Zersplitternde Schattengestalten - Mirjam Tirza Roth - E-Book

Zersplitternde Schattengestalten E-Book

Mirjam Tirza Roth

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Beschreibung

Zersplitternde Schattengestalten ist die Geschichte von Kristen, Chantal, Simea, Saphira und Michaela. Sie erleben Gemeinschaft und du begleitest sie in ihrem Alltag, sowie auch bei einem Klinikaufenthalt. Sie lassen dich in ihre Abgründe, tief in ihre Schattengestalten blicken, aber du darfst auch daran teilhaben, wie sie diese zersplittern lassen.

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Seitenzahl: 179

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Zersplitternde

Schattengestalten

Für alle mutigen Seelen, die sich ihren Schattengestalten stellen und sie zersplittern lassen.

Zersplitternde

Schattengestalten

Mirjam Tirza Roth

© 2023 Mirjam Tirza Roth

ISBN Softcover: 978-3-347-82068-5

ISBN E-Book: 978-3-347-82070-8

Druck und Distribution im Auftrag des Autors: tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Prolog

1. Die WG

2. Nachtgestalten

3. Michaela

4. Spaghetti Abend

5. Simea

6. Saphira

7. Wie alles begann

8. Kristen

9. Abendgeflüster

10. Ruhelos

11. Stille

12. Chantals Zimmer

13. Michaela und Saphira

14. Blut, überall Blut.

15. Im Coffeeshop

16. Kuchenduft

17. Ruhe vor dem Sturm

18. Kristen und Lukas

19. Schattengeflüster

20. Zittern

21. Teegeflüster

22. Frau Patterson

23. Tonnenschwer

24. Kristen und Pascal

25. Es ist okay

26. Waffeln und Erdbeeren

27. Anja auf Besuch

28. Klinik

29. Michaela

30. Nachtgeflüster

31. Michaela und Simea

32. Zimmergeflüster

33. Die Nachricht

34. WG-Abend ohne Chantal

35. Besuch

36. Frühlingsgeflüster

37. Gruppentherapie

38. Ein Lächeln huscht über ihre Lippen

39. Kristen in der Therapie

40. Chantal und Pascal

41. Simea

42. Therapiegeflüster

43. Kristen

44. Schattengestalten lauern hinter jeder Ecke

45. Flüsternde Leichtigkeit

46. Michaela

47. Dunkle Wolken

48. Ein Hauch Leben

49. Worte der Erleichterung

50. Simea

51. Sonntagmorgen

52. Waage

53. Erinnerungen

54. Erinnerungen die einem verfolgen

55. Austrittsgespräch

56. Zielgewicht

57. Eine Woche zu Hause

58. Michaela und Chantal

59. Was ist dein grösster Traum?

60. Chantal bei Herr Lofka

61. Coffeeshop

62. Sozialarbeiterin bei Kristen

63. Mädels Abend

64. Besuch bei Pascal

65. Zusammen

66. Zersplitternde Schattengestalten

Nachwort

Mit ihren grossen, unschuldigen Augen blickt sie in die Welt. Sie kennt den Schmerz noch nicht hinter all dem Sonnenschein und den farbenfrohen Blumen. Ihre kleinen Hände ballen sich zu Fäusten, als wollten sie sich am Leben festhalten. Ihre Welt ist noch so heil. Nahe am Zusammenbruch, aber noch nicht zersplittert. In ihren Augen funkelt noch das Licht und ihre Haut ist so zart. Ihre Bewegungen sprechen von so viel Vertrauen und Mut. Aber schon bald wird sie sich an den Scherben ihres Lebens schneiden und immer vorsichtiger einen Fuss vor den anderen setzten, weil es so dunkel geworden ist und die Schattengestalten hinter jeder Ecke lauern.

Vorwort

Hallo du wundervoller Mensch

So schön, dass dieses Buch in deine Hände gefunden hat. In den folgenden Seiten darfst du Kristen, Chantal, Saphira, Michaela und Simea begleiten. Kristen kennst du möglicherweise bereits aus dem Buch «Kriechende Schattengestalten». Wenn nicht, ist dies natürlich auch kein Problem. Du begleitest die fünf in ihrem alltäglichen Leben, aber auch in Krisenzeiten, in der Klinik; bei Herausforderungen bei der Arbeit, aber auch bei wunderschönen Momenten, die das Leben doch so lebenswert machen.

Ich wünsche dir von Herzen ganz viele dieser wunderbaren Momente. Mögest du immer Lichter finden, die deinen Weg leuchten und Momente, die das Leben zum Erstrahlen bringen. Falls dir einige Worte zu belastend erscheinen, fühl dich frei das Buch jederzeit auf die Seite zu legen, gut für dich zu sorgen und zu einem anderen Zeitpunkt weiterzulesen.

Herzlich, mirjam

Prolog

Tränen

So gross

Dass sie den Schmerz verkörpern

Der in ihrem Inneren brodelt.

Die Sonne kriecht hinter dem Hügel empor und die ersten Sonnenstrahlen finden ihren Weg durch die Baumstämme hindurch. Eine kühle Brise streicht über Chantals hüftlange, dicke, dunkelschwarze Haare. Tränen strömen über ihr blasses Gesicht. Stumme Schluchzer durchschütteln ihren Körper. Langsam geht sie auf die Knie, weil ihre Beine die ganze Last nicht mehr zu tragen vermögen und sie vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen. Chantal zittert vor Kälte. Die dünne Sweatshirt Jacke hat sie bis ganz nach oben geschlossen und die Kapuze zieht sie sich tief ins Gesicht. So als könnte sie sich so verstecken, vor sich selbst und der schmerzenden Wahrheit. Ihr Leben ist ein einziger Scherbenhaufen. Lange hat sie geglaubt sie könne um ihn herumleben, von ihm davonlaufen oder sich vor ihm verstecken, doch nun sitzt sie wieder einmal mittendrin und die Scherben schneiden tief in ihre Seele.

Sie atmet die kühle Luft ein und sie brennt in ihren Lungen. Immer weiter strömen die Tränen über ihre Wangen und tropfen auf ihre dunkle Hose, aber Chantal bemerkt es nicht einmal richtig.

Ein Sonnenstrahl kitzelt ihre Nase und sie muss niessen.

Ein Sonnenstrahl, der ihr die Kraft schenkt, wieder aufzustehen und sich ganz langsam auf den Heimweg zu machen.

1. Die WG

Morgengeflüster und

Kaffeeduft

In den Tag starten

Neuen Abenteuern entgegen.

Simea rührt mit dem Löffel in ihrer dampfenden Kaffeetasse. Ein Knie hat sie auf den Stuhl gestellt, ihre typische Sitzhaltung. Michaela steht an der Küchentheke und wartet auf das Klicken des Toasters. Wie immer ist sie spät dran und wird den Frühstückstoast im Laufschritt zur Uni verschlingen. Immer wieder nimmt sie sich vor, früher aufzustehen und mit den anderen zusammen gemütlich einen Morgenkaffee zu trinken, auch wenn sie lieber Tee mag. Aber dafür reicht die Zeit nie. Schlaf ist ihr dann doch wichtiger.

Den heissen Toast in der einen Hand balancierend, schlüpft sie in die knallrote Jacke und die schwarzen Converse Chucks. Mit einem Tschüss knallt die Türe zu, noch bevor Simea ihren Abschiedsgruss erwidern kann. Mit einem Kopfschütteln und Lächeln nimmt Simea einen Schluck ihres dritten Kaffees diesen Morgen. Gemütlich klappt sie ihren Laptop auf und tippt die ersten Worte in das leere Worddokument.

Ein ohrenbetäubender Alarm Ton begleitet ihren nächsten Schluck. Saphiras Wecker. Noch drei Mal wird dieser durch die ganze Wohnung schallen, bevor Saphira sich entscheiden wird endlich aufzustehen. Fünfzehnminuten später stolpert diese in ihrem pinken Einhorn Onesie augenreibend und mit einem geräusperten Guten Morgen in die Küche. Simea reicht ihr grinsend eine dampfende Tasse mit dem frisch gebrühten, nussig riechenden Kaffee. Mit angezogenen Beinen setzt Saphira sich auf die Sitzbank an der Wand und stellt ihre gelbgepunktete Tasse auf ihre Knie ab. Miauend macht sich Milo, der dreijährige WG-Kater bemerkbar und springt mühelos auf die Sitzbank neben Saphira. Einen grossen Schluck nehmend, krault sie den braunschwarz getigerten Kater. Genüsslich schnurrend dreht sich dieser auf die Seite und lässt sich von Saphira den Bauch kraulen.

«Wie geht es mit der Arbeit voran?», fragt Saphira.

«Naja, es könnte besser laufen. In einem Monat ist die Abgabe und ich habe noch nicht einmal den ersten Teil fertig geschrieben.», erwidert Simea, gedankenabwesend in ihrem kalt gewordenen Kaffee rührend.

«Du schaffst das. Bis jetzt hat es doch noch immer gereicht, oder?»

Simea nickt schwach. Ihr Lächeln hat sich verflüchtigt und eine Sorgenfalte hat sich in ihre Stirne gegraben. Arbeiten zu schreiben gehört definitiv nicht zu ihren Stärken. Weil sie neben dem Studium noch arbeitet, macht sie erst dieses Jahr, mit 26 Jahren, den Bachelor in Sozialer Arbeit. Diese Woche hat sie sich im Coffeeshop extra frei genommen, um mit der Abschlussarbeit voranzukommen, aber irgendwie ist der Wurm drin. Die Worte verweigern sich ihr und purzeln immer wieder durcheinander. Soziale Eingliederung von Heimkindern. Ein Thema, das ihr am Herzen liegt, unter anderem, weil sie selbst grosse Teile ihrer Kindheit in einem Heim verbracht und mitbekommen hat, wie schwer anderen der Übergang in die Selbständigkeit gefallen ist.

Saphira holt sie mit einem Räuspern wieder in die Wohnküche der zweistöckigen geräumigen Wohnung zurück.

«Gestern war einiges los im Club. Zweimal mussten die Security einen Gast nach draussen begleiten.», wechselt Saphira das Thema.

«Und so wie ich dich kenne hast du ganz entspannt weiter Drinks gemixt und mit den Gästen an der Bar geflirtet.»

«Wie sonst sollte ich an mein Trinkgeld kommen?», schmunzelt Saphira, ihre langen blonden Haare aus dem Dutt befreiend.

«Hast du Chantal heute morgen schon gesehen?»

«Nein. Ich glaube sie ist gestern Nacht gar nicht mehr nach Hause gekommen.»

Bedeutungsschweres Schweigen.

«Ich mache mir ein wenig Sorgen um sie.», bricht Simea schliesslich das Schweigen.

Chantal, die 25-jährige Erzieherin, die ihre vierer Wohngemeinschaft vervollständigt, war in den letzten Wochen immer stiller geworden. Stiller und blasser.

Saphira nickt bestätigend. «Ich mir auch.»

2. Nachtgestalten

Kalt

So eiskalt

Dass du an deinem eigenen Atem

Beinahe erfrierst.

Chantal zieht die Bettdecke über ihren Kopf. Tränen fliessen über ihre Wangen und sie beisst auf ihre Unterlippe um neben dem Schmerz im Inneren noch etwas anderes, etwas Reales spüren zu können. Lange liegt sie so da, wie begraben unter der weichen Daunendecke und die Tränen fliessen einfach, bis sie irgendwann aufhören. Langsam versucht sie wieder normal zu atmen. Ihre Lungen dehnen sich schmerzhaft aus. Nebenan im Wohnzimmer hört sie die Stimmen von Michaela und Saphira. Sie diskutieren über irgendetwas. Es geht um Politik, ein Thema von dem sie keine Ahnung hat. Chantal kann nur einzelne Wortfetzen aufschnappen. Die ruhigen Stimmen der beiden lassen sie etwas entspannen und dann driftet sie ab in einen traumlosen Schlaf.

Erst spät am nächsten Morgen erwacht sie. Ihr Körper schmerzt. So angespannt hat sie geschlafen. Nun eine Runde Yoga und dann den geliebten Morgenkaffee. Vielleicht sitzt dann auch noch Simea in der Küche. Das wäre schön.

Also steht sie auf, reibt die restliche Müdigkeit aus den Augen, stellt leise Mantras ein und stellt sich auf die Yogamatte. Je drei Sonnengrüsse, Baum- und Bergposition, Kriegervarianten und zum Abschluss ein Hüftöffner im Liegen und die Drehung der Wirbelsäule in beide Richtungen. Nun fühlt sich zumindest ihr Körper wach an. Chantal rollt die Matte zusammen und geht dann ins Bad. Spritzt sich eiskaltes Wasser ins Gesicht, kämmt schnell durch ihre hüftlangen Haare und macht sich dann auf den Weg in die Wohnküche. Simea sitzt noch da, über ihren Laptop gebeugt, hebt aber den Blick und lächelt Chantal an.

«Guten Morgen», sagt sie fröhlich und auch Chantal erwidert den Gruss und stellt dabei die Herdplatte an, um den Kaffee noch einmal zu erwärmen. Mit der dampfenden Tasse Kaffee setzt sie sich dann gegenüber von Simea hin.

«Wo warst du gestern? Ich habe mir etwas Sorgen gemacht als du morgens noch immer nicht zurück warst.», sagt Simea mit sorgenvoller Stimme.

«Ich war draussen. Musste mir einfach Gedanken machen können in aller Ruhe. Es tut mir Leid, dass du dir deswegen Sorgen gemacht hast.», antwortet Chantal.

Simea rutscht neben sie auf die Bank und umarmt sie.

«Ich möchte dich nicht wieder verlieren, jetzt wo wir uns erst gerade wiedergefunden haben.», schluchzt Simea, die nahe am Wasser gebaut ist.

Chantal starrt einfach vor sich auf den Tisch. Umarmungen überfordern sie noch zu oft. Und dass sich jemand um sie sorgt, überfordert sie noch mehr.

Simea lässt sie los. «Du möchtest doch noch hierbleiben, im Leben?», fragt sie unsicher.

Chantal schweigt, steht auf, lässt die leere Tasse stehen und läuft in ihr Zimmer. Sie kann diese Frage nicht beantworten, ohne dass sich alle Sorgen machen, also schweigt sie lieber.

3. Michaela

Blumenduft

So wohlig

Erblühen

Zu seiner eigenen Zeit.

Michaela Franke steht auf ihrem schwarzen Namensschild, das an ihrer grünen Bluse hängt. Ihr Haar ist aufwendig geflochten und hochgebunden, so dass ihr Sidecut gut zur Geltung kommt. Michaela unterdrückt ein Gähnen, währendem sie etwas Shampoo aus der Tube drückt und beginnt die Kopfhaut ihrer Kundin zu massieren. In Gedanken ist sie bereits bei der Vorlesung am Nachmittag. Michaela studiert im ersten Jahr Innenarchitektur und arbeitet nebenbei 50% in einem edlen Coiffeursalon. Mechanisch spült sie das Haar mit lauwarmem Wasser ab und erkundigt sich, ob die Wassertemperatur in Ordnung sei. Mit geschlossenen Augen bejaht ihre Kundin. Als nächstes knetet sie den Conditioner in die feuchten Haare, lässt diesen kurz einwirken und wäscht dann auch diesen aus. Es duftet herrlich nach Blumen. Michaela liebt ihren Job, nur manchmal sind ihr die Kunden etwas zu aufdringlich, wenn sie währenddem Haareschneiden ihre gesamte Kummerkiste auspacken oder glauben ihre ganze Lebensgeschichte erzählen zu müssen. Am liebsten mag sie es ruhig, nur mit etwas Musik im Hintergrund, so dass sie sich voll auf ihre Arbeit konzentrieren kann.

Zwei Kunden später streift Michaela ihre schwarze Schürze ab und tupft den Schweiss von ihrer Stirne. Nun schnell etwas essen und dann direkt an die Uni. Dienstage sind immer so stressig, aber sie möchte sich auch nicht beklagen, denn sie fühlt sich privilegiert zwei ihrer Passionen gleichzeitig nachgehen zu dürfen.

Im Pausenraum verdrückt sie ein Käsesandwich und einen Apfel, dann nimmt sie sich aus ihrem Spind die knallrote Jacke und zieht sie sich über. Auch wechselt sie von den schwarzen Lackschuhen, die sie zur Arbeit tragen müssen, zu ihren schwarzen Converse. Sie schlüpft aus der Tür und rennt zur Bushaltestelle. In der Uni angekommen, bleibt ihr noch genügend Zeit, um sich einen Kaffee und ein Schokocroissant zu holen. Dann macht sie sich auf den Weg zum Vorlesungsraum.

4. Spaghetti Abend

Gemeinsam

Leben erleben

Beziehungen bauen

Abgründe ertragen

Dunkelheit und Licht teilen

Simea streift ihre weissen Sneakers von den Füssen und hängt ihre schwarze Regenjacke an einen Holzbügel der Garderobe. Es ist still in der Wohnung. Eigentlich ungewohnt für einen Mittwochabend. Ihre Stofftasche hebt sie vom Boden auf und trägt sie in die Küche. Daraus fischt sie einen Salatkopf und stellt ihn auf die Theke. Es folgen noch ein Stück Käse und eine kleine Flasche Cola, ihr Laster. Immer wieder versucht sie von dem schwarzen Getränk loszukommen und immer wieder scheitert sie. Immerhin ist es nur noch eine kleine Flasche pro Tag und nicht mehr bis zu zwei Liter. Sie schraubt die Flasche auf und nimmt den ersten Schluck und stellt sie dann in den Kühlschrank.

Am Mittwochabend essen sie immer alle gemeinsam zu Abend. Das ist zu einem schönen Ritual geworden. Oft fläzen sie sich danach noch zu viert aufs Sofa und die Sitzkissen und schauen sich einen Film an.

Simea schaut auf die Uhr. 18:00. Eigentlich müssten die anderen schon da sein, oder jeden Moment kommen. Sie holt einen riesigen Topf aus der Küchenschublade hervor und füllt diesen bis fast oben hin mit Wasser. Dann stellt sie ihn auf den Herd und dreht die Herdplatte ganz an. Aus dem Vorratsschrank kramt sie drei Dosen Tomaten und eine Packung Spaghetti hervor und stellt alles auf die Ablage neben dem Herd. Aus der Gemüsekiste im Kühlschrank fischt sie eine grosse Zwiebel und zwei Knoblauchzehen. Beides schält sie und hackt es dann in winzig kleine Würfel. Ihre Augen tränen und sie wäscht sich das Gesicht schnell mit eiskaltem Wasser ab. Mit etwas Olivenöl bedeckt sie den Boden einer weiteren Pfanne und wartet bis dieses heiss wird. Mit einem Zischen landen die geschnittene Zwiebel und der Knoblauch in der Pfanne.

«Hallo.», sagt in diesem Moment Chantal, im Türrahmen stehend. Simea hat gar nicht gehört wie diese zur Türe hineingekommen ist, aber bei all dem Zischen und Blubbern ist dies auch kein Wunder.

«Hey Chantal, wie war dein Tag?», antwortet Simea.

Chantal greift nach den Dosentomaten und öffnet eine an der Lasche oben am Deckel und giesst den Inhalt mit einem weiteren Zischen über die glasig gewordenen Zwiebeln.

«Ganz gut, und deiner?», lenkt Chantal ganz schnell wieder von sich ab. Simea greift nach der Schachtel Spaghetti und klaubt diese auf, während Chantal die weiteren Tomaten in den Topf giesst.

«Ich bin etwas mit der Arbeit vorangekommen, das war ganz gut und dann war ich noch zum Kaffee verabredet.»

Salz und die Spaghetti landen in einem Zug im siedenden Wasser.

«Wie gut! Wenn du möchtest, kann ich dir die Arbeit auch gerne gegenlesen, wenn das nicht schon Michaela tut.», schlägt Chantal vor.

«Oh das wäre perfekt, denn Michaela hat keine Zeit, die muss ein grosses Projekt für ihr Studium beenden.», freut sich Simea über das Angebot.

In dem Moment hören sie, wie die Haustüre aufgeht und Michaela und Saphira gemeinsam hineinkommen.

«Mmmm… das duftet ja schon lecker.», sagt Saphira genüsslich vor dem Hallo. Aber das sind sich die drei bereits von ihrer immer hungrigen Mitbewohnerin gewohnt.

«Hallo ihr Beiden», sagt Michaela. «Ihr wart ja schon fleissig. Kann man euch noch irgendwie unterstützen?» Dabei streift sie ihre Schuhe ab und hängt die Jacke an die Garderobe

«Nur der Tisch muss noch gedeckt und der Salat gewaschen werden.», sagt Chantal lachend.

«Den Tisch übernehme ich.», sagt Saphira schnell und wirft ihre Tasche auf den Boden, kämpft sich aus den Schuhen und der Jacke.

Mit einem unterdrückten Kichern widmet sich Michaela dem Salat.

Wenig später sitzen die vier am Tisch mit gefüllten Tellern und lassen es sich schmecken. Simea greift nach dem Käse und reibt einen kleinen Berg über ihre Spaghetti.

«Darf ich auch?», fragt Saphira und Simea reicht ihr den Käse und die Reibe.

«Gemeinsam schmecken Spaghetti einfach immer am besten.», meint Michaela und Chantal, die davor in ihrem Teller herumgestochert hat, steckt sich eine volle Gabel in den Mund und nickt bestätigend.

5. Simea

Leben

Dieses kleine Wort

So einfach

Und doch so unendlich kompliziert

Simea streift sich ihre Hände an der schwarzen Schürze ab, dann wendet sie sich dem nächsten Gast zu. In Gedanken ist sie noch immer bei dem spannenden Interview mit ihrem ehemaligen Heimleiter, aber ihre Hände führen geschickt die Bestellung aus. Ein Cappuccino mit Sojamilch und ein Schokocroissant. Mit einem Lächeln überreicht sie beides und kassiert ein. Noch eine halbe Stunde, dann ist ihre Schicht zu Ende. Die Türglocke bimmelt und Kristen kommt herein, die neue Mitarbeiterin. Viel hat Simea mit ihr noch nicht gesprochen, denn Kristen macht einen sehr verschlossenen Eindruck. Die Arbeit erledigt sie jedoch tadellos und es macht Spass mit ihr zusammenzuarbeiten.

«Hallo Kristen.», sagt Simea fröhlich.

«Hallo Simea.», erwidert Kristen und zieht sich die Mütze vom Kopf.

«Kalt draussen, nicht?»

«Und wie. Ich freue mich schon auf den Frühling und jetzt auf einen heissen Kaffee.», sagt Kristen währendem sie sich aus dem Schal und der dicken Winterjacke schält.

Eine rotbraune Strähne fällt Simea ins Gesicht. Schnell streicht sie sich diese wieder hinters Ohr und schnappt sich einen Lappen, um die Theke zu polieren.

«Soll ich dir einen Cappuccino machen?», fragt Chantal als Kristen aus dem Hinterzimmer kommt und sich die schwarze Schürze umbindet. Noch fängt ihre Schicht nicht an.

«Sehr gerne.», bedankt sich Kristen und setzt sich auf einen der Barhocker.

«Mit Sojamilch, oder?» fragt Simea. Kristen nickt.

«Morgen soll sogar wieder Schnee kommen.» sagt Kristen und erschaudert bei dem Gedanken. Dabei flechtet sie ihre Haare zu einem Zopf

«Ohje, dabei wollte ich doch so gerne, dass endlich der Frühling kommt. Noch etwas Schokopulver über den Milchschaum?», fragt Simea. Kristen schüttelt den Kopf.

«War bis jetzt viel los?», fragt sie und nimmt den Cappuccino entgegen.

«Nein, ein normaler Samstagmorgen. Aber am Nachmittag zieht es ja meistens etwas an, dann ist dir hoffentlich nicht ganz so langweilig wie mir.»

Beide lachen.

Kristen nimmt einen Schluck des Kaffees und lässt die warme Flüssigkeit langsam in ihren frierenden Körper fliessen.

«Hast du heute noch Pläne?», fragt Kristen.

«Nicht wirklich. Meine Arbeit fürs Studium wartet noch auf mich, aber wahrscheinlich machen wir wieder einmal einen gemütlichen Filmabend und da kann ich kaum widerstehen. Dann muss die Arbeit eben bis morgen warten.», antwortet Simea lächelnd.

«Das klingt schön.», sagt Kristen.

«Und du?», fragt Simea.

«Ich habe noch mit Lukas zum Abendessen abgemacht, vermutlich beim Chinesen.», sagt Kristen plötzlich gedanklich abwesend.

«Das klingt auch schön. So nun leere ich noch die Abfalleimer und dann gehört der Laden dir.», lächelt Simea Kristen zu. Diese nickt und erhebt sich, um den Gast zu bedienen, der eben durch die Tür gekommen ist.

Nun kommen immer mehr Gäste in den Coffeeshop und Kristen kommt kaum nach mit Bedienen. Simea füllt ihr noch Milch und Kaffeebohnen auf, leert den Satzbehälter und umarmt Kristen dann zum Abschied. Zeit für Worte bleiben keine mehr, denn die nächsten Gäste warten bereits. Die Türglocke bimmelt und Simea ist fort. Kristen mag es lieber so, wenn sie viel zu tun hat und möglichst wenig Zeit zum Nachdenken hat. Samstagnachmittagsschichten sind also genau ihr Ding.

6. Saphira

Farben

So vielfältig

Bunt

Strahlend schön

Saphira streicht ihre langen blonden Haare hinter die gepiercten Ohren. Das Industrial am linken Ohr erregt am meisten Aufmerksamkeit. Ein Piercing, das quer über das obere Ohr gestochen wird. Das schwarze T-Shirt mit Metallica Aufdruck fällt weit über ihre ebenfalls schwarzen Jeans, die in den Dr. Martens Stiefeln stecken (ob Sommer oder Winter, die Dr. Martens verlassen nie ihren Platz). In ihren Ohren stecken AirPods, die den starken Beat ihrer Lieblingsband Metallica in ihre Ohren strömen lassen. Sie sitzt an der Bar und kritzelt in ihr schwarzes Kunstledernotizbuch. Es ist noch ruhig im Club. Dieser öffnet erst in einer Stunde und ihre Schicht beginnt auch erst dann. Vorbereitet ist bereits alles. Saphira schaut auf und nimmt einen grossen Schluck Wasser aus ihrem Glas. James, der Nightmanager winkt ihr zu und auch sie hebt ihre Hand zum Gruss.