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Oma berichtet Mücke von dem Brief, den sie erhalten hat. Italo wird für ganze zwei Wochen zu Besuch kommen und Mücke plant bereits seine ersten Reitstunden auf Bruschettino. Aber wird der kleine Rappe ihn überhaupt wiedererkennen? Während Luis mit seiner Mutter nach Spanien reist, warten Seba, Bent und die Mädchen aufgeregt auf die Geburt von Trudes Fohlen. Jo nimmt mit Zitrönchen an einem Lehrgang des Landesverbandes teil und ergattert den letzten Platz im Trainingscamp. Aber kann sie sich wirklich darüber freuen? Alles scheint ohne Komplikationen zu verlaufen, bis ein Hilferuf aus Spanien kommt, woraufhin Jo sofort ihre Sachen packt. Samantha verhindert die überstürzte Abreise jedoch, sodass Jo es gerade noch rechtzeitig schafft, Trude in ihren schweren Stunden beizustehen. Dann löst Samantha ihr Versprechen ein, zur großen Freude von Inchi und Esra. Wie es weitergeht und was Samantha ihren Freundinnen versprochen hat, erfährst du im siebten, spannenden Abenteuer. Sei dabei und lies die ganze Geschichte! Bisher erschienen sind: Band 1: Zitrönchen - Ein gutes Pferd hat keine Farbe Band 2: Zitrönchen - Braune Rappen jagen Füchse Band 3: Zitrönchen - Ein klarer Fall von Dickfelligkeit Band 4: Zitrönchen - Nonstop im Herzgalopp Band 5: Zitrönchen - Auf die Pferde, fertig, los! Band 6: Zitrönchen - Wahre Pferdestärke kommt von innen Band 7: Zitrönchen - Fünfzig Kilo pures Glück Alle Infos zur Buchreihe auf www.Maria-Durand.com
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Seitenzahl: 210
Veröffentlichungsjahr: 2019
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„Man ist so groß, wie man sich fühlt." (Oma / aus Zitrönchen – Wahre Pferdestärke kommt von innen)
Maria Durand
Im Norden Englands geboren und aufgewachsen in Berlin, wo sie heute noch lebt. Pferde spielten in ihrem Leben schon von klein auf eine große Rolle. Zusammen mit den eigenen Pferden und ihren beiden Töchtern, die inzwischen schon erwachsen sind, erfuhr sie ein „Pferdeleben" mit allen Höhen und Tiefen.
In einer großen Schatzkiste hütet sie bis heute spannende Geschichten, die das Leben selbst geschrieben hat.
Zitrönchens Abenteuer
Ein gutes Pferd hat keine Farbe
Braune Rappen jagen Füchse
Ein klarer Fall von Dickfelligkeit
Nonstop im Herzgalopp
Auf die Pferde, fertig, los!
Wahre Pferdestärke kommt von innen
Fünfzig Kilo pures Glück
Abenteuer wie schießende Pilze
Drei Tage mit Bart
Remmi Demmi
Auf dem Weg zur Wolke sieben
Dreihundertvierundachtzigtausend Kilometer
Der Superlativ von grinsen
Von Kopf bis Fuß und über beide Ohren
Vorfreude in letzter Sekunde
Edelsteine schlafen nicht im Tipi
Annehmen und nachgeben
Die Neigung zum Schiefgehen
Die Königin der Disziplin
Wünsche, die vom Himmel fallen
Fünfzig Kilo pures Glück
Der Schmetterling sank wie ein Stein auf den Grund von Jos Magen. Er fühlte sich schwer an und Jo fand, dass er sich noch niemals so lästig angefühlt hatte. Bestimmt hatte er an Gewicht zugenommen und saß nun wie ein trauriger Mops mit Flügeln in ihrem Bauch.
Jo ließ sich auf die Bank vor Sebas Haus plumpsen und verwarf sofort den Gedanken an den moppeligen Schmetterling wieder. Sie hatte die letzten Tage kaum einen Bissen herunterbekommen, daher konnte eine Mopsmutation des Schmetterlings hundertprozentig ausgeschlossen werden. Vielleicht hatte er sich verdoppelt? Aber auch das konnte nicht die Erklärung für das quälende, schwerlastende Gefühl sein, das inzwischen in Jos Arme und Beine ausstrahlte. Mit einem Seufzer lehnte sie sich an und legte eine Hand auf ihren Bauch.
„Was ist mit dir?", hörte Jo über sich Sebas Stimme. Er hatte das Fenster im Obergeschoss seines Hauses geöffnet und schaute zu ihr herunter.
Rasch bemühte sich Jo, ihre Haltung zu korrigieren, indem sie sich gerade aufsetzte und zu ihrem Reitlehrer aufschaute. „Nichts, es ist nichts", erwiderte sie, doch Seba zog die Augenbrauen hoch und ließ sie langsam wieder sinken.
„Wenn nichts ist, warum sitzt du wie ein Trauerkloß auf der Bank herum?", fragte Seba und Jo vernahm den fordernden Ton in seiner Stimme.
„Trauerkloß?", fragte Jo zurück und bemühte sich ein entspanntes, freundliches Gesicht aufzusetzen. „Ich doch nicht! Mir geht es gut, es ist alles in Ordnung", log sie und Seba sah es ihr an der Nasenspitze an, dass sie alles andere als die Wahrheit sagte. Ohne ein weiteres Wort schloss er das Fenster und erschien ein paar Minuten später in der Haustür. „Es ist also alles in Ordnung?", fragte er und setzte sich neben Jo auf die Bank.
Jo nickte kurz und versuchte Sebas Blicken auszuweichen, indem sie auf den Boden schaute.
„Du bist nicht traurig?", bohrte Seba nach, woraufhin der Schmetterling sich schmerzhaft in ihrem Magen umdrehte.
Jo antwortete nicht. Sie spürte, wie sich ihre Kehle zuschnürte, als Seba mit sanfter Stimme erneut begann: „Ich bin auch ein bisschen traurig, dass meine Schwester und Luis den gesamten Sommer in Spanien verbringen. Ich wäre gern mit ihnen gefahren, was natürlich nicht geht, wenn man Pferde hat", erklärte er ruhig. „Zumindest nicht über einen so langen Zeitraum", fuhr er fort und Jo spürte einen Stich in ihrem Herzen, der sie nach Luft schnappen ließ.
„Ja", sagte sie leise, „Luis wird ganz schön lange weg sein."
Seba nickte und erwiderte: „Aber Jo, er wird dich nicht vergessen, da bin ich mir ganz sicher." Dann schwieg auch er für eine Weile.
Während sie so auf der Bank saßen, sah Jo das Gesicht von Luis vor sich. Zum Zeitpunkt seiner Abreise strahlte er von einem Ohr zum anderen und seine Augen leuchteten wie niemals zuvor.
Herr Wüstenhagen hatte sich bereit erklärt, Luis und Rosita zum Flughafen zu fahren. Da die beiden jedoch soviel Gepäck in den Wagen geladen hatten, war für Jo kein Platz mehr geblieben, so dass sie sich im Stall von Luis verabschieden musste. Während sie mit den Tränen kämpfte, lachte Luis, hüpfte aufgeregt von einem Bein aufs andere und schaute mindestens alle zwei Minuten auf die Uhr. Auf gar keinen Fall wollte er den Abflug verpassen und drängelte mehrmals zur Abfahrt. Zum Abschied nahm er Jo in den Arm, drückte sie fest an sich und küsste sie ein letztes Mal auf die Stirn. Dann stieg er in den Wagen ein.
Jo wollte ihm eigentlich noch sagen, dass sie ihn in diesem Augenblick schon vermissen würde und sie keinen blassen Schimmer hätte, wie sie die Sommerferien ohne ihn verbringen sollte. Doch Luis' breites Grinsen blieb ihr wortwörtlich im Hals stecken, sodass sie nicht viel mehr sagte als: „Guten Flug!"
Luis war nicht traurig. Weder gestern bei der Abreise noch heute und morgen bestimmt auch nicht, davon war Jo überzeugt. Er hatte mindestens hundert Mal in den letzten Tagen erwähnt, dass er nach Hause fliegen würde, und schien dabei so glücklich, wie schon lange nicht mehr. Es war nicht so, dass Jo sich nicht für ihn freute, aber was wäre, wenn es Luis „zu Hause" so gut gefallen würde, dass er nicht mehr zurückkommen wollte?
Der Schmetterling wehrte diesen Gedanken mit einem lauten Grummeln ab.
Luis musste zurückkommen, dachte Jo, schließlich war sie hier. Auch hatte er Corazón in Jos Obhut gegeben, denn er wollte die Strapazen einer Reise nach Spanien seiner Stute nicht zumuten. Das war eigentlich ein sicheres Zeichen dafür, dass er am Ende des Sommers wieder zurückkommen würde, oder etwa nicht?
Jo zuckte zusammen, als Seba ihre Gedanken durchbrach, plötzlich aufsprang und in die Hände klatschte. Überrascht sah sie ihren Reitlehrer an.
„Wir müssen uns beschäftigen, Jo!", erklärte Seba entschlossen. „Heute ist der erste Ferientag, den solltest du nicht traurig auf der Bank verbringen. Das Wetter ist wunderbar und es gibt so viel zu tun", fügte Seba hinzu, als Samantha, Esra und Inchi durch das Tor traten.
„Buenos Días, die Damen!", rief Seba ihnen zu, doch bevor die Mädchen ihm antworten konnten, bremste Oma ihren Wagen quietschend vor dem Tor.
Mücke hatte das Fenster heruntergelassen und brüllte, so laut sie konnte: „Wir fahren jetzt looooos!", woraufhin Oma sich hastig die Ohren zuhielt.
„Oh, ich will mit!", rief Esra aufgeregt zurück, streckte ihre Arme in die Luft und drängelte: „Biiiiittttee!"
Oma schüttelte lächelnd den Kopf, als Mücke die Tür öffnete und Esra auf die Rücksitzbank kletterte.
„Italo bekommt den Schock seines Lebens, wenn die Zwei gleich kreischend am Bahnsteig stehen", gab Samantha lachend hinzu.
„Italo..., den hätte ich ja fast vergessen", bemerkte Jo, woraufhin Samantha in ein hämisches Gelächter ausbrach und erwiderte: „Jo, erzähle mir bitte nicht, dass du vergessen hast, dass Italo heute ankommt. Deine Schwester zählt seit zwei Wochen Stunde für Stunde und spricht von nichts, aber auch wirklich nichts anderem."
„Ich würde eher sagen, dass Mücke absolut perfekt vorbereitet ist", warf Inchi verteidigend ein.
Jo huschte ein Lächeln über die Wangen, doch bevor sie etwas sagen konnte, fügte Samantha lachend hinzu: „Ich bin sehr froh, dass er heute ankommt. Mücke war ja kaum noch zu ertragen."
„Das stimmt!", erwiderte Jo ein wenig zögerlich, fügte aber dann rasch hinzu: „Sie hat freiwillig das ganze Haus geputzt und alles bis ins kleinste Detail durchgeplant, von der ersten bis zur letzten Reitstunde und natürlich auch die Zeit davor und danach. Sie hat sich hohe Schuhe von Esra geborgt und jeden Tag darin laufen geübt, denn schließlich will sie mit Italo nicht die ganze Zeit im Stall verbringen."
„Hohe Schuhe?", fragte Seba nach und versuchte den Mädchen zu folgen.
„Ja und gestern war sie sogar noch beim Friseur", ergänzte Inchi mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht.
„Ich glaube, sie spricht schon fließend Italienisch, sie hat wirklich sehr fleißig geübt. Dabei soll Italo hier Deutsch sprechen, das hat die Lehrerin ja ausdrücklich in ihrem Brief mitgeteilt", fügte Samantha hinzu.
Jo schmunzelte kurz und sagte dann: „Seit Oma ihr von dem Brief erzählt hat, war Mücke nicht mehr Herr ihrer Sinne."
„Brief? Was für ein Brief?", mischte sich Seba erneut fragend ein, woraufhin ihn die Mädchen erstaunt anblickten.
„Seba!", rief Samantha als Erste aus, doch bevor sie noch etwas hinzufügen konnte, löste Seba auf: „Ich weiß! Ich weiß! Ihr meint diesen geheimnisvollen Brief, in dem stand, dass Italo zwei Wochen der Sommerferien hier verbringen darf. Ich kenne jedes Wort. Mücke hat ihn mir mindestens zweihundertfünfzig Mal vorgelesen." Dann wandte er sich lachend an Jo, fasste sie an den Schultern und sagte: „Glaube mir, diese Sommerferien werden ganz bestimmt nicht langweilig werden. Du wirst keine Zeit zum Traurigsein haben, denn die Abenteuer werden wie Pilze aus dem Boden schießen."
Und während Samantha und Inchi kicherten, nahm Jo sich vor, ganz fest daran zu glauben.
Zur selben Zeit navigierte Mücke Oma zum Hauptbahnhof, obwohl Oma mehrfach beteuerte, den Weg sicher zu kennen.
„Wir sind viel zu früh", bemerkte Esra, woraufhin Oma mit einem leidvollen Blick in den Rückspiegel zu Esra schaute und erwiderte: „Glaube mir, zu Hause war es unerträglich. Mücke zählte jede einzelne Sekunde!"
Esra lachte, während Mücke Oma energisch anwies, jetzt rechts abzubiegen.
„Ich sehe den Bahnhof schon", rief Mücke und rutschte aufgeregt auf ihrem Sitz hin und her.
„Es sind noch fast zwei Stunden und vielleicht kommt er noch später, wenn der Zug Verspätung hat", warf Esra erneut ein.
„Bis jetzt ist der Zug pünktlich, das habe ich im Blick", erklärte Mücke eilig, woraufhin Oma mit einem lauten Seufzer hinzufügte: „Natürlich hast du das im Blick."
„Was ist, wenn der Zug doch verspätet ankommt?", wollte Esra wissen, die sich einen Spaß daraus machte, Mückes Planung ins Wanken zu bringen.
„Er wird nicht zu spät ankommen", entschied Mücke bestimmt.
„Und wenn doch?", neckte Esra mit einem breiten Grinsen, während Oma ihr Auto in eine Parklücke manövrierte.
„Dann zieht sie Plan B aus der Tasche, da sei dir sicher", beantwortete Oma lachend Esras Frage.
„Und jetzt?", fragte Esra erneut an Mücke gewandt. „Verrät dein Plan auch, wie wir jetzt zwei Stunden hier am Bahnhof die Zeit verbringen können?"
Mücke spitzte die Lippen und dachte einen Moment nach. Tatsächlich verfügte sie nun über Zeit, die man zum Planen von anderer Zeit verwenden könnte. Oder zur Überprüfung der bereits verplanten Zeit. Oder ...
Während Mücke weiterhin darüber nachdachte, wie sie die ungeplante Zeit verplanen sollte, ritt Jo ohne Sattel auf Zitrönchens Rücken einen Waldweg entlang.
Samantha ritt auf Goethe rechts von ihr, während Inchi links von Jo Chocolat vorwärtstrieb.
„Bist du aufgeregt?", wollte Samantha von Inchi wissen und Inchi nickte energisch mit dem Kopf.
„Und wie!", gab sie zurück, woraufhin Jo sich einmischte: „Wegen Italo?"
„Doch nicht wegen Italo!", beschwerte Inchi sich empört. „Cordelias Vater bringt heute endlich das Pferd. Es ist wieder gesund und darf kommen."
„Oh je, Cordelias Pferd habe ich in diesem Trubel völlig vergessen", bemerkte Jo und schüttelte den Kopf.
„Das verstehe ich", gab Inchi verständnisvoll zurück, begann dann zu kichern und fügte hinzu: „Der Abschied von Luis und eine nervige kleine Schwester..., das ist schon ganz schön viel auf einmal."
„Das ist es! Das ist es wirklich!", antwortete Jo betrübt und sie fühlte den Schmetterling in ihrem Magen, der sich sichtlich bemühte, sich so schwer wie möglich zu machen.
„Ich freue mich sehr darüber, dass Cordelias Vater dir das Pferd zur Verfügung stellt. Cordelia hatte großes Glück, dass ihr Vater die Strafe beglichen hat."
„Deshalb hat er sie aber jetzt ins Internat in der Schweiz geschickt. Der Richter riet dazu. Sie sollte das Umfeld wechseln. Natürlich war sie alles andere als erfreut darüber", erwiderte Inchi, woraufhin Samantha umgehend zurückgab: „Das ist nur gerecht. Außerdem ist das dein Glück, so darfst du ein Jahr lang dieses wunderbare Pferd reiten. Für Chocolat bist du eh schon viel zu groß."
„Übernimmt der Vater nicht sogar die kompletten Kosten?", fragte Jo nach, woraufhin Inchi antwortete: „Ja, die Box, das Futter, den Schmied und auch die Tierarztkosten, aber ich will mal hoffen, dass wir keinen Tierarzt brauchen", fügte Inchi hinzu und Jo sah ihr an, wie sehr sie sich auf die Ankunft von Cordelias Pferd freute.
Jo strich Zitrönchen über den Hals und dachte einen Moment darüber nach, dass sie so sehr mit dem Abschied von Luis beschäftigt war, dass sie fast alles andere um sich herum vergessen hatte. Nun war Luis tausende Kilometer entfernt und das konnte sie auch so schnell nicht ändern. Also nahm sie sich vor, sich mit Inchi auf Cordelias Pferd zu freuen. Außerdem würde Italo heute das Gästezimmer beziehen und schließlich hatte auch sie zwei Pferde zu versorgen. Corazón musste im Training bleiben, so hatte sie es Luis versprochen.
„Warum schwitzt Goethe?", fragte Inchi ein wenig besorgt und unterbrach Jos Gedanken.
„Er hat wieder zugenommen. Der Tierarzt kommt heute Abend zu Trude und dann will er auch einen Blick auf Goethe werfen", antwortete Samantha, woraufhin Jo kurz nach Luft schnappte.
„Die Trude, die habe ich auch vergessen!", rief Jo aus.
„Also bitte, Trude ist mit ihrem Kugelbauch wirklich unübersehbar. Wie kannst du sie vergessen?", gab Inchi zurück und lachte laut.
Jo fasste sich mit einer Hand an den Kopf und erwiderte leise: „Seba hat recht. Es wird in diesen Ferien bestimmt nicht langweilig, wir erwarten in gut zwei Wochen Trudes Fohlen."
„Das wird ein Prachtexemplar, hat der Tierarzt gesagt", antwortete Inchi, als sie Goethe schnaufen hörten.
„Warum atmet er so schwer? Ist er vielleicht doch krank?", fragte Jo nach, doch Samantha winkte ab.
„Er hat immer noch einen sehr guten Appetit und solange er den hat, ist er nicht krank", erwiderte Samantha und trieb Goethe vorwärts.
In diesem Moment hörten die Mädchen ein rasch lauter werdendes Hufgetrappel.
Zitrönchen spitzte seine Ohren und wieherte leise, woraufhin Jo sich umdrehte.
„Bent! Da kommt Bent", rief sie und hielt Zitrönchen an. Jo entging nicht, dass Samantha kurz mit den Augen rollte, bevor sie sich mit einem aufgesetzten Lächeln in die Richtung zu Bent herumdrehte.
„Ich dachte, du hast heute keine Zeit?", fuhr sie Bent an, woraufhin Zitrönchens Ohren sich nach hinten neigten.
„Ich habe mich im Tag vertan", antwortetet Bent ein wenig außer Atem. „Der Termin ist erst morgen."
„Wo hast du einen Termin?", wollte Inchi wissen und Samantha antwortete, bevor Bent überhaupt Luft holen konnte: „Beim deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt" und Jo vernahm deutlich den erbosten Unterton in Samanthas Stimme.
„Bitte wo?", fragte Jo überrascht nach, doch dieses Mal antwortete Bent zuerst: „Es ist nur ein Informationstag. Samantha denkt gleich, dass ich morgen zum Mond aufbrechen werde."
Jo und Inchi schauten beinahe synchron von Bent zu Samantha und von Samantha zurück zu Bent.
„Wenn nicht morgen, dann übermorgen!", entgegnete Samantha barsch.
„Was willst du auf dem Mond?", fragte Inchi und Chocolat spitzte aufmerksam ihre Ohren.
„Ich will gar nicht zum Mond!", antwortete Bent gereizt.
„Er will Astronaut werden, so eine bescheuerte Idee!", rief Samantha zornig aus, woraufhin Silver Lining schlagartig wie angewurzelt stehen blieb.
Bent strich seinem Pferd beruhigend über den Hals und drückte sanft seine Waden gegen seinen Bauch. Nur zögerlich setzte sich Silver Lining erneut in Bewegung.
„Samantha, das ist doch albern", hörte Jo Bent sagen und tatsächlich wunderte sich auch Jo über Samanthas Verhalten. Nicht, dass ihr die Wutausbrüche ihrer Freundin nicht bekannt vorkamen, aber dass sie Bent jetzt so eine Szene wegen einem Informationstag machte, das überraschte sie sehr. Jo gefiel die Idee von Bent sogar, sie konnte ihn sich sehr gut in einem Weltraumanzug vorstellen und schlau genug war er dafür ganz bestimmt auch.
„Ach, nun lass uns nicht darüber nachdenken, was in ein paar Jahren ist", versuchte Jo, die Stimmung aufzulockern, dabei wusste sie, dass Samantha stets und ständig darüber nachdachte, was in ein paar Jahren war. Sie wusste genau, wo sie studieren wollte, welches Auto sie fahren wollte und in welchem Stall Goethe dann untergebracht sein sollte. Bevor Jo jedoch weiter über Samanthas Verhalten nachdenken konnte, huschte Bent mit Silver Lining an Jo, Inchi und Samantha vorbei, galoppierte ihn an und rief laut: „Jo hat recht! Lasst uns nicht grübeln, wir haben Ferien. Wer als erster am See ist, darf sich etwas wünschen!"
„Etwas wünschen?", erwiderten Jo, Inchi und Samantha verwundert wie aus einem Mund, als Zitrönchen, Chocolat und Goethe in den Galopp umsprangen und versuchten, Bent und Silver Lining zu folgen.
Jo wusste auf einmal genau, was sie sich wünschen wollte, wenn sie als erste den See erreichen würde und anscheinend hatten auch Inchi und Samantha einen Wunsch parat, denn sie trieben nun Chocolat und Goethe energisch voran.
Während Zitrönchen den Abstand zu Silver Lining rasch verkürzte, fiel Goethe zurück. Samantha fluchte laut, woraufhin Jo und Inchi zu lachen begannen. Jo drückte ihre Schenkel ein wenig stärker an Zitrönchens Bauch, woraufhin er seine Galoppsprünge verlängerte und nach wenigen Metern an Bent und Silver Lining vorbeizog. Als sie als Erste am See ankam, reckte sie einen Arm in die Luft und rief laut: „Gewonnen!" Dann schaute sie sich um, jedoch waren nur Bent und Inchi hinter ihr.
„Dann wünsch dir was! Schnell!", befahl Bent und Jo schloss ihre Augen.
Drei Sekunden später öffnete sie ihre Augen wieder und strahlte über das ganze Gesicht, jedoch erstarrte sie umgehend, als Samantha mit Goethe am Waldrand auftauchte. Goethe hustete stark, sodass Samantha von seinem Rücken sprang und eilig den Sattelgurt löste.
Inchi, Jo und Bent saßen ebenfalls hastig vom Rücken ihrer Pferde ab und eilten zu Samantha und Goethe.
„Was hat er?", fragte Bent, der Goethe als erster erreicht hatte.
„Ich weiß es nicht! Er wurde immer langsamer und plötzlich begann er zu husten", antwortete Samantha sichtlich besorgt. Goethe hustete und prustete so stark, dass es ihm schwerfiel, zwischendurch Luft zu holen.
„Er erstickt gleich", bemerkte Inchi ängstlich, woraufhin Jo Zitrönchens Zügel fallen ließ und Goethes Kopf in beide Hände nahm. Sie stützte ihn hoch und legte ihn auf ihre Schulter, sodass sich sein Hals lang streckte. Dann massierte sie mit einer Hand die Unterseite seines Halses.
Samantha, Bent und Inchi schauten überaus besorgt, während Goethe tief röchelte.
Nach ein paar Minuten stellte Samantha fest: „Ich glaube, er beruhigt sich", und übernahm das Streichen entlang des Halses, während Jo weiter Goethes Kopf aufstützte.
„Er erholt sich wirklich", bemerkte Bent nach weiteren Minuten, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen.
Langsam ließ Jo Goethes Kopf wieder sinken, woraufhin er nochmals kräftig abschnaubte.
„Was war das bloß?", fragte Inchi mit zittriger Stimme. „Vielleicht hat er etwas verschluckt?"
„Nein, das glaube ich nicht", antwortete Jo. „Irgendetwas stimmt mit ihm nicht. Er schwitzt im Schritt und das liegt nicht am Wetter, so warm ist es nun auch nicht."
Obwohl Samantha sich mehrmals wegdrehte, erkannte Jo, dass ihr die Tränen in den Augen standen.
„Bringen wir ihn vorsichtig nach Hause", schlug Bent leise vor und legte Samantha seine Hand auf ihren Arm. Jo sah, wie Bent ihren Arm kurz drückte, woraufhin Samantha sich ihm zuwandte und ihm zunickte. Auch Samantha atmete nun tief durch und Jo erkannte die Erleichterung in ihrem Gesicht, die Bent durch seinen Griff an ihrem Arm ausgelöst hatte.
Der Schmetterling machte sich durch ein heftiges Ziehen bemerkbar und plötzlich waren Jos Gedanken wieder bei Luis.
Was hätte er in dieser Situation gemacht? Er hätte bestimmt Rat gewusst. Schließlich besaß er von allen das größte Wissen über Pferde.
In diesem Moment versetzte der Schmetterling Jo einen kräftigen Hieb in die Magengrube, der sich beinahe wie ein Protest anfühlte. Es fühlte sich an, als sei der Schmetterling nicht mit Jos Gedanken einverstanden, dabei hatte er sie gerade kurz zuvor verursacht. Sie wunderte sich, dass nun ein Gefühl von Ärger und Wut in ihr aufstieg, denn ihr war nicht klar, worüber sie sich jetzt ärgern sollte. Über den schmerzhaften Hieb des Schmetterlings oder darüber, dass Luis nicht da war und sie sich nun so einsam in dieser Situation fühlte. Jo richtete sich auf, hob ihren Kopf und sagte dann: „Bent hat recht, bringen wir Goethe nach Hause."
Kurz darauf führten die Mädchen und Bent ihre Pferde im Schritt den Waldweg zurück in Richtung Stall.
Oma schaute Mücke angespannt hinterher, die unsicher in Esras Schuhen den Weg zum Haupteingang des Bahnhofs entlangstöckelte.
„Sie sind wirklich die coolste Oma, die ich kenne!", bemerkte Esra, während Oma ihre Stirn in Falten legte. „Ich habe mit meiner Mutter jeden Tag aufs Neue über diese Schuhe diskutiert."
„Glaube mir, auch wir haben endlose Diskussionen geführt", murmelte Oma und Esra vernahm den deutlich gereizten Unterton in Omas Stimme.
Esra kicherte und sagte dann: „Mücke wird halt erwachsen."
„Erwachsen?", fragte Oma erstaunt. „Dass sie gerade auf diesen Stelzen über das Kopfsteinpflaster stolziert, spricht nicht für ein reifes Verhalten."
„Aber Frau Dumont, so ist das in der Pubertät", erwiderte Esra und grinste breit, woraufhin Oma ein kurzes Schmunzeln über die Wangen huschte. „Du hast recht, es ist nur eine Phase, aber in Mückes Fall, eine sehr sehr schwierige Phase."
„Ich finde, Mücke war für ihr Alter auch wirklich viel zu vernünftig. Nun darf sie auch mal unvernünftig sein", fügte Esra amüsiert hinzu.
Oma schaute Esra mit geplagtem Blick an.
„Die Schuhe sind doch wunderschön! Sie machen Mücke mindestens einen Kopf größer und außerdem sind das echte Vascellinis!", legte Esra nach, während Mücke mit den Absätzen in die Rillen zwischen den Pflastersteinen rutschte. Dabei schwankte sie nach rechts und links und ruderte wild mit den Armen umher.
„Das sind echte Watschelinis, in der Tat! Und gerade machen sie Mücke deutlich kleiner, da die Absätze im Erdboden versinken", erwiderte Oma mürrisch. „Pubertät hin oder her, im Leben würde ich solche Schuhe nicht tragen und ich erinnere mich nicht, jemals solche getragen zu haben. Sie sind weder für Mücke noch für dieses Pflaster geeignet und für den Pferdestall schon gar nicht", fügte Oma entschieden hinzu. Dann holte sie tief Luft, hielt diese mindestens für fünf Sekunden an und atmete sichtlich entspannt wieder aus. Sie setzte ein Lächeln auf, schaute Esra überaus freundlich an und fügte hinzu: „Aber, liebe Esra, ich wäre nicht ich, wenn ich nicht darauf vertrauen würde, dass manche Dinge sich von ganz allein regeln."
Esra dachte noch einen Moment über Omas letzten Satz nach, während Mücke über die letzte Bordsteinkante stolperte und der Länge nach auf den Gehweg stürzte. Erschrocken schaute Esra von Mücke zu Oma.
„So habe ich das natürlich nicht gemeint!", erwiderte Oma Esras nunmehr deutlich vorwurfsvollem Blick.
Esra stürmte los und auch Oma bemühte sich eilig über das Kopfsteinpflaster zu gelangen.
„Hast du dich verletzt?", fragte Esra besorgt, die Mücke als Erste erreichte.
„Es ist nichts passiert", antwortete Mücke mit zittriger Stimme, sie wusste in diesem Moment nicht, was mehr brannte, ihre Knie oder ihr Kinn. Die Jeans war aufgerissen und franste nun über beiden Knien aus.
„Du blutest!", rief Esra laut, woraufhin sich die Leute auf dem Gehweg zu Mücke umdrehten.
„Ich blute gar nicht!", erwidert Mücke harsch und rieb sich mit einer Hand am Kinn. „Aua!", rief sie dabei aus, während Oma schon nach Taschentüchern in ihrer Handtasche kramte.
„Dein Kinn ist feuerrot!", bemerkte Esra und klang dabei sehr besorgt.
„Es ist nichts!", wiederholte Mücke deutlich und bemühte sich tapfer die aufsteigenden Tränen herunterzuschlucken.
„Mücke, deine Knie bluten auch!", rief Esra erneut laut aus, woraufhin Mücke umgehend zurückzischte: „Meine Knie bluten nicht!" Dann ergriff sie das Taschentuch, das Oma ihr wortlos hinhielt.
„Das musst du verbinden lassen", fuhr Esra fort, wurde jedoch dann von Oma unterbrochen.
„Wenn Mücke sagt, es ist nichts, dann ist nichts. Es gibt also keinen Grund zur Sorge, Esra", sagte Oma in einem ruhigen, jedoch sehr bestimmten Ton. Sie zog die Augenbrauen hoch und wandte sich Mücke zu: „Oder?"
Mücke schüttelte den Kopf, senkte jedoch dabei ihren Blick, was es irgendwie leichter machte, Oma anzulügen.
„Es sind nur ein paar Kratzer, das ist überhaupt nicht schlimm", erklärte Mücke, wodurch sie Oma, ihrer Meinung nach, nur noch halb so doll anflunkerte.
„Dann ist ja alles gut", gab Oma zurück und bemühte sich alles andere als besorgt zu wirken.
„Möchtest du die Schuhe tauschen?", fragte Esra, die bequeme, flache Sneaker trug, doch Mücke wehrte sofort ab: „Auf gar keinen Fall!"
Esra hielt daraufhin Mücke ihren Arm hin und bot an: „Dann halt dich lieber an mir fest bis wir oben auf dem Bahnsteig sind."
Kurz darauf humpelte Mücke an Esras Arm geklammert, durch die Eingangstür des Bahnhofs und die Treppen hinauf zum Bahnsteig.
Oma schaute ein paar Mal auf die Uhr, während Mücke sich von Esra die Haare noch einmal richten ließ.
„Du siehst sehr hübsch aus, Mücke. Nur dein Kinn sieht jetzt irgendwie komisch aus", stellte Esra fest.
„Komisch?", fragte Mücke zurück. „Was heißt komisch?"
„Na ja, ich weiß nicht...", druckste Esra und suchte nach einer passenden Beschreibung. „Diese Abschürfung sieht aus wie...", dann verstummte sie.
„Nun sag schon", nörgelte Mücke und suchte nach einem kleinen Spiegel in ihrer Tasche.
„Es ist nicht so, dass es schlimm aussieht", versuchte Esra Mücke zu besänftigen. „Eigentlich fällt es auch gar nicht auf, korrigierte Esra, als Mücke einen Blick in ihren Taschenspiegel warf.
„Nicht schlimm?", fragte Mücke entsetzt von ihrem Anblick.
„Neeeeeiiin, überhaupt nicht schlimm", log Esra, während Omas Mundwinkel nach oben zuckten.
„Esra! Es sieht aus wie ein Bart!", rief Mücke entsetzt, woraufhin sich die Leute zu ihr herumdrehten und sie überrascht anstarrten.