Zombie Zone Germany: Elegie 2: Der letzte Pianist - Janika Rehak - E-Book

Zombie Zone Germany: Elegie 2: Der letzte Pianist E-Book

Janika Rehak

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Beschreibung

Tschechische Grenze März 2021 Ein altes Klavier, zwei Musiker mit einer gemeinsamen Geschichte, eine Horde Zombies vor der Tür. Ex-Pianist Yosh Maybach kämpft sich durch die Apokalypse. Mit den Zombies hat er sich arrangiert. Die Musik vermisst er immer noch, jeden Tag. Yosh hätte nie geglaubt, je wieder in die Nähe eines Instruments zu kommen. Jetzt ist er ausgerechnet mit seinem Konkurrenten Seok-Jung und einem verstimmten Klavier eingeschlossen. Die Nacht wird lang, Erinnerungen lauern in den Schatten, und die sind sehr lebendig. Elegie 2 knüpft dort an, wo Teil 1 aufgehört hat. Stell vor, es ist Zombie-Apokalypse und du hast überlebt. Was kommt nun? Unsere Städte wurden Höllen. Sie kamen über Nacht. Ihr Hunger war unstillbar. Sie fielen wie Heuschreckenschwärme über die Lebenden her. Zerrissen sie, fraßen, machten aus ihnen etwas Entsetzliches. In den Straßen herrscht verwestes Fleisch. Zwischen zerschossenen Häusern und Bombenkratern gibt es kaum noch sichere Verstecke. In Deutschland ist der Tod zu einer seltenen Gnade geworden. Hohe Stahlbetonwände sichern die Grenzen. Jagdflieger und Kampfhubschrauber dröhnen darüber. Es wird auf alles geschossen, was sich (noch) bewegt. Deutschland wurde isoliert - steht unter Quarantäne. Die wenigen Überlebenden haben sich zu Gruppen zusammengeschlossen, oder agieren auf eigene, verzweifelte Faust. Gefangen unter Feinden. Im eigenen Land. Doch ist der Mensch noch des Menschen Freund, wenn die Nahrung knapp wird und ein Pfad aus kaltem Blut in eine Zukunft ohne Hoffnung führt?

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Seitenzahl: 247

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Zombie Zone Germany

Elegie2 - Der letzte Pianist

Janika Rehak

Herausgegeben von Claudia Rapp und Carolin Gmyrek

Content Notes

In einem Buch über Zombies ist mit drastischen Szenen und extremen Situationen zu rechnen. Darüber hinaus findet ihr weitere Content Notes am Ende des Buches.

© 2024 Amrûn Verlag Jürgen Eglseer, Traunstein

Idee: Torsten Exter

Herausgeberinnen der Reihe: Claudia Rapp und Carolin Gmyrek

Lektorat: Claudia RappUmschlaggestaltung: Christian Günther Atelier Tag Eins - tag-eins.de

Alle Rechte vorbehalten

ISBN TB – 978-3-95869-531-3Printed in the EU

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar

v1/24

Ein Vorwort oder: Warum ich Elegie2 geschrieben habe

Wann ist eine Geschichte zu Ende?

Eine Fortsetzung von Elegie war nicht geplant, der kleine Cliffhanger am Ende sollte eigentlich gar keiner sein. Er war als Schlusspunkt gedacht, als Möglichkeit, die Geschichte weiter zu spinnen, vielleiht auch als Belohnung für meine Hauptfigur Yosh. Immerhin hatte ich ihm während unserer gemeinsamen Reise einiges abverlangt und er hat brav (fast) alles mitgemacht.

Normalerweise kann ich meine Figuren an diesem Punkt gehen lassen.

Yosh Maibach hingegen hat mich auch nach der Veröffentlichung weiter begleitet. Er machte sich immer wieder bemerkbar, besonders dann, wenn ich den Soundtrack, den ich ihm auf den Leib geschrieben habe, zufällig an anderer Stelle und in einem völlig anderen Kontext gehört habe.

Eines Tages wurde mir klar: Yoshs Geschichte war noch nicht auserzählt. Mit dem Verlust der Musik war ihm das abhandengekommen, was ihn ausgemacht hatte. Er hatte überlebt. Aber er lebte nicht. Er existierte nur. Unterschied sich sein Schicksal dann so wesentlich von dem der Untoten, mit denen er sich auseinandersetzen musste?

Ich wurde neugierig. Ist das Verlorene für immer fort? Oder lassen sich Teile davon wiederfinden? Also gingen Yosh und ich noch einmal gemeinsam auf die Suche.

Elegie2 ist eine Geschichte über Musik, über Sehnsucht, Trauer und Träume, aber auch über die Frage: Wie viel davon kann man sich in einer Zombieapokalypse noch leisten?

Janika Rehak, November 2023

Was bisher geschah …

Lüneburger Heide, Mai 2020: Star-Pianist Yosh Maibach füllt mühelos große Konzerthallen. Im Alltag tut sich der scheue Musiker schwer. Er ist frisch getrennt von Ehefrau Fenja, sein neuestes Werk Elegie geht nicht voran. Yosh hält seine Tagesroutinen aufrecht und wartet darauf, dass jemand die Dinge für ihn in Ordnung bringt.

Mitbewohner*innen auf Zeit sind sein bester Freund Vincent, seine Stiefschwester Kiyomi und die Hausangestellte Senta.

Yosh bereitet sich auf die Release-Party seines neuen Albums vor. Auf diesem Event ruhen all seine Hoffnungen. Seine Karriere ist ihm egal, doch Fenja hat ihr Kommen angekündigt.

Diese Party findet jedoch niemals statt.

Als die Zombieapokalypse losbricht, glaubt Yosh alles verloren, was er geliebt hat: Fenja. Und die Musik. Als dann auch noch Vincent und Senta den Toten zum Opfer fallen, zieht Yosh sich in sein leeres Haus zurück. Seelisch zermürbt beginnt er eine Affäre mit Kiyomi. Diese scheint ihrerseits von den Toten eigentümlich fasziniert.

Yoshs Welt ist verstummt. Bis eines Tages unerwarteter Besuch vor seiner Tür steht. Yosh wird unfreiwillig zum Gastgeber, sein Haus zum Refugium, doch unterschwellig ist allen klar: Das Versteck ist eigentlich ein Gefängnis.

Yosh arbeitet weiter an seiner Elegie. Für Fenja. Für sich selbst. Für die Welt, die nie wieder so sein wird, wie er sie kannte.

Die Zivilisation bricht zusammen, doch in Yoshs Haus scheint die Zeit still zu stehen. Die Lüneburger Heide büßt nichts von ihrer Schönheit ein. Die Apokalypse findet anderswo statt, doch die ständige Bedrohung ist da und nistet sich langsam in Herzen und Köpfen ein.

Innerhalb der Gruppe gibt es zunehmend Spannungen. Diese eskalieren in unterschiedlichen Konflikten. Als Kiyomi eine kleine Horde Zombies auf dem Grundstück entfesselt, ist die Gruppe gezwungen, das Versteck aufzugeben.

Kiyomi will Yosh zu einer gemeinsamen „Verwandlung“ überreden. Sie hat sich bereits beißen lassen. Yosh jedoch entscheidet sich für das Leben und muss seine sterbende Schwester zurücklassen. Kiyomi fiebert ihrer Verwandlung freudig erregt entgegen.

Yosh trifft wieder mit der Gruppe zusammen, nicht alle überleben die Flucht. Sie schaffen es, sich zur Elbe durchzuschlagen, mit dem Frachtschiff Agatha erreichen sie das tschechische Grenzgebiet. Doch das Land ist abgeriegelt. Niemand kann die Zombie Zone Germany noch verlassen. Verstört, traumatisiert, aber immerhin am Leben stranden sie im Checkpoint 12.

Yosh arrangiert sich mit der Situation, doch das Klavierspielen vermisst er noch immer. Dann, eines Tages beim Küchendienst, steht Fenja unerwartet vor ihm.

- Ende Teil 1-

Wer ist wer?

Lüneburger Heide

Leon Yoshio („Yosh“) Maibach: Pianist aus Hamburg mit deutsch-japanischen Wurzeln, scheu, zurückhaltend, genialer Schumann-Interpret. Am liebsten würde er den ganzen Tag am Klavier sitzen, wenn man ihn nur lassen würde.

Fenja Maibach-Kuhn: Schauspielerin und Yoshs Noch-Ehefrau, lebte beim Ausbruch getrennt von ihm in Hamburg. Hatte an das Leben andere Erwartungen als ihr Mann. Beziehungsstatus: Unklar.

Kiyomi Okada (verwandelt): Yoshs Stiefschwester aus Tokio, trotz der Anrede „Kleine Schwester“ nicht blutsverwandt. Studierte in Hamburg, als die Zombieapokalypse ausbrach und konnte nicht wieder nach Japan zurück. Liebte Märchen und klassische Schauerliteratur – und Yosh.

Vincent Bloch (verwandelt): Fotograf und Yoshs bester Freund, wohnte wegen erheblicher Geldprobleme vorübergehend bei Yosh in der Heide. Auf dem Grundstück wurden beide von einem Zombie gegriffen, Vincent hat nicht überlebt. Yosh musste seinen Todeskampf mit anhören. Er fragt sich bis heute: Hätte er Vincent retten können?

Senta Gerlach (verwandelt): Yoshs Haushaltshilfe und Stütze im Alltag, wurde von einem Zombie getötet.

Hannes Kahlert, wohnte im Nachbardorf, seine Mutter betrieb die Gaststätte Kahlert – Lieferservice und Catering. Hannes musste den Tod seiner Mutter, Freunde und Nachbarn verarbeiten, war zwischendurch psychisch angeschlagen, hat sich aber wieder gefangen. Packt an, wo es nötig ist, redet wenig, zählt aber gern.

Die Notgemeinschaft

Marah, Pferdetrainerin, Anführerin der Gruppe

Nicole (verstorben), Therapeutin und Marahs beste Freundin, hatte Krebs im fortgeschrittenen Stadium. Beging Selbstmord, als ihr die Schmerzmittel ausgingen.

Izzie, Teenager mit musikalischer Begabung, verlor durch die Zombies ihre Mutter und ihre ältere Schwester, spricht seitdem nicht mehr. Zu Yosh fasste sie Vertrauen und „adoptierte“ ihn als Ersatzvater.

Simon (verstorben): Izzies Vater, schon vor der Apokalypse cholerisch, seit dem Tod von Frau und Tochter zunehmend gewaltbereit, wurde auf der Flucht von Zombies getötet, wehrte sich aber nicht gegen sein Ableben.

Die Gruppe aus Hamburg

Veronika („Vero“) Gerlach, Sentas Tochter, studierte in Hamburg. Ihren Freund Faruk wollte sie eigentlich zu Yoshs Party mitbringen. Nach dem Ausbruch saß sie gemeinsam mit ihm und ihrem Mitbewohner Oliver in der von Toten überrannten Stadt fest.

Vero, Faruk und Oliver entkamen mit dem Frachtschiff „Agatha“ über den Hamburger Hafen, von ihnen stammte auch die Idee, elbaufwärts nach Tschechien zu flüchten. Oliver starb auf der Flucht, über ihn wird nicht mehr gesprochen.

Eine Art Prolog

Yosh hatte gedacht, es würde ihn mehr stören. Das mit dem Geruch.

Bei menschlichen Ausdünstungen war er empfindlich. Der Hamburger Sommer war immer eine Herausforderung für ihn gewesen. Eine vollbesetzte Bahn zur Rushhour, diese ganz spezielle Mischung aus Schweiß und Pheromonen, mit Deodorant, Parfum und Rasierwasser mehr schlecht als recht überdeckt. Jede Station, jedes Öffnen der Türen entließ ein wenig davon, doch schon stiegen neue Menschen ein, trugen neue Gerüche, neue Duftprofile herein, sie kumulierten zu einem Brei aus Molekülen, der sich immer zäher und klebriger anfühlte. Auch wenn Yosh nur kurze Strecken zurücklegte, verließ er die Bahn jedes Mal mit trockner Kehle und einem Gefühl leichter Übelkeit.

Das Fahrrad war keine Alternative, denn dann fing er selbst an zu schwitzen, und in diesem Punkt verhielten sich Körpergerüche wie Geburtstagspartys: Die eigenen waren immer die Schlimmsten. Es war für Yosh undenkbar, eine Aureole aus Schweiß in die Musikschule zu tragen und später dann in die Philharmonie, selbst wenn er nur für eine kurze Orchesterprobe hereinschaute.

Man redete. Das war in der Branche so. Natürlich redete man auch über Yosh.

Der Maibach, wisst ihr, der spinnt.

Ein bisschen.

Hat es nicht so mit Menschen.

Redet zu leise und nur das Nötigste.

Sein Humor ist komisch.

Ich glaube, er hat keinen.

Habt ihr schon gehört? Der Maibach heiratet. Ja, ja, diese Schauspielerin.

Echt? Was will die denn mit dem?

Kommt schon! Wo die Liebe eben hinfällt.

Vieles war Quatsch, das meiste stimmte, und Yosh ignorierte beides gekonnt. Aber auf sein Verständnis von Hygiene legte er Wert.

Der Maibach, wisst ihr, der hält nichts vom Duschen.

So weit würde er es nie kommen lassen. So weit war es auch nie gekommen.

Im Grunde blieb dann nur Taxifahren, klimatisiert und ein in sich geschlossener Raum. Yosh mochte Taxis nicht, sie bedienten zu viele seiner Neurosen und sie erzeugten zu viel CO2.

Der Hamburger Sommer war ein Dilemma, jedes Jahr aufs Neue.

Die Toten änderten alles. Inzwischen wusste Yosh kaum noch, wie sich eine Dusche anfühlte. Wie es war, richtig sauber zu sein. Oder wenigstens warm.

Laut Camp-Kalender war es inzwischen März. Die Zählung hatte einen Toleranzbereich, lag vielleicht knapp eine Woche daneben, in die eine oder andere Richtung, doch gefühltes Datum und gefühltes Wetter stimmten einigermaßen überein. Am Tag zeigte sich eine blasshelle Sonne hinter einem Schleier aus Wolken. Der Boden war morgens gefrorener Schlamm, mit einer harten Schicht überzogen, hauchfein wie Eierschale und genauso zerbrechlich. Darunter lag eisiger Matsch, in dem man mit etwas Pech bis zur Wade einsank. Eisschlamm lief über die Ränder von Schuhen, und ab und zu musste ein Kleinkind befreit werden, weil es im Dreck steckengeblieben war. Danach wurde das verlorene Stiefelchen geborgen. Es dauerte Tage, bis es wieder trocknete.

Das Lager war übervoll, die Menschen rückten zusammen, in Zelten, Baracken, auf engstem Raum, und wahrscheinlich hatte diese Enge nicht wenigen hier das Leben gerettet. Körper drängten sich aneinander und, nun ja, manchmal auch ineinander. Eine Menge Beziehungen ergaben sich auf diese Weise. Manche dauerten bloß eine Nacht lang, manche hielten den kompletten Winter. Yosh war schon gespannt, wie viele das Frühjahr überstehen würden. Vero und er hatten sogar gewettet. Vero rechnete mit einer Trennungswelle, spätestens Mitte April. Yosh hielt dagegen.

Vero hatte geseufzt. »Schön, wenn man noch an die Liebe glaubt.«

Ihr Lächeln hatte Yosh traurig gemacht. Vero war zu jung, um so zynisch zu sein. Außerdem hatte sie einen Freund. Sie und Faruk waren ein süßes Paar, eigentlich. Sie sollten Händchen halten, spazieren gehen, sich gemeinsam betrinken, sich für irgendetwas begeistern. Aber das war es eben, was die Apokalypse aus den Menschen machte: Sie verloren die Zukunft, die Lebendigkeit, den Glauben daran, dass alles schon irgendwie gut werden würde.

Und zuallererst verloren sie jeglichen Anspruch an hygienische Standards.

Das Lager stank. Da war nichts zu machen.

Yosh wollte nicht wissen, wie die Hamburger Innenstadt inzwischen roch und ob er es überhaupt wahrnehmen würde. Eine Zombieapokalypse relativierte die Dinge, und in gewisser Weise war Schweißgeruch etwas Gutes. Wer schwitzte, der lebte noch, und wer noch am Leben war, ging einem nicht an die Kehle, wenigstens nicht sofort. Es gab eine gewisse Chance auf eine friedliche Nachbarschaft. Natürlich ohne Gewähr, aber wo bekam man die heutzutage noch? Von den Zombies einmal abgesehen. Deren Mordlust betrug hundert Prozent.

Fenja wand sich auf dem Schlafsack und stieß zitternd den Atem aus. Yosh hatte ihr die Finger unter den Hosenbund geschoben. Sie hielt sein Handgelenk, führte ihn gelegentlich. Sie hatte noch nie Scheu gehabt, ihm zu zeigen, was sie wollte. Das hatte Yosh immer an ihr gefallen.

Ihr Männerhemd war in die Höhe gerutscht, Yosh erahnte ihren Rippenbogen. Die Hüftknochen zeichneten sich deutlicher ab als früher.

»Unglaublich«, hatte sie einmal gesagt. »Dass ich früher freiwillig gehungert habe. Obsttage, Fastentage, der ganze Schwachsinn.«

»Für eine Rolle?«, hatte er gefragt.

»Nein, weil ich dachte, das macht man so. Als Frau. Als Schauspielerin. Bescheuerte Welt, bescheuertes System!«

»Ja«, hatte Yosh gesagt. Er war ein Mann, was immer das heißen mochte, vielleicht war ihm deshalb nicht Besseres eingefallen.

Yosh hatte selbst lange nicht mehr in den Spiegel geschaut, in Checkpoint 12 gab es keinen, doch der Anblick von Fenjas schmalem Leib vermittelte ihm eine gewisse Idee.

»Keine Sorge«, hatte Fenja gesagt. »Dir steht der asketische Look. Kein großer Unterschied zu früher.«

»Na dann.« Auch hier hatte Yosh es dabei belassen.

Fenjas Atem ging schneller, ihre Bauchmuskeln zogen sich in immer schnelleren Abständen zusammen, sie hielt seine Hand fester, verstärkte den Druck auf seine Finger, dann ließ sie los, was wohl bedeutete, dass er etwas richtig machte. Sie hatte ihn auf den Weg gebracht, jetzt kam es nur noch darauf an, Richtung und Rhythmus beizubehalten. Fenja drückte ihr Gesicht an seines, küsste ihn gierig, griff ihm in die Haare.

Es war diese Geste, die Yosh erstarren ließ. Kleine Hände in seinen Haaren, dunkle Augen, ein Puppengesicht mit Stupsnase, wie Fenja es niemals besessen hatte.

»Nicht aufhören.« Fenja keuchte. »Ich bin gleich so weit …«

Yosh schloss die Augen, fand den Rhythmus wieder. Im Grunde war Sex nichts anderes als ein Musikstück, man spielte es ab, allein, zu zweit oder in beliebiger Anzahl, und je nachdem, mit wem man es spielte, bekam es einen ganz eigenen Klang.

Fenja schnappte nach Luft, fasste noch einmal zu, diesmal so fest, dass es weh tat. Sie atmete heftig gegen seinen Hals, dann entspannte sie sich, so vollständig wie ein Katzenjunges. Er sah sie im Dunkeln lächeln. Sie küsste ihn. Zweimal kurz, einmal lang. Applaus für die Performance. Als Interpret war Yosh immer gut gewesen.

Fenja atmete ruhiger, hob den Kopf, küsste ihn noch einmal, biss ihn dann fordernd in die Unterlippe. Ihre Hand löste seine Gürtelschnalle. Er hatte vor kurzem zwei neue Löcher ins Leder gestanzt.

Drei wären besser gewesen.

Fenja tastete sich weiter vor. Yosh schloss die Augen.

Das Puppengesicht im Schatten lachte leise.

Fenja sah zu ihm auf. »Was ist los?«

»Nichts.« Yosh rückte ein Stück von ihr ab.

»Okay.« Fenja zog das Wort in die Länge und behielt ihn weiter aufmerksam im Blick.

»Tut mir leid.«

»Muss es nicht.«

Der Schmuckstein an ihrem Ohr war verschwunden. Daran hatte er sich immer noch nicht gewöhnt. Dort, wo der Stein hätte sein sollen, war eine winzige Kuhle, die nur sichtbar war, wenn das Licht in einem ganz bestimmten Winkel darauf fiel. Manchmal spürte er sie mit der Zungenspitze.

Fenja kicherte, als er ihr seinen Atem ins Ohr blies, es geschah unabsichtlich, ein verirrtes Versehen, das falsche Hoffnungen weckte. »Sicher, dass du nicht willst?«

»Ja, mir geht´s gut.«

Sie fragte nicht noch einmal. »Dann schlaf schön.«

»Du auch.«

Bald atmete sie ruhig und regelmäßig. Sie hatte die Gabe, schnell einzuschlafen. Immer schon.

»Na sowas.« Es zwitscherte sachte an seinem Ohr. »Bei mir hast du dich nie so angestellt.«

Yosh schloss die Augen. Es war ein Reflex. Helfen würde es nicht.

»Willst du nicht?«, bohrte das Stimmchen weiter. »Oder kannst du nicht?«

Er warf sich auf die Seite, drehte der Erscheinung den Rücken zu. Wenn er sie ignorierte, dann verschwand sie, früher oder später.

Ein süßer Geruch waberte ihm in die Nase. Kiyomi kündigte sich immer durch Erdbeerduft an. Als wäre der Kaugummi mit dem künstlichen Aroma, den sie schon als Kind gekaut hatte, nach und nach in ihren Körper eingedrungen, und dann durch sämtliche Poren wieder ausgeströmt. Sie hatte immer geduftet. Auch ungewaschen.

Kiyomi trat dicht ans Bett heran und beugte sich über Fenja. Sie schnüffelte an ihren Haaren, ihrem Hals, witterte wie ein kleiner Hund.

Yosh wollte etwas tun. Er wollte sagen »Lass das!«

Doch er konnte nur stumm zusehen, vor Widerwillen wurde ihm schlecht.

»Oh weh.« Kiyomis Nasenflügel bebten, sie wedelte mit der Hand, als wollte sie eine Fliege verscheuchen. »Kein Wunder, dass du ihn nicht hochkriegst.«

»Hau ab, Kiyomi!« Er war zu laut. Fenja murmelte im Schlaf. Yosh presste beide Hände auf die Ohren. Er könnte Kiyomis Kichern trotzdem hören.

»Geh weg. Du bist tot!«

»Und wessen Schuld ist das?«

»Lass mich.« Hinter Yoshs Lidern wurde es warm und feucht. »Bitte ...«

Der Erdbeerduft wurde unerträglich, die Lippen an seinem Ohr waren kalt. »Schlaf schön, großer Bruder.«

Dann war sie fort.

Fenja zitterte, sie rückte im Schlaf dichter an Yosh heran. Die Zeltplane wehte sacht, Yosh sah es aus dem Augenwinkel. Doch er brachte es nicht über sich, aufzustehen und die Plane zu fixieren.

Ein Hauch von Erdbeere hing noch in der Luft. Er würde sich verflüchtigen, bald schon, hinaus aus dem Zelt, ins Freie. Zu den anderen Gerüchen, wo er hingehörte.

Kapitel i

Die Nacht war trocken geblieben. Das war etwas Gutes. Wenn es regnete, begann der Tag damit, dass man aus dem klammen Schlafsack in die noch viel klammeren Kleider steigen musste. Man fror schon, bevor der Kreislauf in Schwung kam. Hosen, Decken und Schlafsäcke, die auf der Leine hingen, waren genauso feucht wie am Tag davor.

Yosh lief vor dem Zelt auf und ab, umschlag sich selbst mit den Armen und trat auf der Stelle, um warm zu werden. Sein Atem bildete feine Wolken aus Wasserdampf, sie stiegen an den Gebäudewänden auf, verwirbelten zwischen den Zeltplanen und lösten sich schließlich ganz auf. Daheim in Schneverdingen wäre er jetzt joggen gegangen, einmal zum Heidegarten und zurück, danach gäbe es Tee, eine heiße Dusche und anschließend ginge es an den Flügel. Üben. Komponieren. Manchmal war er auch einfach zurück ins Bett geschlüpft, zu Fenja, unter die Decke. Dann hatte er ihr zugesehen, wie sie langsam aufwachte. Yosh lächelte bei dem Gedanken, dann zog sich sein Magen zusammen, und direkt danach schalt er sich einen Trottel.

Er war so gottverdammt undankbar. Fenja war am Leben, und sie war hier, bei ihm. Das war mehr Glück, als die meisten gehabt hatten, und er wusste es nicht einmal richtig zu schätzen.

Wenn er ganz ehrlich war, dann hatte er auch sein altes Leben nicht wirklich zu schätzen gewusst, bei all den Wehwehchen und psychischen Zipperlein, die ihm tagtäglich zu schaffen gemacht hatten.

»Stress«, hatte sein Orthopäde gesagt. Zu viele Termine, Konzerte und Interviews und winzige Streitpunkte in der Beziehung. Nichts Schlimmes. Gerade so viel, dass der Haussegen allmählich Schlagseite bekam.

Was würde Yosh jetzt für diese Art Stress geben.

Das Lager war ruhig, die meisten Bewohner schliefen noch. Zumindest das mit dem Termindruck hatte sich mit der Apokalypse erledigt. Niemand musste ins Büro, in den Betrieb, in die Schule. Niemand saß über der Steuererklärung und suchte verzweifelt nach irgendwelchen Belegen. Die Tätigkeiten im Camp waren körperlich, und sie erfolgten in Schichten. Das erleichterte die Lage, aber nur bedingt. Zu viel Arbeit machte die Menschen aggressiv. Zu wenig drückte die Stimmung genauso. Yosh merkte es an sich selbst: Als passionierter Frühaufsteher, der seit jeher mit wenig Schlaf auskam, hatte er viele, viele leere Stunden vor sich. Die Menschen balancierten zwischen Anspannung und Langeweile und einfach alle hatten Angst. Davor, dass das Lager überrannt werden könnte. Dass eine Infektion eingeschleppt werden oder eine sonstige Katastrophe eintreten würde. Mit anderen Worten: Jeder wachte hier mit der Sorge auf, den Abend nicht mehr zu erleben.

Weniger Termine reduzierten den Stress nicht im Mindesten. Das hätte Yosh seinem Arzt gern gesagt. Doch der war inzwischen vermutlich tot, gefressen worden, mutiert, und in dem unwahrscheinlichen Fall, dass er noch am Leben war, dann hatte er den Denkfehler sicher auch selbst erkannt.

Es pulsierte immer ein Dunst aus Gestank und Cortisol über Checkpoint 12. Hin und wieder entlud sich die Mischung in Schlägereien. Das andere Extrem waren Abstumpfung und Rückzug. Yosh hielt sich am zahmen Ende der Skala auf. Er war von Natur aus zurückhaltend, und dank seiner Eins-Neunzig ließ man ihn in Ruhe.

Vielleicht pflegte er auch einfach die richtigen Freundschaften. Vor allem mit Vero. Sie war klein und streichholz-schmal, aber mit ihr legte sich niemand freiwillig an.

Aus einigen Zelten drangen Stimmen nach draußen. Der Tag begann mit Gesprächsfetzen, Geschäftigkeit, Nähe, Distanz und Erwachsenenspielchen.

»Wie am Theater«, hatte Fenja einmal bemerkt.

»Da hab ich mich rausgehalten.«

»Ach wirklich?« Fenja hatte gegrinst. »Ich habe was anderes gehört.«

»Ich auch«, bemerkte Kiyomi, halb hinter Fenja verborgen, Yosh konnte nur eines ihrer dunkel geränderten Augen sehen. »Das mit uns ging recht schnell, kaum dass du von Fenja getrennt warst.«

Wir waren nicht getrennt, hielt Yosh dagegen. Außerdem war das eine psychische Extremsituation.

»Das«, erklärte Kiyomi, »sind Trennungen immer.«

Yosh wollte darauf hinweisen, dass er eigentlich vom Zusammenbruch der Gesellschaft, dem Untergang der Zivilisation und vermutlich auch dem der Menschheit gesprochen hatte. Doch dann ging ihm auf, dass er nicht nur mit seiner toten Schwester sprach, sondern ihr auch noch mit Argumenten beikommen wollte.

»Stiefschwester.« Im Tod war Kiyomi verständiger als zu Lebzeiten. Sie betonte jetzt gewisse Feinheiten, die ihr damals gleichgültig gewesen waren.

Geh weg, Kiyomi.

»Ich liebe dich auch, großer Bruder.«

Stiefbruder.

Alles in allem ging es ihnen gut im Checkpoint. Oder anders gesagt: Es ging ihnen nicht schlecht.

»Hier drinnen ist besser als da draußen«, sagte Vero, und das brachte die Sache auf den Punkt.

Checkpoint 12 war die Endstation, ein hässlicher Fleck in wunderschöner Landschaft mitten in der Sächsischen Schweiz. Man konnte praktisch nach Tschechien hinüberspucken, wäre da nicht die Mauer gewesen.

Endstation Deutschland, Zombieland. Zurückbleiben bitte, die Tore schließen, zurückbleiben bitte, die Grenze ist geschlossen.

Checkpoint 12 bot immense Vorteile, denn auch hier konnte man Tore schließen. Früher war es ein Fabrikgelände gewesen. Niemand wusste genau, was hier einmal hergestellt worden war. Kunsthonig, sagten die Einen, Tierfutter, behaupteten die Nächsten, und einige glaubten zu wissen, dass sich hier früher einmal ein geheimes Ausbildungslager des KGB befunden hatte. Wie sonst erklärten sich die vielen Zäune?

»Sicherheitsmaßnahmen?«, hatte Yosh spekuliert.

Eben, hieß es. Aber all der Aufwand für Kunsthonig? Also bitte.

Das Areal hatte leer gestanden, schon lange bevor die Zombies gekommen waren. Die Gebäude waren verfallen, Dächer teilweise eingestürzt, die Maschinenhallen ausgeräumt, nur hier und da lagen rostiges Werkzeug und poröse Kabel herum. Fenster waren geborsten, eingeworfen, die Wände mit Graffiti beschmiert, innen und außen, Schriftzüge auf Deutsch und auf Tschechisch. Ein Lost Place wie aus dem Bilderbuch, Treffpunkt über die Grenzen hinweg, früher jedenfalls.

Die Räume waren zugig und kalt, und mit der Statik war es auch nicht mehr weit her. Trotzdem waren die Plätze in den maroden Gebäuden die begehrtesten. Danach wuchs eine Zeltstadt um die Fabrik herum. Als Yosh und die anderen ankamen, war die Lage noch überschaubar, doch wenige Monate später war die Enge kaum noch auszuhalten. Anfangs kam gelegentlich Hilfe aus Tschechien. Baumaterialien, Decken und Essen wurden per Helikopter abgeseilt. Diese Hilfe war irgendwann ausgeblieben.

Zu gefährlich für die Piloten, sagten die einen.

Zu auffällig für die Umgebung, sagten die anderen, schließlich musste alles geheim bleiben.

Wie, fragte jemand, sollte man bitte eine Zombieapokalypse geheim halten?!

Na, da hätten sie´s doch? Hinter allem steckte der KGB!

Geheim oder nicht, ab einem bestimmten Punkt musste Checkpoint 12 ohne tschechische Hilfen auskommen, und bislang schlugen sich die Menschen ganz gut. Es gab einen Lager-Rat, zusammengesetzt aus Personen, die dafür geeignet erschienen. Sie trafen Entscheidungen, mit denen nicht jeder einverstanden war, die aber bislang respektiert und umgesetzt wurden. Alle brachten sich nach Kräften ein. Es gab Jäger und Sammlerinnen, Gelehrte und Kämpferinnen. Unterricht für die Kinder. Kampftraining für alle die wollten und Extrastunden für die, die es besonders nötig hatten. Sportstunden, gegen die Kälte, die Langweile, die sich ausbreitende Trägheit. Sie richteten sogar eine kleine Bibliothek ein. Noch fanden sich wenige Titel in den Regalen, doch ab und zu brachte jemand von einer Versorgungstour etwas Neues mit. Kitsch, dicke Schmöker, Klassiker und Comics, auf den Inhalt kam es nicht an. Die Apokalypse war lang und vermutlich endlos, es gab eine Menge Zeit zu vertreiben.

Die Bibliothek hätte Kiyomi gefallen. Das dachte Yosh oft. Sie hatte Bücher geliebt, besonders Gespenstergeschichten.

Natürlich hätte sie nicht viel verstanden. Vielleicht hätte sich das eines Tages geändert.

Yosh verlor sich kurz in einem Was-wäre-wenn, in einer Welt, in der Kiyomi nicht tot und etwas ... verständiger gewesen wäre, schüttelte den Kopf und ging schneller, als könnte er so vor den Bildern davonlaufen.

Er machte einen gezielten Abstecher an Marahs Zelt vorbei. Jemand schnarchte. Vermutlich ihr Freund, Edin. Der aktuelle Freund. Groß, schlaksig, dunkle Haare, ein tiefes Grübchen am Kinn. Yosh merkte sich das bloß der Form halber, Marah war rastlos und hielt es nie lange mit jemandem aus. Die Sache war sicher bald wieder vorbei.

Ein paar Zelte weiter entdeckte Yosh eine vertraute Gestalt, dick eingepackt in eine Steppjacke, die Mütze tief ins Gesicht gezogen, ein paar blonde Strähnen schauten darunter hervor.

Hannes besserte einen Stiefel aus. Yosh blieb in einigem Abstand stehen und sah zu. Trotz der Kälte trug Hannes keine Handschuhe, die lange Nadel samt Zwirn fuhr in das Leder, zog sich leise knirschend hindurch. Das Schusterhandwerk hatte Hannes im Camp gelernt, von jemandem, der das beruflich gemacht hatte, damals, in der Alten Welt.

Dieser Jemand war fort, war von einer der Versorgungstouren nicht zurückgekommen.

»Gebissen«, hieß es. Das war die Kurzfassung für »Gebissen, aber nicht tot.«

Gebissen und zurückgelassen. Vielleicht auch freiwillig zurückgeblieben. Ein immenser Akt der Verantwortung, des Sich-zurück-Nehmens. Altruismus in Reinform.

Die Zurückgebliebenen. Das waren die Idole dieser Neuen Welt, nur wurden ihre Geschichten nie erzählt. Sie hatten niemals ein Happy End, das lag in der Natur der Sache.

Hannes´ Gesicht war konzentriert, und selbst aus einigen Metern Entfernung sah Yosh die winzige Falte zwischen den Augenbrauen. Der Junge war so ernst, war es immer gewesen, schon vor alldem hier. Er hatte als Teenager in Betrieb seiner Mutter ausgeholfen, Gaststätte Kahlert, Lieferservice und Catering. Er hatte Yosh und Fenja lecker duftende Teller serviert, die wenigen Male, die sie im Nachbardorf essen gegangen waren, und er war mit dem Lieferwagen gekommen, um Yoshs Wein-Vorrat aufzustocken.

Yosh war niemals auch nur auf die Idee gekommen, bei den schweren Kisten mit anzupacken. Er war Pianist. Er musste auf seine Finger Acht geben.

Hannes hatte die Arbeit schweigend verrichtet und mit einem Nicken das Trinkgeld genommen.

»Danke, Herr Maibach, bis nächstes Mal, Herr Maibach.«

Yosh hatte ihm manchmal einen Extra-Zehner zugesteckt, weil er Hannes mochte. Er erinnerte Yosh an sein jüngeres Selbst. Der Vergleich hinkte natürlich. Yosh hatte im Internat gelebt – von Stipendien und Papas Geld – und auf eine Weltkarriere hingearbeitet. Hannes hatte hinter der Theke gestanden, bevorzugt am Wochenende und feiertags.

So gesehen war der Zehner ein schlechter Witz. Aber wie das zum Ausdruck bringen?

Hannes´ Mutter war fort, war auch »zurückgeblieben«, und jene Frau, die ihm später das Schustern beigebracht hatte, war wieder ein neuer Verlust.

Heimat, Freunde, Familie. Hannes hatte so viel wegstecken müssen. Und jeden Morgen fand er die Kraft, von seinem Feldbett aufzustehen, obwohl so viel dafürsprach, einfach liegen zu bleiben.

Yosh hätte ihm gerne gesagt, wie sehr er ihn dafür bewunderte. Doch auch hier fehlten ihm die Worte.

»Na, wieder den Tag überlebt? Glückwunsch.«

Das war noch schlimmer als das leicht vergiftete Trinkgeld.

Hannes blickte auf. Durch eine unbedachte Bewegung, vielleicht auch nur eine Veränderung des Sonnenstandes war Yoshs Schatten auf ihn gefallen. Der Ein-Meter-Neunzig-Schatten, durch den Lichteinfall zusätzlich in die Länge gezogen. Auf so einen Schatten musste man aufpassen.

Ihre Blicke trafen sich. Hannes´ Finger hielten in der Bewegung inne, er hob die Hand, um die Augen gegen die Sonne abzuschirmen.

Im Nachbarzelt knarrte ein Feldbett.

Hannes hob einen Mundwinkel. »Moin.«

»Auch so«, antwortete Yosh. Wieder polterte es, etwas kippte um, jemand fluchte. Checkpoint 12 erwachte. Ein Insekt surrte vorbei, es wurde eindeutig Frühling.

Hannes und Yosh sahen einander an.

»Wie ist es?«

»Wie immer.«

Sie nickten beide, etwas länger als nötig. Hannes beugte sich wieder über seine Lederarbeit. »Du stehst mir im Licht.«

»Sorry.«

»Passt schon.« Hannes nahm wieder die Nadel zur Hand. »Man sieht sich.«

»Bis dann.«

Yosh setzte seinen Weg fort. Ein freundschaftliches Gespräch, auf die norddeutsche Art. Das hob die Laune doch merklich.

In der Essensbarracke war es noch ruhig, der Betrieb lief gerade erst an. Trotzdem hielten sich hier zu jeder Tageszeit Menschen auf. Zum Essen vorbereiten. Essen fassen. Auf Essen hoffen. Auf das Essen aufpassen – und auf diejenigen, die mehr wollten, als ihnen zustand. Erfahrungsgemäß waren es immer dieselben.

Yosh entdeckte Izzie an einem der hinteren Tische. Ein Sonnenstrahl drang durch einen Riss in der Zeltplane und beleuchtete ihr rotblondes Haar. Sie schälte eine Kartoffel, sehr langsam und sehr konzentriert. Izzie hatte die Gabe, sich tief in eine Sache zu versenken. Das hatte Yosh sofort an ihr gesehen. Izzie und er verstanden sich blind, vom ersten Moment an.

In der Alten Welt hätte sie Musikerin werden können. Wenn sie gewollt hätte. Und wenn ihr Arschloch-Vater ihr erlaubt hätte, die zu sein, die sie war.

Yosh blinzelte den aufkeimenden Ärger fort. Simon war tot. Es brachte nichts, wütend auf die Toten zu sein. Mit den Lebenden hatte man genug zu tun.

»Hey.« Yosh trat an den Tisch heran.

Izzie blinzelte durch ihre Haare hindurch, nickte ihm zu.

»Darf ich?«

Achselzucken. Ist ein freies Land.

»Eigentlich nicht«, hielt Yosh dagegen. »Nicht mehr jedenfalls.«

Sie schob ihm ein paar Kartoffeln herüber. Yosh griff sich ein Messer und fing an zu schälen.

»Alles gut bei dir?«, erkundigte er sich nach einer Weile.

Ein Grinsen huschte über Izzies Gesicht. Sie versuchte, es zu verstecken, doch es brachte ihre Augen derart zum Leuchten, dass Yosh sofort Bescheid wusste. Auch Izzie hatte nicht viel geschlafen, wirkte aber sehr zufrieden.

»Läuft wohl«, fragte er. »Bei dir und Daniel?«

Izzie grinste jetzt umso breiter und klimperte mit den Lidern.

»Okay, keine Details bitte.« Yosh lachte. Dann beugte er sich vor. »Ihr beide passt auf, oder?«

Augenrollen.

»Ich meine ja nur. Es wäre keine gute Idee, weil …«

Zwei.

Izzie hob Zeige- und Mittelfinger und hielt sie Yosh vor die Augen. Diese aggressive Version des Victory-Zeichens bedeutete im Grunde genau das: Zwei.

Zwei Babys waren im Lager auf die Welt gekommen. Sie hatten es geschafft. Alle beide. Sie waren am Leben. Zwei kleine, gesunde Hoffnungsträger wuchsen im Checkpoint heran, dem Winter, dem Hunger, der Kälte, der ganzen verdammten Zombieapokalypse zum Trotz.

»Ich weiß, Izzie, ich weiß. Ich wollte doch nur …«