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Wer will nicht gerettet sein? Arin macht sich auf die Reise in die Unendlichkeit um das zu finden was er verlor. Doch die Unendlichkeit und das Wissen von Allem ist nicht das, was ihn vollkommen macht als Menschen. Trauer, Liebe, Hoffnung, Begreifen und Loslassen.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Zuhören macht kein Geräusch
Schwarz. Tiefes Schwarz. Unvorstellbar schwarz. Keine Farbe. Ein Zustand. Ein Zustand von Schwarz. Sagittarius A*. Das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße, seiner Heimatgalaxie. Der unaufhörliche Datenstrom seines Schiffsschwarms war rasant angestiegen,dann verzerrte er sich und schließlich war er verstummt. Nie zuvor hatte er die Einsamkeit und Leere so deutlich empfunden wie jetzt. Der Ereignishorizont hatte ihn vom Universum abgeschnitten, denn nur durch den Datenstrom des Schwarms konnte er es überhaupt wahrnehmen. Der Schwarm hatte die Schwelle überschritten. Keine Information drang zu ihm. Vielleicht hieß das, daß er sich in seiner Blase noch vor der Schwelle befand. Vielleicht hing er auch einfach am Ereignishorizont fest für alle Ewigkeit bis seine Versorgung aufgebraucht war und er starb, denn der Schwarm hatte auch die Versorgung eingestellt und der Quantentunnel hatte sich geschlossen. Darauf versuchte er sich einzustellen, es war schwierig. Seine Wahrnehmung von Zeit hatte sich verändert. Das war unabdingbar. Sein Bewußtsein hatte sich angepaßt. Die Alternative wäre Wahnsinn gewesen und/oder Tod. Sein Speicher sagte ihm, daß er seit 350000 Jahren über die Oberfläche der Realität glitt zu der er einst gehört hatte. Aber was hieß das schon? Seit er in seiner Blase war, waren für ihn Raum und Zeit nur noch abstrakte Größen, denen er nicht mehr unterworfen war. Selbst das Mahlwerk der Schwerkraft, die dem schwarzen Loch eigen war, schien seiner Blase nichts anhaben zu können. Allein der Verlust des Schiffsschwarms hatte Auswirkungen auf ihn. Er versorgte ihn allumfassend und er gab ihm Richtung. Mit seiner Hilfe hatte er die Galaxie erforschen können. Ohne ihn war sein Schicksal besiegelt und er endete als Fliege im Bernstein. Die letzte Richtung, die der Schwarm ihm vorgegeben hatte, führte ins schwarze Loch. Die Blase würde den Ereignishorizont überschreiten, unbemerkt von ihm selbst, und ihren Abstieg beginnen in oder zu etwas, das unerforscht, unvorstellbar und vielleicht sogar ungeheuerlich war. Er spürte ein gewisses Bedauern darüber keinerlei Daten sammeln zu können. Selbst ihm, der so viel von der Galaxie gesehen hatte, entzog sich Sagittarius A* und würde damit wohl immer ein Rätsel bleiben. Hier endete die menschliche Erkenntnis. Er beendete damit den letzten Eintrag in seinen Datenspeicher. Wer immer diese Blase einst finden mochte und die Daten auszulesen in der Lage war, würde nichts über die letzte Zeit erfahren, die dieser Fliege im Bernstein noch blieb. Dies letzte gehörte nur ihm allein, auch wenn ihm nicht ganz klar war womit er die Zeit bis zum Ausfall seiner biologischen Komponente zu verbringen gedachte. Schließlich entschied er sich zu seiner Heimat zurückzukehren, der Erde, auch wenn diese Heimat längst in Raum und Zeit verschwunden war und ein Angesicht angenommen hatte das er sich nicht einmal vorzustellen vermochte. Für ihn war die Erde sein Garten an einem milden Frühlingstag, in dem er stand, das Gesicht der Sonne zugewandt, während er dem ergreifenden Gesang einer Amsel lauschte, die auf dem Giebel seines Hauses saß.
Weiß. Leuchtendes Weiß. Unvorstellbar weiß. Keine Farbe. Ein Zustand. Ein Zustand von Weiß. Sagittarius A*. Das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße, seiner Heimatgalaxie. Alles, was dem schwarzen Loch zu nahe kam, stürzte unweigerlich hinein und kehrte nicht zurück. Selbst das Licht konnte dem nicht entkommen. Deshalb war ein schwarzes Loch von außen betrachtet schwarz. Wie mochte es aber sein wenn man dort stehen könnte, wo das Licht hinfiel? War ein schwarzes Loch von innen betrachtet weiß, also ein weißes Loch? Das hatte er sich oft gefragt, wenn er über dieses rätselhafte Gebilde nachgedacht hatte. Wenn es so wäre, dann wäre es sicherlich so weiß wie das Weiß, das er gerade wahrnahm. Es war jedoch nicht dieses allumfassende, dimensionslose Weiß, was ihn aus der virtuellen Realität seines Gartens gerissen hatte, welche seine biologische Komponente jeder Zeit aus seinem Speicher generieren konnte. Das Lied der Amsel hatte sich vermischt mit Duft nach feuchter Erde und Gras und er hatte einen tiefen, erleichternden Atemzug getan. Dann hatte er Worte gehört, die nicht aus ihm selbst stammten. Sie waren über den Schwarmport gekommen, was völlig unmöglich war. Das hatte ihn aus dem Garten hierher in dieses weiße Nichts katapultiert. Seit 350000 Jahren hatte er seine internen optischen Komponenten nicht genutzt, denn in der Blase existierte kein Licht. Nun zeigten sie ihm konturloses Weiß. Zwei Worte hatte er gehört in seiner Muttersprache, von einer Stimme gesprochen, die ihm vertraut schien und doch fremd war. Sie schienen daher an ihn gerichtet gewesen zu sein, auch wenn er nicht wußte was sie ihm sagen sollten.
-Synthetisiere Bezugsrahmen-
Während er noch darüber nachdachte und sogar in Betracht zog aufgrund mangelnder Versorgung seiner biologischen Komponente zu halluzinieren, geschah etwas mit dem konturlosen Weiß. Plötzlich gewann es an Tiefe und wurde zu einem dreidimensionalen Raum, in dem er nun stand. Erstaunt sah er an sich hinab, weil er seit 350000 Jahren wieder einmal auf seinen Füßen stand, was er kaum glauben konnte. In der Blase gab es keine Schwerkraft, weshalb er sie wohl auf mysteriöse Weise verlassen haben mußte. Die auf ihn einwirkende Schwerkraft war für ihn optimal . 1g, meldete seine interne Sensorik. Bedachte man, daß er sich im Inneren eines schwarzen Lochs befinden mußte, war das völlig unmöglich. Halluzinierte er doch? Nach all der Zeit des einsamen Datensammelns, fiel ihm kurioserweise nur das banalste ein, was man in diesem Augenblick zu sagen vermochte.
-Hallo?-
Ganz automatisch nutzte er den Schwarmport dazu dieses banalste Wort der Welt mitzuteilen. Wer oder was auch immer dieses Wort erhalten mochte. Zunächst erfolgte keine Reaktion. Dann wurde ihm durch den Port das Wort zurückgespiegelt.
-Hallo.-
Die Situation erschien ihm bizarr und entbehrte nicht der Komik. Unter anderem war er auf die Reise geschickt worden um die Frage zu klären, ob es in der Galaxie andere Zivilisationen gab oder zumindest Leben. Letzteres hatte er gefunden. Von Zivilisationen gab es keine Spur. Und jetzt, am unwahrscheinlichsten Ort, den man sich nur vorstellen konnte, sollte er auf eine fremde Intelligenz gestoßen sein? Und dann hatte er nicht mehr zu sagen als hallo? Plötzlich mußte er lachen und konnte sich eine Weile gar nicht mehr einkriegen. Endlich faßte er sich.
-Entschuldigung-
Das war das zweite Wort, das er ins Ungewisse schickte. Na, toll! Langsam bezweifelte er, daß er für einen Erstkontakt der richtige Mann war.
-Synthetisiere Kontakt-
Das war die Antwort auf seine Entschuldigung. Da er wiederum keine Ahnung hatte was die Stimme damit meinte, wartete er gespannt. In einiger Entfernung manifestierte sich eine menschliche Gestalt. Die Erscheinung war mittelgroß und mittelalt. Sie trug eine Biosphärenhaut wie er selbst sie trug. Das Gesicht im Kopfschutz wirkte sehr vertraut, obwohl es ihm fremd war, genau wie es auch mit der Stimme gewesen war. Der Anblick erinnerte ihn daran, daß er den Kopfschutz noch trug und er fragte sich, ob er ihn wohl entfernen konnte, ohne sich dadurch in Gefahr zu bringen. Möglicherweise gab es hier zwar Schwerkraft aber keine Luft zum Atmen, auch wenn seine Sensorik Luft anzeigte.
-Du bist der Kontakt?-
Wieder so eine banale und überflüssige Frage.
-Ja.-
Die Erscheinung bewegte sich nicht.
-Oberflächenerfassung gestattet?-
Er zuckte die Achseln und stimmte zu, wiederum wußte er nicht was passieren würde. Trotzdem fühlte er keine Angst. Was immer es war schien ihm nicht feindlich gesonnen. Wenn dieser Oberflächenerfassung erfolgte, so merkte er davon nichts. Wozu diese Erfassung diente, schien lediglich Einfluß auf das Erscheinungsbild des synthetisierten Kontakts zu haben, denn plötzlich trug er keine Biosphärenhaut mehr, sondern legere Hosen und ein weißes Hemd, alles ganz im Modestil von vor 350000 Jahren auf der Erde.
-Atmosphäre wurde synthetisiert-
Die Information veranlaßte ihn seinen Kopfschutz abzustreifen. Die Luft roch nach nichts. Er räusperte sich, was vollkommen überflüssig war, denn er gedachte nicht mehr den Schwarmport zu nutzen sondern seine Stimme.