Zungentod - Peter Denlo - E-Book

Zungentod E-Book

Peter Denlo

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  • Herausgeber: Cameo
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Mia Casanova, Herausgeberin eines Schweizer Gourmetmagazins, findet innerhalb von wenigen Tagen zwei ermordete Leichen. Die Polizei glaubt nicht mehr an Zufall und will Mia verhaften, doch diese beginnt selber zu ermitteln, um ihre Unschuld zu beweisen. Die Suche führt sie quer über den Globus, wo sie zwar neue Rezepte für ihre Zeitschrift entdeckt, aber auch selber zur Gejagten wird. Im mysteriösen Myanmar trifft sie schliesslich auf Touristenführer Kyaw Zaw, der vor den gleichen Leuten flüchtet wie sie. Da wird Mia erst klar, dass sie drauf und dran ist, einen Skandal aufzudecken, der international Fäden zieht. In einem buddhistischen Kloster begreift sie schliesslich, wie sie dieser Bande das Handwerk legen kann. Doch zuerst muss Mia noch lernen, burmesisch zu kochen ...

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Seitenzahl: 510

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Peter Denlo wurde 1978 in Bern geboren und ließ sich in Los Angeles zum Schauspieler ausbilden. Nach weiteren Stationen in Leipzig und Berlin gründete er in Zürich das Theaterensemble DinnerKrimi. Seither schrieb Peter Denlo unzählige Bühnenstücke, organisierte sechs Jahre lang das dreitägige Krimi-Happening Tatort Jungfrau, veröffentlichte ein Kochbuch und ist weiterhin als Schauspieler tätig. Er lebt mit seinem Partner in Zürich. Zungentod ist sein erster Roman. www.peterdenlo.ch

Copyright ©2021 Cameo Verlag GmbH, Bern

Alle Rechte vorbehalten.

Der Cameo Verlag wird vom Bundesamt für Kultur

für die Jahre 2021–2024 unterstützt.

Lektorat: Susanne Schulten, Duisburg

Umschlaggestaltung, Layout und Satz: Cameo Verlag GmbH, Bern

ISBN: 978-3-906287-98-0

Für Hla Maung

By ourselves is evil done,

By ourselves we pain endure,

By ourselves we cease from wrong,

By ourselves become we pure.

No one saves us but ourselves,

No one can and no one may.

We ourselves must walk the path

Buddhas merely teach the way.

– Paul Carus (after Siddhartha Gautama)

Alle Rezepte finden Sie unter:

www.peterdenlo.ch

1

CALAMARES A LA GADITANA

Gedämpft wie unter einer Glasglocke hörte er die lachenden Menschen im nahen Bliemli Chäller. In der Nacht zuvor hatte er dort in der Kellerdisco noch getanzt und war in den frühen Morgenstunden den Berg hinauf in sein Hotel getorkelt. Jetzt lag er um die Ecke im Schnee und konnte sein linkes Bein nicht mehr bewegen. In seinem Rücken steckte ein Messer. Es war das Einzige, das der Mörder zurückgelassen hatte, und der blutende Mann im Schnee wusste, dass der Täter Handschuhe getragen hatte, um keine Abdrücke zu hinterlassen, die auf seine Identität hätten schließen lassen. Er versuchte zu schreien, aber es kam kein Ton heraus. Denn bevor ihm das Messer als letzter Todesstoß in den Rücken gerammt worden war, hatte ihm der Verbrecher die Zunge aus dem Mund geschnitten und ihm die Stimme gestohlen. Vom Schock und den Schmerzen wie betäubt, war er gestürzt und hatte, am Boden liegend, den letzten Stich, als die scharfe Messerklinge mit Wucht in seinen Rücken eindrang, als beinahe sanft empfunden. Dann war alles um ihn herum schwarz geworden.

Es konnten aber nur wenige Sekunden vergangen sein, denn er vermochte noch die sich entfernenden Schritte des Killers im Schnee zu erahnen, als er wie durch ein Wunder wieder zu sich kam. Die kalte Nässe durchfror ihn am ganzen Körper, schließlich war er nur in Jeans, Hemd und leichten Seidenschal gekleidet, von seinem Mörder aus der Diskothek gelockt worden. Seinen rechten Schuh hatte er irgendwo weiter oben verloren, und mit der großen Zehe klammerte er sich an die Socke, die jeden Moment von seinem Fuß zu rutschen drohte.

Aber die Kälte war weit weniger schlimm als die Schmerzen. Sein Mund brannte, als lodere ein Feuer in seinem Gaumen. Das erinnerte ihn an die alten Nachbarinnen seiner Großmutter, die in ihren schwarzen Kleidern spätnachmittags auf den Treppenstufen vor ihren Häusern gesessen hatten, ihre Gesichter hinter ihren bunten, schnell hin und her wedelnden Fächern versteckt, und ihm laut zugerufen hatten, er solle seine feurige Kehle zu Gold machen und endlich lossingen. Er hatte sich dann vor die fächelnden Witwen gestellt, wie es ihm seine Großmutter befohlen hatte, tief Luft geholt und mit der traurigen Arie über das verstorbene Waisenmädchen begonnen. Die Fenster in den höheren Stockwerken waren aufgegangen, und obwohl die Nachmittagssonne gerade weiter oben immer noch auf den maroden Verputz gebrannt hatte, hatten die Bewohner zu dem dünnen Knaben hinuntergeschaut, der die Leere der hohen Straßenschluchten zwischen Wäscheleinen und zirpenden Kanarienvögeln in rostigen Vogelkäfigen mit seiner Stimme zu füllen vermochte. Seine Großmutter war dabei in der Straße hin und her gehuscht und hatte das Geld aufgesammelt, das für den kleinen Jungen aus den Fenstern geflogen kam. Er war ein schüchterner Zwölfjähriger gewesen, aber wenn er in den schmalen Gassen seiner Heimatstadt den Mund geöffnet hatte, dann hatte er alles um sich herum vergessen, den Sinn für Zeit und Raum verloren. Dann hatte es nur noch ihn und das Lied über das verstorbene Waisenmädchen gegeben.

Genauso wie die abgetrennte Zunge seine Sprache lähmte, war das Messer in seinem Rücken wohl dafür verantwortlich, dass er sein linkes Bein nicht bewegen konnte. Die Schmerzen, die sich vom Schulterblatt hinunter ins Kreuz und noch weiter bis in die Wade zogen, fühlten sich an, als steckten hundert Klingen in ihm. Und als er da in dieser dunklen, kalten Nacht im Schnee lag, packte ihn plötzlich ein großes Verlangen zu sterben, denn nur der Tod konnte diesen Qualen ein Ende setzen. Für eine Sekunde tröstete ihn der Gedanke, in den Himmel zu kommen und seine geliebte Großmutter wiederzusehen, die ihm Abend für Abend auf dem Bettrand sitzend alles über das Paradies erzählt hatte. Aber gleichzeitig erfasste ihn der stärkere Wunsch, noch gerade so lange leben zu dürfen, dass er erzählen konnte, wer ihn so zugerichtet hatte. Bevor er diese Welt für eine bessere verlassen konnte, wollte er Gewissheit haben, dass seinem Peiniger das Handwerk gelegt werde.

Denn er wusste: Da, über ihm am Hang, in seinem Hotelzimmer, lag der allesentscheidende Hinweis. Er musste es also irgendwie zurück ins Hotel schaffen, um seinen Finger auf dem Indiz zu platzieren, damit die Polizei sofort erkennen konnte, wer seinen Tod zu verantworten hatte.

Dafür musste er allerdings die schreckliche Blutung in seinem Mund bremsen. Stöhnend zerrte er den dünnen Schal von seinem Hals und drückte so viel Stoff wie möglich zwischen seine Lippen. Dann versuchte er sich, so gut es ging, mit den Ellbogen und dem rechten Bein durch den Schnee zu schleifen. Er kam nur langsam, Zentimeter um Zentimeter, voran. Der Gedanke, dass es ihn bis zu seinem Hotelzimmer qualvolle Stunden und wohl auch das Leben kosten würde, machte ihn wütend. Aber viel schlimmer waren die unerträglichen Schmerzen. Nach bestenfalls drei Metern begann er dann plötzlich laut zu singen. Die Arie über das verstorbene Waisenmädchen klang in seinen Ohren nie verzweifelter als jetzt – aber kein Ton kam dabei heraus. In seinem Inneren jedoch hörte er sich selber ganz rein und klar – und wie damals, als er zwölf Jahre alt gewesen war, gab es plötzlich nur noch ihn und das Lied.

Der autofreie Bergort Mürren lag in einer Höhe von 1’650Metern über dem Meeresspiegel auf einem von unten dramatisch aussehenden Felsplateau in den Alpen des Berner Oberlands. Alte und neue Chalets reihten sich im Dorf, das er bereits hinter sich gelassen hatte, aneinander. Er kroch nun über das freie Feld, das tagsüber als Ende der Skipiste fungierte, in Richtung Hotel, das weiter oben mit atemberaubenden Aussichten aufwartete. Er war allerdings nicht wie die Briten und Amerikaner zum Wintersport nach Mürren gereist; er war aus ganz anderen Gründen in diese alpine Idylle gekommen. Gründe, die er nicht einmal seinen besten Freunden zu Hause erklären konnte.

Singend, keuchend und durchgefroren hatte er es tatsächlich rund 250Meter den Berg hinaufgeschafft. Nun lag er auf der Panoramaterrasse des Hotels Zur Blauen Geiss, wo er im dritten Stockwerk ein Doppelzimmer zur Einzelnutzung mit Balkon gemietet hatte. Er war fast am Ziel. Aber wie sollte er unbemerkt ins Hotel hinein und auf sein Zimmer kommen? Fände ihn hier jemand in diesem Zustand, würde die Polizei gerufen werden, ein Helikopter brächte ihn ins Spital nach Interlaken und wahrscheinlich würde er schon während des Flugs dorthin den Geist aufgeben. Zum hundertsten Mal begann er in seinem Kopf das traurige Lied von vorn, und gleichzeitig versuchte er, sich Richtung Seiteneingang zu schleppen. Durch die alten, großen Fenster dröhnten die Stimmen und das Gelächter der Restaurantgäste nach draußen. Kurz vor der Ecke des Hauses hörte er hinter sich das Öffnen der Tür zur Bar und Schritte, die nach draußen in den Schnee kamen. Ohne hinzuschauen, konzentriert auf die Arie in seinem Kopf, wand er sich mit aller Kraft um die Hausecke, um dem Sichtfeld der Person zu entkommen, die ihn sonst in den verfrühten Tod schicken würde. Kaum war er in Sicherheit, hörte er das Geräusch eines Feuerzeugs und das genießerische Ausatmen eines Rauchers. Kurz kam in ihm die Lust auf, selber eine zu rauchen. Obwohl er vor über zehn Jahren mit diesem ungesunden Laster aufgehört hatte, spielte die Sucht gerade jetzt in seinem Todeskampf ein böses Spiel mit ihm. Eine letzte Zigarette, die er in vollen Zügen genießen könnte, bevor er seinen allerletzten Atemzug tat? Schnell beschloss er, diesen Gedanken zu verdrängen und sich wieder dem verstorbenen Mädchen in der Arie zu widmen.

Der seitliche Eingang sollte ihn in den Skiraum und dann in die Lobby bringen, wo er den Fahrstuhl ins dritte Obergeschoss nehmen konnte. Doch die Türen entpuppten sich als wahre Hindernisse. Am Boden liegend, durchtränkt vom kalten Schnee und dem eigenen Blut, hob er den rechten Arm, so weit es ging, um die Türklinke zu erreichen, und nach mehrmaligem Versuchen gelang es ihm tatsächlich, die Pforte zum dunklen Skiraum zu öffnen. Ein Schaudern durchfuhr ihn. Er konnte nicht sagen, ob es die Wärme war, die ihm aus dem geheizten Raum entgegenströmte, oder ob es verschiedene Organe in seinem Körper waren, die drohten, jeden Moment die Arbeit einzustellen. Doch zumindest der alte, stinkende Teppich, über den er sich schleppte, verschaffte ihm die freudige, wenn auch momentan etwas unangenehme Gewissheit, dass sein Geruchssinn noch einwandfrei funktionierte.

Die Tür zur Lobby war nur über drei Tritte zu erreichen und schien eine Tonne zu wiegen. Nach dem zweiten Versuch war er sich sicher, dass er es niemals schaffen und hier in diesem muffigen Skikeller sein Ende finden würde. Doch dann hörte er Schritte von der anderen Seite der Tür auf sich zukommen. In letzter Sekunde, bevor ihn die sich mit Wucht öffnende Tür mit einem tödlichen Schlag am Kopf treffen konnte, gelang es ihm, sich seitlich neben den Treppenstufen hinuntergleiten lassen. Dabei schleifte er mit seinem gekrümmten Rücken über die steinerne Wand, wodurch sich das Messer noch tiefer in sein Fleisch drückte und sich dann zur Seite neigte, sodass die Klinge ein noch größeres Loch in seinen Körper riss. Als er mit seinem Gesäß auf dem harten Betonboden landete, konnte er hören, wie das schwere Messer hinter ihm auf den Boden krachte. Er lag halbmondartig wie ein Croissant und mucksmäuschenstill im Dunkeln da, eingeklemmt zwischen einem Gestell mit bunten Skischuhen und drei Tritten, als er sah, wie sich die Türklinke über ihm langsam nach unten bewegte.

Durch die Tür kamen zwei Teenager. Der Knabe schob das kichernde Mädchen vor sich her, und als sie den Lichtschalter rund anderthalb Meter über seinem blutigen Kopf betätigen wollte, zog der Junge ihre Hand schnell vom Knopf weg und fauchte sie in halb befehlendem, halb romantischem Ton an: «No light!» Das Mädchen kicherte weiter, als der junge Mann sie die drei Stufen hinunterzerrte, sie zwischen zwei an die Wand gelehnten Skis gegen den Heizkörper drückte und sich mit der Hand an ihrem Pullover zu schaffen machte. Das Kichern verstummte jedoch, als der Jüngling seine Lippen gierig und unerfahren auf die seiner Flamme drückte. Der jungen Frau ging dies zu weit und so versuchte sie, sich von ihm zu lösen. Aber der Kerl wollte seine Beute nicht so einfach aufgeben und versuchte sie mit «Come on!» und groben Küssen umzustimmen. Mit einer geschickten Bewegung gelang es ihr dennoch, sich nach unten bückend aus seinen Armen und dem unfreiwilligen Liebesspiel zu lösen. Sie sprang hinüber zur Tür und verließ den Skiraum mit einem leisen «Asshole». Der Halbwüchsige stand zunächst perplex beim Radiator und schrie dann dem flüchtenden Mädchen durch die sich schon wieder schließende Tür ein lautes «Bitch!» hinterher. Nach einigen Sekunden richtete er seinen Phallus in der Hose zurecht, strich sich mit den Fingern durch das zerzauste Haar und machte sich dann selber auf, den miefigen Raum zu verlassen. Als die Tür hinter dem Teenager zurück ins Schloss zu fallen drohte, schaffte es der verletzte Mann in letzter Sekunde, seinen rechten Arm zwischen Tür und Rahmen zu schieben. Die Pforte schlug mit all ihrer Schwere gegen seinen Unterarm, der dabei ein furchterregendes Knacken von sich gab.

Nur noch mithilfe des rechten Beins und des linken Arms gelang ihm endlich die Flucht aus seinem unbequemen Versteck im Skikeller. Seine Schmerzen schienen in der unnatürlichen, aufgerollten Stellung neben der Treppe seltsamerweise nachgelassen zu haben. Oder war sein Nervengerüst bereits so in Mitleidenschaft gezogen, dass er seinen Körper gar nicht mehr spüren konnte?

In der Lobby hob er den Kopf und schaute sich kurz um, erblickte aber glücklicherweise keine Menschenseele. Im Office hinter der Rezeption hörte er jemanden am Telefon, und aus Bar und Restaurant waren die Stimmen der Hotelgäste zu vernehmen. Er musste sich beeilen. Der Lift war nur rund drei Meter von ihm entfernt und stand bereits offen. Gleich hatte er es geschafft.

Auf dem Fahrstuhlboden musste er sich quer hinlegen, damit seine Beine nicht das Schließen der Türen verhinderten. Wie silbrige Weihnachtskugeln leuchteten die Knöpfe für die verschiedenen Stockwerke weit über seinem Kopf. Wie um alles in der Welt sollte er sie erreichen? Unmöglich. Da fiel ihm die Handstange auf, die sich auf gut einem Meter Höhe über drei Seiten der Liftkabine erstreckte. Mit der linken Hand umklammerte er diese und versuchte, sich mit aller Kraft nach oben zu hieven. Halb stehend, gelang es ihm tatsächlich, mit dem Daumen seiner rechten Hand den Knopf zum dritten Stock zu betätigen. Die Türen schlossen automatisch und der Fahrstuhl begann, sich hinaufzubewegen.

Doch während der Fahrt verließen ihn endgültig die Kräfte. Er sank zurück zu Boden, und als die Tür auf der dritten Etage aufging, erstrahlte seine nicht weit entfernte Zimmertür in einem weißen Licht. Plötzlich sah er sich wieder als Zwölfjährigen zu Hause. Der Geruch seiner Kindheit, ein Mix aus Meer, Blumen und frisch frittierten Calamari, stieg ihm in die Nase, als er vor seinem inneren Auge sah, wie seine Großmutter einen Teller vor ihm auf den Tisch stellte. Kaum hatte er nach der von ihm so geliebten Salsa aus Tomaten, Knoblauch und Koriander gefragt, reichte ihm die alte Frau auch schon eine reich gefüllte Schale. Die Liftkabine füllte sich mit Liebe, das Licht im Hotelflur breitete sich über das ganze Stockwerk aus. Und sein Herz hörte auf zu schlagen.

2

CLUB SANDWICH

Als Mia durch die Glastür auf die Terrasse hinauskam, zuckte sie kurz zusammen. Sie war sich nicht sicher, ob es wegen der Kälte war, die ihr aus der mondleeren Nacht entgegenwehte, oder ob sie erschrak, weil sie an der Hausecke ein ihr fremdes, knarrendes Geraschel hörte. Sie wandte den Kopf reflexartig nach links Richtung Geräusch. Doch in der Dunkelheit konnte sie nichts erkennen. Sie stellte sich einen Fuchs vor oder sonst ein Tier, das auf der Suche nach etwas Essbarem durch den Schnee watete. Sie zog eine Zigarette aus ihrer Jackentasche und zündete sie an, während sie den Himmel bewunderte. Es war lange her, dass sie eine solche Sternenmenge gesehen hatte. Die Milchstraße war glasklar erkennbar. Sie konnte den großen und den kleinen Wagen ausmachen und freute sich darüber, dass bei ihr doch noch etwas aus dem Geografieunterricht bei Herrn Indermühle hängen geblieben war.

Nach dem dritten Zug an der Zigarette öffnete sich hinter ihr die Tür und der Barkeeper Ingo, der Mia einige Zeit zuvor den Cosmopolitan gemixt hatte, trat hinaus und stapfte durch den Schnee zu ihr herüber. Er hatte seine Arme fest vor der Brust verschränkt, als würde er ein Geheimnis in seinem Herzen tragen, das keinesfalls ans Licht der Öffentlichkeit kommen durfte. Aber in Tat und Wahrheit war ihm einfach nur saukalt, denn er trug lediglich ein etwas zu enges weißes Hemd mit schwarzer Fliege. «In meinem Zimmer hätte ich noch ’ne Weste», erklärte er in spitzem Hochdeutsch, zeigte zugleich auf Mias nackte Füße in den braunen Pumps und schlussfolgerte: «Ich glaube auch nicht, dass Sie ewig hier draußen stehen werden, wenn ich Sie so anschaue.»

Mia hasste es, Hochdeutsch zu sprechen, weil sich immer ein italienischer Akzent einschlich, den sie, wenn sie Schweizerdeutsch sprach, überhaupt nicht hatte. Sie hörte in Gedanken die Stimme ihrer Deutschlehrerin, Fräulein Schär, die immer die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und gejammert hatte: Bei Euch Italienerkindern ist Hopfen und Malz verloren! Mia lief es auch all die Jahre später immer noch kalt den Rücken herunter, wenn sie an Fräulein Schär dachte. «Wenn Sie Ihre Weste holen, können Sie mir ja auch gleich ein Paar Wollsocken mitbringen», forderte sie den Barkeeper auf und kam sich sofort blöd vor, nicht nur wegen dieser einfallslosen Bitte, sondern auch ihrem Akzent, den sie selbst in ihrer Stimme hören konnte.

«Sie sind Italienerin?», fragte der Barmann denn auch sogleich.

«Meine Eltern waren es», gab Mia ertappt zu, rollte mit den Augen und fügte noch an: «Aber ich bin hier geboren und aufgewachsen.»

«In Italien ist’s jetzt sicherlich bisschen wärmer als hier», tönte er mit zu offensichtlich antrainiertem Charme, «aber egal, ’ne Zigarette wird mich ein bisschen aufwärmen, wenn ich Ihnen eine ausreißen darf, Frau Casanova?»

Mia war der plumpe Flirt egal. Sie war sowieso zu viel Frau für diesen Barkeeper und wusste, dass er vor ihr deutlich mehr Angst haben müsste als sie vor ihm. Sie zog das Zigarettenpäckchen aus der Jackentasche, klopfte an die Unterseite der Box und hielt sie ihm mit drei, vier herausragenden Kippen hin. «Ich habe Ihnen beim Bestellen meines Cosmos nur meine Zimmernummer genannt. Woher kennen Sie also meinen Namen?»

«Ich könnte Sie auch Frau 318 nennen, aber unsere schlaue Kasse verrät uns beim Eintippen der Zimmernummer den Namen der Bewohner. Und ’nen coolen Namen wie ‹Casanova› vergisst man nicht so schnell. Sind Sie verwandt mit ihm?»

«Mit wem?»

«Mit dem berühmten Casanova, der, äh, der doch Italiener war und mit allen Frauen unter die Laken stieg.» Ingo hatte nicht begriffen, dass Mia die Frage nach ihrem Verwandtschaftsgrad mit dem Frauenhelden, der allen auf ihn folgenden Frauenhelden den Namen gab, bereits zu oft gestellt bekommen hatte.

«Nein, wir sind nicht verwandt, und ich steige auch selten mal mit einer Frau unter die Laken. Aber ja, Casanova war ein Italiener, starb jedoch bei dir, da irgendwo in Deutschland.» Mia schaute müde, fügte dann aber mit ausgestreckter Hand an: «Du kannst Mia zu mir sagen.»

«Mia Casanova, wow, was für’n geiler Name!», lachte der junge Deutsche bewundernd, als er ihre Hand packte. «Ich bin Ingo», stellte er sich vor, worauf Mia neckisch meinte: «Ja, ich weiß …»

Ingo schaute auf sein Namensschild herunter, auf dem deutlich Ingo Ostermann zu lesen war. Direkt unter dem Schild drückten die dunkelrote Farbe und die Umrisse eines harten Nippels durch den dünnen Hemdstoff. Mia fixierte die Stelle und meinte: «Bisschen kalt hier draußen, oder? Gibt’s für mich denn drinnen in der Wärme vielleicht noch einen Cosmo, Ingo?»

«Aber gerne, Mia!», hauchte der Barkeeper mit kalten Lippen, während er gleichzeitig den Rauch der Zigarette direkt in ihr Gesicht pustete. Mia bewegte sich langsam Richtung Tür und drückte ihren Stummel im Aschenbecher an der Wand mit geschickter Falttechnik aus. Ingo folgte ihrem Beispiel, und die beiden traten wieder in die Wärme.

Kein Mensch war in der Bar. Alle Leute saßen immer noch im Restaurant. Von der Lobby her hörten sie das Kichern eines Mädchens. Mia wusste sofort, dass es sich dabei um die süße Texanerin handelte, die mit ihren Eltern am Tag zuvor aus Houston angereist war. Sie hatte heute in der Lobby kurz mit der Familie gesprochen und noch vor dem Abendessen beobachtet, wie das Mädchen mit einem gutaussehenden Jungen aus London angebandelt hatte. Beide hatten ihr Leben noch vor sich, was Mia ein wenig neidisch stimmte und sie an ein Skiklassenlager in Davos erinnerte, als sie sechzehn gewesen war. Damals frühreif und übermütig, hatte sie besonders ihre männlichen Schulkameraden langweilig und zurückgeblieben gefunden; schließlich war sie bereits mit dem drei Jahre älteren Sergio zusammen, den sie kurz zuvor in der Roten Fabrik in Zürich kennengelernt hatte und mit dem sie das hitzige Temperament der Secondo-Italiener teilte. Jede Nacht war sie aus dem Schulheim geschlichen, um heimlich mit ihrem Freund zu schmusen, der nur nach Davos gekommen war, um bei ihr zu sein.

Mia war froh, musste sie nicht nochmals durch die peinlichen Jahre der Pubertät hindurch, doch gleichzeitig sehnte sie sich nach der Unbekümmertheit und der Verrücktheit der Jugend. Sie fand, sie hatte sich gut gehalten, als sie ihr lässig auf dem Barhocker posierendes Abbild im großen Spiegel links des Bartresens betrachtete. Für eine Italienerin hatte sie mit einem Meter und fünfundsiebzig Zentimetern eine stattliche Größe. Sie hatte auch als leidenschaftliche Gourmet und trotz jahrelanger Arbeit in Restaurantküchen ihre sportliche Figur beibehalten können; ihr Gesicht hatte zwar die ersten Lachfalten, aber kaum jemand tippte auf ihr wahres Alter von fünfundvierzig Jahren. Ihre Trademark waren die langen, tief dunkelbraunen, aber noch nicht ganz schwarzen krausen Haare, auf die selbst Julia Roberts eifersüchtig gewesen wäre. Manchmal hingen sie ihr lässig über Schultern und Rücken, und manchmal thronten sie, mithilfe eines Bleistifts festgesteckt, als hoher Dutt weit über ihrer Stirn. Aber immer waren ihre Haare der wilde Blickfang, auf den die Männer als Erstes schauten.

Ingo stellte ihr einen neuen Cosmopolitan hin und fragte, ob sie denn ganz allein hier in Mürren Urlaub mache. Mia wollte nicht zu weit ausholen, aber erklärte dem neugierigen Barkeeper kurz und knapp, dass der Dezember – samt Weihnachten und Neujahr – bei ihrer Arbeit eine der stressigsten Zeiten des Jahres sei: «Und so suche ich im Januar ein bisschen Erholung, und das kann ich nirgends besser als in einem abgelegenen Bergdorf wie Mürren, in einem altehrwürdigen Hotelkasten wie der Blauen Geiss, wo ich mich mit einem guten Buch zu jeder Tageszeit an den großen, warmen Kamin in der Lobby setzen und einen Cocktail nach dem anderen schlürfen kann.»

«Wie lange bleibst du denn?»

«Wie lange bist du denn schon in der Blauen Geiss?», konterte sie die Frage sogleich mit einem herausfordernden Blick.

«Die dritte Wintersaison», antwortete Ingo stolz. «Mir gefällt es hier oben. Die Hotelleitung ist nett und das ganze Dorf so etwas wie eine große Familie für mich. Im Sommer jogge ich durch die saftigen, grünen Wiesen und im Winter bin ich täglich auf dem Snowboard. Was will man mehr?»

Mia dachte für sich, dass es sich hier nur um einen Ausländer handeln konnte, der mit solchen Tönen die Werbetrommel für die Schweizer Alpen rührte. Seine Aussagen erklärten jedoch auch den durchtrainierten Körper, der unter dem engen Hemd zu erahnen war – und mit jedem weiteren Schluck Alkohol war sich Mia sicherer, dass sie die Nacht nicht allein verbringen würde.

«Ist es manchmal nicht ziemlich einsam hier oben?», wagte sie sich mit einem Funkeln in den Augen weiter vor. Aber Ingo hatte schon die perfekte Antwort für sie parat: «Nicht, wenn man in der Bar der Blauen Geiss arbeitet. Hier sitzen einem doch die schönsten Frauen aus dem Unterland am Tresen gegenüber.» Mia schaute ihn mit einem breiten, verschmitzten Lächeln an, während sie nach einer schlagfertigen, passenden Antwort suchte, aber es kam ihr, was durchaus selten geschah, gerade keine in den Sinn.

«Die Nächte hier oben können ganz schön kalt werden. Aber noch jeder Frau, die mit mir das Bett geteilt hat, ist schön warm geworden», legte er noch eins drauf, während er einen weißen Putzlappen sanft über die zerbrechlichen Gläser gleiten ließ und sie bis zur Perfektion polierte.

Mia lachte laut heraus, gab dann aber mit einem schelmischen Lächeln zu, dass sie letzte Nacht so ganz allein in ihrem Zimmer tatsächlich ein bisschen gefroren habe.

«Noch einen Cosmo?», fragte er und blickte ihr tief in die Augen, worauf sie ihm ihr noch halbvolles Glas zeigte. Er war etwa zehn oder fünfzehn Jahre jünger als sie, aber schließlich flirtete er auch unentwegt mit ihr. Oder war das nur, weil sie der einzige und dazu noch weibliche Gast in der Bar war? Nur Sekunden, nachdem ihr diese negativen Gedanken durch den Kopf gehuscht waren, kam ein Paar herein und setzte sich auf die Barhocker neben Mia. Es waren die Eltern des texanischen Mädchens. Die beiden orderten bei Ingo je einen Dirty Martini und stellten sich Mia als Kathy und Bill Bridges vor. Mia erkundigte sich nach der Tochter, worauf Kathy erklärte, dass Birdy gerade ganz müde zu Bett gegangen sei.

«Wir leiden ja alle noch unter Jetlag», erklärte Bill, der als Dermatologe in Houston praktizierte – so hatte Mia es jedenfalls gehört. Sie konnte ihre Augen kaum von Kathys Gesicht abwenden, so fasziniert war sie von der natürlich jungen Haut der Amerikanerin. Und gleichzeitig sah nichts gestrafft oder gezogen aus. War dieser Arzt tatsächlich ein Halbgott in Weiß? Ihm sah man jedoch an, dass er um die sechzig war. Obwohl großgewachsen, breitschultrig und sportlich, begann besonders die Haut an seinem Hals schon fast ein wenig herunterzuhängen wie bei einem Truthahn. Die tiefen Kerben der Krähenfüße um die Augen kamen so richtig zum Vorschein, wenn er lächelte, bekamen aber Konkurrenz durch das künstliche Weiß der überperfekten Zähne. Auf seiner Nase konnte Mia große Poren mit schwarzen Pünktchen erkennen. Sie schaute wieder zu der Frau hinüber, um die Haut der beiden zu vergleichen. Fasziniert von ihrem feinporigen Teint, überlegte sie für einen Augenblick, ob sie sich nach dem Geheimnis ihres jugendlichen Aussehens erkundigen sollte. Doch Mia wäre sowieso nicht zu Wort gekommen, denn Kathy hörte nicht auf zu erzählen: «Wir konnten Birdy für zwei Wochen aus der High School nehmen, weil wir unsere Silberhochzeit feiern. Birdys ältere Brüder Justin und Jeremy sind ja bereits auf dem College; sie kamen noch in Germany zur Welt, als Bill während seiner Zeit in der Army in einem Military-Krankenhaus in der Nähe von Wiesbaden gearbeitet hat. Und jetzt haben wir Freunde in good old Germany besucht, aber es hat nur geregnet und wir konnten es überhaupt nicht genießen. Und unsere vierzehnjährige Tochter wollte doch endlich mal richtig viel Schnee sehen und so sind wir jetzt hier zum Skifahren. Aber dann geht’s gleich weiter nach Rom, um unserer Birdy die Ruinen einer vergangenen Zivilisation zu zeigen. So cool, nicht?»

«Wir haben mit ihr auch schon den Film mit Audrey Hepburn geschaut!», verkündete Bill stolz.

«Ach, diese alten Filme in Schwarz-Weiß, die sind doch nichts für die Kinder von heute. Aber die Szene bei der bocca della verità fand Birdy very funny!», kicherte Kathy, worauf Mia die Verwandtschaft zum vorherigen Kichern in der Lobby erkannte.

Als Ingo die beiden Dirty Martinis auf den Tresen stellte, wurde Mia bewusst, wie schnell sie viel über Kathy und Bill erfahren hatte, obwohl sie nur zu einer einzigen Frage gekommen war. Sie schluckte die letzten Tropfen ihres Cosmos herunter, bestellte mit einem Augenzwinkern bei Ingo gleich den nächsten und erklärte ihm und den Texanern, sie müsse kurz zur Toilette. Als sie die Bar verließ, nervte sie sich, dass dieses langweilige Pärchen ihren Balztanz mit dem Barkeeper unterbrochen hatte. Doch gleichzeitig war ihr auch bewusst, dass sie Ingo erst in ein, zwei Stunden mit auf ihr Zimmer nehmen konnte, wenn seine Schicht an der Bar zu Ende war. Also musste sie die Zeit bis dahin irgendwie überbrücken.

In der Lobby ging sie direkt Richtung Fahrstuhl, wo sie auf dem Parkett davor dunkelrote Streifen bemerkte. Sie dachte sich zunächst nichts dabei und drückte den Knopf, um den Aufzug zu rufen. Doch der kam und kam nicht. Da ihre Blase drückte und sie in ihren eigenen vier Wänden zur Toilette gehen wollte, eilte sie kurzentschlossen die Treppe in die dritte Etage hinauf. Als sie dort ankam, entdeckte sie zu ihrem Schrecken eine blutverschmierte Hand, die aus der offenstehenden Tür des Liftes herausragte. Vorsichtig lugte sie um die Ecke in die Kabine hinein.

Mia konnte sich danach nicht mehr erinnern, wie sie die Treppe hinunter und zurück zur Bar gelangt war. So laut wie ihre Stimme es zuließ, schrie sie um Hilfe. Ingo und Bill waren die Ersten, die ihr in der Lobby entgegengerannt kamen und sie entsetzt fragten, was denn los sei. Sie war ganz außer Atem und brachte kaum ein gerades Wort heraus, aber sie zeigte zur Treppe, und es gelang ihr ein knapp gejapstes «Im dritten Stock!». Ingo rannte los, Bill hinterher, und Kathy legte sich Mias linken Arm über die Schulter, um sie fürsorglich stützend in die oberen Etagen zu begleiten.

Der Anblick der Leiche in der Liftkabine war fürchterlich. Der leblose Mann lag seitlich am Boden. Sein rechter Fuß war nackt und bläulich-grün verfärbt, die Kleidung patschnass und von Blut in verschiedenen Rottönen durchtränkt. Sein linker Arm lag unter ihm begraben. Der rechte Unterarm schien gebrochen zu sein und ragte zum Lift hinaus. Die Haare des Mannes waren zerzaust und ebenfalls voller Blut, das zum Teil bereits geronnen war. Obwohl man nur eine Hälfte des Gesichts sehen konnte und die Haut zwischen den Wunden und all dem Blut in seinem Gesicht bläulich schimmerte, erkannte Mia den Mann sofort. «Das ist Raúl. Ich habe gestern Abend noch mit ihm getanzt. Sein Zimmer ist gleich da drüben.» Mia zeigte mit zitterndem Finger auf die Tür mit der Nummer 306.

Um 3.30Uhr nachts waren alle Menschen im Hotel – außer Mia, Ingo und rund zehn Forensikern der Polizei, die weiterhin zwischen Bliemli Chäller und drittem Stock der Blauen Geiss jeden Zentimeter nach Indizien absuchten – ziemlich geschockt ins Bett gegangen. Mia setzte sich allein an die Bar und Ingo mixte ihr, ohne zu fragen, einen neuen Cosmopolitan, den er dann stumm vor ihr auf den Tresen stellte. Mia war still, tief versunken in ihren Gedanken. Sie erinnerte sich, wie Raúl am Abend zuvor mit ihr im Bliemli Chäller getanzt hatte. Sie hörte sein lautes, ansteckendes Lachen. Sie sah wieder die großen Flocken, die vom Himmel herabgeweht waren, als sie betrunken und Arm in Arm mit ihm nach draußen getorkelt und den Berg hinauf durch den Tiefschnee gestapft war und wie sie ihm im Hotelflur noch zugeflüstert hatte, wie schade sie es fände, dass er schwul sei. Er hatte sie auf die Wange geküsst und ihr verschmitzt Buenas noches ins Ohr geflüstert, bevor er in seinem Zimmer verschwunden war. Mia griff nach ihrem Cocktailglas und begann, in Gedanken versunken daran zu nippen. Hatte er irgendetwas zu ihr gesagt, das auf dieses Ende nicht einmal 24Stunden später hätte hindeuten können? Doch Mia war mit der Polizei bereits alle ihre Gespräche mit Raúl durchgegangen. Nichts. Da war nichts.

«Ich fänd’s schon echt geil, so ’nen Mordfall zu untersuchen», erklärte Ingo, während er mit einem Tuch die Dampfdüse zum Aufschäumen der Milch an der großen Cimbali-Maschine polierte. «Ich meine, was die Bullen in dieser kurzen Zeit schon über diesen Typen rausgefunden haben – Wahnsinn! Dass er sich durchs halbe Haus geschleppt hat. Das Messer im Skiraum. Die abgetrennte Zunge im Schnee. Die Socke draußen unterhalb der Terrasse. So geil!»

«Das war nicht besonders schwierig. Die mussten ja nur den Blutspuren folgen», erwiderte Mia irgendwie gelangweilt.

«Trotzdem. Ich fänd’s schon cool, so ’nen Job zu haben und mich auf die Suche nach ’nem Killer zu begeben», schwärmte der Barkeeper.

Aber Mia war anderer Ansicht. «Also, da mache ich lieber meinen Job.»

«Was arbeitest du denn?», wollte er wissen.

«Ich bin Chefredakteurin einer Zeitschrift», verriet sie ihm.

«Oh, Journalistin, auch spannend. Welche Zeitschrift denn?», bohrte er nach.

«Tafelspitz», gestand Mia leise, worauf Ingo fast ungläubig zurückfragte: «Tafelspitz? Das liegt da draußen in der Lobby auf!»

«Ich weiß», gab sie zu und fügte schnell an: «Aber keine Angst, ich bin nicht hier, um das Hotel oder sonst etwas zu testen. Ich bin, wie gesagt, nur hier, um ein paar Tage zu relaxen.» Als sie sich das Wort relaxen sagen hörte, musste sie direkt loslachen. «Hast du mitbekommen, was ich da rede? Relaxen … mit einer Leiche im Lift! So eine Scheiße!»

«Hast du Hunger?», fragte Ingo sie unvermittelt.

«Eigentlich ist mir der Appetit vergangen», antwortete sie fast automatisch.

«Der wird schon wieder zurückkommen, Mia», versprach Ingo, als er hinter dem Bartresen hervorkam und sie an der Hand fasste. Dabei sprang Mia vom Barhocker herunter, verschüttete nur einen kleinen Tropfen ihres Cosmopolitan und lief mit dem Cocktailglas in der einen Hand hinter dem Mann her, der sie an der anderen Hand in die Lobby zog.

Es war still im Gebäude. Alle waren nach dem Schock des Abends ins Bett gegangen. Nur Miguel, der Nachtportier, machte noch seine Runden, um nach dem Rechten zu schauen. Dabei saß ihm der Schrecken noch tief in den Knochen, schließlich war auch er, genauso wie der Tote aus dem Fahrstuhl, Spanier. Daher erschrak er fürchterlich, als er allein in der großen Hotelküche stand und plötzlich die Tür zum Speisesaal aufging. Fast hätte er einen Schrei ausgestoßen, da erkannte er Ingo und die Frau aus der 318 – Hand in Hand. Miguel atmete tief durch.

«Alles easy, Miguel! Auf den Schock brauchen wir was in den Magen, verstehst du?», erklärte Ingo. Miguel nickte und verließ die Küche, um seinen Rundgang durchs Haus fortzusetzen.

Ingo packte Mia geschickt an den Hüften und hievte sie auf eine der langen, chromstählernen Ablagen, wo tagsüber unter großem Stress Stunde um Stunde gearbeitet wurde. Mia schaute seine Arme an und registrierte die Muskeln unter den straffen Ärmeln seines weißen Kellnerhemdes, während er sie wieder losließ. Langsam kam ihr Appetit zurück.

Unterdessen öffnete Ingo verschiedene Schränke und Schubladen. Er stellte Utensilien und Lebensmittel neben Mia auf die Ablage und begann in Windeseile zu schneiden und zu hacken. Dabei erzählte er ihr seine Geschichte: dass er eigentlich immer hätte Koch werden wollen, leider jedoch im Service stecken geblieben sei. Dass er nun aber nochmals einen Anlauf nehmen wolle, denn sein Onkel, der in England lebe, habe gerade ein Restaurant eröffnet und brauche Hilfe in der Küche.

Mia wurde fast schwindlig von dem Tempo, das dieser muskulöse Mann an den Tag legte. Auf dem Herd brieten Hähnchenbrüste, zischte die Butter unter den Eiern, und der brutzelnde Speck versprühte einen herben, männlichen Duft. Gekonnt schnitt Ingo Tomaten in dünne Scheiben und fasste geschickt die heißen Brotscheiben, als sie goldbraun aus dem Toaster sprangen. Und ehe Mia sich’s versah, reichte er ihr mit Schwung einen wundervoll angerichteten Teller.

«Jedes Hotel braucht sein eigenes Club Sandwich», proklamierte er.

«Da bin ich ganz deiner Meinung. Es gibt keinen besseren Snack für die Mitte der Nacht», versicherte sie ihm, als sie den ersten Bissen dieses enormen Doppeldeckers in ihren weit geöffneten Mund führte.

«Und? Was sagt die Frau Gourmetkritikerin?»

«Wie gesagt, ich bin zum Vergnügen hier, nicht zum Arbeiten.»

«Und meine Schicht ist zu Ende, womit auch ich zum Vergnügen übergehen kann», verkündete er, als er seine kräftigen Finger durch ihr langes, dunkelbraunes Haar gleiten ließ. Es kümmerte Mia wenig, dass ihre Hände ölig waren vom Sandwich, als sie begann, die kleinen Knöpfe seines Hemdes zu öffnen. Gleichzeitig ließ er seine Hände zärtlich auf ihren Wangen ruhen und näherte sein Gesicht dem ihren. Mia schluckte ihren letzten, köstlichen Bissen herunter, schaute auf seine vollen Lippen und küsste ihn, wie sie schon lange keinen Mann mehr geküsst hatte.

3

SHAN TOFU MIT FRISCHEM GEMÜSESALAT

Es war noch ruhig auf dem spiegelglatten Inle-See an diesem frühen Donnerstagmorgen. Die Sonne ließ gerade ihre ersten Strahlen hinter der Hügelkette im Osten des Sees erahnen. Kyaw Zaw wusste, dass in ein, zwei Stunden der Zirkus, wie an jedem Tag zu dieser Jahreszeit, erneut losgehen würde: Die Touristen wollten von ihren Hotels in die Stelzendörfer geschippert werden, um die Bewohner bei ihrem täglichen Leben zu begaffen, um die Herstellung von Seidenschals und filigranen Silberarbeiten zu bestaunen und um sich mit den Giraffenhalsfrauen des Padaung-Stammes fotografieren zu lassen. Manchmal kam Kyaw Zaw seine Heimat wie ein Zoo vor. Früher waren es noch die Burmesischen Katzen im Nga-Phe-Kyaung-Kloster, die als beliebte Attraktion dienten, heute waren es die Bewohner des Sees selber, die bei ihrer täglichen Routine ständig abgelichtet wurden. Doch Kyaw Zaw hatte sich an die Touristenscharen der trockenen und kühleren Monate gewöhnt. Schließlich verdiente auch er sein Geld mit den Besuchern aus nah und fern. Und besonders die Englisch- und Deutschsprachigen mochte er richtig gern, denn mit denen konnte er die Sprachen trainieren, die er erlernt hatte, und Geschichten aus ihren Heimatländern lauschen.

Kyaw Zaw war ein intelligenter und aufgeschlossener junger Mann. Mit seinen 165Zentimetern war er kein Riese, hatte damit jedoch die normale Körpergröße der Männer seiner Gegend. Und war er auch nicht der Größte, war er doch durchaus stark, schnell und wendig. Seine festen, schwarzen Haare kämmte er am Scheitel zur Seite, was ihm einen sauberen und seriösen Look gab, den er seiner Meinung nach für die Arbeit mit Touristen benötigte. Seine Haut war gebräunt durch die sengende Sonne, der er den ganzen Tag ausgesetzt war, und glänzte je nach Lichteinfall fast golden. Seine dunklen Augen zogen sich leicht zusammen, wenn er lächelte, wobei über seiner Unterlippe der linke Eckzahn, der als einziger seiner sonst beinah perfekten weißen Zähne aus der Reihe tanzte, zum Vorschein kam.

Vor zwei Wochen hatte er seinen fünfundzwanzigsten Geburtstag gefeiert und dazu seine besten Freunde, die zwei in der Nähe lebenden Geschwister und zwei benachbarte Familien zu sich in seine kleine Wohnung in Nyaung Shwe eingeladen und ihnen ein Festmahl gekocht, wie sie es noch selten erlebt hatten. Selbst seine kleinste Schwester hatte er für zwei Nächte aus dem Heim zu sich nehmen dürfen. Doch für dieses Fest waren fast seine gesamten Ersparnisse draufgegangen. Zusätzlich hatte er die Einnahmen von drei vollen Arbeitstagen ausgegeben, um all die Speisen zu kochen und das Schwesterchen aus dem weit entfernten Pyin U Lwin abzuholen und wieder dorthin zurückzubringen. Aber Kyaw Zaw hatte sich einen solchen Geburtstag gewünscht, und er war dankbar und sehr stolz darauf, dass er sich diesen Traum hatte erfüllen können.

Doch nun hieß es, so viel wie möglich zu arbeiten, denn spätestens im April, wenn die große Hitze und danach der Monsun einsetzten, würden die neugierigen Urlauber schlagartig weniger werden. Das in der Hauptsaison verdiente Geld musste also bis zum nächsten Dezember reichen, wenn die Touristenströme dann wieder zunahmen.

Damit sein Arbeitstag möglichst effizient verlief, wollte Kyaw Zaw bei den südlich gelegenen Hotels früh mit seinem Boot für Touren bereitstehen. Täglich führte er britische Familien oder deutsche Pärchen in die versteckten Winkel der Stelzendörfer, zu den berühmten weißgoldenen Pagoden oder auf die schwimmenden Märkte, bevor er sie an einem der besten Restaurants zum Mittagessen ausladen würde, wo er sozusagen als Vermittlungskommission einen Teller des Mitarbeiteressens bekäme. Während dieser Pause arbeitete er gewöhnlich an einer Liste von Wörtern, die er im Gespräch mit den Ausländern nicht verstanden hatte. Die wollte er dann am Abend zu Hause nachschlagen, um sie definitiv in sein englisches respektive deutsches Vokabular aufzunehmen. Mit vollem Bauch bestiegen die Urlauber nach dem Essen erneut sein schmales Boot, von wo aus er ihnen noch einige der schwimmenden Gärten zeigte und ihnen fachmännisch erklärte, wie diese Beete aus einer Mischung von Erde, Algen und Wasserhyazinthen geformt, bepflanzt und mit einem langen Bambusrohr im Seegrund verankert wurden. Gegen 15.00Uhr brachte er die Touristen zurück in ihr Hotel, damit sie sich frisch machen konnten, um anschließend den Nachmittagstee in der milden Sonne zu genießen. Diese Tradition, ein Überbleibsel der britischen Herrschaft über Burma, wurde eigentlich nur noch in den besseren Hotels zelebriert. Die Burmesen selber, wie auch Kyaw Zaw, hatten keine Zeit, um mitten am Nachmittag eine Teepause einzulegen. So stellte er den kleinen Bootsmotor auf volles Tempo, sobald er sich von seinen Klienten verabschiedet hatte, und raste so schnell wie möglich nach Nyaung Shwe, um am Pier der Strand Road neu angekommene Urlauber aufzugabeln und zu ihren Hotels zu fahren. Fand er einige deutsch- oder englischsprachige Gäste, die er chauffieren durfte, war es ihm meistens möglich, ihnen für den nächsten Tag eine Rundfahrt zu den Pfahldörfern zu verkaufen. Hatte er Spanier, Franzosen oder Niederländer im Boot, nahm er sich vor, diese Sprachen bald auch noch zu lernen.

Kyaw Zaw hatte an diesen Donnerstag keine vorverkaufte Rundfahrt. Also musste er sein Glück in einem Hotel versuchen, um Gäste an der Rezeption von seinen Diensten zu überzeugen. Ein guter Freund von ihm arbeitete in den Golden Island Cottages, und so durfte Kyaw Zaw sich dort in der Lobby positionieren, um potenzielle Kunden anzusprechen. Damit er die Einfahrt zu der majestätischen Hoteltreppe, die direkt vom Wasser auf die große Terrasse vor dem Empfang führte, nicht verpasste, drosselte Kyaw Zaw das Tempo kurz vor der Linkskurve drastisch – und für ein paar Sekunden siegte die Stille des Sees über das sonst so laute Motorengeheul. Kyaw Zaw drehte den Kopf nach links, als die kurze Ruhe urplötzlich durch die krächzende Stimme einer alten Frau unterbrochen wurde, die laut um Hilfe schrie. Ganz automatisch drehte er den Motor wieder rauf, um mit genügend Schwung in die Kurve zum Hotel zu gehen, aber jetzt begriff sein Hirn, was es gerade vernommen hatte. Er drehte den Motor wieder herunter, und tatsächlich vernahm er die schrille Stimme erneut. Er schaute sich um, suchte die Wasseroberfläche nach einem Frauenkopf ab. Vergebens. Erst nach einigen Augenblicken sah er weit hinten in den schwimmenden Gärten, noch ein ganzes Stück von der Hotelanlage entfernt, eine Frau, die dort in ihrem Boot stand und mit den Armen in der Luft herumfuchtelte.

Schnell drehte Kyaw Zaw einen großen Bogen Richtung Ufer. Er kurvte langsam durch die schmalen Kanäle zwischen den langen, schwimmenden Gartenbeeten, auf denen Bohnen, Tomaten, Kohl und Koriander wuchsen, und erreichte nach wenigen Minuten die immer noch schreiende Frau. Als er sich ihr näherte, zeigte sie entsetzt ins Wasser hinter ihrem Boot. Als Kyaw Zaw sah, auf was die Alte mit ihrem Zeigefinger wies, erschrak er so sehr, dass er tatsächlich das Gleichgewicht auf seiner schmalen, hölzernen Barke verlor, was für einen Intha wie ihn, der auf dem See groß geworden war, eine absolute Peinlichkeit darstellte. Er konnte sich gerade noch an einer hohen Tomatenstaude festhalten, die rechts von ihm wuchs, und ließ sich dann geschickt in sein Schiffchen niederplumpsen. Sein spitzer Eckzahn kam zum Vorschein, als er verlegen und verängstigt zu der hageren Frau hinübergrinste, die sich nun sicherlich über sein Missgeschick lustig machen würde. Doch ihr war gar nicht danach, ihn auszulachen. Sie spuckte eine große, durch das Kauen der Betelnuss gefärbte Speichelkugel in den See hinaus, die im Flug feuerrot aufblitzte, und schrie ihn an, er solle die Polizei rufen. Kyaw Zaw griff in seine Jackentasche und kramte sein Mobiltelefon heraus, in der Hoffnung, dass er noch genügend Geld auf seiner Karte hatte, um diesen wohl wichtigsten Anruf des Tages durchführen zu können.

«Mein Name ist Kyaw Zaw. Ich bin hier in den Gärten etwa 100Meter nördlich von den Golden Island Cottages. Eine Frau hat einen Toten im Wasser gefunden», erklärte er dem Polizeibeamten am anderen Ende der Leitung nervös.

«Er ist angebunden!», bellte die Greisin Richtung Telefon, «angebunden an mein Kohlbeet!»

Kyaw Zaw stand wie der Blitz aus dem Schneidersitz auf und schaute zu der Leiche hinüber. Er konnte es selber kaum glauben, als die Frau mit ihrem Ruder den leblosen Körper zu bewegen versuchte und dabei ein Strick zum Vorschein kam, der ein Wegschwimmen des Kadavers verhinderte.

«Ja, um seinen Fuß ist ein Seil gebunden, das dann im Wasser unter dem Beet verschwindet», erklärte er dem Mann am Telefon, während das Großmütterchen die Wasserleiche weiterhin mit ihrem Ruder malträtierte. Dabei drehte sich der Tote plötzlich um, was die beiden Zeugen in Angst und Schrecken versetzte. Kyaw Zaw schrie laut auf, und diesmal verlor die Alte fast das Gleichgewicht, konnte sich aber in letzter Sekunde noch mit dem Ruder auf ihrem Boot halten.

«Es ist ein Europäer!», schrie Kyaw Zaw in sein Handy, als er das bärtige Gesicht der Leiche sah. Der Polizist versprach, sofort jemanden vorbeizuschicken und forderte Kyaw Zaw auf, mit der Frau am Fundort bei dem leblosen Europäer zu bleiben und auf die Polizei zu warten.

«Wenn sich das herumspricht, kann ich doch mein ganzes Gemüse auf dem Markt nicht mehr verkaufen!», klagte die alte Frau und fragte Kyaw Zaw: «Wer will denn Gemüse essen, das sein Wasser zum Wachsen aus dem verwesenden Körper eines toten Europäers gesogen hat?»

«Es muss ja niemand erfahren», versuchte er sie vergeblich zu beruhigen, denn sie jammerte weiter: «Mir wird bei dem Gedanken daran, diesen Kohl zu essen, selber gleich speiübel!»

In Gedanken versunken betrachtete Kyaw Zaw die Bäuerin, während sie immer weiter wehklagte. Dabei blitzte das Rot ihrer verfaulten Zähne immer wieder auf, und wie Gift spie sie zwischen ihren langen Sätzen noch mehr purpurne Spucke in den See. Kyaw Zaw musste an seine verstorbene Großmutter denken, die genauso wie diese Bäuerin der Sucht des Betelnuss-Kauens erlegen war und Tag und Nacht auf dem ungesunden Gemisch aus Blatt, Nuss und Tabak herumkaute. Er liebte seine Grossmutter, denn sie war es auch, die ihn dazu ermunterte, sich zu bilden, um dem harten Leben der Inle-Fischer zu entkommen. Sein Blick glitt unbewusst zurück zu der Leiche im Wasser, und er bemerkte die seltsame, gestreifte Kleidung des Toten. Durch das Wasser aufgedunsen und mit diesem lächerlichen Anzug bekleidet, kam der Mann Kyaw Zaw wie ein Clown vor. Er schrak plötzlich aus seinen Gedanken auf, schaute auf seine Uhr und nervte sich, dass er nun womöglich zu spät zu den Hotelgästen kommen und um seine heutigen Einkünfte gebracht werden würde. Nach etwa einer halben Stunde und unzähligen Geschichten der alten Frau, denen er zwangsläufig hatte lauschen müssen, traf endlich das Polizeiboot aus Nyaung Shwe ein.

«Mein Name ist Hlaing Thida und diese Gärten gehören mir. Dieser Mann hat hier also nichts verloren», rief die Bäuerin den Männern auf dem ankommenden Polizeiboot mit kräftiger Stimme entgegen, während sie mit dem Ruder zur schwimmenden Leiche deutete. Aber die drei Polizisten schienen an Hlaing Thida wenig Interesse zu haben. Sie manövrierten ihren schmalen Kahn geschickt neben die Leiche, wobei sie die Barke der alten Frau zur Seite drängten. Dann schauten sie sich den leblosen Mann im Wasser genauer an.

Nach einigen Minuten leiser Beratung begannen die drei Polizisten, die Leiche mit einer Art Kran aus dem Wasser zu hieven. Sie durchtrennten das Seil an seinem Bein, wobei Kyaw Zaw erkennen konnte, dass der Tote knallgelbe Turnschuhe trug, die gar nicht zu seiner restlichen Kleidung passten. Die Polizisten legten den triefenden Körper auf einen dafür vorbereiteten großen Sack mit Reißverschluss. Der Beamte, der der Chef der Truppe zu sein schien, durchsuchte kurz die Kleidung des Toten. In der Innentasche der gestreiften Anzugsjacke fand er eine Brieftasche. Er untersuchte sie kurz und ließ das Indiz dann in der eigenen Tasche verschwinden. Der zweite Polizist schob den Reißverschluss des großen, schwarzen Sacks mit Hilfe des dritten Beamten von den Füßen des Toten bis zu seinem aufgequollenen Gesicht hinauf und verbarg so die Leiche des Europäers vor weiteren Blicken.

«Wie lange trieb der schon unter meinem Gemüse?», wollte Hlaing Thida zornig wissen.

«Keine Ahnung. Das kann erst nach der Obduktion gesagt werden», antwortete der Polizist mit der Brieftasche der Leiche in seiner Tasche.

«Welche Nationalität hat er denn? Was stand in seinem Ausweis?», fragte Kyaw Zaw, erhielt aber gar keine Antwort. Dafür sollten jetzt er und die alte Frau Fragen beantworten. Zuerst musste sich die Bauersfrau identifizieren und bis ins kleinste Detail erklären, wie sie die Leiche gefunden hatte. Danach war Kyaw Zaw dran. Er erzählte, dass er die Frau hatte schreien hören und jetzt eigentlich längst arbeiten sollte. Doch dafür interessierten sich die Beamten nicht. Sie befragten ihn zu seiner Arbeit, wo und mit wem er wohne und in welchen Kreisen er verkehre. Es wurde ihm fahl im Magen, als die Polizisten immer weiter in seinem Leben herumbohrten und plötzlich auf seine Eltern zu sprechen kamen, die beide vor sechs Jahren bei einem Arbeitsunfall gestorben waren. Es fiel Kyaw Zaw nie leicht, über diesen Verlust und die daraus entstandenen Schwierigkeiten für seine Familie zu sprechen. Und nun wurde er von wildfremden Männern in grauen Hemden mit wichtigtuerischen dunkelblauen Epauletten zu diesem Thema ausgefragt, während die Greisin auf der Barke nebenan wegen ihrem Salat jammerte.

Am Ende der Befragung wurden Kyaw Zaw und Hlaing Thida einige Blatt Papier und ein Stift in die Hände gedrückt. Dies sei die Aufzeichnung ihrer Vernehmung und sie sollten unterschreiben. Nachdem beide die Zettel quittiert hatten, belehrte sie der Truppenführer, dass sie über das Geschehene kein Wort verlieren dürften. Myanmar sei ein sicheres Land, und Geschichten von toten Europäern wären für die doch so wichtige Tourismusbranche eine schlechte Werbung. Zudem hätten sie sich mit ihrer Unterschrift auch zum Stillschweigen verpflichtet. Mit erhobenem Zeigefinger drohte er den beiden, dass es eine Geldstrafe oder sogar Gefängnis gäbe, würde einer von ihnen gegen diese Klausel verstoßen.

«Mir soll’s recht sein!», krächzte die Alte gleichgültig, spuckte in den See und fügte an: «Wenn niemand davon erfährt, kann ich mein Gemüse weiterhin auf dem Markt verkaufen.» Einer der Gesetzeshüter ließ den Motor des Polizeibootes laut aufbrummen, und die drei Herren schipperten ohne Abschiedsgruß rückwärts durch die engen Kanäle zwischen den Gartenbeeten davon. Draußen auf dem See wendete das Boot, legte an Tempo zu und raste mit der Leiche an Bord Richtung Norden von dannen. Kyaw Zaw verabschiedete sich von der alten Frau und nannte sie dabei in respektvoller Verehrung Daw Hlaing Thida, was der einfachen Bauernfrau ein verlegenes Kichern entlockte. Mit ihren knorrigen, kleinen Händen winkte sie ihm hinterher, als er sich seinen Weg durch die schwimmenden Gärten suchte.

Als Kyaw Zaw in der Lobby der Golden Island Cottages ankam, fragte ihn die Rezeptionistin, warum er denn erst so spät hier sei. Er wollte gerade mit der Geschichte beginnen, wie er da draußen vor etwa anderthalb Stunden eine schreiende Frauenstimme gehört habe, als er innehielt und die Lippen zusammenkniff, denn vor seinem inneren Auge sah er den mahnenden Zeigefinger des Polizisten. Er überlegte sich schnell eine Ausrede und log der jungen Dame vor, er habe verschlafen. Sie rollte mit den Augen und schaute in ihren Computer. «Ein Pärchen aus Deutschland ist noch beim Frühstück. Sie haben mich vorhin gefragt, wie sie zum schwimmenden Markt in Ywama kommen. Kannst du sie dort hinbringen?»

Nach dem Besuch des chaotischen Wasserbasars brachte Kyaw Zaw die deutschen Touristen Dörthe und Thorsten in eine Fabrik, in der bunte Sonnenschirme aus Bambus und Papier hergestellt wurden. Dörthe kaufte sich ein hellgrünes Exemplar, und Kyaw Zaw bekam vom Fabrikbesitzer hinter dem Rücken der Touristen zehn Prozent des Verkaufspreises in die Hand gedrückt. Dann zeigte er den beiden die berühmte goldene Barkasse, das Schiff in Form eines Hamsavogels, das zur jährlichen Prozession die Buddhastatuen aus der Hpaung Daw U Pagoda über den See trug. Für ihn als stolzen Intha verkörperte dieses prunkvolle Schiff seine ganze Kultur, und er berichtete leidenschaftlich und in bestem Deutsch über seine Leute, ihre Religion und Traditionen. Dabei vergaß Kyaw Zaw völlig, was ihm am Morgen widerfahren war.

Erst beim Mittagessen auf der kleinen Treppe hinter der Küche seines Lieblingsrestaurants, während die Deutschen oben im Saal mit Panoramablick speisten, stand ihm plötzlich wieder das Bild der schwimmenden Leiche zwischen den Gartenbeeten vor Augen. Als ihm der Hilfskoch ein Tablett mit einem Teller voller frisch riechendem Gemüsesalat und einer Beilage von frittiertem, gelbem Shan Tofu reichte und ihm guten Appetit wünschte, verflüchtigte sich für Kyaw Zaw allmählich die gespenstische Erinnerung. In sein Notizbuch kritzelte er die Namen des deutschen Pärchens: Dörthe und Thorsten. Er schaute sich die Wörter gut an und nahm sich vor, die beiden später nochmal zu fragen, wie man diese Namen ausspreche. Dann griff er zum Aluminiumlöffel und stürzte sich auf sein Mittagessen, als ob er seit Tagen keinen Bissen mehr bekommen hätte.

Rezept

Shan Tofu ist schnell zubereitet, muss aber einige Stunden oder am besten über Nacht kühl gestellt werden, damit er richtig hart wird. Eine Köstlichkeit, der, wie bei herkömmlichem Tofu, keine Grenzen gesetzt sind, doch sind Geschmack und Farbe so ganz anders als Tofu. Shan Tofu wird oft zu Salaten gereicht. Doch macht er sich auch in dünnen Streifen geschnitten sehr gut in einer Suppe oder begeistert in frittierter Form mit einem scharfen Chili-Dip oder einer süßen Erdnusssoße.

Zutaten

150g– Kichererbsen

2 TL– Salz

½ TL– Kurkumapulver

7.5 dl– Wasser

1 EL– Erdnussöl

1– Schalotte fein geschnitten

2– Tomate fein geschnitten

200g– lange, grüne Bohnen; Enden entfernen

100g– Sojasprossen

2-4– Frühlingszwibeln fein geschnitten

3 EL– Sesamsamen

1 TL– Knoblauch fein geschnitten

1– kleine, scharfe, rote Chili fein geschnitten

1 EL– Fischsoße

2 EL– leichte Sojasoße

Zubereitung

1. Eine Auflaufform von ca. 27cm x 17cm gut mit Butter oder Öl einfetten.

2. Das Kichererbsenmehl mit Salz und Kurkuma vermengen und langsam in 0.25Liter Wasser geben und dabei mit einem Schwingbesen schnell rühren, um zu vermeiden, dass sich Klumpen bilden. Sobald alles Mehl im Wasser aufgelöst ist, die restlichen 0.5Liter Wasser in einer tiefen Pfanne mit festem Boden erhitzen.

3. Sobald das Wasser kocht, den Kichererbsenbrei langsam ins kochende Wasser rühren. Dabei stets mit einer hölzernen Kelle dem Pfannenboden entlang rühren, damit nichts anbrennen kann. Sobald der ganze Brei beigefügt ist, auf mittlere Hitze reduzieren und ca. 5 Minuten stark rührend weiterkochen. Die Masse soll fester werden und einen seidenen Glanz erhalten.

4. Den Kichererbsenbrei in die eingeölte Form gießen und abkühlen lassen. Sobald die Form kalt ist, mindestens 4 Stunden oder über Nacht in den Kühlschrank stellen, um die Masse hart werden zu lassen.

5. Den fertigen Shan Tofu vorsichtig aus der Form entfernen. In Scheiben geschnitten kann er bereits so für den Salat verwendet werden. Die Streifen können jedoch auch in ein, zwei Esslöffeln Öl in einer Bratpfanne knusprig gebraten oder im heißen Öl einer Fritteuse goldgelb gebacken werden. Wird der Tofu dünn geschnitten, wird er knuspriger. Dicker geschnitten, wird er außen kross und bleibt innen zart. Nach dem Braten oder Ausbacken salzen.

6. Die Sesamsamen in einer trockenen Bratpfanne bei mittlerer Hitze unter gelegentlichem Rühren goldbraun rösten. Dabei aufpassen, dass sie nicht verbrennen. Zum Abkühlen in ein Glas oder eine Schale schütten. Gleichzeitig die Bohnen ca. 5 Minuten in kochendem Wasser blanchieren.

7. In einer weiten Bratpfanne oder einem Wok das Erdnussöl erhitzen und die Schalotte mit dem Chili anbraten, bis der Chiliduft aufsteigt. Dann die Bohnen beigeben und zwei Minuten auf hoher Hitze rühren.

8. Die Pfanne vom Feuer nehmen und Tomaten, Sojasprossen, Frühlingszwiebeln, Kaffirlimettenblätter und Knoblauch beigeben und kurz durchmischen. Dann Fisch- und Sojasoße sowie die Sesamsamen beigeben und alles gut vermengen.

9. Den Salat auf Tellern anrichten und mit einigen Scheiben des Shan Tofu garnieren.

4

ESCALOPES DE VEAU À LA DIJONNAISE

Nach einer Nacht, in der sie kaum Erholung gefunden hatte, warf Mia den morgendlich erregten Barkeeper Ingo um 6.00Uhr morgens aus ihrem Bett, als er sie für eine weitere Runde aus dem Halbschlaf geweckt hatte. Sie küsste ihn friedeschließend an der Tür, verabschiedete sich und packte ihre Koffer, um das Hotel Zur Blauen Geiss und den blutigen Fahrstuhl, von dem sie bereits schlecht geträumt hatte, schnellstmöglich zu verlassen. Zum Bedauern von Chef de Réception Andreas checkte sie fünf Tage früher als geplant aus, bestand jedoch nicht auf einer Rückzahlung der bereits geleisteten Zimmermiete. Wie sie ihm erklärte, war sie einfach nur froh, dieses Haus zu verlassen, versprach ihm gleichzeitig aber auch, auf den gängigen Internetportalen nur die besten Bewertungen für die Blaue Geiss zu hinterlassen. Nach einem kurzen Frühstück in einem kleinen Café am Weg zur Station schwebte Mia zusammen mit einigen Einheimischen, die früh auf dem Weg zur Arbeit waren, sanft von Mürren nach Stechelberg in der Gondel hinunter. Sie konnte bereits erkennen, dass es ein wunderschöner Tag in den Bergen werden würde. Die ersten Sonnenstrahlen waren über dem Jungfraumassiv schon sichtbar und färbten die tief verschneite Welt gelblich rot.

Auf dem großen Parkplatz am Fuß der imposanten Felswände, auf denen das kleine Dorf Mürren thronte, kratzte Mia ihren azurblauen Jaguar vom Schnee frei. Vor acht Jahren hatte sie ihre Tante begraben müssen, durfte aber seitdem ein größeres Erbe ihr Eigen nennen, von dem sie sich unter anderem diesen Wagen und einen Karrierewechsel hatte leisten können.

Es war bereits kurz nach elf, als Mia in Zürich ankam, in der Tiefgarage ihres Büros parkte, sich ihre Tasche vom Rücksitz schnappte und den Knopf neben dem Fahrstuhl drückte. Kaum hatte sie die Taste berührt, lief es ihr jedoch kalt den Rücken hinunter. Im Hotel hatte sie seit dem Leichenfund einen weiten Bogen um den Lift gemacht und sportlich die Treppe genommen. Doch hier hoffte sie nun, über ihren Schatten springen zu können und, wie sonst auch, vom dritten Untergeschoss ins dritte Obergeschoss zu fahren, anstatt die sechs Etagen zu Fuß hinaufklettern zu müssen. Als die Lifttür sich öffnete, zögerte sie. Sie trat einen Schritt hinein und kehrte sofort wieder um. In den Innenraum starrend blieb sie vor der Tür stehen, die immer wieder versuchte, sich zu schließen, woran sie jedoch jedes Mal von Mia mit einer schnellen Handbewegung gehindert wurde.

«Jetzt stellt dich nicht so an, du dumme Kuh!», sagte sie laut zu sich selber, trat zwei große Schritte nach vorn und stand nun mitten in der Kabine. Die Tür schloss sich hinter ihr. Panik machte sich in ihr breit, als sie begriff, dass sie für ein schnelles Ende dieses Albtraums die Taste zum dritten Stock drücken müsste. Sie drehte sich ruckartig um, wobei die Liftkabine ein wenig zu schaukeln begann. Dabei wurde ihr bewusst, dass sie keine Angst vor dem Fahrstuhl als solchem hatte, sondern vor der Vorstellung, mit der malträtierten Leiche Raúls in einer dieser engen Kabinen gefangen zu sein. Sie drückte den Knopf, schaute nur an die Decke, und im Nu öffnete sich auch schon die Tür zur dritten Etage. Sie stieß die angehaltene Luft aus und betrat hoch aufgerichtet den Flur.

Als sie die Tür zu ihrem Büro öffnete, staunten Benny und Emilie, dass ihre Chefin während ihrem traumhaften Winterurlaub plötzlich bei der Arbeit auftauchte.

«Was machst denn du hier?», fragte Benny verblüfft. «Zu wenig Schnee in den Bergen für unser Skihasi?»

«Schnee hatte es genug und Männer auch. Aber es war dann doch nicht so relaxed, wie ich es mir vorgestellt hatte», erklärte sie sich kurz und warf ihren Mantel auf das Sofa in ihrem kleinen Chefbüro.

Schon stand Benny im Türrahmen und machte mit den Sticheleien weiter: «Du brichst deine Ferienwoche ab und kommst freiwillig zurück ins Büro. Du hast wohl null Vertrauen in uns alle hier, oder wie?»

«Ich wollte nicht allein zu Hause sitzen. Und ich habe euch alle vermisst», log sie.

«Und ich dich erst!», hauchte Benny. Dann flüsterte er: «Jessica und Marco sind zur Recherche irgendwo in Indien unterwegs und deine anderen Angestellten lassen sich ja nur blicken, wenn eine wichtige Redaktionssitzung ansteht. Aber das Schlimmste ist dieses langweilige Mädchen, diese allwissende Streberin mit ihrer Nerd-Brille da draußen. Sie treibt mich in den Wahnsinn. Wenn sie dann endlich mal den Mund aufmacht, kann sie über nichts anderes palavern als irgendwelche Trojaner, die sie am Abend zuvor virtuell bekämpft hat, um ihren Computer vor dem totalen Absturz zu retten. Mein Gott, bin ich froh, dass ich dich wieder hier habe, die mir wenigstens ein paar schlüpfrige Bettgeschichten erzählen kann, wenn bei mir selbst schon mal Flaute herrscht.»

«Ich sage nur zwei Wörter: Deutscher Barkeeper», erwiderte Mia kokett.

«Ein Deutscher? Wie ordinär», schmähte Benny seine Chefin. Doch Mia ließ sich den sinnlichen Genuss, den Ingo ihr beschert hatte, nicht kaputt machen und insistierte: «Sprachlich war er ein Deutscher. Aber was das Körperliche angeht, hätte er durchaus als feuriger Argentinier durchgehen können.»

«Wow, ausgestattet wie ein brünstiger Zuchtbulle», fantasierte Benny.

«Im Ernst, ich hatte letzte Nacht wohl den besten Sex, seit ich damals vor drei Jahren mit François …», wollte sie gerade ausführen, als ihr bester Freund Benny sie mit einem lauten «Pssst!» unterbrach und sie ermahnte: «Wir haben doch gesagt, dass wir den Namen mit dem ‹F› am Anfang hier nicht mehr laut aussprechen, oder?»

Mia nickte, und zum Glück fiel ihr die perfekte Überleitung zu einem Themenwechsel sein: «Apropos ‹F›: Wie kommt es, dass bei dir Flaute im Bett herrscht, Benny?»

«Ich war letzte Woche zur Kontrolle bei Dr.Schüpbach, du weißt schon, der Arzt, dem die Männer vertrauen. Und was findet er wieder einmal da hinten?», fragte er Mia, die ihn angeekelt anstarrte und unangenehm berührt nachfragte: «Die Warzen sind zurück?»

«Guten Morgen, Sonnenschein!», quietschte Benny fröhlich, tätschelte sich gleichzeitig den eigenen Po und berichtete angeregt weiter. «Dr.