Zilli - Gabi Deeg - E-Book

Zilli E-Book

Gabi Deeg

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Beschreibung

Sie sind für Menschen in der Regel unsichtbar, bewohnen als durchnummeriertes Volk die Poren von Steinen und haben ihren Lebenszweck darin, Menschen zu ängstigen. Ihre Einflüsterungen halten wir für unsere eigenen Gedanken. So können uns Angstbazillen mit absurden Phantasien in die Panik treiben. Woher kommt die Angst vor Spinnen, warum fürchten sich Kinder vor Monstern im Dunkeln? Alles ein Werk der Angstbazillen! Zu ihnen zählt auch die junge Zilli, die so gern eine große Angstmacherin wäre, aber beständig versagt. Um ihre Fähigkeiten zu verbessern, wagt Zilli einen Schritt, der ihr streng verboten ist. Das Bazillchen findet zu sich selbst, und wir kleinen und großen Leser lernen, wie man unnütze Ängste verscheucht.

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Seitenzahl: 84

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GABI DEEG

ZILLI

Faustdick hinter den Zotteln

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche National- bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über http://dnb.dnb.de.

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 

Copyright © 2017 Fabulus-Verlag Tanja Höfliger, Fellbach 

 

Illustrationen: Horst Hellmeier, Wien

Umschlaggestaltung, Satz und Herstellung: r2 | röger & röttenbacher, büro für gestaltung,

Leonberg

ISBN 978-3-944788-57-9

 

Besuchen Sie uns im Internet unter: www.fabulus-verlag.de

INHALT

ALLE ANDEREN HABEN ES GESCHAFFTICH DARF HEUTE ABEND SCHON RAUSICH SCHAFF’ DAS EINFACH NICHT MIT DEN BÜCHERNZU JEDER SCHANDTAT BEREIT, NUMMER NEUNUNDNEUNZIGMAN BRAUCHT EIN PASSWORTWILLKOMMEN IM TEAMDA DRÜBEN, DA IST … UNAUFGERÄUMTWAS IST DENN FAST EINE ANGSTBAZILLEICH WERDE DICH ZILLI NENNENKEIN MENSCH WÜRDE SICH NOCH VON UNS ANGST MACHEN LASSEN …DA HAT SIE DIE RECHNUNG OHNE UNS GEMACHTGUT, DASS DU GESCHRIEN HAST, SPATZIWAS IST OMA UND OPA?ABER DAS DA … DAS IST ZU SCHÖNICH WILL DICH NIE WIEDERSEHENDU HEULST DAS GANZE BLATT VOLL, WEISST DU DAS?ABGESAGT!SETZEN SIE SICH DOCHICH BIN GLEICH ZU HAUSEJETZT HABEN WIR SIE AM HAKENDU SCHAFFST DASMEINE FREUNDIN ZILLI

ALLE ANDEREN HABEN ES GESCHAFFT

Die kleine Angstbazille Nummer Hundertsiebenundsiebzigtausendundvier schwebte fasziniert durch die Galerie der Großen und Erfolgreichen. Vor dem letzten Bild hielt sie an. Es zeigte Angstbazille Nummer Sieben. Nicht, dass man deren Rang erkannt hätte, denn alle Angstbazillen sehen aus wie puschelige Bälle mit dünnen Armen und Beinchen. Augen, Nase und Mund sind fast ganz unter den schwarzen Zotteln verborgen. Aber ein Schild daneben erklärte, warum Nummer Sieben in der Galerie hängen durfte: Auf einer langen Liste waren alle Ängste aufgeführt, die sie sich ausgedacht hatte.

Die kleine Angstbazille seufzte sehnsüchtig. Einmal in dieser Galerie hängen. Einmal eine Nummer haben, für die man nicht gefühlte fünf Minuten brauchte, um sie auszusprechen. Vielleicht mal eine vierstellige oder sogar dreistellige! Das Bazillchen schwebte näher an das silbern glänzende Schild und las in den Verdiensten von Nummer Sieben. „Tentakelmonster lauern im Abfluss deiner Badewanne“. „Die Verkäuferin wird dich auslachen, wenn du versuchst, alleine Erdbeeren zu kaufen, und dich nach Hause schicken!“

„Das hätte ich mir nie ausdenken können“, flüsterte das kleine Wesen. Es ließ den Kopf hängen. Dann hob es ihn wieder und blickte den langen Flur entlang. Er war wie alle Gänge im Inneren der Zentrale glatt und grau, wand sich wie eine Röhre, den ein Regenwurm hätte bilden können. Dutzende von Bildern säumten die Wand. Auf allen wurden Angstbazillen für besonders ausgefallenes oder erfolgreiches Angstmachen gepriesen. Die schwarze Puschelkugel hieb mit ihrer kleinen Faust in die andere Hand. Laut rief sie in den leeren Gang, dessen Ende im Dunkeln lag, hinein: „Irgendwann werde ich auch eine erfolgreiche Angstbazille sein. Ich …“

Von hinten unterbrach sie die kalte Stimme ihres Lehrers:

„… sollte vielleicht erst einmal meine Ausbildung erfolgreich beenden!“

Gehorsam folgte Angstbazille Nummer Hundertsiebenundsiebzigtausendundvier ihrem Ausbilder in den großen Versammlungssaal. Auch hier waren die Wände grau, wie überall, und sie waren ebenso glatt. Aber sie waren nicht weich gerundet wie der Gang, aus dem sie gerade gekommen waren, sondern hatten so scharfe harte Kanten, als befände man sich im Inneren eines großen Stahlkastens. Unter ihren wuscheligen Stirnfransen hervor schaute sich Nummer Hundertsiebenundsiebzigtausendundvier neugierig um. Vorn auf der Bühne saßen bereits die Angstbazillen, die heute den Vortrag halten würden. Der Kopf der kleinen Bazille fuhr hoch.

„Was, Nummer Hundertsechsundneunzigtausendundzwei ist auf der Bühne? Warum?“

Der Ausbilder warf ihr einen finsteren Blick zu und schnaubte abfällig.

„Hundertsechsundneunzigtausendundzwei hat seine Hausaufgaben gemacht. Und seine Prüfungen bestanden. Und seine Aufsätze pünktlich abgegeben. Im Gegensatz zu einer gewissen anderen Angstbazille.“

Schuldbewusst ließ die Kleine den Kopf hängen und duckte sich weg. Während ihr Ausbilder fröhlich winkend und Grüße rufend durch die Reihen nach vorne tänzelte, schwebte sie zu einem der hinteren silbernen Stühle, um sich zu setzen. Eine größere Angstbazille zischte heran, schubste die Kleine aus dem Weg und schnappte ihr den Stuhl vor der Nase weg. Das Angstbazillchen seufzte und flog noch weiter nach hinten. Mit einer so hohen Nummer, dachte sie missmutig, kann ich wahrscheinlich froh sein, wenn ich überhaupt einen Sitzplatz bekomme.

Ganz am Ende des riesigen Saals fand sie noch einen wackeligen Stuhl und ließ sich vorsichtig darauf nieder. Wahrscheinlich muss ich die ganze Zeit halb über der Sitzfläche schweben, damit das Ding nicht zusammenbricht, grummelte sie. Der restliche Saal war mittlerweile gefüllt. Schon faszinierend, sinnierte Angstbazille Nummer Hundersiebenundsiebzigtausendundvier, wie viele hier hineinpassen! Angstbazillen sind so winzig klein wie der Staub, den man in einem Sonnenstrahl tanzen sehen kann, das wusste sie. Und sie wusste auch, dass Angstbazillen in Steinen wohnen, in den kleinen Poren, die sich in Felsen, Mauern oder Ziegeln bilden können. Eigentlich wusste sie alles, was man auswendig lernen konnte: Wir können fast überall hindurchfliegen, nur nicht durch Plastik, Menschen hören uns, glauben aber, es seien ihre eigenen Gedanken, und so weiter. Doch was nützte ihr das?!

Das kleine Wesen wurde aus dem Grübeln gerissen, als ein großer dicker Angstbazillus mit glänzendem Fell neben es schwebte.

„Na?!“ sagte der Neuankömmling von oben herab. Die kleine Angstbazille schaute nicht auf, als sie leise „Hi“ murmelte.

Der große Puschel kam näher, so nah, dass die kleine Bazille am liebsten von ihrem Sitz geflohen wäre.

„Das da vorn ist jetzt die Letzte aus deiner Klasse, die die Prüfung bestanden hat, stimmt’s?“

Die kleine Angstbazille antwortete nicht.

„Also die Letzte außer dir!“, hörte sie den großen Kollegen lachen, während sie weiter zu Boden starrte. Dann tätschelte ihr der große Angstbazillus die strubbeligen Zottelhaare.

„Du bist jetzt die einzige deiner Gruppe, die noch nicht rausgehen und Angstgedanken in die Menschen setzten darf, stimmt’s? Aaaaalle anderen haben es geschafft. Oder?“

Nummer Hundersiebenundsiebzigtausendundvier schaute auf ihre kleinen Finger und versuchte, das Thema zu wechseln: „Du hast bestimmt ganz vorn einen Platz, oder?“

Der große Angstbazillus warf den Kopf zurück und lachte laut auf. Dann beugte er sich näher und raunte: „Meiner ist in der dritten Reihe! Die, die du von hier kaum sehen kannst!“

Dabei tat er verschwörerisch, hob die Hand wie zum Freundschaftsangebot, doch als das kleine Bazillchen schüchtern einschlagen wollte, zog der große Bazillus im letzten Moment den Arm fort. Grinsend sah er zu, wie das kleine Wesen Übergewicht bekam und von seinem wackligen Stuhl purzelte, der polternd eines seiner Beine verlor.

Die hinter der Bühne angebrachte weiße Leinwand erwachte zum Leben. Der Schatten der jeweils sprechenden Angstbazille wurde darauf projiziert, gleichzeitig wurden auch die Stimmen der Sprecher verstärkt. Als die erste Silhouette auftauchte, verstummte das Gemurmel der Anwesenden schlagartig.

ICH DARF HEUTE ABEND SCHON RAUS

Die Stimme von Nummer Eins dröhnte durch den Saal. Alle Angstbazillen lauschten ergriffen. „Seid gegrüßt, meine lieben Kollegen! Heute werden wir wieder einen Auszubildenden in den Stand einer aktiven Angstbazille erheben. Bitte, Nummer Hundertsechsundneunzigtausendundzwei, komm nach vorne.“

Als der Schatten des Aufgerufenen neben Nummer Eins auf der Leinwand erschien, seufzte die kleine Angstbazille leise. Ihr Klassenkamerad würde nun tatsächlich nicht mehr in den Unterricht kommen müssen. Er hatte alle Prüfungen bestanden und wurde heute öffentlich belobigt. Bestimmt durfte er bald nach draußen fliegen und echten Menschen Angst einflüstern. Das Angstbazillchen unterdrückte ein Schniefen. Alle hatten sie ihre Ausbildung gemeinsam angefangen, aber einer nach dem anderen war mittlerweile gut genug geworden, um aktiv sein zu dürfen. Nur sie nicht.

Auf der Bühne lobte die oberste Angstbazille mittlerweile die Ideen von Nummer Hundertsechsundneunzigtausendundzwei. „Deine Ausbilder heben besonders deinen Einfallsreichtum hervor. Ich zitiere aus deiner Hausarbeit zum Thema „Ängste um den Urlaub herum“:

● Du wirst den Zug zu deinem Urlaubsort verpassen und drei Wochen am Bahnhof verbringen.

● Es wird zu heiß sein. Es wird zu kalt sein. Es wird zu viel Regen geben. Es wird vielleicht zu kalten Regen geben. Es könnte heißen Regen geben.

● Ein Erdbeben lässt dein Hotelzimmer einstürzen. Und, besonders schön:

● Keiner wird verstehen, dass du etwas zu essen kaufen möchtest, und du wirst jämmerlich verhungern! Vielleicht essen alle in diesem Land ausschließlich Insekten und werden dich zwingen, das gleiche zu tun. Oder auch

● Vielleicht fasst du in eine giftige Pflanze, deine Hand wird grün, fällt ab, du kannst dein Handy deswegen nicht mehr bedienen und keine Hilfe holen.

● Du machst dich lächerlich, weil dich keiner versteht, und alle werden über dich lachen. Das ganze Land.

Das ist Angstbazillentum, wie es sein muss! Auf alles anwendbar! Detailliert und ausgefuchst! Und vor allem – völlig abwegig! Ausgedachter Murks, den kein Mensch überprüfen kann!“

Die anwesenden Angstbazillen klatschten begeistert Beifall. Das Geräusch der vielen kleinen Händchen klang wie Regentropfen, die auf eine Wasserfläche prasselten. Die kleine Angstbazille auf dem kaputten Stuhl applaudierte ebenfalls, aber verhaltener. Sie konnte sich nur halb für Nummer Hundertsechsundneunzigtausendundzwei freuen. Sie würde wohl nie da vorne stehen.

Die Versammlung endete nach weiteren bejubelten und beklatschten Vorträgen. Das kleine Angstbazillchen hatte aufmerksam zugehört, war aber immer bedröppelter geworden. Wie einsam sie sich doch fühlte, als zum Schluss alle anderen blickund grußlos davonschwebten. Sie lachten und schlugen sich gegenseitig auf den Rücken, wenn einer etwas besonders Lustiges gesagt hatte.

Als ihr ehemaliger Klassenkamerad vorbeiflog, zwinkerte er der kleinen Angstbazille kurz zu und raunte: „Ich darf schon heute Abend raus!“

Dann wurde er von ranghöheren Kollegen weitergezogen. Die kleine Bazille starrte ihm mit großen Augen hinterher. Also würde Nummer Hundertsechsundneunzigtausendundzwei schon heute Abend eine niedrigere Nummer bekommen? Wie niedrig diese sein würde, hing davon ab, wie gut er sich bewährte.

Die kleine Angstbazille blickte dem Tross an lachenden und lärmenden schwarzen Puscheln nach. Dann runzelte sie die Stirn unter ihren schwarzen Fellzotteln und hieb schon zum zweiten Mal an diesem Tag mit ihrer kleinen Faust in die andere Handfläche. Entschlossen flog sie so schnell sie konnte in ihre Schlafhöhle.

ICH SCHAFF’ DAS EINFACH NICHT MIT DEN BÜCHERN