Zukunft im Widerspruch -  - E-Book

Zukunft im Widerspruch E-Book

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Beschreibung

Wer sich als Unternehmer, CEO oder Führungskraft einen Überblick über aktuelle Herausforderungen zu verschaffen versucht, kann durchaus Angst bekommen. Die vielzitierte »Polykrise« ist in aller Munde und konfrontiert Unternehmen und ihre Entscheider:innen mit einer nie dagewesenen Anzahl von scheinbaren Gegensätzen, denen es unter Berücksichtigung zahlreicher unsicherer Variablen zu begegnen gilt. Die Schlüsselthemen Künstliche Intelligenz, Sicherheit, Nachhaltigkeit, Arbeitsmarkt und Bildung konfrontieren Menschen mit vermeintlichen Widersprüchen. In diesem Buch lösen herausragende Expert:innen die vermeintlichen Widersprüche auf, zeigen, wie Deutschland sich jetzt neu erfinden muss, und machen Lust, den Wandel positiv zu gestalten. Beitragende sind (in alphabetischer Reihenfolge): Linda Büscher, Nicole Büttner-Thiel, Simone Carstens, Mikolaj Ciechanowicz, Sebastian Dettmers, Udo Di Fabio, Inga Dransfeld-Haase, Rainer Esser, Jens Fiege, Benedikt Franke, Mona Ghazi, Alexander Giesecke, Jan-Hendrik Goldbeck, Lea Haep, Timon Hellwagner, Michael Hüther, Claudia Kemfert, Tatjana Kiel, Fabian Kienbaum, Rebecca Koch, Daniel Krauss, Florian Langenscheidt, Christine Laudenbach, Christina von Lindern, Sherin Maruhn, Auma Obama, Magdalena Oehl, Constanze Osei, Marie-Christine Ostermann, Katherina Reiche, Christina Richter, Helmut Schönenberger, Nicolai Schork, Hauke Schwiezer, Stephanie Sievers, Corinna Tappe, Düzen Tekkal, Anahita Thoms, Felicitas Vajna, Claudia Viehweger, Enzo Weber, Theodor Weimer, Gülsah Wilke. Alle Autorinnen und Autoren sowie Herausgeberinnen und Herausgeber verzichten auf ihr Honorar, welches jeweils zur Hälfte an die beiden NGOs 2heart und Startup Teens geht.

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Seitenzahl: 477

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Ähnliche


Anahita Thoms

Sebastian Dettmers

Gülsah Wilke

Fabian Kienbaum

Magdalena Oehl

Hauke Schwiezer

ZUKUNFT IM WIDERSPRUCH

Wie Deutschland sich jetzt neu erfinden muss

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

Wer sich als Unternehmer, CEO oder Führungskraft einen Überblick über aktuelle Herausforderungen zu verschaffen versucht, kann durchaus Angst bekommen. Die vielzitierte »Polykrise« ist in aller Munde und konfrontiert Unternehmen und ihre Entscheider:innen mit einer nie dagewesenen Anzahl von scheinbaren Gegensätzen, denen es unter Berücksichtigung zahlreicher unsicherer Variablen zu begegnen gilt.Die Schlüsselthemen Künstliche Intelligenz, Sicherheit, Nachhaltigkeit, Arbeitsmarkt und Bildung konfrontieren Menschen mit vermeintlichen Widersprüchen.In diesem Buch lösen herausragende Expert:innen die vermeintlichen Widersprüche auf, zeigen, wie Deutschland sich jetzt neu erfinden muss, und machen Lust, den Wandel positiv zu gestalten.Beitragende sind (in alphabetischer Reihenfolge):Linda Büscher, Nicole Büttner-Thiel, Simone Carstens, Mikolaj Ciechanowicz, Sebastian Dettmers, Udo Di Fabio, Inga Dransfeld-Haase, Rainer Esser, Jens Fiege, Benedikt Franke, Mona Ghazi, Alexander Giesecke, Jan-Hendrik Goldbeck, Lea Haep, Timon Hellwagner, Michael Hüther, Claudia Kemfert, Tatjana Kiel, Fabian Kienbaum, Rebecca Koch, Daniel Krauss, Florian Langenscheidt, Christine Laudenbach, Christina von Lindern, Sherin Maruhn, Auma Obama, Magdalena Oehl, Constanze Osei, Marie-Christine Ostermann, Katherina Reiche, Christina Richter, Helmut Schönenberger, Nicolai Schork, Hauke Schwiezer, Stephanie Sievers, Corinna Tappe, Düzen Tekkal, Anahita Thoms, Felicitas Vajna, Claudia Viehweger, Enzo Weber, Theodor Weimer, Gülsah Wilke.Alle Autorinnen und Autoren sowie Herausgeberinnen und Herausgeber verzichten auf ihr Honorar, welches jeweils zur Hälfte an die beiden NGOs 2heart und Startup Teens geht.

Vita

Anahita Thoms ist Rechtsanwältin und Partnerin bei Baker McKenzie sowie Beirätin in Profit- und Non-Profit-Organisationen.Sebastian Dettmers ist promovierter Betriebswirt, CEO eines der größten europäischen Digitalunternehmen: der Online-Jobplattform StepStone, und Bestseller-Autor.Gülsah Wilke ist Investorin, Mitgründerin und Geschäftsführerin von 2hearts und erfahren im Aufbau vielfältiger Teams und der Förderung der digitalen Transformation.Fabian Kienbaum ist Co-Chief Empowerment Officer von Kienbaum, einer globalen Leadership Advisory & Management Consulting Firma, die global tätig ist.Magdalena Oehl ist Gründerin der HR-Tech Plattform Talent Rocket, stellvertretende Vorsitzende des Startup-Verbandes und Vorsitzende im Beirat Junge Digitale Wirtschaft.Hauke Schwiezer ist Mitgründer und Geschäftsführer der NGOs Startup Teens und Gen Talents. Er ist LinkedIn Top Voice und Mitherausgeber der Spiegel-Bestseller Zukunftsrepublik und Gen Z für Entscheider:innen.

Übersicht

Cover

Titel

Über das Buch

Vita

INHALT

Impressum

INHALT

VORWORT

TEIL I

Unternehmen

Anahita Thoms und Sebastian Dettmers: PROFIT, PLANET UND PRINZIPIEN

Neues Spannungsfeld erfordert weiterentwickelte Unternehmensstrategie

Die goldenen Jahre des Profits

Degrowth aus Sorge um den Planeten

Warum der Stellenwert ethischer Fragestellungen steigt

Die Politisierung der Ökonomie

Geopolitische Spannungen beeinflussen Unternehmensagenden

Risiken eingehen und aushalten

Von Chief Sustainability Officers und Ethikkomitees: Feigenblätter oder echte Treiber des Wandels?

Udo Di Fabio: DIE ZUKUNFT DER DEMOKRATIE

Demokratien unter Druck

Fehlentwicklungen der Demokratie

Erosion des Parteiensystems

Demokratien sind lernfähig

Theodor Weimer: TRADITIONELLE STÄRKEN VERSUS STRUKTURELLE SCHWÄCHEN

Deutschland verliert an Wettbewerbsfähigkeit

Eine Kapitalmarkt-Equity-Story kann Investoren überzeugen

Eine verlässliche Wirtschaftspolitik schafft nachhaltigen Wandel

Fleiß, Innovation und Unternehmergeist machen Deutschland stark

Jan-Hendrik Goldbeck: PROFIT VERSUS PRINZIPIEN

Prinzipien vor Profit

Profit vor Prinzipien

Platz schaffen für Realität

Innovationen forcieren: beherzt, bezahlbar, nachhaltig

Prinzipien mit wirtschaftlichen Parametern verknüpfen

Das Mekka der Regulatorik

Die Zwei-Billionen-Euro-Chance

Nachhaltigkeit muss zum Geschäft werden

Michael Hüther: GLOBALISIERUNG VERSUS NATIONALE SICHERHEIT

Hoffnung auf Demokratisierung durch intensiven Freihandel hat getrogen

Gefahr der wirtschaftlichen Desintegration ist real

Äußere Sicherheit und Souveränität werden zum Standortfaktor

Prüfraster für ein kosteneffizientes De-Risking

Neue Rahmenbedingungen für Unternehmen

Benedikt Franke: INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT VERSUS NATIONALE SICHERHEIT

Geopolitische Rivalitäten und globale wirtschaftliche Unsicherheiten

Die Rückkehr des Nullsummendenkens

Fragmentierung der Märkte entlang geopolitischer Bruchlinien

Transatlantische Partner stehen vor schwierigem Balanceakt

Wir brauchen ein neues Wirtschaftswunder

Claudia Kemfert: WIRTSCHAFTSWACHSTUM VERSUS NACHHALTIGKEIT

Fossile Wirtschaft ruiniert ihre Geschäftsgrundlage

Klimarisiken betreffen alle Unternehmen

Wirtschaftswachstum durch Dekarbonisierung

Katherina Reiche: WENDEZEIT VERSUS WARTESTELLUNG

Strom- und Infrastrukturwende – Schlüsselfaktor Netze

Die Wärmewende – Schlüsselfaktor Kundennähe

Die Investitionswende – Schlüsselfaktor Kapital

Die Rohstoffwende – Schlüsselfaktor Diversifizierung

Die Fachkräftewende – Schlüsselfaktor Ausbildung

Jahrhundertaufgabe Energiewende ist lösbar

Auma Obama: SOZIALE VERSUS INDIVIDUELLE VERANTWORTUNG

Das Ziel ist ein selbstbestimmtes Leben

Soziale Verantwortung muss von innen herauskommen

Wer CSR ernst meint, handelt langfristig

Know-how genauso gefragt wie Kapital

CSR funktioniert am besten nah am eigenen Geschäft

Eigene und soziale Verantwortung ergänzen sich

Sozialer Verantwortung ermöglicht wirtschaftlichen Erfolg

Daniel Krauss: GLOBALER DATENVERKEHR VERSUS DATENSOUVERÄNITÄT

Rechtliche Grauzone beim Austausch von Daten

Datenschutz: Gut gedacht, schlecht gemacht

Bürger sollten Souverän ihrer Daten sein

Datendiebstahl ist ein Verbrechen

So gelingt ein souveräner Umgang mit Daten

Anahita Thoms: REGULIERUNG VERSUS VERTRAUEN

Wirksame Regulierung trägt zur Vertrauensbildung bei

Gute Regeln basieren auf einem transparenten und inklusiven Prozess

Startnachteil durch zu viel Regulierung?

Antizipation von Regeln ist Teil eines erfolgreichen Implementierungsprozesses

Ein Algorithmus als Vorstand?

Wie Unternehmen Vertrauen in neue Technologien schaffen können

Ethisches Verhalten ist ein Business Case

Rainer Esser: DEMOKRATIE VERTEIDIGEN VERSUS MEINUNGSFREIHEIT AUSHALTEN

TEIL II

Arbeitsmarkt

Magdalena Oehl: VIEL ARBEIT, WENIG BEWERBER

Fachkräftemangel gefährdet Schlüsselbranchen

Rückgang der Erwerbstätigen unterminiert Steuer- und Sozialsystem

Warum Arbeitslose nur bedingt in Zeiten der Arbeiterlosigkeit helfen

Können Migranten die Bewerberlücke schließen?

Und was ist eigentlich mit der stillen Reserve?

Das Produktivitätsparadoxon

Sebastian Dettmers: DEINDUSTRIALISIERUNG VERSUS WIRTSCHAFTSWUNDER

Wachstumsmotor Deindustrialisierung?

Hochproduktive Cluster stehen für ein modernes Wirtschaftswunder

Standortverlagerungen haben unterschiedliche Ursachen

Arbeiterlosigkeit ist das eigentliche Problem des Standort Deutschlands

Bessere Rahmenbedingungen für ein neues Wirtschaftswunder

Unproduktive Geschäftsbereiche auf den Prüfstand stellen

Auf dem Weg zur hochproduktiven Wissensgesellschaft

Magdalena Oehl: ARBEITGEBERMARKT VERSUS BEWERBERMARKT

Arbeitskräfteknappheit fördert Bewerbermarkt

Mit Events, Workshops und mehr beeindrucken

Bewerbermarkt senkt Barrieren für den Stellenwechsel

Interessante Aufgaben und Karrierechancen motivieren Talente nach wie vor

Der Chief Mindful Officer im Einsatz

Der Abschied vom klassischen 9-to-5: Flexibilität als Schlüssel zur modernen Arbeitswelt

Ohne lebenslanges Lernen verkümmern Talente

Ohne attraktive Arbeitsumgebungen steigt die Sehnsucht nach der Fremde

Ohne Wertschätzung verpuffen alle anderen Maßnahmen: Die Bedeutung von Anerkennung und Leistung

Leistung als Fundament unseres Wohlstands: die unabdingbare Rolle von Engagement und Effizienz

Was gute Arbeitgeber auszeichnet

Claudia Viehweger: QUALIFIZIEREN VERSUS REKRUTIEREN

Fachkräftemangel begrenzt Möglichkeiten des Rekrutierens

Künstliche Intelligenz erfordert weitreichende Qualifizierung

Zentrale Fähigkeiten anpassungsfähiger Organisationen

Wie sich die Anpassungsfähigkeit fördern lässt

Neu denken und Anpassungsfähigkeit fördern

Jens Fiege: AUTOMATISIEREN VERSUS QUALIFIZIEREN

Automatisierung als Glücksfall für die Logistik

Logistik ist prädestiniert für die Automatisierung

Der Mensch wird weiterhin unersetzbar bleiben

Wo der Mensch der Maschine überlegen ist

Angst vor Jobverlust sinkt mit zunehmender Automatisierung

Die perfekte Symbiose zwischen Mensch und Maschine

Logistik braucht Automatisierung und Qualifizierung

Nicole Büttner-Thiel: MENSCH VERSUS MASCHINE

Renaissance des Menschseins

Unternehmen stehen vor dem Innovator’s Dilemma

Konzeptionelles Umdenken: Realitätssinn gefragt

Kulturelles Umdenken: Chancen statt Risiken in den Fokus rücken

Operative Fortschritte: Schritt für Schritt in eine bessere Zukunft

Gemeinsam gelingt der Aufbruch in die Renaissance des Menschseins

Rebecca Koch: KÜNSTLICHE INTELLIGENZ VERSUS MENSCHLICHES BEHARRUNGSVERMÖGEN

KI ist Chefsache!

Mindset schlägt Kompetenz!

Die Angst vor dem Jobverlust

KI heißt nicht Nichtstun

Daten als wichtigstes Asset

Balance finden im KI-Dschungel

Fokus auf Potenzial!

Maximale Investitionen JETZT!

KI-Einführung ist vor allem eine kulturelle Transformation

Timon Hellwagner, Enzo Weber: ZOOMER VERSUS BOOMER

Raum für weiteres Wachstum der Zahl der Arbeitskräfte vorhanden

Vorurteile über Gen Z ohne faktische Grundlagen

Starker Wunsch nach selbstbestimmter und flexibler Arbeit

Generationenwechsel, nicht Generationenbruch

Unterschiede zwischen Boomern und Zoomern sind gar nicht so groß

Marie-Christine Ostermann: KLASSISCHES LEISTUNGSPRINZIP VERSUS NEW-WORK-ANSPRÜCHE

Auf dem Weg zum Freizeitweltmeister

Demografischer Wandel beeinflusst Leistungsgesellschaft

Arbeitseffizienz und Produktivität stagnieren

Staat hemmt Leistungsbereitschaft

Ökonomische Bildung macht Lust auf Leistung

Wie sich Leistung wirksam fördern lässt

Linda Büscher: FAUL VERSUS FLEISSIG

Die unbekannte Seite der Gen Z

Unternehmerin mit 20 Jahren

Aufsässig oder innovativ?

Social-Media-süchtig oder medienkompetent?

Frech oder selbstbewusst?

Die passende Arbeitsumgebung für Jüngere

Auch die Gen Z will leisten

Corinna Tappe: ARBEITERKIND VERSUS KARRIERE

Der soziale Aufzug in Deutschland funktioniert nicht richtig

Bildungsaufstieg binnen einer Generation ist möglich

Resilienz und der Wille dazuzulernen

Ziele setzen, Netzwerke nutzen

Rennen fünf Kilometer hinter der Startlinie begonnen

Barrieren im Bewerbungsprozess senken

Mehr Diversität stärkt Profitabilität, Produktivität und Kreativität

Mit Mentoren das Gefühl der Unsicherheit überwinden

Simone Carstens: TEILZEIT VERSUS SPITZENKARRIERE

Jeder dritte Beschäftigte arbeitet Teilzeit

Vorurteile behindern Teilzeitarbeit in Führungspositionen

Teilzeitarbeit in Führungspositionen ist machbar

Wann Teilzeit im Management sinnvoll ist – und wann nicht

Wie Führungskräfte Karriere und Teilzeit unter einen Hut bekommen

Wie Unternehmen Teilzeitführungskräfte unterstützen können

Wie Gesellschaft und Politik den Wandel fördern können

Fabian Kienbaum: NETZWERK VERSUS HIERARCHIE

Kollaborative verdrängen hierarchische Führungsmodelle

Transformationale, strategische und ethische Führung gefragt

Brave Leadership ist das Gebot der Stunde

Mutige Entscheidungen sind der Schlüssel zum Erfolg

So funktioniert die Brave-Leadership-Transformation

Führungskompetenzen der Zukunft

Mut und Flexibilität charakterisieren die Führungskräfte von morgen

Stephanie Sievers: MUT VERSUS ANGST

Hierarchien verhindern Innovationen

 Der hohe Wert psychologischer Sicherheit

Feedback einholen und ernst nehmen

Authentisch sein

Von den Niederländern lässt sich Pragmatismus lernen

 Positive Energie fördert Innovationen

 Mit mehr Mut ein neues Innovationsklima schaffen

Christina Richter: AUTHENTIZITÄT VERSUS STRATEGISCHE INSZENIERUNG

Menschen folgen Menschen

Die ganzheitliche Corporate-Influencing-Strategie 

Die Dringlichkeit der Kommunikationswende

Hauke Schwiezer, Felicitas Vajna: SUBSTANZ VERSUS WIRKUNG

Ohne Substanz keine Wirkung – aber ohne Wirkung kein Gehör

Körpersprache und Mimik entscheiden über Erfolg

Mit Charisma überzeugen

Der erste Eindruck beruht auf Wirkung

Körpersprache: Von Kopf bis Fuß Wirkung erzielen

Rhetorik: die Stimme ist ein Instrument. Und positive Worte wirken Wunder

Charisma: Sich im Hier und Jetzt verankern

Äußeres Erscheinungsbild: Kleider machen tatsächlich Leute

Mit mehr Wirkung zu mehr Erfolg

Tatjana Kiel: SCHOCKSTARRE VERSUS RESILIENZ

Deutschland, das Land der Angst

Schockstarre führt zu Sinnfrage

New Work nur eine leere Hülle?

Mehr Engagement stärkt Resilienz

Gut sein und gut verdienen

Emotionale Verbindung zur Arbeit schaffen

Menschen brauchen Herausforderungen

Entfaltung der Umsetzungsenergie auf allen Managementebenen

Mit Challenges die Schockstarre überwinden

Christina von Lindern: HIGH PERFORMANCE VERSUS GESUNDHEITSPRÄVENTION

Der Widerspruch zwischen Hochleistung und Gesundheit

Besorgniserregender Gesundheitszustand

Steigende Krankenstände

Risikofaktoren im digitalen Zeitalter

Psychische Erkrankungen verursachen Milliardenkosten

Gesundheitsmanagement ist ein Business Case

Führungskräfte sind Multiplikatoren

Mentale Überlastung ist subjektiv und kumulativ

Fazit: Gesundheitsprävention ist kein Luxus, sondern strategische Notwendigkeit

Florian Langenscheidt: MACHT ARBEIT GLÜCKLICH?

TEIL III

Bildung

Inga Dransfeld-Haase: CHANCEN FÜR ALLE VERSUS LEISTUNGSPRINZIP

Gefährliche Abwärtsspirale

Leistung in Südkorea versus Chancengleichheit in Finnland

Gute Bildung beginnt im Windelalter

Bildungssystem wird vielfältiger und durchlässiger

Auf welche Kompetenzen es künftig wirklich ankommt

Neue Lehrpläne und Lernmittel gefragt

Mehr Verantwortung und Wertschätzung für Lehrkräfte

Wertschätzung ist der Schlüssel für gute Bildung

Christine Laudenbach: FINANZWISSEN VERSUS ALTERSARMUT

Denkanstoß 1: Vom negativen kollektiven Kapitalmarktgedächtnis zu einer neuen Aktienkultur

Denkanstoß 2: Know-how stärken, Überschuldung vermeiden

»Sollen das doch die Schulen machen!« – Finanzbildung als Schulfach reicht nicht aus

Sherin Maruhn und Hauke Schwiezer: IDEENUMSETZER VERSUS PROBLEMAUSSITZER

Mehr als 1,5 Millionen Limonadenproduzenten und -verkäufer

Enormes Gründerpotenzial bei jungen Deutschen

Mehr unternehmerisch Denkende dringend gesucht

Was eine hochkarätige Entrepreneurship Education bringt

Eine Revolution des trägen deutschen Bildungssystems

Unternehmertum und Programmieren unterrichten

Talentförderung in der Breite, statt an der Oberfläche

Spitzentalentschulen fördern herausragend Begabte

Entrepreneurship Education ist unverzichtbar

Mona Ghazi: HOCHBEGABTENFÖRDERUNG VERSUS EGALITARISMUS

Hochbegabte können die Wirtschaft voranbringen

Gezielte Förderung der Besten erforderlich

Wie Schulen Hochbegabte besser fördern können

Hochbegabung ist nur zum Teil angeboren

Ängste lassen Talente verkümmern

Individualismus statt Egalitarismus

Lea Haep: TECH-KOMPETENZ VERSUS SOFT SKILLS

Technisches (Grund-)Verständnis

Problemlösungskompetenz und kritisches Denken

Anpassungsfähigkeit

Nicolai Schork und Alexander Giesecke: EDTECH VERSUS OLD SCHOOL

Fachkräftemangel kostet Milliarden

Der Beste gewinnt oder Bildungschancen für alle?

Alles wird individueller – nur die Bildung nicht

Neue Technologien ins bestehende System integrieren

Constanze Osei: EINE GRUNDSCHULE FÜR ALLE VERSUS CHANCEN FÜR WENIGE

Deutschlands Zukunft entscheidet sich schon in der Grundschule

Was ungleiche Behandlung in frühen Jahren bewirkt

Parentokratie statt Merokratie?

Drei Lösungsansätze

Gülsah Wilke: MIGRATION VERSUS BILDUNGSAUFSTIEG

Migrationshintergrund hemmt Bildungsaufstieg: Wie Deutschland (endlich) gleiche Chancen für alle schafft

Mit neuen Bildungsansätzen den Widerspruch überwinden

Mikolaj Ciechanowicz: BILDUNGSAUFSTIEG MIT MIGRATIONSBIOGRAFIE VERSUS GELD VERDIENEN

Kaputter sozialer Aufzug erschwert den Bildungsaufstieg

Systemische Benachteiligungen im Schulsystem

Bewerbung für ein Stipendium erscheint oft noch als Hürde

Mentoringprogramme ergänzen monetäre Förderung

Community für Menschen mit Migrationsbiografie

Mehr Informationen über Fördermöglichkeiten erleichtern Bildungsaufstieg

Düzen Tekkal: GROSS TRÄUMEN VERSUS KLEIN BEIGEBEN

Vom German Dream erzählen

Der hohe Wert von Hoffnungsbotschaftern

Mut, Vielfalt wirklich zu leben

Gemeinsam das Deutschland der Zukunft formen

Helmut Schönenberger: FORSCHUNGSEXZELLENZ VERSUS GRÜNDUNGSNATION

Ist die Gründerzeit in Deutschland schon lange vorbei?

Können sich die Missionen – Forschung und Gründung – positiv verstärken?

Welche potenziellen Konflikte zwischen Forschung und Kommerzialisierung gibt es?

Wie kann Deutschland schnell Synergien zwischen Forschung und Gründung heben?

Sherin Maruhn: GRÜNDERHOMOGENITÄT VERSUS GRÜNDERDIVERSITÄT

Was fehlt, um Deutschland zur Gründernation zu machen?

Gründerhomogenität in Deutschland: Hintergründe einer einseitigen Gründerszene

Folgen der Homogenität: Verpasste Chancen und Innovationskraftverlust

Strategien zur Förderung von Vielfalt in der Gründerszene

Gülsah Wilke: GRÜNDERVIELFALT VERSUS ANGESTELLTENKULTUR

Gründungsquote bei Migranten in Deutschland doppelt so hoch

USA lebt von unternehmerischer Power von Einwandererfamilien

Netzwerke und Communitys für Menschen mit Migrationsvordergrund unabdingbar

Mentoring ist ein Schlüssel für den Gründungserfolg

Einfacher Zugang zu Startkapital fördert Gründergeschehen

Deutschland braucht generell mehr Wagnis- und Wachstumskapital

Attraktive Rahmenbedingungen ziehen Einwanderer an

Magdalena Oehl: GRÜNDERINNEN VERSUS TEILZEITMÜTTER

Anteil der Gründerinnen von Startups liegt bei nur 20 Prozent

Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch für Gründerinnen ein Hemmschuh

Zu wenig Mädchen in MINT-Studiengängen

Stärkere Verknüpfung von Theorie und Praxis an den Hochschulen

Netzwerke öffnen neue Türen und erleichtern den Gründeralltag

Mit mehr Startup-Unternehmerinnen zu mehr Wohlstand

Anhang

ANMERKUNGEN

Teil I: Unternehmen

Teil II: Arbeitsmarkt

Teil III: Bildung

VORWORT

Liebe Leserinnen und Leser,

Deutschland im Herbst 2024 ist ein Land, das sich in vielerlei Hinsicht mit Blick auf Wirtschaft, Politik und Gesellschaft neu erfinden muss: Die Konjunktur lahmt, die Infrastruktur ist marode. Der Aufstieg populistischer Parteien im Inland droht, die parlamentarische Demokratie zu unterminieren, und wachsende geopolitische Spannungen erschweren das Geschäft des einstigen Exportweltmeisters. Das Bildungssystem entspricht nicht den Anforderungen des 21. Jahrhunderts. Und die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund ist noch immer mit Herausforderungen verbunden und erfordert weitere Bemühungen – an Schulen wie im Erwerbsleben. Das alles hat Konsequenzen für den Arbeitsmarkt, wo der demografische Wandel in den kommenden Jahren eh enorme Lücken aufreißen wird. All dies sind seit langem breit diskutierte Herausforderungen.

Doch Deutschland fällt es schwer, mit mutigen Entscheidungen die Weichen für eine bessere Zukunft zu stellen. Eine wesentliche Ursache sind Zielkonflikte, Widersprüche – das Thema dieses Buches. Wie lassen sich Wirtschaftswachstum und Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft vereinen? Wie können Unternehmen mit einer abnehmenden Zahl von Arbeitskräften, die stärker als je zuvor auf eine gute Work-Life-Balance achten, überhaupt weiterwachsen? Und wie sollen Schulen neue Fähigkeiten wie digitale Kompetenz vermitteln, wenn es bei vielen Kindern schon an Basisfähigkeiten wie Lesen und Rechnen hapert?

Dieses Buch zeigt, dass sich viele dieser vermeintlichen Widersprüche durchaus überwinden lassen. Es konzentriert sich dabei auf drei für die Wirtschaft entscheidende Themenfelder: die gesellschaftlichen, politischen und ökologischen Rahmenbedingungen, den Arbeitsmarkt und das Bildungssystem. Die Gedankenanstöße decken ein breites Spektrum ab; sie stammen von Top-Managerinnen und Unternehmern, von Beratern und Wissenschaftlerinnen. Wir möchten an dieser Stelle allen Beteiligten sehr herzlich für ihre Beiträge und die darin enthaltenen Anregungen danken, wie sich unser Land neu erfinden kann.

Die Texte enthalten eine Fülle von Handlungsempfehlungen und praxisnahen Anleitungen. Eine Aufforderung an jede und jeden von uns, sich im Rahmen der eigenen Möglichkeiten an der Neuerfindung dieses Landes zu beteiligen und den Weg für eine bessere Zukunft zu bahnen. Eine Zukunft, die Widersprüche aushält und Widerstände überwindet. Eine Zukunft mit einem zeitgemäßen Bildungssystem, einem funktionierenden Arbeitsmarkt und einer Wirtschaft, die nachhaltig und wachstumsstark zugleich ist und versteht, sich auch in einem komplexen internationalen Umfeld zu bewegen.

Alle Autorinnen und Autoren sowie Herausgeberinnen und Herausgeber verzichten auf ihr Honorar, welches jeweils zur Hälfte an die beiden NGOs 2heart und Startup Teens geht.

Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!

TEIL I

Unternehmen

Überblick

Klimawandel, geopolitische Konflikte und eine zunehmende Regulierung verändern die Rahmenbedingungen der Wirtschaft. Dazu erzeugen der Aufstieg populistischer Parteien sowie neue Anforderungen von Stakeholdern Handlungsbedarf. Wie Unternehmen zwischen Wachstums- und Gewinnstreben, Nachhaltigkeit und Good Corporate Citizenship navigieren und sich in einem veränderten Umfeld richtig aufstellen, zeigen die nachfolgenden Beiträge.

PROFIT, PLANET UND PRINZIPIEN

Das Spannungsfeld moderner Unternehmen

Anahita Thoms und Sebastian Dettmers

Die Maximierung oder zumindest die Steigerung des Shareholder Value galt lange insbesondere im angelsächsischen Raum als oberstes Ziel von Unternehmen. Der deutschsprachige Raum sprach lieber etwas verklausuliert von der Gewinnerzielungsabsicht. Aber auch hier galt: Der Erfolg von Unternehmen wurde in erster Linie daran gemessen, was unter dem Strich übrigblieb!

Heute liegt die Messlatte für den Erfolg deutlich höher: Es reicht nicht mehr aus, sich im wirtschaftlichen Wettbewerb durchzusetzen und steigende Umsätze, Marktanteile und Gewinne zu vermelden. Auch der Beitrag zum gesellschaftlichen Wohl zählt: Unternehmen sollen »Good Corporate Citizens« und nicht nur »Cash Cows« sein, »Purpose« vermitteln und nicht nur Gehälter beziehungsweise Dividenden zahlen. Dieser Wandel durchdringt inzwischen alle Ebenen der Unternehmensstrategie und -führung; der Einfluss eines Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft erhält teilweise ähnlichen Stellenwert wie der für unmittelbare Stakeholder wie Kunden, Lieferanten, Mitarbeitende und Eigentümer. Der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen und der Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel sind damit nicht länger optionale Zusätze zur Strategie – sie gehören zu deren zentralen Pfeilern.

Doch das Spannungsfeld moderner Unternehmen reicht noch weiter. Infolge der globalen Präsenz digitaler Medien wissen weite Teile der Bevölkerung in Industrie- und Schwellenländern nun erheblich mehr über die Produktionsbedingungen im Rest der Welt. Und je wohlhabender ein Land ist, desto sensibler reagiert zumindest ein Teil von ihnen auf soziale Missstände. Für einen globalen Aufschrei sorgte beispielsweise 2013 der Einsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik in Bangladesch mit mehr als 1 000 Opfern; sie hatte Kleidung sowohl für europäische Markenartikler als auch Discounter produziert. Schon wenige Wochen später unterzeichneten einige große Abnehmer angesichts der Kundenproteste ein Abkommen zum Brand- und Gebäudeschutz im Land. Mittlerweile wird von den Unternehmen erwartet, dass sie nicht nur selbst angemessene Arbeits- und Sozialstandards einhalten, sondern zudem aktiv an der Beseitigung von Missständen entlang ihrer Lieferkette und darüber hinaus mitwirken. Die ethische Dimension des Wirtschaftens gewinnt an Bedeutung. Und dies ist nicht nur der veränderten Einstellung der Konsumenten und der Reaktion darauf von Seiten der Gesetzgeber geschuldet. Auch die Kapitalgeber machen Druck. Ein Fanal war vor einigen Jahren ein Brief von Larry Fink, CEO des weltweit größten Vermögensverwalters Blackrock. Er forderte darin eine deutlich höhere Transparenz, um den Kapitalismus nachhaltiger und inklusiver zu machen. Genau das berücksichtigen mittlerweile viele Unternehmen in ihrer Strategie.

In jüngster Zeit beschäftigt sie indes noch eine weitere Sorge, die über die unmittelbaren Geschäftsinteressen hinausgeht: die Gefährdung der Demokratie. Diese Regierungsform, die lange Zeit als Garant für Fortschritt und Wohlstand galt, steht vielerorts unter Druck. Die Unzufriedenheit über fehlende Lösungen drängender gesellschaftlicher Fragen wie der Steuerung von Migrationsbewegungen und der Schaffung von Wohnraum und mehr noch die Sorge vor einer unsicheren Zukunft begünstigt den Aufstieg von Populisten von links und rechts. In Europa stimmt nur noch ein Drittel der Menschen der Aussage zu, dass es ihren Kindern einmal besser gehen wird als ihnen selbst. Der Gründungsdirektor des Forschungskollegs normative Gesellschaftsgrundlagen und ehemalige Verfassungsrichter Udo Di Fabio beleuchtet in einem Essay im Anschluss an diese Einführung diese Entwicklung und zeigt auf, was jetzt geschehen sollte.

Neues Spannungsfeld erfordert weiterentwickelte Unternehmensstrategie

Unternehmen können in einem solchen Umfeld nicht mehr länger passive Akteure sein, da ihr Handeln – oder auch Nichthandeln – direkte und indirekte Auswirkungen auf die gesellschaftliche Ordnung und somit auf die Demokratie hat. Damit verbunden ist die Frage, in welchen Märkten Unternehmen heute noch agieren und vor allem mit wem. In einer Welt, in der politische Konflikte und Handelskriege an der Tagesordnung sind, müssen Managerinnen und Manager navigieren lernen, ohne ihre Werte und Prinzipien zu kompromittieren – und das mit Blick auch auf die Politik und eine Vielzahl gesellschaftlich relevanter Gruppen.

Das Spannungsfeld zwischen Profit, Planeten und Prinzipien erfordert eine Weiterentwicklung der Unternehmensstrategie und eine Neudefinition des Begriffs Erfolg. Gefragt ist eine Balance zwischen Profitabilität und Verantwortung, zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit, zwischen lokaler Präsenz und globaler Vision. Und das alles in einer Zeit großer Unsicherheiten. Es wäre vermessen, all diese Widersprüche auf den folgenden Seiten aufzulösen. Es geht in diesem ersten Teil vielmehr darum, einen Rahmen abzustecken, in dem sich Unternehmen voraussichtlich in den kommenden Jahren bewegen werden. Einen Rahmen, der von geopolitischen Konflikten und veränderten gesellschaftlichen Erwartungen an Unternehmen geprägt sein wird.

Die goldenen Jahre des Profits

»Die Welt ist flach«: Vielleicht kaum ein anderer Titel erfasste ähnlich treffend den Zeitgeist Ende des 20. Jahrhunderts wie das Buch des amerikanischen Journalisten Thomas L. Friedman. Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus Ende der 1980er Jahre und der Öffnung der beiden nach Bevölkerungszahl größten Binnenmärkte der Welt, China und Indien, standen die Zeichen auf grenzenloses Wachstum. International agierende Unternehmen erschlossen sich zukunftsträchtige Märkte, der Shareholder Value feierte Triumphe, die Konsumenten profitierten von einer wachsenden Produktauswahl zu sinkenden Preisen, und die Politik tat alles, um die Globalisierung zu fördern: Zölle und Handelsbarrieren wurden ab- und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ausgebaut. Der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama läutete gar das »Ende der Geschichte« ein: Demokratie und Marktwirtschaft würden im 21. Jahrhundert die Welt prägen.

Tempi passati. Denn die Welt gleicht heute wieder mehr einer Hochgebirgslandschaft mit weiten Tälern, sich auftürmenden Massiven und schmalen Pässen. Die westliche Welt wird von autokratischen Regimen herausgefordert. Handelsblöcke schotten sich ab. Und Krieg scheint wieder eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. In der Konsequenz haben sich die Gewichte zwischen Staat und Wirtschaft verschoben. Wo es in den 1990er Jahren noch so schien, als würde die gesamte Politik nach und nach »ökonomisiert«, passiert jetzt das Umgekehrte: eine Politisierung der Ökonomie.

Der Shareholder Value musste in der Folge selbst im Mutterland des Kapitalismus, den USA, zurückstecken. Mit einem Plädoyer für das Stakeholder-Value-Konzept erregte kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie der einflussreiche Business Roundtable landesweit viel Aufsehen. Er hielt in einer Erklärung fest, dass der geschäftliche Erfolg künftig nicht nur am Ertrag für die Aktionäre, sondern auch an dem Mehrwert für Kunden, Beschäftigte, Lieferanten und den Kommunen an ihren Standorten gemessen werden sollte. Zu den Unterzeichnern zählten die CEOs von Tech-Giganten wie Amazon und Apple ebenso wie diejenigen der Automobilhersteller Ford und General Motors sowie von Coca-Cola. Unumstritten ist dieser Vorstoß allerdings nicht, wie die anhaltenden Debatten um den »woke capitalism« zeigen.

Wer sich zum Stakeholder Value bekennt, steht vor einer zentralen, bislang nur in Ansätzen geklärten Frage: Wie messe ich den Mehrwert für verschiedene Zielgruppen? Und wichtiger noch: Wie integriere ich die verschiedenen Kennzahlen in ein einheitliches Steuerungssystem? Traditionalisten haben es da einfacher: Bei ihnen gibt es ein klares Zielsystem mit dem Gewinn im Zentrum. Auf diesem Ansatz fußt letztendlich das Gedankengebäude der gesamten Betriebswirtschaft. Nach Überzeugung ihrer Vordenker wie Erich Gutenberg gibt es drei bestimmte Prinzipien für Unternehmen: Sie befinden sich im Privateigentum, sie handeln autonom und sie verfolgen das Ziel, Gewinne zu erzielen. Natürlich müssen sie sich dabei an geltende Gesetze halten. Doch die Unternehmen sind nicht gefordert, bei ihren strategischen Entscheidungen darüber hinaus gehende ökologische, soziale oder ethische Fragestellungen zu berücksichtigen. Der US-Nobelpreisträger Milton Friedman brachte diesen Gedanken wie folgt auf den Punkt: »The business of business is business.«

In Reinform hat kaum ein Unternehmen diesen Gedanken je gelebt. Die deutsche Wirtschaft ist vielmehr traditionell vom sogenannten »rheinischen Kapitalismus« geprägt, der vor allem den Interessen der Arbeitnehmer einen hohen Stellenwert einräumt. Ausdruck findet dies beispielsweise in der paritätischen Besetzung von Aufsichtsgremien, der weitreichenden Mitbestimmung sowie der dualen Berufsausbildung. Es entstand gerade in großen Konzernen ein Klima der Sozialpartnerschaft, charakterisiert durch Einbindung der Betriebsräte auf der einen Seite und ein hohes Maß an Unternehmenstreue sowie eine geringe Streikbereitschaft auf Arbeitnehmerseite. Allen Beteiligten war jedoch immer bewusst, dass eine solche Zusammenarbeit nicht die Profitabilität des Unternehmens gefährden dürfe.

Dieses Streben nach Gewinn trug auch hierzulande entscheidend zu einer Wohlstandsexplosion bei, von der unsere Großeltern nicht einmal zu träumen gewagt hatten. Als Maßstab wird häufig das Bruttoinlandsprodukt herangezogen. Vor gut 50 Jahren, 1970, summierte sich das BIP pro Kopf in Deutschland auf gerade einmal auf rund 20 000 Euro (nach heutiger Kaufkraft). Heute sind es mit rund 50 000 Euro mehr als das Doppelte.1 Weltweit hat sich der Wohlstand ebenfalls verdoppelt, wenn auch auf niedrigerem Niveau.

Nicht allein höhere Einkommen haben die Lebensqualität verbessert, sondern vor allem die Innovationskraft der Unternehmen. Moderne Autos bieten heute weit mehr Sicherheit, Komfort und Effizienz als ihre Vorgänger – vom kraftstoffsparenden Kleinwagen bis zum Hightech-Fahrassistenzsystem, das lange Fahrten deutlich entspannter macht. Auch technische Geräte wie Smartphones haben sich zu unverzichtbaren Alltagshelfern entwickelt, die den Zugang zu Informationen und die Kommunikation revolutioniert haben. In der Medizin sind die Fortschritte ebenso beeindruckend: Smarte Wearables überwachen Gesundheit rund um die Uhr, und personalisierte Medikamente passen sich individuell den Bedürfnissen des Einzelnen an. Diese Entwicklungen steigern die Lebensqualität auf eine Weise, die keine Wirtschaftsstatistik vollständig erfassen kann.

Im Alltag sind es nicht nur solche Leuchtturmprojekte, die das Innovationsgeschehen bestimmen. In einem kompetitiven Umfeld sind Unternehmen vielmehr permanent bestrebt, durch kontinuierliche Verbesserungen bessere Produkte und Services zu entwickeln und ihre Effizienz erhöhen. Davon profitieren zwar auch die Eigentümer in Form von steigenden Gewinnen, vor allem aber die Kunden in Form von neuen oder besseren Produkten und sinkenden Preisen. Der Wohlstandszuwachs der westlichen Gesellschaft beruht zu einem guten Teil auf dem freien Kräftespiel in der Marktwirtschaft.

Degrowth aus Sorge um den Planeten

Doch das Wachstumsdenken ist in jüngster Zeit in die Kritik geraten. Angesichts der Bedrohung durch den Klimawandel fragen sich viele, ob nicht ein Richtungswechsel nötig sei, vielleicht sogar ein »Degrowth«, also ein Schrumpfen der Wirtschaft und damit des Wohlstandes. Manch einer erinnert an die »Grenzen des Wachstums«, die der Wissenschaftlerzirkel Club of Rome schon 1972 beschrieb. Die weltweit beachtete Studie versuchte damals, die Effekte einer fortschreitenden Industrialisierung, eines anhaltenden Bevölkerungswachstums, der Endlichkeit von Rohstoffreserven sowie der erkennbaren Zerstörung von Lebensraum zu modellieren, und leitete daraus düstere Prognosen für die weitere Entwicklung des Erdballs ab.

Damals wie vermutlich auch heute unterschätzen indes viele kluge Köpfe die enorme Innovationskraft der Menschheit. Zumindest in den vergangenen 50 Jahren gelang es mit ihrer Hilfe, die Grenzen des Wachstums immer weiter zu verschieben. Neue Technologien erhöhten die Produktivität, innovative und zunehmend digitale Dienstleistungen und nicht mehr allein Güter trieben die globale Nachfrage. In der Folge gelang es in einem in der Weltgeschichte einzigartigen Umfang, die Lebensumstände von Milliarden Menschen zu verbessern: Die Armutsquote und der Anteil der Hungernden sanken, die Alphabetisierungsquote und die Lebenserwartung stiegen. Der Wohlstandsgewinn führte jedoch auch zu einem rasant wachsenden Verbrauch fossiler Brennstoffe; die CO2-Belastung der Atmosphäre nahm deutlich zu. Die Folgen spüren nun immer mehr Menschen immer häufiger am eigenen Leib: in der Form von Hitzewellen, Dürren, Überflutungen und anderen Klimakatastrophen.

Einige plädieren angesichts der Klimakrise nicht nur für »Degrowth«, sondern gleich für das »Ende des Kapitalismus« – und damit das Ende der Wohlstandsformel der letzten 250 Jahre. Doch wer für Degrowth plädiert, unterschätzt häufig die weitreichenden wirtschaftlichen Folgen: Wenn Unternehmen geringere Wachstumsaussichten erwarten, reduzieren sie ihre Investitionen. Weniger Investitionen führen zu weniger Arbeitsplätzen, was wiederum den Konsum verringert. Hinzu kommen drastisch sinkende Steuer- und Sozialabgaben, die Finanzierung der Rente würde genauso ins Wanken geraten wie die des Gesundheitssystems. Vor genau diesem Teufelskreis warnte der Ökonom John Maynard Keynes bereits vor fast hundert Jahren. Die Idee, dass eine Staatswirtschaft hier Abhilfe schaffen könnte, ist kaum weniger gefährlich: Sie wäre weder in der Lage, die Dynamik zu durchbrechen, noch den Wohlstand langfristig zu sichern. Stattdessen droht eine ökonomische und gesellschaftliche Abwärtsspirale, aus der es kaum ein Entrinnen gibt.

Aber braucht es wirklich einen Paradigmenwechsel vom Wachstumsstreben zum Schrumpfen? Oder wirkt die Marktwirtschaft auch über das reine Gewinnstreben hinaus? Der CO2-Ausstoß erster Industrienationen beginnt sich bereits vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. In anderen Worten: Während Wohlstand wächst, sinken die Emissionen – Innovationen sei Dank. Zudem ergreifen immer mehr Staaten nun Maßnahmen, um dem Ziel der Klimaneutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts zumindest nahezukommen, und versehen die Emissionen ganz marktwirtschaftlich mit einem Preisschild in Form einer CO2-Steuer oder Zertifikaten.

Die Dekarbonisierung der Wirtschaft läuft mittlerweile auf vollen Touren – aufgrund bereits bestehender gesetzlicher Regeln, aber auch aufgrund gesellschaftlichen Drucks sowie Vorgaben wichtiger Kunden und Finanziers. Zum Teil ist damit ein tiefgreifender Umbau der Geschäftsmodelle verbunden. Genau das erlebt derzeit Deutschlands Vorzeigebranche Nummer 1: die Automobilindustrie. Sie treibt nach anfänglichem Zögern die Elektrifizierung ihrer Fahrzeugflotten voran. Und selbst Branchen wie der Flugzeugbau, bei dem eine Abkehr von fossilen Brennstoffen lange als Utopie erschien, signalisieren mittlerweile, dass sie in den kommenden Dekaden erst mit emissionsarmen und dann emissionsfreien Triebwerken abheben werden.

Immer mehr Unternehmen begreifen den Weg in Richtung Klimaneutralität als Überlebens-, vielleicht sogar als Wachstumsstrategie. Schon heute setzen große Konzerne ihren Lieferanten klare Ziele, bis wann sie emissionsneutrale Vorprodukte liefern müssen, und drohen anderenfalls mit Auslistung. Banken locken mit günstigeren Konditionen, wenn Kreditnehmer ihre CO2-Belastung reduzieren. Immer mehr Unternehmenslenker verstehen, sich im Spannungsfeld zwischen Profit und Planeten zu bewegen und beziehen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels in ihre Kalkulationen mit ein.

Warum der Stellenwert ethischer Fragestellungen steigt

Die Integration ökologischer Aspekte in Unternehmensstrategien unterstreicht einmal mehr die Anpassungsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystems. Doch die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeit ist mit weiteren Herausforderungen verbunden. Denn die vielzitierten ESG-Kriterien enthalten nicht nur ökologische Aspekte. Hinzu kommen soziale und ethische Fragestellungen.

Noch in den 2000er Jahren schaffte es kaum ein sozialer Missstand in Afrika, kaum eine Umweltkatastrophe in Asien oder ein Korruptionsskandal auf dem amerikanischen Kontinent in die Schlagzeilen westlicher Massenmedien – selbst wenn europäische oder US-Unternehmen involviert waren. Im Zeitalter der sozialen Medien dauert es nur noch Minuten, bis sich eine solche Nachricht und wichtiger die entsprechenden Bilder und Videos rund um den Erdball verbreiten. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Aktivisten sie aufgreifen und vermeintliche Schuldige in ihren Heimatländern anprangern. Unternehmen unterliegen einem permanenten Reputationsrisiko und haben auch daher ihre Bemühungen vervielfacht, an allen Standorten als unbestrittener »good citizen« zu agieren.

Auch hier sind damit auf den ersten Blick unauflösbare Widersprüche verbunden. Denn geht es nicht zu Lasten des Gewinns, wenn Unternehmen freiwillig oder unfreiwillig ihre Standards bei Umwelt- und Arbeitsschutz weltweit erhöhen? Nicht selten sind Stimmen zu hören, die meinen, der hohe Stellenwert der ESG-Kriterien könnte letztendlich doch nur eine Modeerscheinung sein. Dafür spricht auch die zum Teil harte Ablehnung des dort als »woke capitalism« geschmähten Strebens nach mehr Nachhaltigkeit in den »red states« der USA. Und auch in Europa ist es längst nicht mehr Konsens, dass der zu Beginn so gefeierte »Green Deal« der EU auch im vollen Umfang umgesetzt wird.

Wir wagen zu behaupten: die Diskussion um Nachhaltigkeit ist keine vorübergehende Modeerscheinung. Dafür sprechen drei wesentliche Gründe: Erstens gibt es kaum Zweifel daran, dass sich der Klimawandel in den kommenden Jahren immer stärker bemerkbar machen wird. Zweitens hat sich der Nachhaltigkeitsgedanke bei den Generationen Y und Z tief verankert. Immer mehr Konsumenten fordern nachhaltiges Handeln, sei es im Klimaschutz oder bei Sozialstandards. Nachhaltigkeit wird gewissermaßen zum Qualitätsmerkmal und entscheidet zunehmend über Marktanteile. Unternehmen, die sich nicht nachhaltig verhalten, riskieren, Kunden zu verlieren. Personalverantwortliche berichten branchenübergreifend von Bewerbergesprächen, in denen Kandidaten betonen, wie wichtig es ihnen ist, für die richtige Sache zu arbeiten und Unternehmen zu unterstützen, die ESG-Kriterien ernst nehmen. Drittens hat die Politik längst auf diesen Wandel reagiert: Mit zahlreichen Gesetzen, Beschränkungen und marktwirtschaftlichen Instrumenten wie CO2-Zertifikaten wird Nachhaltigkeit aktiv gefördert. Wo der Markt allein nicht genügt, greift die Regulierung ein – und macht klimaschädliches und menschenrechtswidriges Verhalten teuer. Die Weichen in Richtung mehr Nachhaltigkeit sind gestellt, und wer sich nicht anpasst, zahlt den Preis.

Die Politisierung der Ökonomie

Ein Spurwechsel lässt sich derweil in Sachen Politik beobachten. Noch zur Jahrtausendwende verstanden sich selbst sozialdemokratisch geführte Regierungen in Deutschland und Großbritannien eher als Wegbereiter des Shareholder-Kapitalismus. In den USA waren es die Demokraten unter Clinton, die die strikte Regulierung des Finanzwesens aufhoben. Im Gegenzug blieben viele Unternehmen bis weit über die Jahrtausendwende apolitisch. Kleinere Firmen waren lediglich über ihre Verbände in der Lobbyarbeit engagiert. Konzerne leisteten sich eigene Vertretungen in Berlin und Brüssel, beschränkten ihre Arbeit im Wesentlichen auf die Begleitung der Gesetze, die ihre Branche betrafen. In der breiten Öffentlichkeit hielten sie sich mit Äußerungen zu politischen Themen weitestgehend zurück.

Mittlerweile geben immer mehr Unternehmen diese Haltung auf. Auf Druck ihrer Belegschaft, aus Sorge um Kundenbeziehungen und in der Erkenntnis, wie zentral ihre Rolle in den westlichen Gesellschaften ist. In Deutschland zeigte sich der Haltungswechsel zuletzt beispielhaft bei den Kampagnen rund um das Erstarken der AfD. In den USA spaltete schon die Präsidentschaft Obama und dann mehr noch die erste Präsidentschaft Trump die Gemüter im Unternehmerlager. Aber wie reagieren CEOs richtig, wenn ihre Mitarbeitenden oder lokale Medien ein Statement oder gar den Abbruch der Kundenbeziehung mit einer rechts- oder linkspopulistischen Partei verlangen? Nachgeben? Auf die Neutralität des Unternehmens verweisen? Oder sogar vorangehen?

Haltung ist gefragt. Vor allem bei der vermutlich knappsten Ressource in der kommenden Dekade: den Beschäftigten. Sie wollen nicht nur etwas Sinnvolles machen, sondern erwarten von ihrem Arbeitgeber und dessen Entscheidern auch Sinn und Orientierung angesichts der politisch angespannten Zeiten. Das ist jetzt keine Fürsprache für eine Beteiligung an jeder Debatte. Aber ein Plädoyer, authentisch, couragiert und wohlüberlegt bereit zu sein, die zentrale Rolle von Unternehmen im gesellschaftlichen Diskurs zu akzeptieren und sich entsprechend zu engagieren. Authentisch kann nur handeln, wer Themen wie Diversität und Inklusion auch intern lebt. Courage kann nur zeigen, wer Widerspruch und kontroverse Diskussionen in Kauf nimmt. Unter diesen Voraussetzungen kann es sich auszahlen, Stellung zu beziehen und sich so nicht zuletzt einen Vorsprung im Kampf um die besten Talente zu verschaffen.

Insofern: ESG-Kriterien reichen hier längst nicht mehr aus; der Trend geht Richtung ESGP, das auch den politischen Faktor einbezieht. Denn die Politik gewinnt in der Wirtschaft ohne Frage wieder an Einfluss – manchmal sinnvoll, manchmal nicht. Zum Teil ist sie als Ansprechpartner und Anlaufstelle hochwillkommen. Das galt beispielsweise in der Corona-Pandemie, als staatliche Unterstützungsleistungen das Überleben zahlreicher Betriebe garantierten. Und es gilt nun auch bei der Bewältigung der anstehenden ökologischen Transformation. Der Green Deal der EU-Kommission und der Inflation Reduction Act in den USA öffnen die Schleusen für milliardenschwere Subventionen.

Doch der Staat beschränkt sich mit seinem neu erwachten Selbstbewusstsein nicht auf seine Rolle als Zahlmeister. Mit immer neuen Regelwerken erhöht er die Komplexität unternehmerischen Handelns und senkt die Freiheitsgrade bei Entscheidungen. Der sich daraus ergebende Streit entzündete sich zuletzt beispielsweise an der Diskussion um die EU-Lieferkettenrichtlinie. Immer lauter werden nun die Forderungen nach einem Abbau von Bürokratie. Aber die Umsetzung kommt bislang nicht über ein Klein-Klein hinaus. Hinnehmen oder widersprechen? Mit eigenen Vorschlägen den Bürokratieabbau vorantreiben oder akzeptieren, dass die Regelwerke in modernen Staaten nahezu zwangsläufig komplexer werden?

Zumal es zu kurz greift, den Staat oder die Politik auf die Anklagebank zu setzen. Denn häufig sind gerade nationale Instanzen letztendlich auch mehr Getriebene denn Treiber des Wandels. Das zeigt sich sehr gut bei der Diskussion um die Ausgestaltung der Handelsbeziehungen mit autokratischen Regimen: Je größer die Freiheit des Welthandels, desto größer der Wohlfahrtsgewinn, aber auch die Gefahr von Abhängigkeiten. Wie gefährlich solche Abhängigkeiten sein können, machte die Corona-Pandemie und der Angriff Russlands auf die Ukraine deutlich. Bei wieder sinkenden Rohstoffpreisen steht die Politik nun vor der Entscheidung, inwieweit sie erneuerbare Energiequellen vor dem Wettbewerb mit Erdgas und Öl schützt. Angesichts protektionistischer Tendenzen in den USA und China müssen sich die Europäer darüber hinaus mit der Frage auseinandersetzen, wie offen der Binnenmarkt generell für den globalen Wettbewerb bleibt und inwieweit sie die heimische Wirtschaft nach außen abschotten. Je nach Geschäftsmodell profitieren Unternehmen von solchen Entscheidungen. Oder auch nicht.

Geopolitische Spannungen beeinflussen Unternehmensagenden

Oft ist die Beschäftigung mit diesen Themen Neuland für Managerinnen und Manager. Viele sind in der Ära der Globalisierung groß geworden – einer Ära, in der die Welt keine Grenzen mehr zu haben schien. Doch von Friedmans »flacher Welt« ist nur wenig übriggeblieben. Dabei war der freie Welthandel über Jahrzehnte Motor des globalen Wachstums. Doch die jüngsten geopolitischen Konflikte machen deutlich, wie gefährlich die damit verbundenen strategischen Abhängigkeiten für europäische Volkswirtschaften sein können. Zwar gelang es Deutschland, sich innerhalb kurzer Zeit aus der Abhängigkeit von russischen Erdgaslieferungen zu befreien. Doch auf vielen anderen Gebieten bleibt eine Versorgung mit Rohstoffen, Vor- und/oder Fertigprodukten aus anderen Teilen der Welt essentiell. Das Spektrum reicht von zumindest bislang unverzichtbaren Bestandteilen von Batterien – und damit des Antriebs für das Zeitalter der Elektromobilität – wie Lithium über Solarzellen und Computerchips bis hin zu zahlreichen Medikamenten. Oft sitzen die Lieferanten in autokratisch regierten Ländern oder solchen, die von autokratischen Regimes bedroht werden.

Aber ist es wirklich sinnvoll (und überhaupt möglich), all die damit verbundenen Fertigungsstufen wieder zurück nach Europa zu holen und sie hier mit Milliardensubventionen aufzubauen, um die nationale Versorgungssicherheit zu erhöhen? Zumal seit Adam Smiths Zeiten die internationale Arbeitsteilung als entscheidender Treiber der Produktivität und damit unseres Wohlstands gilt. In der Praxis wird sich das Rad der Globalisierung niemals komplett zurückdrehen lassen. Derzeit kristallisieren sich stattdessen zwei Entwicklungen heraus: Diversifizierung beziehungsweise De-Risking und Friendshoring. Getreu dem Motto, niemals alles auf ein Pferd zu setzen, sind Unternehmen gut beraten, mit verschiedenen Lieferanten aus verschiedenen Regionen zusammenzuarbeiten. Und sie machen dies nach den Erfahrungen in der Pandemie auch in zunehmendem Maße. Dabei verstärken viele die Zusammenarbeit mit Lieferanten aus »befreundeten« Ländern; sprich Ländern mit einem ähnlichen Rechts- und Wertesystem und einer entsprechenden politischen Stabilität. Positiver Nebeneffekt: Dies erleichtert es, die Einhaltung von ESG-Kriterien zu gewährleisten. Von daher wird es vermutlich nicht zu einer Deglobalisierung, sondern vielmehr zu einer Reglobalisierung kommen; einer Verschiebung von Lieferketten in Richtung Sicherheit und Nachhaltigkeit.

Eng verbunden mit diesem Thema sind die zunehmenden protektionistischen Tendenzen in großen Wirtschaftsräumen – ein Thema, das viele Unternehmen unmittelbar betrifft und ihre Standortentscheidungen maßgeblich beeinflusst. Über viele Jahre nahmen die westlichen Industriestaaten hin, dass aufstrebende Schwellenländer und vor allem China die heimische Industrie gegen zu viel Wettbewerb aus dem Ausland systematisch abschottete. »Wandel durch Handel«, lautete das Mantra, verbunden mit der Hoffnung, dass sich diese Länder mit zunehmendem Wohlstand in Richtung freier Handel bewegen würden. Entsprechend wurde der Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation WTO im Jahr 2001 gefeiert.

Doch es kam anders: Bis heute bestehen in China wie in vielen anderen Schwellenländern zahlreiche Markteintrittsbarrieren. Den USA mit ihren chronischen Handelsdefiziten ist dies seit längerem ein Dorn im Auge. Nun eskaliert der Konflikt der beiden größten Volkswirtschaften. Demokratie trifft hier auf Autokratie, Marktwirtschaft auf Staatskapitalismus. Die US-Amerikaner beginnen, ihren Binnenmarkt ebenfalls abzuschotten – mit Zöllen, Einfuhrbeschränkungen sowie Gesetzen, die heimische Unternehmen begünstigen. Zum Leidwesen auch der Europäer. Von den Zuschüssen im Rahmen des Inflation Reduction Act der Regierung Biden bleiben sie oft ausgeschlossen. Lange gerierte sich die EU als Musterschüler des weltweiten Handels. Und verschwieg dabei geflissentlich, dass sie vor allem für ärmere Länder wichtige Märkte wie den Agrarsektor schon sehr lange sehr wirksam gegen zu viel Konkurrenz von außen schützte. Mit dem CO2-Grenzausgleichsmechanismus schuf sie zuletzt eine Schutzmaßnahme ganz neuer Art. Nun gerät sie unter Druck, sich im Handelsstreit zwischen den USA und China auf eine Seite zu schlagen.

Noch ist offen, wie sich andere große Wirtschaftsmächte wie Indien oder Brasilien langfristig positionieren und welche Rolle andere Handelspakte wie ASEAN in der neuen multipolaren Welt spielen werden. Eines ist aber bereits klar: Unternehmen müssen sich die Frage neu stellen, wie in Zukunft ihr Handel über Länder- und Kontinentgrenzen aussehen wird und wie realistisch die Alternative des Aufbaus weitgehend autonom agierender Standorte in den einzelnen Wirtschaftsblöcken und damit der Abschied von der globalen Arbeitsteilung ist.

Risiken eingehen und aushalten

Was für ein Spannungsfeld für Unternehmen zwischen Profit, Planet, Prinzipien und … ja der Politik. Was für eine Herausforderung, angesichts der Vielzahl der Beteiligten und des hohen Maßes an Unsicherheit die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ohne diese Herausforderung kleinreden zu wollen, sei indes ein Hinweis gestattet: Vor rund 500 Jahren investierten europäische Kaufleute einen großen Teil ihres Vermögens in Schiffe und Waren, die, wenn sie Glück hatten, nach ein oder zwei Jahren mit Schätzen aus Amerika oder dem Nahen und Fernen Osten beladen zurückkamen. Es gab jede Menge geopolitische Spannungen, Piraten, eine unberechenbare Natur, Seuchen und noch viele weitere Gefahren und keine Möglichkeit, die Route der Schiffe zu überwachen oder gar Kontakt aufzunehmen. Doch diese Kaufleute entschieden sich, das Risiko einzugehen.

Vielleicht ist es das, was moderne Unternehmen wieder lernen müssen: Kalkulierbare Risiken einzugehen und mehr noch auszuhalten. Das Risikomanagement ist damit nicht mehr länger eine Pflichtaufgabe, sondern integraler Bestandteil der Strategie. Genauso wie das Chancenmanagement, Szenariotechniken und anderen moderne Managementmethoden Unternehmen helfen, Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen und dabei eine Vielzahl von Variablen zu berücksichtigen. Entscheidend ist es, die wichtigsten Variablen zu kennen und richtig einzuschätzen. Zu den klassischen Variablen wie Preis, Menge und Wettbewerbsverhalten treten nun Faktoren wie Politik und Prinzipientreue hinzu.

Von Chief Sustainability Officers und Ethikkomitees: Feigenblätter oder echte Treiber des Wandels?

Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren erste Schritte in Richtung Nachhaltigkeit gemacht, oft getrieben durch gesetzlichen Druck. Doch in vielen Fällen bleiben Chief Sustainability Officers und Ethikkomitees ein Feigenblatt – symbolische Einrichtungen, die ein Schattendasein führen und kaum Einfluss auf die strategischen Entscheidungen haben. Sie agieren am Rande der Unternehmenshierarchie, während die eigentlichen Hebel für Veränderung unberührt bleiben. Wirklich nachhaltige Veränderung kann nur gelingen, wenn Nachhaltigkeit als zentraler Bestandteil der Unternehmensstrategie verankert wird – und das durch marktwirtschaftliche Prinzipien geleitet. Natürlich braucht es dafür klare Rahmenbedingungen und ein Wirtschaftsumfeld, das Anreize für nachhaltiges Handeln setzt.

Vor allem aber braucht es Unternehmer und CEOs, die erkennen, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Risiko ist, das es zu managen gilt, sondern eine Chance, sich im Wettbewerb von morgen zu differenzieren. Es braucht Führungskräfte, die Nachhaltigkeit als Motor für Innovation und Wachstum sehen. Ebenso wichtig ist eine Öffentlichkeit, die versteht, dass Gewinnerzielungsabsicht und Wachstumsstreben nicht die Wurzeln allen Übels sind, sondern die Grundlage für unseren Wohlstand und die Voraussetzung, eine bessere Welt zu schaffen.

Nur wenn die Prinzipien von Ökonomie und Ökologie Hand in Hand gehen, wird Nachhaltigkeit mehr sein als nur ein Marketingversprechen. Unternehmen müssen lernen, Risiken einzugehen und Widersprüche auszuhalten. Klarheit und Konsequenz in der Ausrichtung gegenüber allen Stakeholdern sind dabei entscheidend – genauso wie die Fähigkeit, am Ende profitabel zu sein. Denn ohne Gewinnerzielung ist kein langfristiges Überleben möglich, und kein Unternehmen darf zu einer Liebhaberei verkommen. Auch wenn Friedman kritisiert wird, bleibt ein Teil seiner Aussage gültig: »The business of business is business« – allerdings ein Geschäft, das sich den Herausforderungen der Zukunft stellt und dabei die Chancen der Nachhaltigkeit erkennt und nutzt.

Die nachfolgenden Beiträge beleuchten einzelne Aspekte des Spannungsfeldes moderner Unternehmen näher und zeigen, wie diese am besten zwischen Profit, Planet und Prinzipien navigieren:

Traditionelle Stärken versus strukturelle Schwächen: Theo Weimer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Börse, beleuchtet zu Beginn den Status Quo der deutschen Wirtschaft aus der Perspektive internationaler Investoren. Er zeigt, wo unverzügliches Handeln erforderlich ist, um im internationalen Standortwettbewerb nicht weiter zurückzufallen.

Profit versus Prinzipien: Jan-Hendrik Goldbeck vertritt die Stimme des Mittelstands. Der geschäftsführende Gesellschafter des gleichnamigen Baukonzerns beschreibt aus seiner Warte die Konflikte, denen sich Unternehmen derzeit ausgesetzt sehen, und macht deutlich, wie wichtig ein ausreichender Freiraum für den wirtschaftlichen Erfolg von Firmen und damit letztendlich unserer Volkswirtschaft bleibt.

Globalisierung versus nationale Sicherheit: Professor Michael Hüther beleuchtet in seinem Beitrag die veränderten Rahmenbedingungen für deutsche Unternehmen. Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) skizziert aktuelle Konfliktlinien und gibt Hinweise, wie sich eine Gefährdung der Lieferketten erkennen und beheben lässt.

Internationale Zusammenarbeit versus nationale Sicherheit: Dr. Benedikt Franke wirft ein anderes Schlaglicht auf die neuen Rahmenbedingungen. Der Geschäftsführer der Münchener Sicherheitskonferenz rückt den Aspekt der Verteidigungsfähigkeit und Bündnistreue in den Mittelpunkt der Überlegungen.

Wirtschaftswachstum versus Nachhaltigkeit: Neue Rahmenbedingungen schafft auch die laufende Dekarbonisierung. Professor Claudia Kemfert zeigt, warum Nachhaltigkeit inzwischen eine Voraussetzung für das Wachstum von Unternehmen ist. Die Abteilungsleiterin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und Energieexpertin warnt Firmen davor, überfällige Entscheidungen weiter vor sich herzuschieben.

Wendezeit versus Wartestellung: Auch Katherina Reiche beschäftigt sich mit der Energiewende. Die Vorstandsvorsitzende von Westenergie macht insbesondere deutlich, wie gefährlich das Hinauszögern politischer Entscheidungen für die laufende Transformation ist. Die Unternehmen stehen in den Startlöchern, die Politik sollte unverzüglich handeln.

Soziale versus individuelle Verantwortung: Die kenianische Germanistin, Soziologin, Journalistin und Autorin Dr. Auma Obama weitet den Blick auf das Thema Nachhaltigkeit. Die Geschäftsführerin der Sauti Kuu Foundation setzt sich mit der Übernahme sozialer Verantwortung auseinander und gibt Tipps, wie Firmen ein solches Engagement effizient gestalten können.

Globaler Datenverkehr versus Datensouveränität: Einen ungewohnten Blick auf ein viel diskutiertes Thema wagt auch Daniel Krauss. Der CTO des globalen Mobilitätsanbieters Flix mahnt Unternehmen und wie Privatleute zu mehr Eigenverantwortung beim Schutz ihrer Daten und fordert den Gesetzgeber auf, mehr die Eigentumsrechte der Bürger an ihren Daten zu achten.

Regulierung versus Vertrauen: Warum es bei aller berechtigter Kritik nicht ohne staatliche Regeln geht, verdeutlicht Anahita Thoms in ihrem Beitrag. Der Schwerpunkt der Leiterin der internationalen Handelspraxis bei Baker McKenzie Deutschland liegt auf der oft besonders umstrittenen Regulierung von Innovationen und allen voran künstlicher Intelligenz und enthält Handlungsempfehlungen für Unternehmen, um das Vertrauen in neue Produkte und Prozesse zu stärken.

Demokratie verteidigen versus Meinungsfreiheit aushalten: Auch der Jurist und Journalist Rainer Esser behält die Rolle des Gesetzgebers im Blick. Der CEO des Zeitverlags erläutert in seinem Beitrag aber primär, welche Beiträge die Wirtschaft und wir alle zu einer Stärkung der Demokratie leisten können und bezieht sich dabei auch auf Vorbilder aus seinem Verlagshaus.

DIE ZUKUNFT DER DEMOKRATIE

Udo Di Fabio

2024 erinnern sich die Deutschen daran, dass ihre Verfassung 75 Jahre alt wird. 75 Jahre scheinen noch kein langer Zeitraum zu sein, wenn man ihn mit der US-amerikanischen Verfassung vergleicht oder sogar mit der englischen Verfassungstradition, die bis auf die Magna Charta von 1215 zurückreicht. Doch verglichen mit den nur knapp 13 Jahren der demokratischen Weimarer Verfassung ist es doch eine beachtliche Zeitspanne.

Die westlichen Alliierten forderten nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Frankfurter Dokumenten im Jahr 1948 den freien Teil Deutschlands auf, sich eine Verfassung zu geben: föderal, rechtsstaatlich und demokratisch. Die Deutschen zögerten, weil sie ihre Nation nicht spalten wollten. Es entstand gleichwohl eine bemerkenswerte, eine kluge Verfassung. Als die verfassungsgebende Versammlung – der Parlamentarische Rat – von 1948 an in Bonn tagte, waren die Frauen und Männer dieses Gremiums nicht sicher, ob dieses Dokument viele Jahrzehnte überdauern werde. Noch stand Deutschland damals unter alliierter Besatzungsherrschaft, aber dieser Zustand würde nicht ewig dauern. Was wäre, wenn die Deutschen dann ein zweites Mal – wie 1932 – die Demokratie in freien Wahlen »abwählen« würden? Wie kann man die Demokratie stabil halten?

Auf dem Papier der Verfassung hat man die Weichen für eine deutliche föderale Gewaltenteilung und für eine klare parlamentarische Regierungsform gestellt. Der starke Reichspräsident wurde abgeschafft. In der politischen Praxis wusste man, dass zwei Faktoren für das Schicksal der deutschen Demokratie maßgeblich sein würden. Zum einen sollten keine Monopole der Meinungsbildung entstehen, die in den Händen von Rechts- oder Linksextremen waren – wie das bei Alfred Hugenberg und Willi Münzenberg in der Weimarer Republik der Fall war. Das Klima von Hetze und Hass gegen die liberale Demokratie sollte nicht noch einmal entstehen.

Auf der anderen Seite wusste man um einen anderen Grund, warum 1932 die Deutschen mehrheitlich verfassungsfeindliche Parteien gewählt hatten. Sie standen unter dem Schock einer Weltwirtschaftskrise, die zu millionenfacher Arbeitslosigkeit und Massenelend geführt hatte. Männer wie Konrad Adenauer und Ludwig Erhard hatten gelernt: Ohne erfolgreiche und soziale Marktwirtschaft gibt es keine stabile Zustimmung für die Demokratie.

Das waren die beiden Grundpfeiler der jungen Bonner Republik: eine nahezu durchweg demokratische Presse und der von den Alliierten ins Leben gerufene öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf der einen und der beispiellose wirtschaftliche Erfolg auf der anderen Seite. Seit dem Erfolg des Wirtschaftswunders der fünfziger Jahre entstand in der Mitte Europas eine weltweit angesehene und stabile Demokratie. Die Westbindung und die europäische Integration bildeten einen verlässlichen wirtschaftlichen und außenpolitischen Rahmen für diese Entwicklung. Mit Stolz, aber ohne nationale Überheblichkeit, sprach man in den siebziger Jahren vom »Modell Deutschland«. Würde man das heute auch noch sagen?

Demokratien unter Druck

Die Demokratien stehen in vielen Ländern unter Druck. Wir waren bereits Zeugen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU. Das Land war gespalten, mit scharfen Kanten an den Bruchlinien. Ähnliche unversöhnliche Spannungen sehen wir in Italien, in Frankreich, in Israel, in Polen oder auch in Deutschland. Irgendetwas stimmt nicht mit den liberalen Demokratien.

Der außenpolitische Druck wird stärker. Die Ukraine kämpft um ihr Recht auf Selbstbestimmung und damit für ihre, aber auch für unsere Freiheit. Manche fragen ungeduldig: »Wo sind die Waffen, wo die Munition, die der reiche Westen liefern sollte?« Wenn vom Kampf des globalen Südens die Rede ist, mag vieles daran nur eine politische Phrase sein, eine antikapitalistische und antikoloniale Rhetorik. Doch ist unübersehbar, dass wichtige Mächte wie Russland, China oder der Iran ganz gezielt gegen Demokratien vorgehen oder ein solches Vorgehen billigen. Die Akzeptanz der internationalen regelbasierten Ordnung schwindet. Die westlichen Demokratien werden herausgefordert: militärisch, technologisch, ideologisch und wirtschaftlich.

Pessimisten sprechen vom Abstieg der Demokratien oder sogar von ihrem drohenden Untergang. Doch Untergangsszenarien helfen nicht. Sie beschleunigen häufig eine Krise, weil sie Veränderungen einseitig als Verfall verstehen und nicht als Zäsur, als Beginn von etwas Neuem. Es lohnt ein Blick zurück in die Geschichte: Vor hundert Jahren gab es bereits eine weltweite Krise der Demokratien, die in der Weltwirtschaftskrise ab 1930 kulminierte. Die Weltwirtschaftskrise hat Industrieländer unterschiedlich hart getroffen, am stärksten vielleicht die USA und Deutschland. Im Jahr 1933 reagierten die politischen Systeme der USA und Deutschlands darauf höchst unterschiedlich. In den USA wurde Franklin Delano Roosevelt zum Präsidenten gewählt, und er hat mit seinem New Deal einen Weg aus der Rezession gewiesen. In Deutschland gelangte zum selben Zeitpunkt Adolf Hitler an die Macht. Er missbrauchte das Land für seine militärischen und rassischen Fantasien, und er verantwortete mit der planmäßigen Vernichtung der europäischen Juden einen beispiellosen Absturz einer Zivilisation in die Barbarei. Doch Mitte der dreißiger Jahre sah für viele Beobachter die Lage noch ganz anders aus. Man glaubte, dass die Feinde der Demokratien jung und kraftvoll seien: der Kommunismus Lenins und Stalins in Russland, der Faschismus Mussolinis in Italien, der Nationalsozialismus in Deutschland oder der japanische Expansionismus in Asien.

Auf der Pariser Weltausstellung 1937 standen sich vor dem Eiffelturm der russische und der deutsche Pavillon gegenüber. Der eine war von Hitlers Lieblingsarchitekt Albert Speer entworfen, der andere von Boris Michailowitsch Iofa, der von Stalin hochgeschätzt war. Beide errangen Goldmedaillen. Die gegnerischen und doch ähnlichen Pavillons standen in diesem historischen Augenblick für aufstrebende Kraft und für Modernität. Diesen beiden, jung erscheinenden totalitären Systemen schien die Zukunft zu gehören. Sie liebten fortschrittliche Technik und entwarfen einen neuen Menschen, der vom Kollektivismus her gedacht war. Die Klasse oder die Rasse, das Volk, die Nation oder das Imperium waren Leitbegriffe. All diese Systeme brachten nichts als Unterdrückung, Krieg und Elend. Sie verschwanden aus der Welt, nachdem sie eine beispiellose Blutspur in der Geschichte hinterlassen hatten.

Fehlentwicklungen der Demokratie

Nach dem Ende des Kalten Krieges schien die Zukunft allein und endlich den marktwirtschaftlichen, den liberalen Demokratien zu gehören. Aus den Prinzipien persönlicher Freiheit und demokratischer Selbstbestimmung wuchs eine ungeheure Kraft – wirtschaftlich, technologisch und kulturell. Nach 1990 standen alle Zeichen für eine neue friedliche Welt. Die von Immanuel Kant antizipierte Weltrepublik schien eine reale Option, zumindest ein vernünftiges System einer Global Governance.

Doch heute hat sich das Blatt erneut gewendet. Seit Jahren schon erscheinen die Demokratien wieder ähnlich schwach wie ein Jahrhundert zuvor. Sie wirken vor allem in Europa unbeweglich, saturiert und alt, ohne den unbeugsamen Willen zur strategischen Selbstbehauptung. Das Centrum für Europäische Politik (CEP) fasste Ende 2023 die Lage für Deutschland aus ihrer Sicht wie folgt zusammen:

»Die Bürokratie hat das Land fest im Griff. Mehltau liegt auf allem. Die Spätphase einer goldenen Ära des Wohlstandes wird überall sichtbar – auf den Schienen und Straßen, in den Schulen und Krankenhäusern. Inzwischen steht die Wirtschaft vor einem gefährlichen Kipppunkt. Eine ideologisch getriebene Energiewende bringt das Land an den Rand einer De-Industrialisierung. Auch die Demokratie scheint so gefährdet wie seit der Wiedervereinigung nicht. Der Verlust an Vertrauen in Politik und Institutionen befindet sich auf einem Rekordwert und hat – bis in die Mitte hinein – weite Teile der Gesellschaft erreicht.«

Wo liegen heute die Fehlentwicklungen der Demokratie? Es gibt eine offensichtliche politisch falsche Entwicklung in Europa, und gerade auch in Deutschland. Man kann die vergangenen drei Jahrzehnte als die Zeit der geopolitischen Naivität bezeichnen. Nach 1990 hat der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama das Ende der Geschichte ausgerufen und damit das Ende des herkömmlichen Machtkampfes der Imperien diagnostiziert. Unter dem Schutzschild der Vereinigten Staaten, die durch keine Großmacht mehr herausgefordert werden konnten, sollte eine neue Welt entstehen, die sich auf große Menschheitsthemen wie die Bekämpfung des Hungers, die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, die Bewahrung des Weltklimas konzentrieren könne. Offene Märkte und freier Handel sollten den Wohlstand und die Chancen für Demokratien weltweit fördern.

Für ein exportstarkes Land wie Deutschland war das eine nahezu perfekte Welt. Man war eifrig bemüht, die wirtschaftliche Kraft des Landes für die europäische Vereinigung und eine Welt der immer dichteren Zusammenarbeit einzusetzen. Jeder Vorteil im Handel und in der internationalen Arbeitsteilung galt zugleich als eine aktive Entwicklungshilfe. Nach dieser Erwartung sollten auf der ganzen Welt Mittelstandsgesellschaften entstehen, die dann aus den inneren Antrieben selbstbewusster Marktteilnehmer auf politische Demokratie und rechtsstaatliche Verlässlichkeit dringen würden. Die Hoffnung war im Ansatz nicht falsch, aber die Gegenkräfte wurden gravierend unterschätzt. Man verschloss gegenüber einer ganz anderen Entwicklung die Augen, die hin zu einer neuen Bipolarität zwischen den USA und China oder auch zu einer multipolaren Welt der aggressiver werdenden Regionalmächte führte. China, Putins Russland, der Iran und einige andere Mittelmächte dachten gar nicht daran, den Kampf um politische Hegemonie aufzugeben. Spätestens seit der Erschütterung des Westens durch die Weltfinanzkrise 2008 wurden die Herausforderer selbstbewusster und auch gewaltbereiter. Mit der Besetzung der Krim 2014 machte Russland unmissverständlich klar, dass es eine weitere Ausdehnung westlicher Demokratien in seinen von ihm beanspruchten Raum nicht dulden würde. China verhält sich in Asien ebenfalls wie eine Macht, die ihren »Großraum« reklamiert und die USA als fremde Macht dort nicht länger dulden will.

Deutschland hat auf diese Entwicklungen zunächst nicht reagiert. Die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen und die enge Verflechtung mit der chinesischen Wirtschaft wurden weitergeführt und sogar intensiviert. Im Kampf gegen die Klimaerwärmung wurden eigene industrielle Vorteile etwa in der Automobilindustrie zu Gunsten Chinas geopfert. Die eigene Verteidigungsfähigkeit wurde seit 1990 ununterbrochen geschwächt. Unter geopolitischen Gesichtspunkten geschah das in einer völlig unverständlichen, jedenfalls außerordentlich kurzsichtigen Weise.

Die Krise der Demokratie hat auch innere Gründe. Diese Ursachen bestehen dem Grunde nach in Europa wie auch in den USA. Schauen wir auf die Grundbedingungen jeder erfolgreichen Gesellschaft: Politik, Wirtschaft, Technologie und Kultur. Karl Marx hatte geglaubt, dass alle wesentlichen Veränderungen von den Produktionsverhältnissen, von der Wirtschaft als Basis der Gesellschaft ausgehen. Hier finden wir etwa mit der Digitalisierung und vor allem mit dem Aufkommen künstlicher Intelligenz einige Anhaltspunkte für eine vielleicht epochale Umwälzung.

Man könnte aber ebenso umgekehrt der Ansicht sein, dass die alltagskulturellen Einstellungen der Menschen auf Dauer der entscheidende Faktor sind, gerade auch als Bedingung für den wirtschaftlichen Erfolg einer Nation. Dasselbe gilt für das politische System. Eine Demokratie funktioniert nur, wenn die Bürgerinnen und Bürger ihren Erfolg wollen und zur Eigenverantwortung fähig sind. Freiheit muss man wollen und im Alltag auch leben.

Was diese Grundvoraussetzungen in den Köpfen der Menschen angeht, hat sich seit 1990 vieles verändert. Politische Bildung und Erziehung, der öffentliche Raum von Nachrichten, Rundfunk und Presse, das einigermaßen feste System politischer Parteien, Gewerkschaften und Kirchen: All das ist heute noch vorhanden, aber wesentlich schwächer als vor vierzig Jahren. Demografisch ist die Gesellschaft gealtert. Die vorher einigermaßen kontrollierte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt ist in vielen Ländern zu einer unkontrollierten Migration geworden.

Die Gesellschaft ist auch kulturell älter geworden. Die Mehrheit möchte ihren Wohlstand und ihre sozialen Errungenschaften verständlicherweise bewahren, fürchtet den Abstieg. Aber sie scheut jedenfalls in Europa Risiken und reagiert manchmal ängstlich. Die Leistungsbereitschaft und die Leistungsfähigkeit sind nicht mehr so breit verankert wie bisher. Die Konsumgewohnheiten und die Aufnahme von Informationen ändern sich. Politische Ansichten und Einstellungen verlieren alte Wurzeln. Sie werden schnelllebiger. Die Gesellschaft wirkt mehr stimmungsgetrieben und volatiler. Die Algorithmen der Plattformen im Internet fördern abgeschlossene Räume. Hier entsteht eine Kommunikation, die ihre Prämissen immer wieder selbst verstärkt. Die »Tik-Tokisierung«2 erreicht mit sequentiellen Videoschnipseln das Unterbewusstsein ohne den Umweg über Argumente. Im Netz werden alte und neue ideologische Muster verbreitet. Das Material für kulturelle Kämpfe bis hin zu Glaubenskriegen ist frei zugänglich.