Zimtsex mit Klugscheißer - Effie Twist - E-Book

Zimtsex mit Klugscheißer E-Book

Effie Twist

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Beschreibung

"Tornados", sagt Luise, während sie boshaft die kleinen Kiwis knuddelt, die sich in seinem Hodensack verstecken, "ganz besonders Minitornados, sind vollkommen unberechenbar. Sie fangen zum Beispiel an, dir einen zu blasen, und husch! überlegen sie sich's mittendrin anders und fliegen weiter nach Florida, weil sie spontan Lust gekriegt haben, ein paar Alligatoren durch die Luft zu wirbeln. Denk mal drüber nach. Du hast ja jetzt Zeit." Als Studentin Luise im Haus ihrer Matheprofessorin die falsche Tür öffnet und auf den arroganten Assistenten Adrian stößt - nackt und in Fesseln -, kann sie der Versuchung nicht widerstehen, an ihm zu knabbern. Drei Monate später startet Lu in den kuriosesten Nebenjob ihres Lebens. Denn so nötig "Dr. Arschloch" die Erziehung auch hat - eigentlich steht Lu ja gar nicht auf devote Männer … Eine rotzfreche BDSM-Liebesgeschichte aus dem Hier und Heute.

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Effie Twist

Zimtsex mit Klugscheißer

Eine rotzfreche BDSM-Liebesgeschichte aus dem Hier und Heute

Copyright © der Originalausgabe 2022 bei der Autorin

ISBN eBook 978-3-347-73763-1

ISBN Print 978-3-347-73762-4

Covergestaltung: F. Rüttgers unter Verwendung folgender Illustrationen: NaMong

Productions, Zamelatov, SerdyukPhotography/alle Shutterstock

Verlag & Druck: tredition GmbH, An der Strusbek 10 22926 Ahrensburg

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung „Impressumservice“, An der Strusbek 10 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Juli: Rechts oder links?

„Gehen Sie rauf. Zweite Tür rechts.“

Jedenfalls ist Luise sicher, dass Herr Dittmeyer das gesagt hat. Aber anscheinend hat sie wieder mal rechts und links verwechselt, und deshalb steht sie jetzt im Schlafzimmer statt im Arbeitszimmer.

Selbstverständlich hätte sie die Tür sofort wieder zugemacht. Von außen. Wenn sie nicht neben ihrem Rechts-Links-Problem auch eine Neigung zu spontanen Entscheidungen hätte, die sich im Nachhinein nicht immer als weise herausstellen.

Dazu kommt dann noch die normale menschliche Neugier.

Dieses Schlafzimmer erfüllt die Definition insofern, als es ein Bett enthält. Darüber hinaus allerdings… Die Tapete ist eine Apokalypse in Weinrot, Violett und Schwarz, perfektioniert mit goldenen Schnörkeln. Die dunkelvioletten Samtvorhänge sind zugezogen, antike Messinglampen spenden indirektes Licht, was die Konturen des Raumes ein wenig im Vagen lässt.

So gar nichts Vages ist an dem nackten Mann, der mit dem Rücken zu ihr auf einem Stuhl sitzt.

Was sie noch sehen kann: die schwarze Augenbinde. Die Seile, die seine Handgelenke rechts und links an die Rückenlehne fesseln. Und das Halsband. Dickes schwarzes Leder, mit Schnalle und Stahlringen daran, sieht es ungemein maskulin aus. Um nicht zu sagen martialisch. Und sehr sexy.

Leider wäre es für sie viel zu groß. Als Luise das denkt, steht sie schon so nah, dass sie nur den Arm heben müsste, um den Finger in einen der Ringe zu haken. Sie trägt keine Schuhe und ist auf Zehenspitzen geschlichen; er kann sie ja nicht sehen. Auf Zehenspitzen geht sie um den Stuhl herum.

Er ist tatsächlich ganz nackt. Seine Schenkel sind leicht gespreizt, die Knöchel genauso sorgfältig fixiert wie die Hände. Und er sitzt vollkommen ruhig, den Kopf in den Nacken gelegt, mit entspanntem Gesichtsausdruck. Oder ist das eine Art von innerer Konzentration, die um seine ansehnliche Erektion kreist? Luise leckt sich über die Lippen. Was wohl passieren würde, wenn sie jetzt seinen Schwanz anstupste?

Ungeniert betrachtet sie den ausgestellten Körper. Sie staunt über sich selbst; nie hätte sie geglaubt, dass sie den Anblick eines gefesselten Mannes prickelnd finden könnte. Dass ein Mannsbild das freiwillig mit sich machen lässt, geht über ihren Verständnishorizont. Umgekehrt – keine Frage, aber dieses gut gebaute, so ausgesprochen männliche Exemplar? Schön breite Schultern, keine Spur eines Bauchansatzes, Muskeln nicht nur in den Armen, glattrasiertes Kinn, kurzes dunkles Haar mit einem witzigen Wirbel an der Schläfe. Deutlich jünger als Frau Prof. Dittmeyer.

Und vermutlich nicht ihr Ehemann – es sei denn, der hemdsärmelige, bärtige Typ unten, der sich mit „Dittmeyer“ vorgestellt und Luise ins Arbeitszimmer hinaufgeschickt hat, ist Frau Professors kleiner Bruder.

Aber was Lu an dem nackten Typen am meisten fasziniert, ist seine Ruhe. Der Brustkorb hebt sich beim Atmen ganz langsam und gleichmäßig. Die dünne Kette, die die Klemmen an seinen Brustwarzen verbindet, hebt und senkt sich lautlos mit.

Die Klammern sehen nicht aus, als wären sie ursprünglich für diese Anwendung konstruiert worden: nacktes Metall, winzige Zähnchen, ideal für elektrische Kontakte. Die Nippel sind rot und – soweit sie das beurteilen kann, sie hat noch nie einer männlichen Brustwarze nähere Aufmerksamkeit geschenkt – geschwollen.

„Finger weg.“

Ihre Hand erstarrt zwei Millimeter vor der Klemme. Oder vielleicht einen halben Millimeter. Sie ist sicher, dass sie das Ding nicht berührt hat.

„Wenn du Nippelklemmen tragen willst, bitte deinen Liebsten darum“, sagt der Kerl auf dem Stuhl. Die Stimme kommt ihr bekannt vor. „Die da rührt niemand an außer meiner Herrin.“

Luise wundert sich, wie jemand etwas so Anachronistisches, Pathetisches, Albernes so selbstverständlich aussprechen kann. „Woher wussten Sie, dass ich nicht –?“

Sein Mund verzieht sich zu einem überheblichen Lächeln. „Falscher Duft. Unsichere Schritte. Unsicherer Atem.“

Das Grinsen gibt den Ausschlag. So hastig Lu auch die Hand vor ihren Mund presst, kann sie das Prusten nicht ganz verhindern.

Als sie diesem Typen zuletzt begegnet ist, hat er ihr vor dem ganzen Hörsaal unterstellt, sie schaue auf ihrem Laptop wohl „Batman und Robin“, statt ihm zuzuhören. Luise ärgert sich bis heute, dass ihr keine gepfefferte Replik eingefallen ist. „Nein, die Simpsons“ zum Beispiel. „Interessanter als Ihr Vortrag, Herr Doktor.“ Stattdessen ist sie rot angelaufen und hat sich hinter den Laptop geduckt, auf dessen Bildschirm nichts lief als ihre Notizen.

Und nun schau einer an, wie brav und hilflos er hier sitzt (freilich arrogant wie eh und je). Dr. Adrian Asshole Strehl. Verrückt, aber ohne Brille – und mit diesem friedfertigen Gesichtsausdruck! – hat sie ihn wirklich nicht erkannt. Sie stellt sich vor, ihn zu ohrfeigen, rechts und links (oder links und rechts), bis ihm die hochnäsige Heiterkeit aus dem Gesicht rutscht, und entscheidet dann, das lieber Frau Dittmeyer zu überlassen, die wahrscheinlich Übung darin hat. Dieser spezielle Mitarbeiter ist anders ja wohl kaum zu bändigen.

Zwar hängt hier nichts griffbereit, das auf regelmäßige Züchtigung schließen ließe. Aber es liegt generell wenig herum in diesem Haushalt, das ist Lu schon aufgefallen. Die offene Küche hat geglänzt wie der Werkzeugschrank eines Chirurgen, obwohl Herr Dittmeyer gerade am Kochen war. Und sogar Dr. Arschloch hier ist bis zu seiner späteren Benutzung ordentlich aufgeräumt und fixiert worden. Wobei er stillgehalten haben muss, denn Frau Professor ist eher Elfe als Walküre. Was in aller Welt hat die Frau nur verlockt, sich auch noch nach Feierabend mit ihrem Assistenten abzugeben? Sind acht Stunden täglich nicht genug?

„Hast du dich verlaufen?“, erkundigt er sich. „Wer bist du? Die Putzfrau?“

Das Bedürfnis, das letzte Wort zu haben, ist so typisch. „Sollten Sie nicht ein bisschen höflicher gegenüber Frauen sein?“, erkundigt sich Lu, durchaus neugierig.

„Nicht gegenüber der Putzfrau.“

Das, entscheidet sie, war ein Grinsen zu viel. Sie ist sowieso früh dran für die Besprechung ihrer Hausarbeit, und nach Aussage ihres Mannes ist Frau Professor chronisch so vertieft in ihre Arbeit, dass sie nie die Klingel hört. „Gut, dass Sie mich dran erinnern. Der Staubfänger hier muss dringend geschrubbt werden.“

Um des praktischen Equipments willen bedauert sie fast, nicht wirklich die Putzfrau zu sein – was er wohl sagen würde, rückte sie ihm mit Staubsauger und Scheuerlappen zu Leibe? So muss sie mit dem arbeiten, was zur Hand ist. Praktischerweise gibt es einen Schminktisch im Zimmer. Sie entscheidet sich für Puderpinsel, Abschminktücher und – wegen der unmännlichen Farbe – eine Dose Bodybutter in der Ausführung „Rose“.

Am Bauch bringt ihn der Pinsel zum Lachen. Am Schwanz nicht mehr. Als sie das Abschminktuch zum Putzlappen macht und ihn rubbelt wie einen kalkfleckigen Wasserhahn, rutscht er auf dem Stuhl hin und her. Sein Schwanz steht wie eine Eins. Ob sie Frau Professor verraten soll, dass ihr Mitarbeiter darauf steht, von einer professionellen Reinigungskraft auf Hochglanz poliert zu werden?

Luise hat zwar, leider, keine praktische Erfahrung damit, doch ihrem Bauchgefühl nach sollte sich ein Mensch, der mit so viel Hingabe gefesselt worden ist, besser benehmen.

„Und jetzt das Bohnerwachs!“ Sie taucht den Finger in die Bodybutter und schnuppert daran, ehe sie die rosafarbene Paste schräg über seinen Unterbauch schmiert.

Er zuckt zusammen, die Bauchmuskulatur spannt sich. Sie streichelt über die Innenseite seines Oberschenkels. Ob seine Herrin ihm vorschreibt, wie oft er ins Fitnessstudio zu gehen hat? Sexy ist der Knabe ja. Zumindest, solange er den Mund hält.

„Frau Professor hat explizit von Bohnerwachs gesprochen. Sie möchte, dass er glänzt wie neu. Ich bin noch am Überlegen, welche Bürste ich nehme…“

Sie würde ihn gern in dem femininen Zeug baden, aber bezweifelt, dass es gut schmeckt. Künstliche Aromastoffe, künstliche Farbe und jede Menge sonstiger Chemie. Ganz unnötig.

Luise kniet sich zwischen seine Schenkel und beginnt das Wachsen. Mit Zunge, reichlich Spucke und einer großen Portion Abenteuerlust, schließlich sind das ihre ersten Schritte auf dem Oralsexparkett. Dem Schwanz gefällt es eindeutig, der Rest von Dr. Arschloch atmet schneller. Nix mehr Meditation jetzt, wie? Das kann Lu nachvollziehen; wenn sie sich selbst an seine Stelle denkt, hilflos einem boshaften Putzteufel ausgeliefert, wird ihr herrlich blümerant.

Seine Selbstsicherheit geht derweil rasant den Bach runter. „Ich darf nicht…!“ Komischerweise reckt er ihr dabei seine Lenden entgegen, allem voran den Schiefen Turm, der gar nicht der Meinung ist, dass er nicht dürfe. „Hat sie Ihnen verboten, Sex mit der Putzfrau zu haben?“, erkundigt sich Lu. „Wie gemein von ihr.“

Und wie blöd, dass Sex am besten schmeckt, wenn er verboten ist.

Dann nimmt sie ihn, probehalber, ganz im Mund auf. Auch ohne Rosenaroma schmeckt er gar nicht schlecht. Dass er gleichzeitig will und nicht will, gibt dem Stengel extra Würze. Das gefällt dir, wie? Abwarten, Versuchskaninchen, vielleicht beiße ich ihn ja versehentlich ab? Lu hat keine Gewissensbisse. Wenn dieser Kerl etwas nicht verdient hat, dann einen Profi-Blowjob.

„Ich darf nicht ohne Erlaubnis kommen!“, stöhnt er.

Pech aber auch, Herr Doktor. „Dann wollen wir hoffen, dass sie nichts davon mitkriegt.“ Genüsslich schmieren ihre Finger in der rosa Pampe zwischen Nabel und Schamhaar herum. „Pink steht Ihnen übrigens.“

Dann macht sie es sich zwischen seinen Knien so richtig gemütlich und nimmt das prächtige Stück – definitiv das Sympathischste an Adrian Strehl – wieder in den Mund. Kreuzt die Hände hinter dem Rücken, schließt die Augen und öffnet feierlich die Tür zu ihrer Fantasie.

Er denkt ja wohl nicht, dass sie das hier um seinetwillen tut, oder?

Die Stimme der Frau Professor in ihrem Kopf lässt nicht lange auf sich warten. Knusper, knusper, knäuschen, wer knuspert an meinem Postdoc? Die Herrin des Hauses stöckelt näher. Ich habe ihm verboten zu kommen. Wenn du ihn trotzdem zum Abspritzen bringst, werde ich ihn bestrafen müssen.

Oh ja, bitte! Darf ich zusehen, Frau Dittmeyer?

Und du hättest dir eine Belohnung verdient, mischt sich eine neue Stimme ein, ein Mann, vielleicht der Herr Dittmeyer, egal. Wie wäre es mit einem eigenen Halsband?

Als Fingerspitzen über ihren Nacken streichen, läuft Luise ein wohliges Kribbeln den Rücken hinunter. Die beiden stehen rechts und links hinter ihr und begutachten kritisch, wie geschickt sie Frau Professors Spielzeug bedient.

Wenn sie versagt, das ist wieder die Frau, bekommt sie die Peitsche.

Einverstanden. Aber zuerst soll er sie ficken, schlägt der Mann vor.

Nein, nur das nicht! Nicht von dem! Bitte…?

Aber Lu sagt nichts. Erstens hat sie einen Schwanz im Mund, und zweitens ist ihr ganz bestimmt verboten, ohne explizite Aufforderung zu reden.

Sie muss „von Dr. Arschloch gefickt werden“ schnellstens der Liste ihrer persönlichen Tabus hinzufügen, ganz oben neben „anale Faxen“, „High Heels“ und „Sklavengequatsche“, weit oberhalb von „pink“, „Bügeln“ und „Blumenkohl“. Der Meister ihrer Träume respektiert ihre Tabus und bestraft sie für jedes einzelne, deshalb ist es gut, möglichst viele davon zu haben.

Jetzt hockt er sich nieder, um ihr Handschellen anzulegen. Der Stahl ist kalt, das Klick-klick-klick der einrastenden Bügel mischt sich mit dem Keuchen von Dr. Arschloch, dessen unverschämt schöner Schwanz Luise knebelt, während seine Herrin und ihr Meister sich entspannt über ihre Köpfe hinweg unterhalten. Wäre doch gelacht, wenn er dann nicht kommt, fährt der Mann fort. Dann bestrafen wir sie beide, was hältst du davon? Seite an Seite. Oder Bauch an Bauch?

Perfekt, sagt Frau Professor, gerade als Adrian Strehl seinen Unterleib in Luises Gesicht stößt und sein Schwanz sich hektisch entlädt. Lu schluckt angeekelt (Arschloch-Essenz geht ein bisschen zu weit!), hustet, will die Hand vor den Mund heben und stellt fest, dass ein Paar Handschellen hinter ihrem Rücken dem abträglich ist.

„Perfekt“, sagt die reale Frau hinter ihr.

Eine kalte Dusche hätte nicht wirksamer sein können. Oder eher eine heiße Dusche; Luise ist mit einem Mal mächtig warm. Hat sie die Tür nicht zugemacht?

„Ich hätte ‚Hausarbeit‘ jetzt nicht so definiert. Aber die Vorstellung war originell.“ Frau Dittmeyers Finger suhlt sich ganz unprofessoral in der rosa Schmiere auf dem Unterbauch ihres Mitarbeiters und verteilt ein bisschen davon auf seiner Brust, ehe sie die Klammern abnimmt und die dunkelroten Brustwarzen zwischen den Fingern zu massieren beginnt. Er keucht leise. Luise, mangels anderer Ideen, kniet stumm und mit glühenden Wangen zwischen seinen Schenkeln und schaut zu.

Das Arschloch sieht jetzt kein bisschen mehr überheblich aus; sein Kopf mit den blickdicht verbundenen Augen sucht nach Frau Professor. „Ich bitte um Vergebung, Herrin. Und um strenge –“

„Schhh.“ Sie legt ihm den Finger auf die Lippen und streicht über seinen Wangenknochen, wo das schwarze Tuch straff anliegt. „Später.“

Staunend registriert Luise, wie sehnsüchtig er sein Gesicht in die Berührung schmiegt. Seine Nasenflügel haben sich geweitet, das ist jetzt offensichtlich der richtige Geruch. Dabei trägt Frau Professor Jogginghose und ein schlabbriges weißes T-Shirt. Hat sie ihm deshalb die Augenbinde verpasst? In seiner Fantasie trägt sie wahrscheinlich schwarzes Lackleder, dessen Reißverschlüsse kurz vor dem Bersten stehen. Oder blutrote Spitze von den High Heels bis zur Nase.

Lu fragt sich, was ihre Tutorin jetzt von ihr erwarten mag.

Ich bitte um Verzeihung, Frau Professor? Und um strenge Bestrafung?

Nicht gegenüber einer Frau. Nicht mal in Handschellen.

„Stehen Sie auf.“

Sie gehorcht, gehörig eingeschüchtert. Ihre Spontaneität, die ihr das alles eingebrockt hat, hat sich feige verkrümelt. „Ich habe mich in der Tür vertan“, murmelt sie. „Ihr Mann hat mich nach oben geschickt…“

„Ja“, sagt Frau Dittmeyer geistesabwesend, während sie die Handschellen aufschließt. „Die Idee mit der Putzfrau war gut. Sie suchen nicht zufällig einen Nebenjob?“

Luise ist zu perplex, um darauf einzugehen. „Woher wussten Sie –?“

„Webcam.“ Über ihre auf die Nasenspitze heruntergeschobene Lesebrille hinweg schwenkt Frau Professors Blick zur Tür. „Einen gefesselten Menschen sich selbst zu überlassen, wäre grob fahrlässig. Und schade.“

Luises Entrüstung über die fiese Spannerei fällt schnell wieder in sich zusammen. Schließlich hat niemand sie aufgefordert, sich in ein eindeutig privates Zimmer zu schleichen und an einem wehrlosen Mann zu vergehen, Arschloch oder nicht.

Frau Prof. Schlabberlook wirkt ungeduldig. „Kommen Sie. Sie sind zum Essen eingeladen. Ihre Arbeit besprechen wir hinterher.“

Luise zögert, dreht sich halb um. „Was ist mit ihm?“

Ihre Tutorin mustert sie mit, wie es scheint, nachsichtiger Neugier. „Sind Sie der Ansicht, dass er ein Abendessen verdient hat?“

Lu schluckt. Todsicher will sie dem Typen nicht beim Essen gegenübersitzen, ganz zu schweigen davon, dass ein Teller ranziges Frittieröl noch zu gut für ihn wäre… ABER. „Es ist meine Schuld, dass Sie jetzt sauer auf ihn sind.“

Frau Dittmeyer lächelt zum ersten Mal. „Ich bin nicht sauer. Gehen Sie schon runter, ich ziehe mich noch um.“

Und dann drückt sie der verdatterten Studentin die Handschellen in die Finger. „Geben Sie die meinem Mann. Mit besten Grüßen von mir.“

Im Interesse ihrer geistigen Gesundheit beschließt Lu, nicht weiter nachzudenken.

Dass das nicht besonders gut funktioniert, schreibt sie den Handschellen zu. Auf ihre Fingerspitzen konzentriert, die das böse, verlockende Spielzeug ungefähr so beherzt fassen wie das behaarte Bein einer Vogelspinne, rutscht sie in ihren Strümpfen auf halber Treppe aus und nimmt den Rest des Abstiegs auf dem Allerwertesten.

„Gemach, junge Frau.“ Am Fuß der Treppe wartet Herr Dittmeyer. Ohne Küchenschürze, mit helfend ausgestreckter Hand und einem Lächeln, als hätte er ALLES gesehen.

Lu stellt sich einen Sechzig-Zoll-Flachbildschirm über dem Küchentisch vor, an dem der bärtige, hemdsärmelige, gar nicht mal unattraktive Herr Dittmeyer Gemüse schnippelt, und fühlt sich endgültig überfordert. Von ihrem geprellten Steißbein gar nicht zu reden. Kein Wort mehr ohne meinen Anwalt.

„Und falls Sie über Ihre devoten Fantasien reden wollen“, ruft in diesem Moment Frau Professor durchs Treppenhaus, „mein Mann ist ein ziemlich guter Psychologe.“

Luise ist schon rot, es kann also nicht schlimmer werden.

Geht denn das, Herr Doktor: eine Ehe zwischen zwei dominanten Partnern?

Wenn er ein guter Psychologe ist, wird er sofort zurückfragen: Geht denn das: eine Submissive, die ein submissives Arschloch zum Anbeißen findet? Ich glaube, Frau Seidel, als erstes sollten wir uns einmal von unseren Vorurteilen lösen.

Schwierig, klar zu denken, wenn der Blick von einem Paar Handschellen gefesselt wird, die irgendwie an den linken Zeigefinger ihres Gastgebers gelangt sind, wo sie unschuldig-verführerisch hin und her baumeln.

„Nichts Pathologisches an devoten Fantasien, oder?“, schnappt sie.

„Korrekt.“ Sein Bart ist grau gesprenkelt, sein Duft mediterran: Tomaten, Rosmarin, Thymian. Hunger hat sie nicht, in ihrem Magen tummelt sich ein Insektenschwarm, alle Häute sind von Schweiß und anderen Dingen in flüssigem Aggregatzustand überzogen. Sie ist jetzt ganz sicher, dass er sie absichtlich ins falsche Zimmer geschickt hat.

„Haben Sie ‚zweite Tür rechts‘ gesagt oder ‚links‘?“

„Es gibt Gemüselasagne“, sagt er. „Mögen Sie lieber Rotwein oder Weißwein?“

Per ALGEBRA durch die Galaxis

Projektarbeit „Didaktik der Mathematik“ von Luise Seidel, geb. 03.04.1997

Fachliche Betreuerin: Prof. Dr. Ute Dittmeyer

Der Zahlenraum, unendliche Weiten. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs CSS1 ALGEBRA, das unterwegs ist, um neue Dimensionen zu erkunden, unbekannte Rechenoperationen zu erproben und die Grenzen der Mathematik zu erweitern.

Gestartet ist die ALGEBRA auf dem Planeten Omikron im Arithmetischen Sonnensystem der Cosinus-Galaxie. Der Euklidische Primzahlenantrieb des Schiffes ist die neueste Entwicklung der arithmetischen Wissenschaft; er erlaubt im komplexen Zahlenraum sogar das Tunneln durch Schwarze Löcher.

Das Kommando auf dieser Mission hat Captain Omega Blue. 25 Jahre alt, Master of Intergalactic Mathematics and Geometry der Sirius Academy, Doktortitel in Spontaner Schnapsideeologie der Universität von Alpha Zentauri, Raumschiffsführerschein Klasse I. Besondere Kennzeichen: blaue Haare, schnelle Entscheidungen, Schwäche für Latte macchiato und stachelige Kuscheltiere.

Episode 1: Die Sphinx

Logbuch Captain Omega Blue, Zeitindex IYPT2190424: Zwei Wochen nach Eintritt in den Subraum der rationalen Zahlen hatten wir gerade begonnen, uns beim Kartieren zu langweilen, als plötzlich ein fremdes Schiff auftauchte…

„He, das sieht ja aus wie die klassische fliegende Untertasse!“, ruft Sigma, die diensthabende Frau am Steuer, begeistert. Wenn man seit zwei Wochen dem Autopiloten dabei zusehen darf, wie er elegant zwischen trudelnden Brüchen hindurchsteuert, ist jede Abwechslung willkommen, und sei es eine ausgefallene Leuchtdiode in der Wasserstandsanzeige der Kaffeemaschine. Fliegende Untertassen kommen im Universum sehr selten vor und sind auf jeden Fall eine Überraschung. Wenn auch nicht immer eine angenehme.

„Eher wie eine fliegende Suppenterrine“, schafft der Erste Offizier Epsilon noch zu sagen, bevor eine Audiobotschaft aus den Lautsprechern dröhnt:

„Guten Tag! Hier spricht das intergalaktische Kreuzfahrtschiff KULINARIUS III, Captain Tandoorix. Ich darf euch verkünden, dass acht Hochenergiekanonen auf euch gerichtet sind. Ergebt euch, und eure Gehirne werden als Delikatesse auf der Abendkarte für unsere Passagiere landen, mit Kreuzkümmel, Ingwer und einem Hauch Safran püriert auf Toast. Leistet ihr hingegen Widerstand, bleibt uns leider nichts übrig, als euch auf kulturlose Weise samt Schiff zu plasmatifizieren. Wir gewähren euch fünfzehn Minuten Bedenkfrist und zwei Stunden für eine letzte Mahlzeit. Treten jetzt in anderthalbstündige Funkstille ein wegen Lunchpause. Guten Appetit! Tandoorix Ende.“

„Das ist unanständig!“, schimpft Konfusius, der Schiffsphilosoph, der wieder mal auf der Brücke herumlungert, weil er sich in seiner Kabine langweilt.

„Das können Sie laut sagen.“ Leutnant Epsilon schüttelt sich. „Püriert auf Toast!“

„Und bestimmt kein Vollkorntoast“, wirft Sigma ein. „Leere Kohlehydrate, bäh!“ Sigma hat ihr gesamtes persönliches Gepäckvolumen für Ballaststoffkekse und zuckerfreie Frucht-Nuss-Riegel verwendet.

„Meine Bemerkung bezog sich auf die für eine so gravierende Entscheidung extrem kurze Bedenkzeit“, präzisiert Konfusius. (Er hat sein persönliches Gepäckvolumen verfallen lassen. Philosophen reisen traditionell mit wenig Gepäck.) „Wie soll man in der knappen Zeit die Alternativen angemessen abwägen?“

Sigma wendet sich von der Steuerkonsole ab und dem Philosophen zu, der auf dem Boden vor dem Großbildschirm den Lotussitz eingenommen hat, weil er in dieser Haltung am besten philosophieren kann. „Püree oder Plasma, ist das nicht wurscht?“

Sie hätte es eigentlich besser wissen müssen. Prompt tönt aus dem Komm-System die Stimme des Schiffsklugscheißers Dr. Definitiogenes: „Ihre Bemerkung zeugt von eklatanter Unwissenheit. Der Unterschied ist gewaltig. Gehirnmasse, ob püriert oder nicht, ist biologische Substanz: Nervenzellen, Eiweißmoleküle, hochentwickelte organische Strukturen von übrigens nicht zu unterschätzendem Nährwert. Plasma hingegen ist Chaos auf elementarer Ebene: Atome, Ionen, Elektronen –“

„Die Art des Endzustandes ist für unser Bewusstsein vollkommen ohne Belang.“ Konfusius klingt gereizt – die normale Reaktion auf Wortmeldungen von Dr. Definitiogenes. „Aus moralischer Sicht bedeutet es jedoch einen gewaltigen Unterschied, ob man bis zur letzten Nanosekunde kämpft, der Mündung der Plasmakanone stolz die Stirn bietend, oder seine Mannschaft wie eine Herde Kühe zum Schlachten –“

„Einspruch. Wir würden die Mündung der Waffe gar nicht sehen, bevor wir in Elementarteilchen zerfallen!“

„– ausliefert, ein freiwillig unterzeichnetes hundertfaches Todesurteil –“

„Dessen Ergebnis für Ihr vielbeschworenes Bewusstsein auf dasselbe hinausläuft!“

„Sie würden ein ethisches Dilemma nicht erkennen, Defi, wenn man es Ihnen die Nase hinauf ins Gehirn schiebt!“

„Sie können Ihre Ethik schieben, wohin Sie wollen“, Dr. Definitiogenes käme nie auf die Idee, Konfusius „Konfi“ zu nennen, weil ihm dafür die Fantasie fehlt, „als immaterielles Konstrukt ist sie physikalisch wie physiologisch vollkommen wirkungslos…“

Um den Rest der nervigen Debatte zu überspringen, löse folgende AUFGABE:

Beschrifte die Zahlenräume in der unten abgebildeten Skizze und verteile Beispiele darin (z.B. 0, 1, -2, ¾, -1/6, π, …)

Klugscheißer sind eine Anomalie, die überall im Universum vorkommt. Aus noch nicht annähernd verstandenen Gründen muss an Bord jedes Raumschiffes ein Exemplar vorhanden sein, sozusagen als interner Raum-Zeit-Stoßdämpfer. Was gern dazu führt, dass die übrigen Besatzungsmitglieder den Kollegen im Fünfminutentakt ins Innere eines 30‘000°C heißen Sterns wünschen.

Omega Blue hat derweil die Alternativen Püree und Plasma gegeneinander abgewogen und festgestellt, dass sie sich mit keiner von beiden anfreunden kann. „Sigma: welches sind die nächstgelegenen Subräume?“

„Ganze Zahlen voraus, 32 Lichtstunden. Negative ganze Zahlen darin eingebettet, Abstand 41 Lichtstunden.“

„Epsilon, was sagt der Scan über ihren Antrieb?“

„Rational, aber ziemlich antik, Captain. Keine Vorzeichenabscheidung.“

YES! „Captain an Defi: Was passiert, wenn ein Schiff ohne Vorzeichenabscheidung in den Subraum der negativen Zahlen eintritt?“

Klingt „Defi“ leicht säuerlich, weil sie seinen Namen verballhornt? In jedem Falle kommt die Antwort prompt. „Bei jedem Kontakt mit einer negativen Zahl stülpt sich ihr Antrieb einmal von innen nach außen um, worauf das Schiff schlagartig in die Gegenrichtung beschleunigt. Bei einfacher Lichtgeschwindigkeit ist mit einer Kollision durchschnittlich alle zweiundzwanzig Nanosekunden zu rechnen. Das Schiff würde praktisch gleichzeitig versuchen, vorwärts und rückwärts zu fliegen, und aufgrund seiner Trägheit innerhalb von weniger als einer Millisekunde auseinandergerissen.“

„Das wollte ich hören“, sagt Omega. Sie hätte auch selbst drauf kommen können, aber Defi ist einfach schneller. (Sein persönliches Gepäck – sie hat nicht nachgeschaut – besteht bestimmt aus dem Arithmetischen Universallexikon in 500 Bänden.) „Sigma: Kurs auf negativen Zahlenraum setzen. Anschnallen, Leute. Maximum Warp voraus!“

Konfusius, der als einziger nicht angeschnallt ist, fliegt im Lotussitz durch den Raum und stößt sich den Kopf am Bedienfeld des Getränkeautomaten, der prompt fünf Dosen eisgekühlte zuckerfreie Cola ausspuckt.

AUFGABE: Der Abstand zum sicheren Subraum beträgt 41 Lichtstunden (Lh). Die ALGEBRA bewegt sich mit 9,27facher Lichtgeschwindigkeit. Berechne die Flugzeit. (Hinweis: Lichtgeschwindigkeit c≈2,998*108 m/s; 1Lh≈1,1*109km)3

Logbuch Captain Blue, Zeitindex IYPT190430: Auf der Flucht vor einem bewaffneten Kreuzfahrtschiff, das uns unbedingt auf seiner Speisekarte sehen will, versuchen wir den Subraum der negativen ganzen Zahlen zu erreichen. Leider ist unser Antrieb nicht für Langstreckensprints ausgelegt; für das letzte Viertel der Strecke mussten wir die Geschwindigkeit reduzieren, um uns nicht selbst in Plasma zu zerlegen. Der Antrieb der fresssüchtigen Aliens scheint besser drauf; nach ihrer Lunchpause haben sie die Verfolgung aufgenommen und holen auf.

AUFGABE: Der momentane Abstand zum sicheren Subraum beträgt noch 2,16Lh. Die ALGEBRA bewegt sich mit 3*c, die KULINARIUS mit 7*c und hat noch einen Rückstand von 1,6Lh. Wann erreicht die KULINARIUS die ALGEBRA?4

„Verbleibende Flugzeit bis zum Subraum: 43 Minuten. Die KULINARIUS hat uns in 24,5 Minuten eingeholt“, meldet Sigma.

„Shit!“, sagt Omega Blue.

„Einspruch, Captain. Es heißt korrekt: Mäßig ungezogener Fluch Nummer 1.“

„Zur Kenntnis genommen, Defi.“ Omega Blue fragt sich, ob das Universum wohl aufatmen wird, wenn in 24 Minuten ein nerviger Klugscheißer in Protonen und Elektronen zerfällt. „Scannen nach möglichen Verstecken und Abkürzungen.“

„Sind dran, Captain.“

„Wir müssen dringend darüber diskutieren, ob wir kämpfen oder uns ergeben sollen.“ Konfusius hockt auf dem Boden und kühlt seine Beule mit einer Coladose. Die übrigen vier Dosen liegen leer um ihn herum.

„Nicht jetzt“, sagt Omega Blue, den Blick auf den Bildschirm gerichtet, für den Fall, dass den Scannern irgendein kosmisches Hinweisschild „Abkürzung zu den negativen ungeraden Zahlen: in 500 km rechts abbiegen“ entgehen sollte.

„Aber wir haben nur noch 20 Minuten Zeit dafür –“

„Wurmloch anderthalb Lichtminuten an Steuerbord!“ Epsilons Stimme kiekst vor Aufregung. „Laut den Sensoren führt es direkt in den Subraum der negativen ganzen Zahlen!“

„Perfekt. Rein mit uns, Sigma!“

„Sind drin in 25 Sekunden, Captain.“

Auf dem Bildschirm wird das rettende Wurmloch schnell größer. „Sieht aus wie das Maul eines klingonischen Riesenkraken“, bemerkt Konfusius nicht gerade hilfreich. „Fehlen nur die Zähne – oh, shit.“

„Einspruch. Es heißt korrekt: mäßig ungezogener –“

Dr. Definitiogenes‘ Stimme verstummt, weil Captain Blue die Verbindung manuell unterbunden hat. Manchmal ist es einfach genug.

Das Gebiss, dessen Anblick dem Schiffsphilosophen die Sprache verschlagen hat, wurzelt nicht im Wurmloch, sondern im Kiefer eines herzhaft gähnenden Frauenkopfes, der auf einem Löwenkörper sitzt, welcher mit ausgebreiteten Flügeln frei im Raum schwebt. Eine intergalaktische Sphinx, und zwar die größte, die die Besatzung der ALGEBRA je gesehen hat. Die Kreatur könnte das Schiff nicht nur mühelos verschlucken, sondern sogar einatmen. Und sie versperrt den Zugang zum Wurmloch.

„Muss das sein!“, stöhnt Leutnant Epsilon.

„Siebzehnter Hauptsatz des Universums: Wo ein Wurmloch ist, ist eine Sphinx nicht weit“, schnurrt die Sphinx samtig, und Omega diktiert den Satz ins Logbuch. Für den Fall, dass sie das hier überleben. Man weiß ja nie.

„Metaphysische Kreaturen“, sinniert Konfusius, „entziehen sich rationalen Begrifflichkeiten, weshalb ihre Existenz weder bewiesen noch widerlegt werden kann. Man denke nur an die Mythen von allmächtigen Schöpfergottheiten, die sich in primitiven Stadien denkenden Lebens fast überall entwickeln. Interessant ist die Frage, ob die Kreatur wirklich da ist oder wir nur glauben, dass…“

Niemand hört ihm zu. „Brücke an Count Sudoku“, sagt Omega laut, „Ihr Typ wird verlangt.“ Wozu hat man einen schiffseigenen Rätselexperten, der sich seit Wochen die Langeweile damit vertreibt, Zahlenrätsel für die Mannschaft zu erfinden?

Keine Antwort. Stattdessen lässt sich wieder die Sphinx vernehmen. „Zweiundvierzig.“

„Bitte?“

„Zwei-und-vierzig.“

„Das ist kein Rätsel“, sagt Omega ungeduldig. Wenn sie in den nächsten siebzehn Minuten nicht durch das Wurmloch geschlüpft sind, enden ihrer aller Gehirne püriert auf Toast. Nichts gegen Toast, aber Omega Blue möchte nicht einmal im mausetoten Zustand mit irgendeinem Teil von Dr. Defi verquirlt werden. „Wie lautet die Frage?“

„Das frage ich euch“, sagt die Sphinx. „Jeder Depp kann eine Frage stellen. Der neueste intergalaktische Trend geht in die umgekehrte Richtung. 42 ist die Antwort. Gebt mir zweiundvierzig passende Fragen dazu, dann lasse ich euch vorbei.“

„Das ist einfach“, sagt Epsilon. „42 ist bekanntlich die Antwort auf die Frage nach dem Universum und dem ganzen Rest.“ Sein persönliches Gepäckvolumen, das weiß das ganze Schiff, ist für SF-Literatur draufgegangen.

„Zu unkonkret“, sagt die Sphinx und gähnt. „Und um Zeit zu sparen: Simple Additionsaufgaben nach dem Schema 40+2 werden nicht akzeptiert.“ Damit legt sie ihren Kopf auf die Vorderpfoten und schließt die Augen. Nur ihre Schwanzspitze vollführt noch in Zeitlupe komplizierte fünfdimensionale Schlängelbewegungen vor dem Wurmloch.

„Otto, erstelle zweiundvierzig Aufgaben, die als Lösung zweiundvierzig ergeben.“

„Geht nicht“, sagt die unpersönliche Stimme des Bordcomputers. „Ich wurde ausschließlich für das Lösen von Aufgaben programmiert.“

„Stimmt leider, Captain“, kommt es aus der IT, noch bevor Omega Blue Konfusius bitten kann, ihr die letzte Coladose zu geben, um sie nach irgendwem zu werfen. „Die Betaversion war ja noch nicht fertig, als wir losflogen.“

Okay. Aber ein Ass hat Omega Blue ja noch im Ärmel. „Count Sudoku, sofort melden! Das ist der Ernstfall!“ Wo steckt der Kerl? „Otto, lokalisierte Count Sudoku!“

„Krankenstation“, vermeldet der Computer, „zahnmedizinisches Labor, Behandlungsstuhl. Status: vollsediert wegen laufender Wurzelbehandlung.“

„Scheiße!“, flucht Omega Blue im vulgärsten omikronischen Dialekt. „Captain an alle: Wir brauchen alle denkbaren Rechenaufgaben, die 42 ergeben. JETZT!“

AUFGABE: Erstellt 42 möglichst komplizierte Aufgaben, deren Lösung 42 lautet. Ihr habt zwölf Minuten.

„Ich liebe Ihren schwarzen Humor, Frau Seidel; als alte Trekkies sind wir beide fasziniert von Ihrer Grundidee, und als Eltern einer Tochter, die im Grundschulalter am liebsten Raumschiffe gemalt hat, die Planeten zerschießen, sind wir sicher, dass den Kindern Ihre Geschichten höllischen Spaß machen werden“, hat Frau Dittmeyer nach dem Abendessen gesagt. „Aber Ihnen ist schon klar, dass die Schulämter dieser Welt von Dr. Defis bevölkert werden, die bei jedem Kraftausdruck Schnappatmung kriegen?“

Die Didaktiklehrstühle auch, wie sich herausstellte. Fürs Fachliche immerhin hat Luise eine 1,3 bekommen, plus ein paar Hinweise zur mathematischen Korrektheit. „Für die politische Korrektheit dieses Textes“, so Frau Dittmeyer, während sie Lu mit ihrem Rotweinglas zuprostete, „erkläre ich mich reinen Gewissens für nicht zuständig.“

Als Nachtisch gab’s Tiramisu.

1 Crazy Space Ship

2 Intergalactic Year of the Pink Tarantula

3 Lösung: 4,51h

4 Lösung: in 24min 28s bzw. 1,2 Lj

Oktober: Nebenjob

Homo sapiens, der; lat. vernünftiger Mensch; euphemistisches Selbstlob einer aufrecht gehenden Affen-Unterart, die sich einbildet, sie besäße Intelligenz und sei daher qualifiziert, ihren Planeten zu ruinieren; Begriff heute empirisch überholt.

aus: „Von Arschloch bis Zecke. Kleines Philosophisches Wörterbuch für die Sekundarstufe II“ von Luise Seidel, Bachelor of Education, Master of Zeckyness

Aus Jonas‘ Zimmer kommend, tappt Luise auf Zehenspitzen über das graubraune Linoleum (hier hat seit mindestens Juni keiner staubgesaugt, und sie ist barfuß) und ist schon fast bei ihrer eigenen Tür, als sie es sich anders überlegt. Sie steht kurz vor dem Verhungern und kann ebenso gut gleich was essen.

In der winzigen WG-Küche ist Nele dabei, die Spülmaschine auszuräumen. Sie zieht die richtige Schlussfolgerung aus der Tatsache, dass ihre Mitbewohnerin splitternackt ist. „Hat er dich also rumgekriegt.“

„Mein vorletztes Jahr“, sagt Lu. „Wann, wenn nicht jetzt? Und es ist ja auch praktisch – ich meine, kurzer Weg und so.“

Welche Frau kann schon auf Dauer einem Kerl widerstehen, der ihr täglich – und mit der Autorität des Kunststudenten – schwört, dass sie wunderschön sei?

Nele schiebt einen Stapel Teller in den Schrank. „Und wie war’s?“

„Lang. Ich bin zwischendrin weggedämmert. Hätte mein Magen nicht so laut geknurrt, hätte er darauf bestanden, weiterzumachen bis in die Nacht.“

„Das legendäre Kellersche Stehvermögen.“

„Er nennt es Fokus.“ Luise versucht den Kopf so zu verdrehen, dass sie ihr eigenes Hinterteil sehen kann, und gibt den Versuch zugunsten einer langsamen Pirouette auf. „Hab ich irgendwo blaue Flecken?“

„Nope.“

„Glück gehabt.“ Gerade heute könnte Lu so was gar nicht gebrauchen. Sie quetscht sich an Nele vorbei und reißt systematisch eine Schranktür nach der anderen auf. Teller, Tasse, Brotmesser, Nutella, in Neles Weltordnung hat alles seinen festen Platz, den sich Luise einfach nicht merken kann, deshalb hat sie das Aufräumen schon vor Jahren aufgegeben. Nele beschwert sich sonst bloß, dass sie nichts mehr finden kann.

„Ist die Leidenschaft mal wieder mit ihm durchgegangen?“

Lu rollt die Augen. „Du solltest ihn sehen. Der blaulilafleckige Panther.“ Das Messer klaut sie ihrer Freundin direkt aus der Hand, bevor die es in die Besteckschublade einsortieren kann. „Wer hat das Brot offen liegenlassen?“

„Du. Ich hatte heute früh Müsli, und dein Freund Jonas ist auf Low Carb.“

„Quatsch! Ich bin vor zwei Minuten in seinem Zimmer auf eine halbvolle Chipstüte getreten!“

„Die Idee ist ihm wohl auf halbem Weg durch die Tüte gekommen“, sagt Nele sehr entspannt. „Geht bestimmt vorbei, bevor der Rest matschig wird.“

Sie hat natürlich recht: Es bringt nichts, sich den Kopf über Jonas‘ Essgewohnheiten zu zerbrechen, die noch flüchtiger sind als die Ansichten des dümmsten US-Präsidenten aller Zeiten. Und Lu hat während der letzten Stunde zu bildlich über ein Nutellabrot fantasiert, um jetzt umzudisponieren. Sie säbelt zwei windschiefe Scheiben vom Brot ab, steinhart ist es ja noch nicht. Nach kurzem Nachdenken angelt sie noch einen Joghurt aus der Kühlschranktür. „Ich hoffe, wir waren nicht zu laut.“

Jonas hatte die ganze Zeit Musik laufenlassen. Damit du dich nicht langweilst. Wenn sein Geist nicht gerade in höheren Sphären schwebt, kann er rührend aufmerksam sein. Sogar das Bett hatte er frisch bezogen.

Das letzte Glas verschwindet im Schrank. „Ich mag Amy Winehouse“, sagt Nele.

Lu schlägt die Beine übereinander, während sie ihr Brot kaut. Es fühlt sich aufregend verrucht an, so nackt am Küchentisch, fast so verrucht wie vorhin in Jonas‘ Bett. Ein bisschen wie eine Hippie-Kommune, fehlen nur noch Sonnenblumen überall. Immerhin hängt am Kühlschrank eine Postkarte von Van Goghs Sonnenblumen, neben den drei Tickets für das AnnenMayKantereit-Konzert nächstes Jahr und dem Schwarzweißfoto von Leonard Cohen.

Nele mit ihrem Optimismus und Jonas mit seiner Lockenmähne – nicht zu reden von seinem Vollbart und psychedelischen Farbverständnis – gäben perfekte Hippies ab. Renaissance-Maler hätten gemordet, um Jonas malen zu dürfen, der aussieht wie Albrecht Dürer mit Brackets. Luises Pagenkopf passt eher in die wilden Zwanziger, auch keine schlechte Epoche, was Spaß anging.

Jedenfalls war es allerhöchste Zeit für ein bisschen Verruchtheit. Ihr vorletztes Jahr, wie gesagt; ist sie erst von Berufs wegen eine Respektsperson, ist es zu spät. Trotzdem hofft sie, dass ihr Aktporträt nicht allzu kubistisch gerät. Jonas hat ihr nämlich mit dem Argument „Überraschung!“ eisern den Blick auf seine Staffelei verwehrt…

Mit dem Finger wischt Lu einen Klecks Nutella vom Teller, dann stellt sie Teller und Joghurtbecher neben die Spüle und bewegt sich zur Tür.

„Krümel“, erinnert Nele mit sprechenden Augenbrauen und in Richtung Tisch ausgestrecktem Zeigefinger. „Da neben dir befindet sich übrigens unsere Spülmaschine.“

Lu winkt freundlich. „Keine Zeit, muss mich anziehen. Ich geh jetzt putzen.“

Man sollte meinen, dass ihre Freundin es begrüßt, dass Luise einen soliden Nebenverdienst hat. Lange genug hat Nele ihren beiden Mitbewohnern ihr leuchtendes Beispiel vorgelebt: zweieinhalb Jahre Hiwi bei den Geographen, die ohne Neles Ordnungssinn wahrscheinlich nicht mehr wüssten, wohin sie den Amazonas oder Helsinki verlegt haben.

Doch statt eines Lobes erntet Lu ein Kopfschütteln. „Ich werde nie verstehen, dass ausgerechnet du dir einen Putzjob gesucht hast.“

„Ich werde dafür bezahlt. Für den Stundensatz würde sogar der Chef der Deutschen Bank auf Putzfrau umsatteln!“

Ohrläppchen, das; lat. lobulus auriculea, kalorienfreier Snack, der keine Karies auslöst

Rückwärtsgehend wischt Lu die Treppe einschließlich aller Scheuerleisten. Das Geländer hat sie schon vorher geputzt, Stange für Stange, zum Schluss den Handlauf. Alles mit ordentlich ausgewrungenem Lappen, genau wie jetzt die Holzstufen.

Zuerst war heute das Bad dran, Dusche und Wanne inklusive, was sie mindestens eine Stunde gekostet hat (und eine halbe Flasche Badreiniger). Jetzt glänzt es wie in einem Werbevideo. Wie gesagt, ihr Stundensatz ist fürstlich, Eile ist also kontraproduktiv. Alle fünf Stufen geht sie hinunter zum Eimer, um den Scheuerlappen auszuspülen. Sie trägt Gummihandschuhe. Lackierte Nägel an aufgequollenen Fingern, das sähe ja peinlich aus.

Abgesehen von den Gummihandschuhen trägt sie lediglich eine grüne Schürze. Mit Gänseblümchen; Herr Dittmeyer liest daraus wahrscheinlich, dass sie versucht, die anzügliche Situation ins Lächerliche zu ziehen, aber er behält seine Gedanken für sich.

Lu interpretiert die Schürze als Selbstironie. Schließlich war es ihre Entscheidung, nichts darunterzuziehen. „Zu verlangen, dass Sie beim Putzen nichts als, sagen wir, ein Korsett oder eine kleine Schürze tragen, wäre unethisch“, hat er beim Vorstellungsgespräch gesagt. „Umgekehrt ist mir völlig egal, was Sie anziehen oder nicht anziehen, solange Sie Ihren Job erledigen.“

Lu erledigt ihren Job gründlich. Besonders die Treppe, den Wohnbereich und den Teil der offenen Küche, den er einsehen kann, wenn er so wie jetzt auf dem Sofa sitzt, mit freiem Blick auf ihr Hinterteil. Ob er hinguckt oder sein Buch liest, kann sie nicht sagen. Aber die Vorstellung, dass er hinsehen könnte, prickelt.

Als sie zur Küche übergehen will, räuspert er sich hinter ihr. „Das reicht. Sie können oben staubwischen gehen. Zweite Tür rechts.“

Barfuß geht Luise die Treppe wieder hinauf.

Das Zimmer ist nicht leer, sie wäre auch sehr enttäuscht, wenn das so wäre.

Hallo Kotzbrocken. Immer ein Vergnügen, Sie wiederzusehen.

Laut sagt sie: „Ts, ts. Und er hat immer noch nicht gelernt, aufzustehen, wenn eine Dame den Raum betritt.“

Er sagt nichts.

Summend dreht sie ihre Runden durchs Zimmer, wedelt ein bisschen hier, ein bisschen da. Hier geht es nicht um Staub, sondern darum, den Mann, der heute mit gespreizten Gliedern auf dem Bett liegt, in den Wahnsinn zu treiben, denn er kann sie weder sehen (seine Augen sind wie immer verbunden) noch sich gegen ihr Tun zur Wehr setzen, da seine Hände und Füße an die Pfosten gefesselt sind. Mit Spanngurten, die auch eine LKW-Ladung sichern könnten.

Alles sitzt stramm; Lu gelingt es nicht, die Gurte noch mehr zu straffen. (Sie prüft immer als erstes seine Fesselung, schließlich möchte sie nicht, dass der Kerl sie plötzlich anspringt.) Fasziniert streicht sie über die dicke Ledermanschette, die sein Handgelenk umschließt, dann weiter den Arm hinunter. Bizeps, Brustmuskulatur, alles appetitlich angerichtet und effizient außer Gefecht gesetzt. So muss das sein.

Auf seinem Bauch liegt ein Kondompäckchen, daneben klebt ein rosa Post-it in Herzform: RIDE ME.

Als sie seine Handfläche berührt, ballt er die Faust. Baby-Greifreflex, wie süß. Hilflos wie ein Baby ist er ja. Würde ihr bestimmt gern die Nase brechen, wenn er könnte. Aber er kann nicht. „Verboten, verboten…“ singt Lu und grinst, als er die Zähne zusammenbeißt und sein Schwanz sich aufrichtet.

Normalerweise ist er gut darin, die „Putzfrau“ mit abfälligen Bemerkungen zu piesacken, doch heute tut er so, als sei sie eine Stubenfliege, die zur Kenntnis zu nehmen unter seiner Würde ist. Selbst als sie schamlos an seinem Ohrläppchen knabbert und ihm die Zungenspitze ins Ohr steckt, bewirkt das nicht mehr als ein stummes Schaudern.

Lu ist enttäuscht. Es macht mehr Spaß, wenn er motzt. „Eine ganze Woche Zeit, und dir ist nichts eingefallen als hochnäsiges Schweigen? Wie peinlich!“

Wahrscheinlich PMS: Post-Matheklausur-Sprachlosigkeitssyndrom.

Sie traktiert ihn mit Staubwedel und Fingernägeln; für ein arrogantes Arschloch ist er ziemlich kitzlig, vor allem an den Fußsohlen. Und im Lendenbereich. Und schau an, wie schön sein Schwanz strammsteht… Der hat Respekt vor ihr, im Gegensatz zu seinem Herrchen, den es sichtlich grün und blau ärgert, dass Frau Professor ihn der Putzfrau zum Spielen überlässt. Genauer gesagt: dem einzigen europäischen Exemplar der Gemeinen, Ohrpenetrierenden, Eieraussaugenden Riesenzecke.

Dabei braucht er sich nur selbst zu fragen, womit er das verdient hat.

Dieses unausstehliche Exemplar von Mann ist der Anlass – nicht die Ursache! – dafür, dass Luise hier ist. Hätte er sich nicht in der letzten Übung vor den Sommerferien wieder wie ein Oberarsch aufgeführt…

Nach der denkwürdigen Begegnung in diesem Zimmer Mitte Juli hatte Lu eine halbe Woche lang gehofft, ein anderer Assistent würde im Hörsaal auftauchen, den Kollegen Strehl als „verhindert wegen unaufschiebbarer Lehrstuhlaufgaben“ entschuldigen und das Beweisfoto (Adrian Strehl, zu einem Päckchen geschnürt, dient in Frau Professors Arbeitszimmer als Buchstütze) per Beamer an die Wand werfen. Doch nein, da stand er wieder putzmunter und schlechtgelaunt auf dem Podium.

Dabei war der Lärmpegel eigentlich eher unterdurchschnittlich. Lag es an der Hitze? Herr Doktor hatte jedenfalls Schweißflecken groß wie Fußballfelder unter den Achseln und einen Adrenalinspiegel bis zur Stratosphäre, denn er ließ noch deutlicher als üblich durchblicken, dass ihn die Unfähigkeit seiner Zuhörer, ein paar simple Aufgaben zu rechnen, ungeheuer nervte. „Wenn Sie es weder versucht haben noch jetzt zuhören, warum sitzen Sie dann überhaupt hier?“

Klar, dass er der einzige Assistent ist, der die Studenten siezt.

Nun hatte sich Luise nur deshalb nicht konzentrieren können, weil sie sich den Dozenten nackt vorstellte – und so gründlich gefesselt, dass er höchstens noch davon träumen konnte, andere Leute mit Dreifachintegralen zu plagen.

„Besseres WLAN als zu Hause“, hörte sie sich sagen, ehe sie knallrot anlief und feststellte, dass sie sich nicht hinter ihren Laptop ducken konnte, denn sie hatte vergessen, den Akku aufzuladen, und das Ding deshalb gleich wieder weggepackt.

Er bedachte sie durch seine rechteckig-schwarz gerahmte Brille (die Rache des Universums dafür, dass er schon im Kindergartenalter unter der Bettdecke Einsteins Gesammelte Werke gelesen hat) mit einem Blick, der sie zu gern in eine Umlaufbahn jenseits des Pluto geschossen hätte. „Das beste Netz gibt‘s in der Cafeteria.“

„Danke für den Tipp.“ Was blieb ihr danach übrig, als ihren Kram zusammenzuraffen und erhobenen Hauptes den Hörsaal zu verlassen? Sie tröstete sich mit der Erinnerung daran, wie sie den Kerl zuletzt gesehen hatte. Mit schweinchenrosa Bodybutter auf dem Bauch warst du nicht so scheißüberheblich, Arschloch!

Auf der Schwelle drehte sie sich noch einmal um – und stellte fest, dass der Typ, Kreide in der Hand (ja, er ist auch der einzige Assistent, der Musterlösungen freihändig an der Tafel entwickelt), ihr irritiert nachstarrte.

„In ein paar Jahren“, sagte sie mit zittriger Stimme, „sind wir die Buhmänner der Nation. Dafür, dass wir uns das freiwillig antun, haben wir mehr Respekt verdient!“

Das zustimmende Johlen von dreißig angehenden Mathelehrern musste ihr zu Kopf gestiegen sein, denn das Folgende hatte sie sich nicht überlegt, bevor sie den Mund aufmachte. „Und Sie sollten uns höchstens was über Schrödingers Katze erzählen!“

Nach der ersten Begegnung in Dittmeyers Spielzimmer hatte sie ihn nämlich gegoogelt. Na klar, Physiker. Die hochnäsigsten Menschen auf dem Planeten. Und was treibt einen Physiker an einen Mathe-Lehrstuhl, wenn nicht das abartige Bedürfnis, wehrlose Lehramtsstudenten zu quälen?

Leider hatte ihre kleine Spitze nicht den gewünschten Effekt. Adrian Strehl schnitt eine selbst für seine Verhältnisse extrem abfällige Grimasse. „Schrödingers Katze ist das am hartnäckigsten fehlinterpretierte Gedankenexperiment der Wissenschaftsgeschichte. Sie bleiben besser bei Katzenvideos.“

Am selben Abend hat Lu bei Dittmeyers angerufen und gefragt, ob das Angebot mit dem Nebenjob noch steht.

Frau Professor verwies sie an ihren Mann und stellte die Bedingung, dass Lu zuerst die Klausur bestehen müsse. „Abhängigkeitsverhältnis, Sie verstehen.“

Beim „Interview“ lag ein Paar Handschellen auf dem Tisch, das Luises Blickrichtung verbog wie ein starker Magnet. Man musste sicher nicht (wie Michael Dittmeyer) Psychologe sein, um daraus seine Schlüsse zu ziehen.

Die Klausur war dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Wer so gemeine Aufgaben stellt, dass bienenfleißige, nachweislich vorbereitete Studentinnen wie Nele daran scheitern, ist wirklich selber schuld.

Rache ist süß, selbst wenn Dr. Arschloch dank der Augenbinde nie erfahren wird, wessen Rache er hier auskosten darf. (Die Anzahl der Studentenseelen, auf denen er herumgetrampelt ist, muss ja mindestens dreistellig sein.)

Seit Anfang Oktober kommt Lu jeden Freitag um fünf.

Das Putzen nimmt sie ernst. Die Details (was sie anzieht, zum Beispiel) sind ihr überlassen. Und was sie im letzten Zimmer treibt, ist ein Bonus. Für das hier wird sie ausdrücklich nicht bezahlt. Denn das wäre unethisch.

Einem Mann, der sich nicht wehren kann, den Schwanz zu lutschen, obwohl (bessergesagt: weil) ihm verboten ist zu kommen, ist bestimmt unethisch. Aber erstens handelt es sich um ein Arschloch, zweitens ist er freiwillig hier, und drittens kann er nach der Klausur froh sein, dass er seinen Schwanz noch hat!

Viertens denkt er ja wohl nicht, dass es ihr SPASS macht, ihm einen zu blasen, oder? Ohne Kondom auch noch. Zwar legen sie ihr immer ein Gummi hin, aber die Dinger schmecken einfach eklig, sogar die aromatisierten. Radiergummi mit Erdbeergeschmack, bäh!

Zudem hat er es selbst gefesselt und mit verbundenen Augen geschafft, bei ihrem Gefummel mit dem Gummi ein genervtes Gesicht zu ziehen. Da schluckt sie doch lieber Kotzbrocken-Sperma, auch wenn das schmeckt wie Carbonara à la Mensa. Man tut der Menschheit einen Gefallen damit, sein Erbgut vollständig in Magensäure zu zersetzen!

Sie tut das hier, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, verstanden? Und yes, ein bisschen Spaß hat sie auch dabei. Wer hat gesagt, dass es keinen Spaß machen darf, Gutes zu tun? Okay, Immanuel Kant (je mehr Widerwillen man beim Gutsein überwinden muss, umso stolzer darf man sich hinterher auf die Brust klopfen, oder so ähnlich), aber das ist zweihundert Jahre her. Ein bisschen Emanzipation darf man der menschlichen Moral zugestehen, oder?

Der Spaß verdoppelt sich, wenn Dr. Why auf leisen Sohlen dazustößt und ihr Handschellen anlegt.

Heute hat offenbar jemand beschlossen, dass es kein Blowjob sein soll. Aber Lu hat es nicht eilig, den Schiefen Turm zu besteigen, vorerst macht sie ihn nur heiß.

„Hmm, lasse ich dich heute zappeln?“

Er schweigt verbissen. Sie bohrt ihm erneut die Zungenspitze ins Ohr. „Ich frage mich, was dir lieber ist: hier liegen bis Weihnachten und einmal die Woche abgestaubt werden – oder ordentlich abspritzen und dafür den Arsch vollkriegen? Du kriegst doch den Arsch versohlt, wenn du ungezogen bist, oder? Und es ist sehr ungezogen, sich von der Putzfrau reiten zu lassen, wenn die Chefin gerade nicht hinschaut. Noch schlimmer natürlich, wenn sie hinschaut…“

Wohlig schnurrend, leckt sie an ihm, als wäre er in Rahm getaucht. Nächstes Mal eine Dose Sprühsahne? Lu ist immer bestrebt, Dr. Why zu überraschen.

„Dr. Why“ ist Luises Spitzname für Michael Dittmeyer. Er stellt ab und zu komische Fragen, kommentiert aber niemals ihre Antworten („Das hier ist keine Therapiesitzung“) und ignoriert ihre Fragen mit einem Lächeln. Herr und Frau Dittmeyer lassen sich beide nur in handverlesene Karten gucken. Wohingegen sie selbst gern zusehen – per Webcam oder live –, wenn Lu mit dem Arschloch spielt.

Fürs erste gilt es, ihn zum Reden zu bringen. Es macht viel mehr Spaß, wenn er versucht, sich verbal gegen seinen unsichtbaren Quälgeist zu wehren.

„Oh, sieh an, jemand hat dir eine Gebrauchsanweisung beigelegt.“ Lu zieht das Post-it von seinem Bauch und knistert damit an seinem Ohr. „Erstes Sexspielzeug mit unserem patentierten Hybris-Widerrede-Algorithmus HyWA®, XXL-Ausführung. Made in China nach ausspionieltes eulopäisches Plototyp. Sechs Monate Galantie. Vol elstes Benutzung spülen mit lauwarmes Wassel.“

Sie leckt ihm, mit reichlich Spucke, das linke Ohr aus. „Bläh! Implägnielt mit Unklautvernichtungsmittel Glyphosat fül langes Haltbalkeit.“

Er schweigt. Man muss wohl erst seinen Einschaltknopf finden. Lu improvisiert weiter. „Akku aufladen… Pflegehinweise… Vorinstallierte Programme, nachrüstbare Zusatzfunktionen… blabla. Hyblis-Widelwort-Algolithmus: Bei Ansplechen leagielen künstliches Intelligenz automatisch mit Widellede auf wählbales Salkasmus-Niveau. Voleingestellt dleißig Plozent. Volsicht: nicht übel siebzig Plozent justielen, sonst Gefahl von instinktives Ohlfeigen und illeversibles Beschädigung… Hmm.“

Ihr Finger stupst gegen seine zusammengepressten Lippen. „Intelligenztest, Plototyp: Rate meinen Namen. Wenn du innerhalb einer Viertelstunde darauf kommst, reite ich dich – wenn nicht…“ Sie verfällt in einen Sprechgesang: „Heute bürst ich, morgen scheuer ich, übermorgen steche ich dir 'ne Inschrift in die Haut…“

Da zuckt es im Kiefer. Und ebenso weiter unten im patentierten Ständer, XXL-Ausführung, verschleißfest, extralange Standfestigkeit. Unter ihrer flachen Hand spannen sich seine Bauchmuskeln an. „Hier ist so viel Platz, Plototyp, es wäre ja schade drum. Extla gloßes Obelfläche zu individuell Selbstgestalten. Mailen Foto fül Webseite – kann gewinnen glatis Elsatzteil. “

Lu malt ihm mit dem Fingernagel eine Schlängellinie über Bauch und Brust. „Tätowiermaschine ist schon bestellt. Extla klein fül Handtasche. Bzzz…“

Sein Mund bleibt zu wie ein verklemmter Reißverschluss.

„Montagsproduktion, wie? Fehlermeldungen… Ah, da steht’s: Bei Falschfunktion mailen Ploglammielabteilung. Schleiben Modellnummel und Beschleibung Falschfunktion. – Modellnummer?“ Sie sucht ihn ab, einmal runter bis in die Arschspalte unter den Hoden. Soweit man halt rankommt bei jemandem, der auf dem Rücken liegend zwischen allen vier Bettpfosten festgespannt ist wie ein Sonnensegel.

Schließlich streicht sie über das Tattoo an der Innenseite seines rechten Unterarms, das drei chinesische Schnörkel zeigt. „Da haben wir’s ja. Ti-tus.“

Unter diesem Namen firmiert Adrian Strehl in der Obhut von Frau Professor. Klang das in Luises Ohr anfangs noch nach römischem Kaiser, sprich: viel zu erhaben, hat sie sich inzwischen daran gewöhnt. Vermutlich haben auch Generationen von Sklaven so geheißen, an die sich nur niemand mehr erinnert.

„Nun, Ti-tus, muss ich den Kundendienst anrufen, damit sie mir sagen, wo ich den Schraubenzieher reinstecken muss?“ Nicht ohne Kalkül befindet sich der Nagel ihres kleinen Fingers in diesem Moment auf seiner Schwanzspitze, wo dieses winzige Löchlein klafft. Es müsste ein sehr feiner Schraubenzieher sein, aber es ist sicher nicht unmöglich, oder, Titus?

„Rumpelstilzchen.“ Er spuckt das Wort aus wie einen getrockneten Maulwurf, der ihm versehentlich zwischen die Kiefer geraten ist.

„Ah, es kann sprechen! Aber falsch, sorry. Bzzz…“ Ihr Fingernagel zeichnet ein A auf seinen Bauch. „Und Salkasmus-Niveau höchstens zehn Plozent. Ich bin enttäuscht, Plototyp.“

„Flavia.“

„Falsch. Bzzz!“ Das R folgt, groß und schwungvoll.

„Würde aber passen. Titus gehörte zur Familie der Flavier, und römische Frauen trugen nur den Familiennamen, gegebenenfalls mit einem Beinamen.“ Herr Doktor macht eine Pause, damit seine Belehrung einsickern kann. „Wie Flavia minor.“

Klar, ein maior gönnt er der Putzfrau nicht. „Bzzz!“ (Das war das S.) Fehlte noch, dass sie und Titus derselben Sippe zugeordnet werden!

„Berenike? Vitellia?“ Trotzig spult er die Namen herunter. „Servilia?“

Offensichtlich hat Prototyp Titus die Aufgabe nicht verstanden; er ist auf Spielnamen aus, und was für dämliche! Bestimmt aus der Oper, aus der die Dittmeyers „Titus“ geklaut haben; Lu kann sich die Namen nun wirklich nicht merken. „Bzzz, bzzz, bzzz, bzzz!“ (C – H – L – O) „Geht’s noch antiker? Kleiner Tipp: Kleopatra ist auch falsch.“

Das Sarkasmus-Niveau schnellt aus dem Stand von fünf auf hundertfünfzig hoch: Der Besserwisser verzieht hochnäsig den Mund. „Schon mal von Mozart gehört?“

„Klar doch: der Erfinder der Mozartkugel!“

Lu lässt eine kleine dramatische Pause, zum Einsickern für ihn und Luftholen für sich, ehe sie ihm den Anfang des „Laudate dominum“ vorsingt. Geistliches Liederprogramm des Unichores im vorigen Wintersemester; sie kann das Stück noch auswendig, inklusive das Sopransolo, das mehr Wiedererkennungswert besitzt als Luises Altstimme, die nun mal nicht die Melodie hat.

Die Luft geht ihr zu früh aus, doch die Botschaft ist angekommen: Sein Grinsen macht der abweisenden Grimasse Platz, die Lu aus den vergangenen Wochen so intim kennt, dass sie sie – Talent vorausgesetzt – zeichnen könnte. Sarkasmus-Niveau dreißig Prozent (Default-Wert). „Ich würde ja applaudieren“, sagt er. „Aber…“

„Aber Höflichkeit ist nicht deine starke Seite, Prototyp, ich weiß.“ Lu haucht ihm einen leidgeprüften Seufzer ins Ohr. „Da muss ich mich wohl gedulden, bis ein verbessertes Modell auf den Markt kommt. Vielleicht kriegen sie bis dahin auch das Problem mit der undichten Stelle in den Griff, wo es immer im falschen Moment raussuppt, was meinst du, Prototyp?“

Prototyp passt zu ihm. Viel besser als Titus.

„Apropos“, sagt eine Stimme hinter ihr. Frau Professor hat dieselbe nervige Neigung, sich anzuschleichen, wie ihr Mann. „Reite ihn jetzt. – Und du“, sie streicht Titus über die Brust, „wirst uns deine Selbstbeherrschung beweisen.“

Während Frau Dittmeyer geschickt ein Kondom appliziert, wispert Lu in sein rechtes Ohr: „Viel Vertrauen in deine Beherrschung scheint sie aber nicht zu haben.“

Diesmal muss Lu auf die Handschellen verzichten, weil sie zum Reiten Bewegungsfreiheit braucht. Dafür legt Frau Professor ihr flink das Halsband um und hakt den Karabiner am anderen Ende der Kette in den Stahlring an Titus‘ Halsband ein.

Handschellen, Halsband, Fesselspiele. So kurz und knackig hat Lu für Dr. Why ihre Wunschliste umrissen. Schließlich wusste sie, dass er wusste, dass sie nicht wegen des Staubsaugens vorgesprochen hat. Warum verschämt um den heißen Brei herumstottern? „Wir sind ja hier nicht im Kitschroman, oder?“, hat sie mit betontem Achselzucken gesagt, als er ihre Ehrlichkeit lobte.

Allerdings ist es bei anerkennenden Bemerkungen und dem gelegentlichen Zücken der Handschellen geblieben. Michael Dittmeyer hält sich in Luises Gegenwart genauso zurück wie seine Frau: Man befiehlt und betrachtet dann das Schauspiel. Dass sich Frau Professor nicht von ihrem Spielzeug anfassen lässt, kann Lu verstehen, doch warum springt Dr. Why nicht an? Will er nicht, darf er nicht, oder läuft das so, wenn man über vierzig ist?

Manchmal stellt Lu sich vor, wie Herr und Frau Dittmeyer gegen Mitternacht, während Luise in der Straßenbahn sitzt und Adrian Strehl auf seinem Fahrrad durch den Nachtverkehr strampelt, im Schlafzimmer in gebügelte Baumwoll-Nachtwäsche wechseln und ganz ordinären Blümchensex praktizieren, bevor sie sich nach einem Kuss jeder auf eine Seite drehen. Wie öde…

Gut vorgeheizt hat sie ihn, Prototyp Titus. Daran, wie er sich aufbäumt und sämtliche Muskeln anspannt, merkt sie, dass er auf den Höhepunkt zusteuert. Gut so. Das Jockeyspiel ist nämlich anstrengend für ihre Beinmuskeln; manche Leute haben Besseres zu tun, als dauernd ins Fitnessstudio zu rennen.

Er bittet darum, kommen zu dürfen. Musik in Luises Ohren, die von ihm ganz andere Töne gewohnt sind. Frau Professor dagegen schweigt. Mit verschränkten Armen steht sie neben dem Bett. Zählt sie die Sekunden, die er noch durchhält? Countdown läuft… three, two, one, zero.

Titus explodiert unter Luise und reißt dabei fast das Bett ein.

Schafft es aber nicht, sie abzuwerfen, ätsch. Rodeochampion Lu ist nicht wenig stolz, als sie schließlich absteigt. Wie immer ein bisschen neidisch sieht sie zu, wie Frau Professor ihn streichelt.

Die Hände, die Luises Kette von dem schwarzen Halsband lösen, gehören einem Mann. Mit verschwörerischen Gesten dirigiert Dr. Why Luise am Fußende auf die Knie, dann schlingt er das Ende der Kette um den nächsten Bettpfosten. Als er die Handschellen zückt, legt Lu bereitwillig ihre Hände auf den Rücken. Yes!

Sie hat keine Ahnung, was jetzt kommt. Weder er noch seine Frau haben etwas gesagt, aber sie agieren sichtlich nach Absprache. Lu wartet gespannt.

Frau Dittmeyer hakt die Gurte los, die ihr Spielzeug ans Bett fesseln. Die Augenbinde rührt sie nicht an. Deshalb sieht es ein bisschen unbeholfen aus, wie er sich auf ihren Befehl hin aufrappelt, bis auch er kniet. Mit ausgestrecktem Arm könnte er Lu berühren, aber seine Hände sind hinter dem Rücken gekreuzt.

„Ich habe gegen Ihre Anweisung verstoßen“, sagt er steif. „Ich bitte um Bestrafung.“

Lu hat das schon ein paarmal gehört. Typisch Dr. Arschloch, schafft er es, demütig und überheblich zugleich zu klingen. Ob ihm bewusst ist, dass er weitere Zuschauer hat? Aber Putzfrauen und Ehemänner bewegen sich wohl weit unterhalb des Orbits, in dem Adrian Strehl um Frau Prof. Dittmeyer kreist. Oder umgekehrt? Frau Professor ist nämlich nicht arrogant. Eher ein bisschen kollegial-zerstreut.

Autoritär kann sie allerdings auch.

„Das ist ja nicht das erste Mal“, sagt sie jetzt kühl. Zusammen mit ihrer Domina-Persönlichkeit hat sie ein knallenges schwarzes Kleid übergestreift, und sie bewegt sich beneidenswert sicher auf einer Absatzhöhe, bei der Lu das kalte Grausen ausbricht, die aber hier zweifellos angebracht ist, denn Mr. Prototyp ist deutlich größer als seine Chefin. Ihr Haar ist zu einem schlichten Pferdeschwanz gebunden. Geschminkt ist sie nicht, das hat sie auch nicht nötig.

Herr Dittmeyer ist in Zivil: graugestreiftes Hemd, Jeans, bequeme Schuhe. Seine Selbstsicherheit erledigt den Rest. Für einen Mann in seinem Alter macht er keine schlechte Figur, findet Lu.

Titus ist splitternackt bis auf das martialische Halsband und die Augenbinde und sieht viel besser aus, als für Arschlöcher erlaubt sein sollte.

Und Luise – na ja. (Die Schürze…) Zum Glück kann er sie nicht sehen.

„Mit deiner Selbstdisziplin ist es nicht weit her“, bemerkt Frau Professor.

Darauf verzieht er wütend das Gesicht (sicher möchte er jetzt gern die Putzfrau erwürgen), kriegt sich aber in den Griff, ehe ihm etwas Unbotmäßiges herausrutscht. Schade. Lu würde gern sehen, wie Frau Professor ihn ohrfeigt.

Sie wartet ungeduldig. Immerhin hat der Kerl – dank ihrer Selbstlosigkeit – schon einen Orgasmus gehabt, also wäre es ja wohl das Mindeste, dass sie jetzt endlich mal zusehen darf, wie Frau Professor ihm den Arsch versohlt. Oder was auch immer sie tut, wenn er sich danebenbenimmt. Lu ist da nicht wählerisch. Hauptsache, ihm vergeht der hochnäsige Gesichtsausdruck.

„Zeit für eine einprägsamere Lektion“, fährt Frau Professor fort. „Als Abbitte für deine mangelnde Beherrschung wirst du meine Putzfrau verwöhnen. – Falls sie Lust darauf hat, sich von dir anfassen zu lassen.“

Armer Titus. Seine Nasenflügel beben, als versuche er zu wittern, wo im Raum sich die doofe Kuh versteckt hat, und sein Mund kann sich nicht zwischen verächtlichem Zähneblecken und erhabenem Gleichmut entscheiden.

Am Ende verschränkt er die Arme vor der Brust, was mit Manschetten an den Handgelenken ziemlich albern aussieht. „Und?“, fragt er. „Hat sie Lust oder nicht?“

Frau Professor hat den Gleichmut viel besser drauf als er. „Das hängt wohl davon ab, wie demütig du sie bittest.“

Und damit macht sie sich an seiner Augenbinde zu schaffen.

Lu entfährt ein entgeistertes „Nein! Bitte nicht!“ Doch Frau Dittmeyer ignoriert sie, und von deren Ehemann kommt lediglich ein amüsierter Blick.

Schon fällt das schwarze Tuch aufs Bett und Adrian Strehls Blick auf Luise.

Sie versucht in aller Hast eine hämische Grimasse zu schneiden, doch fünf Liter Blut, die mit Lichtgeschwindigkeit zu einer Vollversammlung in ihrem Gesicht zusammenströmen, vereiteln den Plan. Und wie, bitte, soll man hämisch gucken, wenn man eine geblümte Schürze trägt, nicht zu reden vom Halsband?

Das Halsband. Sein kurzsichtiger Blick blinzelt sich (kann es sein, dass er sie nicht erkennt?) über ihr Gesicht und tiefer. Und dann prustet er.

Ja, ihr Halsband ist rosa und mit Plüsch gefüttert (designt von einer debilen Tussi für ihr Kaninchen) – na und? Sie hat es sich nicht selbst ausgesucht! Wütend faucht sie: „Wer will schon herumlaufen wie die Bulldogge eines Hells Angels?“

Worauf Frau Professor donnert: „Klappe halten, alle beide!“

Lu streckt dem Kerl die Zunge raus. Sein fassungsloser Blick ist Gold wert.

Das Gelächter von Dr. Why schallt durchs Zimmer. Tja, offensichtlich hat Luise es geschafft, eine sorgfältig inszenierte SM-Session zu kippen. Pech auch. Weder besitzt sie den siebten Sinn, noch ist sie so gut abgerichtet wie Titus hier, der zwar gerade nicht weiß, was er mit seiner Gesichtsmuskulatur anfangen soll, aber zumindest sicher zu sein scheint, dass Lachen nicht in Frage kommt.

Luises einziger Trost ist, dass ihm die Situation noch weniger gefällt als ihr. Das alberne Gör, das sich nicht zu benehmen weiß, wagt seine bierernste Unterwerfungsorgie ins Lächerliche zu ziehen. Ätsch. Verfügte er tatsächlich über Selbstbeherrschung, würde er das hier mit links durchstehen! Durchknien, bessergesagt.

Stattdessen blinzelt er unruhig zu ihr herüber. „Kennen wir uns?“

War ja klar. Der Kerl verdient seine Brötchen damit, das Selbstwertgefühl von Studenten zu minimieren, und nimmt seine Opfer dabei nicht mal wahr!

Lu schnaubt durch die Nase. „Weiß nicht. Vielleicht aus einem Katzenvideo?“

Seine Augen weiten sich. Das gemurmelte „Shit…“ ist eine kleine Genugtuung. Hat die Welt je erleben dürfen, wie Adrian Strehl vor Verlegenheit rot anläuft?

Während Dr. Why erneut lacht, tritt seine Frau vor Titus und ohrfeigt ihn, eine blitzschnelle, gutgezielte Bewegung. Er zuckt überrascht, kämpft mit sich – aber dann kreuzt er die Hände wieder hinter dem Rücken und hält den Kopf noch höher. Quasi eine Einladung, ihm noch eine runterzuhauen, denkt Lu beinahe bewundernd.

Leider bleibt es bei der einen Ohrfeige. „Willst du abbrechen?“, fragt Frau Professor. Nicht streng, sondern sachlich, ganz die Mathematikerin. Ja oder Nein, Eins oder Null, entweder du fügst dich, oder dort ist die Tür.

Er schluckt. Was für eine Herausforderung: Lässt er sich von einer Studentin in die Flucht schlagen oder zeigt er ihr, wie ein Mann einen Schlag unter die Gürtellinie wegsteckt?

Sein „Nein“, bahnt sich seinen Weg zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. Während Lu ausatmet, wendet sich Frau Professor ihr zu. „Du?“

Sie kann jetzt nicht zurückstehen. Schließlich war nicht sie es, die die deftigste Überraschung zu verdauen hatte. Sie schüttelt den Kopf.

„Ich kann dich nicht hören.“

„Nein!“ Luises Gesicht ist heiß. Aus den Augenwinkeln sieht sie, wie sich der Kerl aufrichtet, als wolle er demonstrieren, dass sie ihm in puncto Unterwürfigkeit nicht das Wasser reichen kann. Arschloch.

„Du wolltest sie etwas fragen“, erinnert Frau Professor ihn kühl.

Gefühlt ein Jahr vergeht, währenddessen Lu nicht weiß, wo sie hingucken soll. Nicht dass sie keinen Spaß daran hätte, wie er mit sich ringt, aber es ist auch irgendwie peinlich, ihn anzuglotzen. Jetzt weiß sie, wie sich Fremdschämen anfühlt (Mitleid kann es ja nicht sein). Seine Gesichtsfarbe durchläuft sämtliche Schattierungen von Dunkelrot bis Blassgrau, mehrfach. Seine Kiefer zermahlen den Wortlaut von Goethes gesammelten Werken in dreißig Bänden. Und Frau Professor beobachtet ihn mit einem Lächeln, das Lu erschreckt. WIE kann man das Schauspiel derart ungerührt genießen?

„Bitte erlauben Sie mir, Sie zu verwöhnen.“

Er hat sie nicht angesehen bei dem verkniffenen, tonlosen, bescheuert geschraubten Satz, deshalb macht erst die auffordernde Geste von Frau Dittmeyer Luise klar, dass sie gemeint war. Und dass man eine Antwort von ihr zu erwarten scheint.

Das ist ein Jux, oder? Sie schielt zu Dr. Why, der an der Wand lehnt und sichtlich nicht vorhat, sich einzumischen. Sein Schmunzeln lässt sie einfach im Ungewissen versauern. Wessen Spielzeug ist sie eigentlich?

Ihr spontanes „Leck mich doch –!“ ist nicht ausschließlich an Adrian Strehl gerichtet.

Dr. Why grinst.

Das Arschloch grinst auch, aber nur, bis Frau Professor sagt: „Du hast sie gehört.“

Und dann liegt Luise auf dem Bett. Ihre Arme sind nach oben überstreckt, ein Gurt verbindet die Handschellen mit dem Bettpfosten. „Safewort: Gänseblümchen“, hat Dr. Why ihr ins Ohr geflüstert, als er den Gurt festzurrte.