Inhalt der zweiten Meldung zu informieren! Bucher begann zu lachen: Oh, ich habe sie wohl unterschätzt. Sie lassen nichts anbrennen und nein, ich habe nichts vergessen, ich hab‘ die Information absichtlich zurück behalten. Noch bevor Diethelm explodieren und zu schreien beginnen konnte, fügte er rasch hinzu: könnten wir uns heute Nachmittag bei Ackermann auf dem Ausgrabungsgelände in Brugg treffen, dann können wir ihnen die zweite Meldung zeigen?
Roman hatte seine liebe Mühe, einen Parkplatz in der Nähe des Bahnhofs zu finden, danach suchte er eine weitere halbe Stunde nach dem Container des Grabungsleiters. Als er ihn dann endlich gefunden hatte, stellte er fest, dass es massenweise freie Parkplätze gleich vor ihrem Treffpunkt hatte. Verspätet und bereits entnervt betrat er den Container. Bucher begrüsste ihn und stellte ihm den Archäologen vor. Auf Diethelms Entschuldigung für die Verspätung reagierten die beiden mit einem verständnisvollen Lächeln, was die Stimmung gleich ein wenig entspannte. Ackermann erhob sich und wandte sich seinem Tresor zu, holte eine runde Metalldose heraus und stellte sie auf den Besprechungstisch. Bucher und Diethelm hatten inzwischen Platz genommen. Sich hinsetzend, begann Ackermann zu erzählen, wie er zuerst die Goldplatte gefunden und dann diese Dose geborgen hatte. Dann übernahm Bucher das Wort und erzählte seinen Teil der Geschichte. Diethelm hörte wortlos zu und beobachtete dabei die beiden Männer. Er kam zu der Einsicht, dass diese beiden gar nicht so übel sein konnten, begann sogar ernsthaft zu bezweifeln, dass sie ihn in irgendwelcher Form hintergehen wollten, wozu auch.….ja und nachdem wir die Folie gelesen hatten, kam bei uns das Gefühl hoch, dass wir uns offenbar bereits kennen müssten, aber lesen sie doch selbst.
Diethelm schrak aus seinen Gedanken hoch, als Bucher ihm die Metallbüchse über den Tisch zuschob. Er nahm die Dose wortlos entgegen. Aluminium, etwa zehn, vielleicht zwölf Zentimeter hoch, rund, mit einem Durchmesser von sechs bis sieben Zentimetern. Die Büchse war oxidiert, aber in einem guten Zustand, der Deckel liess sich problemlos abschrauben. Und diese Dose soll 2000 Jahre alt sein? Ja, sie ist 2000 Jahre alt, bestätigte Ackermann, auch sie war gut mit organischen Stoffen und Plastik umwickelt, so dass wir das Alter zweifelsfrei festlegen konnten. Es hatte auch im Innern ein paar Kräuter… Der Absender scheint ein misstrauischer Kerl zu sein, meinte Roman. Das Gelächter der beiden andern verunsicherte ihn, jedenfalls begriff er deren Heiterkeitsausbruch nicht so recht.
Im Innern der Dose fand er eine aufgerollte Folie, die er vorsichtig herauszog. Sie war ebenfalls aus Alu, deutlich stärker als eine gute Haushaltsfolie, aber immer noch gut rollbar. Die Breite entsprach etwa der Dosenhöhe, so dass sie genau hinein passte. Das scheint mir von langer Hand vorbereitet, die Folie passt genau in diese Büchse! Kommentierte Roman und rollte die Folie langsam und sorgsam aus. Buchers Brummen bedeutete wohl Bejahung. Anders als auf der Goldfolie waren hier die Buchstaben wie mit der Maschine geschrieben, exakt in der Zeile ausgerichtet und jeder Buchstabe gleich tief in die Folie eingestanzt. Zeilenabstände und Abstände zwischen den einzelnen Worten und Buchstaben waren exakt gleich. Jeder Buchstabe etwa drei Millimeter gross und gut lesbar:
Gratuliere Euch, Roger und Peter, ihr habt auch die zweite Infobox gefunden. Es ist zwar etwas unfair, Roman zappeln zu lassen, aber ich verspreche Euch, der wird sich rasch melden, wenn Du, Peter, ihm die erste Meldung überbracht hast.
Nun zu Dir, Roman. Der Absender dieser Zeilen bist Du! Darum das Gelächter vorhin. Ich weiss, es ist schwer zu verstehen: Du schreibst Dir in der Zukunft diese Zeilen, die dich dann aus der Vergangenheit erreichen. Du bist nicht der Einzige, der noch nicht überzeugt ist. Darum habe ich eine dritte Zeitkapsel deponiert. Ihr findet sie dort, wo Du mit Jil bei starkem Wind oft hingegangen bist. Ich habe versucht, sie in der Nähe deines resp. Unseres Lieblingsbaumes zu deponieren. Sie wird ein wenig strahlen.
Übrigens, ich sage Euch voraus, dass Ihr für lange Zeit einen gemeinsamen Weg gehen werdet, er wird oft hart und langwierig, aber nie langweilig sein. Roman, kleiner Tipp: Du solltest per sofort mit Abnehmen beginnen und Sport treiben. Ich weiss, wovon ich spreche!
Roman rollte die Folie behutsam zusammen, schob sie in die Büchse, schraubte den Deckel drauf und schob die Dose wieder in die Tischmitte. Erst dann schaute er auf und fragte: Und, wie geht’s jetzt weiter, Herr Polizist? Derweil Ackermann sich grinsend zurücklehnte, hüstelte Bucher und kratzte sich am Kopf, fuhr dann mit der Hand über Mund und Nase, holte tief Luft und eröffnete Herrn Diethelm offiziell, dass das Verfahren eingestellt sei, mangels Beweisen, wie er betonte. Diethelm war aber nicht so rasch zufrieden und fragte spitz: von was für einem Verfahren reden wir eigentlich und welche Beweise fehlen wofür? Ackermanns Grinsen war zwischenzeitlich so breit geworden, dass es kaum mehr Platz auf dessen Gesicht fand. Er klopfte Bucher auf die Schultern und übernahm dessen Antwort: Das Verfahren wird eingestellt, weil dieser Beamtenapparat sich nicht in der Lage sieht, die Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit gleichzeitig unter einen Hut zu bringen. Ehrlich gesagt, ich hab’s beim besten Willen auch noch nicht geschnallt.
Er stand auf: lasst uns ein Bier trinken gehen, gleich da vorne in der Beiz. Ich schlage vor, dass wir dort als ganz gewöhnliche Männer miteinander reden und den Polizisten, Banker und Archäologen aussen vorlassen. Einverstanden? Er wartete die Antwort gar nicht ab, sondern öffnete die Tür des Containers und hielt sie einladend offen. Den beiden blieb gar nichts anderes übrig, als der Aufforderung Folge zu leisten.
Erst als die Gläser vor ihnen standen, fanden die drei offenbar wieder Worte. Es war erneut Ackermann, der die Initiative ergriff. Er hob das Glas: Um alles Offizielle wirklich vom Tische fern zu halten, zwinge ich Euch beiden das Du auf, Prost, ich bin Roger! Roman und Peter hoben grinsend die Gläser, bestätigten das Du und stiessen an. Also, wie geht’s jetzt weiter? Ich wüsste, wo die dritte Zeitkapsel zu suchen wäre. Damit eröffnete Roman eine rege Diskussion über das weitere Vorgehen. Nach gut zwei Stunden trennten sich die drei als Freunde. Das zwanglose Plaudern, vielleicht aber auch das Bier, hatte sie sich näher gebracht. Man war sich einig, dass sie in eine absolut verrückte, völlig unmögliche Geschichte geraten waren - und trotzdem -… Ich kann nicht aufhören, ereiferte sich Ackermann, nicht, solange es die Möglichkeit gibt, dass es vielleicht doch stimmen könnte. Jetzt gilt es, die dritte Infobox zu bergen. Ich muss einfach wissen, was wir dort finden, ich kann sonst nicht mehr schlafen!
Die beiden andern nickten zufrieden und so vereinbarten sie, sich nächsten Mittwoch, nachmittags im Hirschen in Mandach zu treffen. Roman würde das notwendige Material wie Schaufeln und was es sonst noch brauche, mitbringen.
Als Roman mit seinem Hund die Gaststube betrat, sassen seine neuen Freunde bereits an einem runden Tisch ganz hinten in einer Ecke. Sie begrüssten sich erfreut, derweil sich der Hund folgsam unter den Tisch verkroch. Bucher grinste verschmitzt und flüsterte: ich komm‘ mir wie ein kleiner Junge vor, der mit seinen Freunden eben grad zum grossen Abenteuer aufbrechen will! Ich wage es nicht mal laut auszusprechen, so blöd kommt’s mir vor, aber ich bin saumässig gespannt!
Die drei tauschten noch ein paar Belanglosigkeiten aus, nippten an ihrem Bier, bis Roman den Vorschlag machte, dass sich jeder einen Punkt aufschreiben sollte, der dann in der Zeitkapsel beantwortet werden sollte. Wenn ich tatsächlich der Autor dieser geheimnisvollen Zeilen sein sollte, dann werde ich ganz bestimmt diese drei ganz persönlichen Dinge, die nur jeder einzelne von uns wissen kann, zum Beweis aufführen. Die drei schrieben sich ein möglichst persönliches Erlebnis oder Wunsch auf einen Zettel und stopften diesen in ihre Tasche, dann tranken sie aus, bezahlten und verliessen das Gasthaus. Beim Verlassen der Gaststube wünschte ihnen ein älterer Herr einen schönen Abend und gutes Gelingen. Roman musste den Hund satt an der Leine führen, zog er doch mit aller Kraft zu diesem älteren Herrn hin. Sie bedankten sich und gingen zügig zu ihren Autos.
Rund einen Kilometer oberhalb Mandach parkierten sie auf einem Parkplatz für Wanderer. Roman lud Schaufel, Pickel, ein Suchgerät mit Geigerzähler und einen Rucksack aus und verteilte die Lasten auf die drei. Dann machten sie sich an den kleinen Aufstieg, begleitet von Lobo, der begeistert die drei umkreiste und zeitweise weit voraus rannte, er kannte sich hier bestens aus. Nach einer knappen halben Stunde erreichten sie die Krete und folgten ihr bis zu einem kleinen Wäldchen, durchquerten dieses und steuerten dann auf eine freistehende, von Blitz und Sturmwind arg zerzauste Kiefer zu. Roman hielt an: Hier muss es sein. Wenn ich richtig verstanden habe, dann hat er, äh ich, mit strahlendem Material den Depotort markiert.
Roger war bereits am Aktivieren des Geigerzählers und begann systematisch die kleine Ebene um den Wetterbaum abzusuchen. Bucher und Diethelm hatten sich mit Schaufel und Bickel bewaffnet und folgten Ackermann auf dem Fuss. Lobo lag unter der Kiefer und beobachtete gelangweilt das rege, unverständliche Treiben der Zweibeiner. Es wurde zu einer Geduldprobe, bis Ackermann endlich aufjubelte und mit dem wild knatternden Geigerzähler die gesuchte Stelle bezeichnete. Tatsächlich fiel den dreien jetzt auf, dass das Gras hier leicht weniger hoch wuchs und auch farbloser wirkte. Bucher begann sofort die Grasnarbe sauber auszustechen und dann in die Tiefe zu graben, unterstützt von Ackermann, der das Suchgerät gegen die Hacke ausgetauscht hatte. Roman kam soeben mit dem Rucksack zurück, als Bucher auf etwas Hartes traf. Er wollte ich bücken, um von Hand weiter zu graben, da wurde er von Roman grob zurückgerufen: Stopp, das ist verstrahlt. Vielleicht sollten wir vorgängig die Strahlenquelle erkennen, um ihr möglichst auszuweichen.
Ackermann konnte tatsächlich das gefährliche Material sogleich orten und Roman klaubte inzwischen eine komplette Strahlenschutzausrüstung aus dem Rucksack hervor. Hab ich von meinem Sohn ausgeborgt, er arbeitet im AKW. Murmelte es, zog den Anzug und die Handschuhe über, packte die Schaufel und grub weiter. Eine in Blei eingefasste Kiste kam zum Vorschein, die Strahlenquelle lag neben der Kiste, ebenfalls in Blei gefasst, aber nach oben geöffnet. Er hob die Kiste aus der Grube und öffnete sie. Seine Kameraden hatten längst jede Gefahr vergessen und beugten sich, vor Anspannung und Neugierde schier knisternd, über ihn, um ja sogleich den Inhalt zu erkennen.
Im Innern lagen sechs Alu-Dosen, wie sie sie vom Format her bereits kannten. Roman, noch immer in den dicken Schutzhandschuhen, holte die Dosen einzeln aus der Kiste und legte sie ins Gras. Ackermann testete sie mit dem Geiger: sauber, Gott sei Dank! Und was machen wir jetzt mit der Strahlenquelle? Fragte Roman.
Schmeiss sie in den Koffer, Öffnung nach unten, Deckel zu und zuschütten! Ackermann und Diethelm sahen sich verwundert an; dieser Vorschlag stammte von Bucher, dem Gesetzeshüter.
Hopp, mach‘ schon, oder wollt ihr erklären, woher das Material stammt?
Roman beeilte sich, den Vorschlag umzusetzen und alle Spuren sauber zu verwischen. Danach zog er den Anzug aus und verpackte ihn in einem speziellen Sack. Dasselbe machte er mit der Schaufel. Tja, das Zeugs müssen wir noch irgendwie dekontaminieren. Vielleicht brauche ich bei der Erklärung im AKW die Unterstützung des Stützpunktkommandanten der Kantonspolizei Brugg? Das Knurren Buchers wurde von Roman und Roger lachend als Zustimmung verstanden. Sie machten sich auf den Rückweg. Der Hund wieselte zufrieden um sie herum, obwohl er sich fragte, warum die Menschen einfach so Löcher in die Wiese buddeln dürfen und er jedes Mal zusammengestaucht wurde, wenn er im Garden zu graben begann… Ach lassen wir das, wer versteht schon die Menschen!
Nach der erfolgreichen Bergungsaktion fuhren sie zu Roman, um die gewonnen Schätze zu sichten. Jutta nahm sie mit gemischten Gefühlen in Empfang. Einerseits freute sie sich, dass ihr Mann eine Beschäftigung gefunden hatte, die ihn offensichtlich voll ausfüllte. Andererseits hatte sie ihre liebe Mühe, die Begeisterung der drei erwachsenen Männer zu verstehen und zu akzeptieren. Es konnte doch nicht sein, dass sie an solch einen Humbug glaubten, zumindest nicht der Polizeioffizier und der Archäologe!
Die sechs Dosen waren fein säuberlich nummeriert und beschriftet. Im Deckel waren Zahlen und kurze Stichworte zum Inhalt eingestanzt. Schön der Reihe nach stellte Roman die Büchsen auf den Tisch:
Heute
Geschichte
Training 1
Training 2
Matherial 1
Matherial 2
Roger griff wortlos zur Büchse Nummer 1, öffnete sie und klaubte die Folie vorsichtig heraus. Sie war nicht sonderlich gross und somit auch rasch auf dem Tisch ausgerollt. Auch diese Folie befand sich in gutem Zustand, nicht verklebt und bestens lesbar. Roger hüstelte kurz und begann dann vorzulesen:
Gut gemacht, auch diese Zeitkapsel ist angekommen.
Habt ihr sie nochmals kurz auf Strahlung überprüft?
Roger zuckte zusammen und zog rasch die Hände von der Folie weg.
Jutta, welche sich ebenfalls dazugesellt hatte, lachte auf und fragte nichts ahnend, ob denn eine Schlange in der Büchse versteckt sei. Roman war inzwischen wortlos aufgestanden, um im Auto den Geigerzähler zu holen.
Die Strahlung war vernachlässigbar niedrig, auch bei den andern Dosen.
Roger nahm beruhigt das Lesen wieder auf, derweil Roman Jutta kurz aufklärte.
Na also, sicher ist sicher!
Diese Box haben wir etwa sechs Wochen nach dem Transfer zusammengestellt und vergraben. Weitere Details findet ihr dann in Büchse 2.
Nun zu eurem Hauptproblem: „kann das überhaupt stimmen“. Ich hoffe, dass Jutta jetzt auch zuhört und ihr sie überzeugen könnt. Sie wehrte sich in meiner Zeit bis zuletzt.
* Roger: Du bist der Leser, wenn ich mich richtig erinnere. Wir beantworten deine heimlichen Fragen wie folgt:
- nein, Du wirst den Transfer in die Vergangenheit nicht mitmachen, aber Du bist ganz wesentlich am Gelingen des Unternehmens beteiligt. Es ist Deine Hauptaufgabe, das Transfer-Team auf die kulturell völlig andersartige Situation vorzubereiten. Es wird Dir übrigens ausserordentlich gut gelingen. Wir bedanken uns dafür. Die beiliegenden Dosen 3 und 4 sollten Dir dabei dienlich sein.
- Übrigens, Deine Schwester hat heute Vormittag einen Sohn geboren und Du bist der Götti.
* Jetzt zu dir, Peter:
- Ja, Du wirst den Transfer mitmachen. Du bist es auch, der die operative Leitung über uns übernehmen wird. Dank Dir haben wir alles was wir brauchen mitgenommen.
- Deine Frau wird dich leider nicht begleiten. Sie schätzt das hier und jetzt als wichtiger ein und will Eure Kinder keinen falls alleine lassen. Sei stolz auf eine solch tapfere Partnerin!
* Roman:
- Ja natürlich wirst Du den Transfer mitmachen, mit Jutta. Sie wird sich zwar lange wehren, aber ein Professor wird kommen… Selbstverständlich wird Lobo, zusammen mit Amy, dabei sein. Es gefällt den Hunden hier ganz ausserordentlich. Ja, ihr werdet einen zweiten Hund anschaffen.
Als eigentlichen Beweis möchte ich Euch aber etwas ganz anderes anbieten:
- Eurolotto wird nächste Woche zum ganz dicken Fisch werden, Ziehung am Freitag, 11. Oktober. Holt euch diese Beute! Hier die Zahlen: 6, 8, 33, 42, 43, 45 und die Zusatzzahlen: 23 und 37.
Verblüfft schauten sich die drei an. Wenn das funktionieren sollte, dann waren jegliche Zweifel fehl am Platz, dann musste die ganze verrückte Geschichte einfach stimmen. Unglaublich, ihre auf Zettel notierten Wünsche und Fragen waren tatsächlich beantwortet worden! Jeder hatte inzwischen seinen Zettel hervorgeholt, glattgestrichen und für jeden sichtbar auf den Tisch gelegt. Schon dies war eigentlich bereits mehr als ein Beweis.
Jutta hatte unbemerkt jedem ein Glas Wein eingeschenkt, dann war sie mit dem Hund diskret entschwunden und überliess die Herren der Schöpfung ihren Spinnereien. Sie konnte es nicht fassen. Das waren doch gebildete Männer, vom Leben zu Vorsicht und Misstrauen geformt und nun das! Sie schüttelte resigniert den Kopf.
Die Schatzsucher hingegen nahmen dankbar und andächtig die Gläser auf und stiessen voller Erwartung auf das Kommende an. Wie kleine Jungs träumten sie miteinander, wie es wäre, wenn sie tatsächlich den grossen Gewinn machen würden… Sie fanden dabei keine Zeit mehr, sich den andern Schriftrollen zu widmen. Erst spät am Abend trennten sie sich, Roman gab aber noch jedem schnell mal ein paar Hausaufgaben mit. Ackermann bekam die beiden Dosen „Training“ in die Hand gedrückt und Bucher die „Materiallisten“. Man vereinbarte, sich am übernächsten Freitag gegen zwanzig Uhr in der „Sonne“ wieder zu treffen, bestens vorbereitet, versteht sich. Bis dahin würden sie auch wissen, ob der grosse Geldsegen tatsächlich über sie hereinbrechen würde. Mit diesem Wissen, einem guten Essen bei einem hervorragenden Glas Wein müsste sich am besten Pläne schmieden lassen.
Noch am selben Abend, von seiner Frau milde belächelt, reichte Roman seinen Lottoschein mit den „magischen Zahlen“ elektronisch ein.
An den folgenden Tagen widmete er sich der Büchse 2 „Geschichte“, die er für sich aufgespart hatte. Der Inhalt war eine Rolle von etwa 2cm Stärke. Wie bei den andern Rollen erlaubten es die eingestanzten Buchstaben nicht, die Folie zu eng einzurollen. Ausgebreitet war die Folie knapp einen Meter lang und die üblichen zehn Zentimeter breit. Die Maschinenschrift, vier Millimeter hoch, war auch auf dieser Rolle bestens lesbar. Er beugte sich gespannt über den Text:
Seit dem Transfer sind bereits sechs Wochen vergangen.
Die erste Überraschung: hier ist es Winter! Wir haben heute den 10. Aprilis Das Jahr muss etwa 22 nach Chr. sein.
Alle 26 Mitglieder sind heil angekommen und erfreuen sich bester Gesundheit. Tatsächlich genügte es vollkommen, sich in der transferierten Zone aufzuhalten, um den Zeitsprung mitmachen zu können. Das haben offenbar Dritte auch „gewusst“.
Neben uns müssen unbemerkt mindestens drei Personen in die Vergangenheit gewechselt haben. Es sind Leute einer russischen Bruderschaft, also von der Mafia, ausserordentlich gut informiert. Sie scheinen einem klaren Auftrag zu folgen und sind nur Tage nach dem Transfer nach Rom aufgebrochen. Woher wussten die das alles?
Themawechsel: Wir können uns mit den Römern recht gut unterhalten. Weniger gut mit den Einheimischen, den Helvetiern. Ihre keltische Sprache entspricht nicht dem von Roger Vermittelten Dialekt. Offenbar haben sich die Helvetier grossen Respekt bei den Römern erkämpft und daher auch grosse Freiheiten zugestanden erhalten. So haben sie ihre eigene Rechtsprechung und auch ihre Götter sind unangetastet geblieben. Römische Truppen sind erst seit etwa fünf Jahren in grösserer Zahl hier in Vindonissa.
Vindonissa ist riesig! Brugg und Windisch würden darin verschwinden. Da es eine Garnisonsstadt ist, sorgen Patrouillen für Ruhe und Ordnung. Kontrollen sind häufig… es hat folglich in den zweitausend Jahren nicht viel geändert.
Wir haben Mühe, Kontakt zu den Einheimischen aufzunehmen. Obwohl sie selbst in Vindonissa die Mehrheit bilden, halten sie sich geschickt im Hintergrund und weichen uns bewusst aus.
Daher meine Bitte: Das Training muss in erster Linie auf das Keltische und nicht das Römische ausgerichtet sein. Die mitgenommenen Glasperlen werfen sie höhnisch lachend weg, hingegen interessieren sie die schusssicheren Westen sehr. Ich fürchte, über kurz oder lang könnte es zu Auseinandersetzungen kommen. Sie kennen die Wirkung unser Waffen noch nicht. Vielleicht ist es an der Zeit, eine Demonstration vorzunehmen.
Die Gesetze der Zeitreise sind schwer einzuhalten. Nichts verändern, oder auch nur beeinflussen, ist schier unmöglich einzuhalten. Sollte es zum Kampf kommen, wird es unweigerlich Tote geben… Wir hoffen, dass wir keine Zeitreise, sondern einen Dimensionssprung gemacht haben, das würde eventuell die eine oder andere Ungereimtheit erklären.
Zum Glück haben wir genügend Nahrungsmittel mitgenommen. Das „Einkaufen beim Bauer“ können wir vergessen. Wir werden selber anbauen und ernten müssen. Dies könnte zu einem weiteren Konfliktpunkt mit den Einheimischen führen.
Das Aaretal ist ein einziger Sumpf. Im Sommer müssen wir mit Mückenplagen rechnen, vielleicht sogar mit Krankheiten wie Malaria u.s.w..
Wir diskutieren ernsthaft, den Stützpunkt aufzugeben und uns nach Norden, den Rhein hinunter, aufzumachen, um dann über das Meer nach Süden zu gelangen. Die Anzahl Schlauchboote ist leider zu gering, wir müssten Boote bauen. Ein wichtiger Punkt der Diskussion ist die Hoffnung auf Rückkehr. Dürfen wir den jetzigen Standort verlassen, oder nicht? Leider wissen wir das nicht.
Eine weitere Botschaft werde wir in ein paar Wochen auf dem Brugger Berg vergraben, ebenfalls mit strahlendem Material versehen. Standort: etwa dort, wo heute der Sendemast steht.
Roman schluckte leer und lehnte sich erschüttert zurück. Die wenigen Zeilen enthielten viele, wichtige Informationen. Roman erwartete offenbar von ihnen, dass man sich besser auf den Transfer vorbereitete, denn ganz offensichtlich hatte man die Römer und Kelten falsch eingeschätzt. Auch gab es Hinweise, die er schlicht nicht verstand. Was war zum Beispiel mit den „Gesetzen der Zeitreise“ gemeint?
Er kam ins Grübeln und fragte sich, wie diese Fehler bloss entstehen konnten, Roman musste doch dieselben Informationen wie er zur Planung genutzt haben? Waren die Unterlagen des „ersten“ Roman vielleicht doch nicht identisch? Er schüttelte den Kopf, wischte die wirren Gedanken zur Seite und begann sich Notizen zu machen. Doch er kam nicht weit. Immer wieder schwirrte dieselbe Gedanke durch seinen Kopf: wie kann ich hier zweitausend Jahre alte Informationen lesen und diese dann für ein zukünftiges Leben, in der Vergangenheit nutzen wollen! Ich hab‘ doch nicht alle Tassen im Schrank!
An besagtem Freitagabend traf Roman als Erster in der „Sonne“ ein. Er hatte einen Tisch etwas abseits reservieren können, wo sie in aller Ruhe und ungestört ihre Themen diskutieren wollten. Gespannt und auch aufgeregt warteten Jutta und er auf seine Freunde und deren Begleiterinnen. Sie studierten dabei bereits genüsslich die Speisekarte.
Lautes Gelächter schreckte sie aus ihren „Studien“ auf, ein Radau, den man hier nie zu hören bekam. Irritiert schauten die Gäste zum Eingang, wo eben Bucher und Ackermann mit hochroten Köpfen erschienen. Winkend, lachend und rufend kamen sie auf Roman zugeeilt, setzten sich an seinen Tisch und redeten aufgeregt und immer wieder lachend auf ihn ein. Roman verstand kein Wort, hob abwehrend seine Hände und versuchte die Radaubrüder mit zischenden Worten zum Schweigen zu bringen. Plötzlich verstummten sie, schauten bestürzt um sich und erhoben sich beschämt. Mit hochrotem Kopf wandten sie sich den Gästen zu, deuteten eine kleine, etwas hölzern wirkende Verbeugung an und entschuldigten sich mit zwei drei erklärenden, nichtssagenden Worten. Als sie sich hinsetzten, wandten sich die meisten Gäste bereits wieder ihren eigenen Tischen zu und nahmen ihre Unterhaltung wieder auf. Vereinzelte, fragende und tadelnde Blicke mussten sie sich trotzdem noch gefallen lassen.
Die Begleiterinnen der beiden Radaubrüder fanden dies den idealen Moment, sich nun ebenfalls zu ihnen zu gesellen.
Roger beugte sich zu Roman und fragte ihn mit leuchtenden Augen: hast Du’s mitgekriegt? Er liess Roman gar nicht erst zu Wort kommen: Wir haben tatsächlich gewonnen, die Zahlen waren korrekt! Stell dir vor, wir müssen zusammen gegen 200 Millionen Euro gewonnen haben! Jetzt verstand Roman die Aufregung, er hatte die Ziehung der Lottozahlen völlig vergessen.
Damit war die Aufregung seiner Kumpane verständlich und, was noch wichtiger war, der Beweis unzweifelhaft erbracht, dass ihre unmögliche Geschichte kein Witz sein konnte. Die Texte aus der Vergangenheit waren echt und ihr Inhalt musste ernst genommen werden! Das gewonnene Geld schenkte ihnen die notwendige Handlungsfreiheit.
Sie hatten ein ausgezeichnetes Menu genossen und dazu einen hervorragenden Wein kredenzt erhalten. Eine wohlige Zufriedenheit erfüllte alle drei und auch die Damen schienen ganz zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Abends zu sein. Als dann der Wirt die drei Herren noch ins Fumoire geleitete und ihnen hier beste kubanische Zigarren anbot dazu Cognac, Armagnac, Whisky und was das Herz sonst noch wünschen konnte, da war die Welt wirklich in Ordnung. Ihre Damen schienen ob ihrem Verschwinden in die abgeschlossene Raucherecke nicht sonderlich unglücklich zu sein, konnten sie sich doch endlich den wahren Gegebenheiten des Lebens zuwenden.
Zufrieden an der Zigarre nuckelnd und an den Getränken nippend, nahmen unsere drei Helden endlich das eigentliche Thema des Abends auf. Bucher liess beiläufig die Bemerkung fallen, dass sie die Sache wohl kaum alleine zu stemmen vermochten. Daraus entwickelte sich eine rege Diskussion, wer denn da wen unterstützen müsse und wozu, bis erneut Bucher die entscheidende Frage stellte:
Müssten wir uns nicht als erstes die Frage stellen, wie wir all die Leute aus der Gefahrenzone bringen können, und das, ohne Panik auszulösen, oder er legte eine gewichtige Pause ein, gar nicht ernst genommen zu werden? Konsterniertes Schweigen; seine Kollegen schienen erst jetzt zu verstehen, worum es eigentlich ging. Bucher fuhr fort:
Ohne Politiker, fürchte ich, kommen wir leider nicht weiter und auch auf die Ressourcen der Armee können wir kaum verzichten. Wir können das nie und nimmer bezahlen, auch nicht mit den 200 Mio. Also brauchen wir Sponsoren und das wiederum heisst, dass wir ganz massgeblich Einfluss auf das Projekt „Transfer“ verlieren. Das gefällt mir gar nicht. Zur Bekräftigung seiner Aussage blies er eine dicke Rauchwolke gegen die Zimmerdecke.
Roman nickte sinnend. Ackermann hingegen wollte wissen, wie er sich dies alles denn vorstelle.
Wir müssen wohl als Erstes einen einflussreichen Politiker beiziehen und diesen in die ganze Geschichte einweihen. Dann müsste uns dieser die Türen zu Regierung und Armee öffnen. Er schaute seine Partner durch eine weitere, dicke Rauchwolke an und hob fragend die Augenbrauen.
Na, trägst du jetzt nicht etwas dick auf? Die Türen zur Regierung öffnen, äffte Ackermann lachend Bucher nach.
Ich kenne da flüchtig einen Nationalrat, er wohnt im Nachbardorf. Unterbrach Roman die Stille. Vielleicht kann der uns weiter helfen? Na, dann hast du den Job, war die eilige Antwort Buchers, unterstützt durch Ackermanns Nicken, der ganz offensichtlich die Lage nun auch verstanden hatte. Ein erleichtertes, schadenfrohes Grinsen umspielte ihre Lippen. Wer übernimmt schon freiwillig einen solchen Job, Politiker anbaggern! Roman verfluchte leise seine voreilige Bemerkung, nickte dann aber widerwillig.
Die anschließenden Diskussionen führten zur eigentlichen Aufgabenverteilung. Dabei stützten sie sich auf die Hinweise in der Rolle 1 der letzten Infobox. Peter Bucher übernahm die operative Leitung von „Projekt Transfer“, damit oblag ihm auch die Ausrüstung der Expedition. Die entsprechenden Büchsen mit dem Titel „Material“ hatte er ja letzte Woche, nach deren Bergung, bereits erhalten. Roger Ackermann ging‘s nicht besser. Er fasste die Ausbildungsverantwortung über das Team. Auch er hatte seine beiden Büchsen mit dem Titel „Training“ bereits zuhause. Roman Diethelm wurde als Projektleiter die Gesamtverantwortung übertragen. Er nahm seine Funktion auch gleich wahr und fragte seine Freunde scheinheilig, wie denn das Projekt zu finanzieren sei. Er hängte auch gleich einen Vorschlag an: Ich gehe davon aus, dass jeder genau 10 Millionen für sich behält und den restlichen Anteil des Lotto-Gewinns in den Projekt-Fond einschiesst, natürlich nach Abzug der Steuern, schmunzelte er. Wenn dem so sein sollte und sie die einzigen Gewinner in dieser Runde waren, dann bekamen sie rund 150 Millionen Euro oder etwa 200 Millionen Franken in ihre Projektkasse gespült. Damit sollte sich doch etwas anfangen lassen.
Mit einem Whisky wurde das weitere Vorgehen besiegelt. Dann gesellten sie sich wieder zu ihren Gemahlinnen und liessen den ereignisreichen Abend ausklingen, bezahlten und liessen dabei ein grosszügiges Trinkgeld stehen. Polizeioffizier Bucher sah grosszügig über den leicht erhöhten Alkoholpegel hinweg, auch den seinigen.
Andern Tags rief Roman bei besagtem Nationalrat Züger an. Er musste bei der Empfangsdame all seine Überredungskünste einsetzen, um einen Termin zu erwirken und bekam schliesslich für nächsten Dienstag eine Viertelstunde bei dem vielbeschäftigten Volksvertreter zugesagt, bis aller längstens 17:00 Uhr, betonte die Dame spitz. Er musste sich der Situation zähneknirschend fügen.
Zu besagtem Datum war er rechtzeitig an Ort und Stelle. Bestens vorbereitet, wartete er auf seinen Auftritt und wurde dann um fünf vor fünf vorgelassen. Züger begrüsste ihn und erklärte ihm ausholend, dass er heute Abend einen grossen Anlass in Bern zu besuchen habe und dass dieser sehr wichtig sei und überhaupt… Roman kam tatsächlich auch noch zu Wort und konnte in zwei Sätzen sein Anliegen „ausführlich formulieren“. Der verständnislose Blick des Nationalrates liess Roman ahnen, dass er an den Falschen geraten war. Und tatsächlich, mit dem Satz „ich muss mir das noch überlegen, melden sie sich doch in zwei Monaten wieder“, komplimentierte ihn Züger aus dem Raum und schloss die Türe nachdrücklich und mit Schwung hinter Roman.
Fuchsteufelswild kam Roman nach Hause. Nach Luft japsend schilderte er Jutta seine Blamage und verfluchte lautstark diese arroganten, nichtsnutzen Politiker. Jutta hörte geduldig zu, nickte verständnisvoll und versuchte, ihn zu beruhigen. Nebenbei meinte sie: der Apotheker wäre ja auch noch eine Variante, obwohl er nur Grossrat ist.
Donnerwetter, er hatte ein wirklich gescheites Weibsbild an seiner Seite! Bewundernd starrte er sie an und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte sich auf dem Absatz, winkte ihr noch kurz zu und stürmte aus dem Haus, direkt zur Apotheke.
Er hatte unverschämtes Glück; Dr. Von Felten, der Apotheker war anwesend und hatte tatsächlich Zeit für einen geplagten Bürger. Von Felten war Grossrat im Kantonsparlament Aargau und kantonaler Parteipräsident. Er war einer der Männer, der vor etwa vier Jahren der heutigen Bundespräsidentin Lauterbach zur Wahl in den Bundesrat, der Landesregierung der Schweiz, verholfen hatte. Ein humorvoller, rühriger Zeitgenosse, jederzeit bereit zu helfen, wo immer Hilfe not tat. Seine humorvolle, gewinnende Art war weitherum bekannt genauso, wie seine gutmütige Schlitzohrigkeit.
Er führte Roman nach hinten, bot ihm einen Stuhl an und forderte ihn auf, „mal zu erzählen“. Roman hatte einige Mühe, die richtigen Worte zu finden, zu nah war noch das deprimierende Erlebnis mit Nationalrat Züger. Dann entschied er sich, seine Geschichte frei von der Leber weg zu erzählen. Erfreut stellte er bald mal fest, dass Von Felten ihm interessiert zuhörte. Als er schlussendlich den Wunsch äusserte, dass er ihnen die Türen zu Regierung und Armee öffnen sollte, um dort vorstellig werden zu können, nickte Von Felten bedächtig.
Roman hatte längst abgeschlossen, da sass Von Felten noch immer auf seinem Stuhl und nickte bedächtig, ohne einen Ton von sich zu geben. Dann die knappe Frage: was passiert, wenn sie gar nichts machen?
Dann werden ahnungslose Menschen aus dem zwanzigsten Jahrhundert rund zweitausend Jahre in die Vergangenheit katapultiert, unvorbereitet und ganz sicher ungewollt. Lautete Romans Erklärung. Hmm, war Von Feltens Antwort. Dann kam schon seine nächste Frage: was ist denn der Auslöser dieser Katastrophe, oder wie man das auch benennen will?
Wir wissen es nicht, aber es scheint mit den Atomkraftwerken zu tun zu haben; jedenfalls befindet sich die transferierte Zone exakt zwischen den beiden AKWs Beznau und Leibstadt.
Von Felten nickte und stand auf: Ich teile ihre Ansicht, dass wir etwas unternehmen müssen. Da ihr Anliegen nicht grad so leicht erklärbar ist, könnte es etwas dauern. Ich werde ein paar Telefonate führen, dann kann ich ihnen mehr sagen. Ich rufe sie jedenfalls morgen Vormittag an, um ihnen einen Stand der Dinge durchzugeben. Ist das so OK?
Zurück bei Jutta, nahm Roman seine Frau in den Arm, küsste sie innigst und flüsterte ihr seinen Dank und seine Bewunderung für ihre guten Ideen ins Ohr. Sie freute sich, dass ihr „grosser Bub“ in seinem Lausejungen-Abenteuer einen Schritt weiter gekommen war.
Roman hatte sich bereits das Telefon geschnappt, um seine Kumpane zu informieren, so sah er nicht, dass Jutta ihn beobachtete und leise den Kopf schüttelte. Sie machte sich Sorgen. Die paar Millionen Lottogewinn waren doch kein Beweis für diese wahnwitzige Idee eines Zeitsprunges! Jetzt zog er sogar noch den Apotheker in die Geschichte rein und sie hatte ihm auch noch die Idee dazu geliefert. Sie machte sich wirklich Sorgen! Zugegeben, insgeheim baute sie darauf, dass Von Felten der unheimlichen Entwicklung nun bald ein Ende bereiten würde. Was aber, wenn Von Felten gleich das Irrenhaus informierte? Königsfelden, die Irrenanstalt war keine Viertelstunde weit weg und er war Apotheker, Dr. Apotheker!
Am andern Morgen fürchtete Jutta, dass man wohl eher sie in Königsfelden einliefern musste.
Als Von Felten anrief, wimmelte er Roman nicht etwa ab, nein, er hatte gleich einen Termin bei der Bundespräsidentin vereinbart! Er kenne Frau Lauterbach schon viele Jahre und er habe noch etwas zugute, war seine lapidare Begründung. Jutta fragte sich ernsthaft, ob Wahnvorstellungen unter Männern ansteckend wirken konnten. Es konnte doch nicht sein, dass nun auch noch der Apotheker diese Hirngespinste glaubte! Frustriert machte sie sich auf den Weg, ihre Besorgungen zu erledigen. Der einzige der wirklich cool blieb und die Lage voll unter Kontrolle behielt, war der Hund. Der hatte sich längst unter den Tisch zurückgezogen und schlief den Schlaf des Gerechten.
Roman konnte es kaum fassen, dass sie so rasch weiter kommen sollten. In zwei Wochen hatten sie eine Audienz bei der Bundespräsidentin in Bern. Sie hatten eine halbe Stunde, um Frau Lauterbach von ihrer Geschichte zu überzeugen, mögliche Massnahmen vorzuschlagen und ihre Wünsche an die Regierung anbringen zu können.
Je länger Roman sich Gedanken zu ihrer neuen Situation machte, desto schneller begann die anfängliche Freude und Begeisterung in Verunsicherung, Angst ja Panik umzuschlagen. Sie waren völlig unvorbereitet! Nervös rief er seine beiden Kollegen an, informierte sie und fragte nach Rat. Schlussendlich vereinbarten sie, sich übers Wochenende zu treffen, um das weitere Vorgehen zu besprechen und die Präsentation aufzubauen.
Sie trafen sich erneut in der „Sonne“, abermals mit ihren Partnerinnen. Das Auftreten der drei Herren erfolgte diesmal wesentlich zivilisierter und niemand musste sich ihretwegen ärgern. Der Abend verlief angeregt und das Essen wie der Wein waren von bester Qualität. Dann zogen sich die Herren in die Raucher-lounge zurück und überliessen die Damen ihren Themen.
Kaum abgesessen, die Zigarren noch nicht mal angezündet, prasselten bereits Romans Fragen auf die beiden Andern ein. Bucher blieb wie üblich ruhig und widmete sich ganz seiner Zigarre. Erst als er seinen ersten, tiefen Zug gemacht und den inzwischen servierten Cognac gekostet hatte, wandte er sich den anstehenden Problemen zu. Ackermann hingegen, von Roman Nervosität angesteckt, sass auf der vordersten Kante seines Fauteuils und redete wild ins Leere.
Buchers Hüsteln stoppte endlich das sinnlose Geplapper. Also, wir haben noch mehr als eineinhalb Wochen Zeit. Offenbar muss es uns gelungen sein, die Bundespräsidentin zu überzeugen, denn wie die Informationsrollen aus der Vergangenheit berichten, sind nur 26 Personen übergewechselt plus noch ein paar Unbekannte. Wir können also ganz ruhig bleiben. Im Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass die Veröffentlichung unserer Geschichte die Energie-Lobby ganz schön ins Schwitzen brächte. Wenn ich, kleiner Polizist, das herausfinden kann, dann hat das Frau Bundespräsidentin längst begriffen. Grossartig, so gesehen kommen wir ja gar nicht als Bittsteller angekrochen! Resümierte Ackermann.
Die Diskussion war intensiv, aber als sie eine Stunde später die Lounge verliessen, „frisch verstunken“ wie Ackermanns Frau unter dem Gelächter der beiden andern Damen vermerkte, war der Schlachtplan festgelegt.
Sie wollten Von Felten unbedingt dabei haben, er sollte die Eröffnung übernehmen, mit seinem Charme würde er Frau Bundespräsidentin sicherlich optimal auf die „unmögliche Geschichte“ vorbereiten. Roger würde dann das Auffinden der „unmöglichen Artefakte“ aus Sicht des Archäologen beschreiben, Peter, der Polizeioffizier, die „Beweisstücke“ vorlegen und Roman dann kurz zusammenfassen und eine Empfehlung abgeben, wie auf die Auswirkungen des Zeitrisses zu reagieren sei. Sie einigten sich keine konkreten Forderungen zu stellen.
Gleich am Montag traf Roman erneut den Apotheker und erklärte ihm das geplante Vorgehen. Der war nicht sonderlich begeistert auch mit nach Bern kommen zu müssen, liess sich aber überreden. Einen Tipp gab er Roman noch mit auf den Weg der Vorbereitung: Frau Lauterbach ist nicht nur eine intelligente und attraktive Frau, sie hat auch das Gespür für Situationen und Menschen. Sie hasst Schmeicheleien und Herumgetrödel, also alles gerade heraus und mit Überzeugung!
Es wurde eine hektische Woche. Sie diskutierten und notierten mehrmals bis spät in die Nacht, um dann doch alles wieder zu verwerfen. Schlussendlich setzten sie sich um den Tisch und entwarfen ein Grobkonzept mit einem Zeitplan, wie sie sich das Vorgehen vorstellten. Auf knapp drei Seiten fand alles Platz. Na also, geht ja!
Dann war es so weit. Sie reisten mit dem Zug nach Bern und konnten sich dabei ein weiteres Mal absprechen. Trotz all‘ diesen Vorbereitungen waren sie nervös, alle vier. Sie mussten immerhin einer Ministerin eine unmögliche Geschichte verkaufen!
Auf die Minute genau wurden sie vorgelassen. Frau Lauterbach empfing Von Felten herzlich, scherzte mit ihm ein paar Augenblicke und liess sich dann die ihn begleitenden Männer vorstellen. Freundlich bot sie allen Platz an, setzte sich dann ebenfalls und übergab Von Feiten das Wort, dabei machte sie es sich bequem, lehnte sich im Stuhl zurück, schlug die Beine übereinander und richtete die volle Aufmerksamkeit auf den Sprechenden.
Es gelang Von Felten, Frau Lauterbach zwei – drei Mal ein Schmunzeln zu entlocken, seine Einleitung war im höchsten Grade charmant und tönte bereits an, dass sie mit einem schier unmöglichen Anliegen zu ihr kämen. Humorvoll beschrieb er Romans Auftritt bei ihm und dessen Erklärungsversuche. Doris, wenn das stimmen sollte und es spricht alles dafür, dann steht ein wahrlich grosses Problem an! Mit diesen Worten gab er weiter an Roger.
Der Archäologe erzählte die Geschichte seiner Funde, die Analysen die er machte und durch dritte überprüfen liess und vergass auch nicht, die unabhängigen Spezialisten aufzuzählen, die er zur Altersanalyse beigezogen hatte. Er umschrieb seine Verunsicherung in diesem „unmöglichen“ Fall mit dem Hinweis, dass er schlussendlich die Polizei einschaltete. Er setzte sich wieder und schob dabei Frau Lauterbach die goldene Platte über den Tisch zu.
Bucher übernahm nun die „Beweisführung“ und legte in knappem, militärischem Ton dar, wie sie schlussendlich die zweite Rolle im Amphitheater bargen und zum Schluss kamen, dass es eigentlich nur Diethelm sein konnte, der sich hier einen Scherz erlaubte. Er beschrieb seinen Besuch bei Diethelm und was sich daraus entwickelte und wie sie dann die Büchsen oberhalb Mandach bargen und zu allerletzt: „wir gewannen tatsächlich die rund zweihundert Millionen Euro. Davon sind heute einhundertachtzig Millionen Franken in einen Fond mit Bezeichnung „Zeitriss“ auf einer Bank in Baden einbezahlt und harren der Nutzung für das Projekt „Zeitriss“.
Frau Lauterbach hatte nicht ein einziges Mal unterbrochen oder gar eine Frage gestellt. Sie machte auch keinerlei Notizen. Konzentriert folgte sie den Worten des entsprechenden Redners. Es machte eher den Eindruck, als studiere sie die Anwesenden. Die goldene Platte lag immer noch unberührt vor ihr auf dem Tisch.
Als Letzter ergriff Roman das Wort. Er fasste alles nochmals kurz zusammen, betonte, dass die Geschichte aus ihrer Sicht wahr sein musste. Er definierte das betroffene Gebiet, ohne die Kernkraftwerke explizit zu erwähnen und kam dann zur Empfehlung, die Bevölkerung baldmöglichst zu informieren. Er verschwieg auch nicht, dass sie zur Umsetzung des Projektes „Zeitriss“ die Unterstützung der Armee respektive deren Ressourcen brauchten.
Roman hatte geschlossen und lehnte sich nun ebenfalls in seinem Stuhl zurück. Er schob der hohen Politikerin die drei Seiten ihres Grobkonzeptes über den Tisch. Alle Augen waren gespannt auf die Bundespräsidentin gerichtet. Diese machte keine Anstalt etwas zu sagen, oder gar aufzustehen. Gut und gerne fünf Minuten starrte sie wortlos in die Ferne, dachte konzentriert nach und spielte dazu versonnen mit einem Kugelschreiber.
Dann schaute sie auf und sagte mit klarer Stimme: Meine Herren, vielen Dank für diese Informationen. Ich habe sie zur Kenntnis genommen und bitte sie, vorerst Stillschweigen zu bewahren, bis ich mich wieder melde. Die Information der Bevölkerung ist im Moment kein Thema. Wir stehen vor den Volksentscheiden betreffend der Erneuerung der Kernkraftwerke. Diese Information würde das Resultat dieser Abstimmung stark beeinflussen, und das, obwohl wir nicht wissen, ob sich dieser Zeitriss wirklich bilden wird und warum genau zwischen den beiden AKWs Beznau und Leibstadt. Nach Fukushima haben wir bereits genug Probleme. Ich werde euer Anliegen mit meinen Beratern anschauen und ihnen meine Entscheide rasch möglichst zukommen lassen. Ich bitte euch um Verständnis.
Freundlich, aber bestimmt wurden sie nun hinauskomplimentiert. Dies erfolgte derart schnell und nachdrücklich, dass ein Nachfragen oder gar ein Diskutieren schlicht unmöglich war.
Verdattert standen sie in den Empfangsräumen der Bundesrätin und wurden auch hier elegant rauskomplimentiert.
Bucher platzte als erstem der Kragen. Mehr geknurrt als gesprochen grollte er: was war das eben? Hat uns die gute Frau eben rausgeschmissen, hat sie zumindest begriffen, was da kommen wird? Seine Augen ruhten dabei fragend auf Von Felten. Dieser zuckte kurz und recht ratlos mit den Schultern.
Sie verliessen konsterniert das Bundeshaus und wandten sich Richtung Bahnhof. Stopp Freunde, ich brauch einen Schluck! Romans Worte holte sie in die Realität zurück. Gehorsam trotteten sie ihm nach in die nächste Spelunke und setzen sich an einen freien Tisch. Verwundert kam die Bedienung an den Tisch und fragte nach den Wünschen der für dieses Etablissement viel zu gut gekleideten Herren.
Kein Wort fiel, bis jeder einen Schluck zu sich genommen hatte. Der Frust sass tief. He Herrmann, ich frag‘ nochmals, was war das soeben?
Ich weiss es beim besten Willen nicht. Ich hab‘ bei ihr noch nie eine solche Reaktion gesehen, ich hab‘ sie aber auch noch nie so lange nachdenken sehen.
Allseitiges Schweigen.
Ich gehe davon aus, dass sie sehr wohl begriffen hat. Meinte Roman. Lasst uns mal überlegen, wie wir an ihrer Stelle reagieren würden. Sie ist nicht nur die Bundespräsidentin, sie ist auch die Energieministerin und wir haben ihr eben eine Zeitbombe ins Nest gelegt. Bei der Erneuerung der Kernkraftwerke geht es um Milliarden, nicht Millionen!
Romänchen, bist ein kluges Bürschchen, eigentlich hätte ich diese Betrachtungsweise auch sehen müssen. Bucher rieb sich bei diesen Worten das Kinn.
Roman war offenbar noch nicht fertig: Kann sie uns eigentlich das Wort verbieten? Wir sind doch freie Schweizer? Zustimmendes Nicken von Bucher, nacktes Entsetzen bei Von Felten.
Ja spinnt Ihr eigentlich! Wenn Lauterbach, immerhin die Bundespräsidentin, uns Stillschweigen auferlegt, dann haben wir zu parieren, fertig Schluss.
Erstmals meldete sich Roger zu Wort. Er wirkte verunsichert, fast verängstigt: Ich habe letzte Woche einen Bericht an „Science“ geschickt! Der wird voraussichtlich morgen früh veröffentlicht. Ich bekam Priorität, da das Thema auf grosses Interesse gestossen ist.
Allseitige Verblüffung, dann begann Roman zu grinsen, ein Grinsen das laufend breiter wurde und dann auch noch mit einem lakonischen Kommentar gekrönt wurde: so was von „dumm gelaufen!“ Etwas Besseres hätte uns gar nicht passieren können.
Von Felten war völlig gegenteiliger Meinung: Ja, sitze ich hier mit Irren zusammen! Du musst das sofort stoppen!
Die anschliessende Diskussion führte zu nichts. Rogers Versuch, die Veröffentlichung noch telefonisch zu stoppen, lief wortwörtlich ins Leere. In der Redaktion von „Science“, jenseits des grossen Teiches, wurde das Telefon mitten in der Nacht natürlich nicht abgenommen und sowieso, das Heft war sicherlich längst geruckt.
Man bezahlte und unmutig machten sich die vier auf den Rückweg. Roman kam plötzlich in den Sinn, dass er eigentlich noch Zeit hätte, seine Mutter, sie lebte in Bern, zu besuchen. Ackermann musste genauso überraschend, noch schnell nach Biel. Und so ging jeder seines Weges, frustriert, enttäuscht und auch ein bisschen wütend.
Erst zwei Wochen später trafen sie sich wieder. Roman hatte diesmal auch Herrmann Von Felten mit eingeladen. Man traf sich in einem andern Restaurant, ziemlich in der Mitte zwischen Baden, Brugg und Döttingen. Auch die „Chemihütte“ hatte einen hervorragenden Ruf und so war zumindest die Vorfreude aufs Essen eine genügend grosse Motivation, um zu erscheinen.
Man bestellte ohne grosse Diskussionen, eine gespannte Stimmung hing wie ein unsichtbarer Nebel über dem Tisch, selbst der „Garçon“ schien sie zu spüren.
Auch als die Aperitifs serviert wurden, lockerte sich die Stimmung nicht merklich. Roman liess sich nicht entmutigen. Mit einer launischen, kleinen Ansprache holte er seine Kollegen wieder „zurück an Bord“. Er schilderte in humorvollen Worten ihre ganze Geschichte mit allen Hochs und Tiefs und fragte sie zuletzt, wer denn schon mal bei der Bundespräsidentin vorgesprochen hätte, oder auch nur, wer kennt einen, der bei der Bundespräsidentin vorgesprochen hat?
Die Mienen der drei Zuhörer heiterten sich zusehends auf und am Schluss lag endlich wieder ein breites, zufriedenes Grinsen auf ihren Gesichtern. Tja, wo er Recht hat, hat er Recht! Prost meine Herren!