Zwei Patienten – eine Diagnose - Carmen von Lindenau - E-Book

Zwei Patienten – eine Diagnose E-Book

Carmen von Lindenau

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Beschreibung

Die neue Praxis Dr. Norden - So war es nicht geplant, doch Dr. Danny Norden betrachtet es als Chance. Äußere Umstände zwingen ihn zu einem Neustart. Und diesen nimmt Danny tatkräftig in Angriff, auch, wenn er mit Abschied, Trennung, Wehmut verbunden ist. Dr. Danny Norden praktiziert jetzt in seiner neuen, modernen, bestens ausgestatteten Praxis. Mit Kompetenz, Feingefühl und Empathie geht er auf seine Patienten zu und schafft ein Klima, das die Genesung fördert: eben Dr. Danny Norden, wie er leibt und lebt, und er wird immer besser! Daniel Norden hatte die Liste mit den Patienten, die an diesem Vormittag in seine Sprechstunde gekommen waren, abgearbeitet. Er wollte gerade in die Mittagspause gehen, als Lydia ihn über das Haustelefon anrief und ihm mitteilte, es sei nun doch noch ein Patient ­eingetroffen. Gleich darauf betrat Dennis Bäumer das Sprechzimmer. »Guten Tag, Herr Doktor, vielen Dank, dass Sie sich noch Zeit für mich nehmen«, bedankte sich der junge Mann und nahm auf dem Stuhl vor Daniels Schreibtisch Platz. »Noch sind wir ja da. Was kann ich denn für Sie tun, Herr Bäumer?«, fragte der junge Arzt. »Ehrlich gesagt kann ich diese Beschwerden, die mich dazu gebracht haben, Sie aufzusuchen, nicht so richtig beschreiben. Es ist so eine diffuse Müdigkeit, hin und wieder verbunden mit unterschwelligem Unwohlsein. Mir ist nicht wirklich übel, aber ich fühle mich auch nicht richtig gut.« »Dann werden wir mal nach der Ursache dieser Beschwerden suchen. Nehmen Sie bitte dort drüben Platz«, bat Daniel und deutete auf die Untersuchungsliege. »Schöne Uhr«, stellte Dennis fest, nachdem er sich auf die Liege gesetzt hatte und sein Blick auf die restaurierte Standuhr aus dem vorletzten Jahrhundert fiel, die in dem ansonsten modern eingerichteten Sprechzimmer stand. »Sie sorgt für eine gemütliche Atmosphäre. Ich könnte mir vorstellen, dass auch die Patienten, die ungern einen Arzt aufsuchen, sich hier wohlfühlen.« »Zumindest habe ich das schon häufiger von meinen Patienten gehört«, pflichtete Daniel Dennis bei.

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Die neue Praxis Dr. Norden – 10 –

Zwei Patienten – eine Diagnose

Kollege Seefeld kannte die Symptome

Carmen von Lindenau

Daniel Norden hatte die Liste mit den Patienten, die an diesem Vormittag in seine Sprechstunde gekommen waren, abgearbeitet. Er wollte gerade in die Mittagspause gehen, als Lydia ihn über das Haustelefon anrief und ihm mitteilte, es sei nun doch noch ein Patient ­eingetroffen. Gleich darauf betrat Dennis Bäumer das Sprechzimmer.

»Guten Tag, Herr Doktor, vielen Dank, dass Sie sich noch Zeit für mich nehmen«, bedankte sich der junge Mann und nahm auf dem Stuhl vor Daniels Schreibtisch Platz.

»Noch sind wir ja da. Was kann ich denn für Sie tun, Herr Bäumer?«, fragte der junge Arzt.

»Ehrlich gesagt kann ich diese Beschwerden, die mich dazu gebracht haben, Sie aufzusuchen, nicht so richtig beschreiben. Es ist so eine diffuse Müdigkeit, hin und wieder verbunden mit unterschwelligem Unwohlsein. Mir ist nicht wirklich übel, aber ich fühle mich auch nicht richtig gut.«

»Dann werden wir mal nach der Ursache dieser Beschwerden suchen. Nehmen Sie bitte dort drüben Platz«, bat Daniel und deutete auf die Untersuchungsliege.

»Schöne Uhr«, stellte Dennis fest, nachdem er sich auf die Liege gesetzt hatte und sein Blick auf die restaurierte Standuhr aus dem vorletzten Jahrhundert fiel, die in dem ansonsten modern eingerichteten Sprechzimmer stand. »Sie sorgt für eine gemütliche Atmosphäre. Ich könnte mir vorstellen, dass auch die Patienten, die ungern einen Arzt aufsuchen, sich hier wohlfühlen.«

»Zumindest habe ich das schon häufiger von meinen Patienten gehört«, pflichtete Daniel Dennis bei. »So kann ich erst einmal nichts feststellen«, sagte er, nachdem er Dennis gründlich abgehört, Augen, Rachen und Nase untersucht und Bauch und Rücken auf Schmerzempfindlichkeiten hin abgeklopft hatte.

»Das ist ja schon mal positiv«, entgegnete Dennis und zog sein Hemd wieder an.

»Ich nehme an, Sie treiben viel Sport, vorwiegend draußen an der frischen Luft«, mutmaßte Daniel, als sie kurz darauf wieder an seinem Schreibtisch saßen.

Dennis war sehr schlank, hatte aber trotzdem feste Muskeln, die auf ein regelmäßiges sportliches Training hindeuteten. Seine sonnengebräunte Haut und das blonde durch die Sonne aufgehellte Haar unterstützten diese Annahme.

»Ich bin Fitnesstrainer in einem Sportstudio. Im Frühjahr und Sommer lassen wir unsere Kunden auf der Dachterrasse im Freien trainieren, und in meiner Freizeit gehe ich Joggen, fahre Rad oder schwimme ein paar Kilometer in der Isar.«

»Gleich ein paar Kilometer«, wunderte sich Daniel.

»Ich trainiere für einen Triathlon.«

»Das setzt allerdings ein hartes Training voraus.«

»Für diejenigen, die mit dem Sieg liebäugeln, umso mehr. Und dieses Mal bin ich auf den Sieg aus, der mit einem ordentlichen Preisgeld honoriert wird. Ich plane, mein eigenes Sportstudio zu eröffnen, und dieses Geld würde mir den Start ermöglichen.«

»Der Sieger eines Wettbewerbes lässt sich meistens nicht vorherbestimmen.«

»Das ist mir bewusst, aber das richtige Training erhöht die Chance auf einen Sieg.«

»Wann findet der Wettbewerb denn statt?«

»In vier Wochen.«

»Das ist nicht mehr viel Zeit. Um herauszufinden, was Ihre Müdigkeit verursacht, lassen wir Ihr Blut auf abweichende Werte hin untersuchen, auch in Bezug auf Vitamin D3 und die B-Vitamine.«

»Das hört sich gut an, Herr Doktor. Die meisten Ärzte lassen immer nur die Standardwerte überprüfen. So als läge ein Vitaminmangel außerhalb ihrer Vorstellungskraft.«

»Ich habe gelernt, dass letztendlich alles möglich ist. Menschen sind einfach zu unterschiedlich, um sich allein auf Standarduntersuchungen zu verlassen.«

»Wann haben Sie das Ergebnis meiner Blutprobe?«

»Übermorgen.«

»Gut, dann komme ich in zwei Tagen wieder zu Ihnen, um das Ergebnis zu besprechen.«

»Solange wir nicht wissen, was Ihnen fehlt, sollten Sie das Training aussetzen«, riet Daniel seinem Patienten.

»Ganz aussetzen ist schwierig, aber ich werde es herunterfahren, mich nicht groß anstrengen.«

»Daran sollten Sie sich auch halten«, sagte Daniel und begleitete Dennis zum Empfangstresen. »Sophia, ich brauche ein großes Blutbild von Herrn Bäumer«, wandte er sich an die zierliche junge Frau, die hinter dem Tresen stand.

»Ich übernehme das!«, rief Lydia, Sophias Kollegin, eine junge Frau mit sportlicher Figur und kinnlangem dunkelblondem Haar.

Sie schaute aus der Tür des Labors heraus, das in der Mitte des Gangs zwischen Daniels Sprechzimmer und der Empfangsdiele lag. »Bitte, kommen Sie zu mir, Herr Bäumer«, bat Lydia den jungen Mann.

»Falls nichts mehr anliegt, gehe ich in die Mittagspause«, wandte sich Daniel Sophia zu, nachdem Dennis ins Labor gegangen war.

»Im Moment gibt es nichts zu besprechen«, versicherte ihm Sophia.

»Dann bis heute Nachmittag«, verabschiedete sich Daniel von ihr und verließ die Praxis.

»Wir sind uns schon einmal begegnet«, stellte Dennis fest, während er im Labor auf dem Stuhl mit der breiten Seitenlehne saß, auf die er seinen Arm abgelegt hatte. Lydia, die, genau wie Sophia, weiße Jeans und ein türkisfarbenes T-Shirt trug, hatte den Arm bereits abgebunden und stach behutsam mit der Nadel der Spritze in eine hervorquellende Vene.

»Wo war das denn?«, fragte Lydia, ohne aufzuschauen, weil sie sich auf die Blutentnahme konzentrierte.

»Neulich, als es im Möbelhaus gebrannt hat. Sie waren mit der Feuerwehr dort«, klärte er sie auf, wo er sie schon gesehen hatte.

»Waren Sie unter den Verletzten?«, wollte Lydia wissen, nachdem sie die Blutentnahme beendet hatte.

»Ich hatte nur ein paar Schrammen. Glücklicherweise geht es dem Feuerwehrmann wieder gut, der während des Einsatzes schwer verletzt wurde.«

»Er hatte noch einmal Glück«, sagte Lydia, ohne explizit zu erwähnen, dass es um Thomas, ihren Freund, ging. Sie sprach nicht gern über dieses Unglück. Nachdem sie die mit Blut gefüllte Kanüle von der Spritze getrennt hatte, beschriftete sie sie mit Dennis’ Namen und Geburtsdatum und legte sie in den Kühlschrank. »Alles in Ordnung?«, fragte sie, weil Dennis wie erstarrt auf das Pflaster schaute, das sie ihm auf die Einstichstelle geklebt hatte.

»Ich habe es nicht so mit Nadeln, deshalb zögere ich einen Arztbesuch gern hinaus«, gab Dennis zu. »Aber bei Ihnen war das jetzt recht erträglich. Eigentlich habe ich so gut wie nichts gespürt.«

»Danke, das nehme ich als Kompliment«, sagte Lydia und lächelte in sich hinein. Ihre Erfahrung hatte sie gelehrt, dass es meistens die außerhalb einer Arztpraxis eher mutigen Männer waren, die unter dieser Angst vor Spritzen litten.

»Es war auch als Kompliment gemeint, Frau Seeger. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag«, verabschiedete sich Dennis mit einem freundlichen Lächeln.

»Hat er gerade mit dir geflirtet?«, fragte Sophia schmunzelnd, als Lydia zu ihr an den Tresen kam.

»Nein, das nicht, aber er mag meine Art der Blutabnahme, schnell und schmerzlos«, entgegnete Lydia augenzwinkernd.

»In dieser Disziplin bist du wirklich geschickt, ich allerdings auch«, fügte Sophia hinzu.

»Unsere Patienten haben echt Glück«, sagte Lydia, und dann mussten sie beide lachen.

Nachdem Sophia den Anrufbeantworter angeschaltet hatte, verließen auch sie und Lydia die Praxis. Zur Nachmittagssprechstunde um halb drei würden sie wieder zurück sein.

*

Nach dem Mittagessen hatte Daniel zwei bettlägerige Patienten besucht. Zuerst war er bei einem 95-jährigen Mann, der an altersbe­dingten Gebrechen litt und mit Schmerzmitteln versorgt werden musste. Danach hatte er Frau Dornhagel aufgesucht.

Die alte Dame hatte sich vor Kurzem ein Bein gebrochen. Nach zwei Wochen wollte sie nicht mehr im Krankenhaus bleiben, da sie davon überzeugt war, dass sie dem Tod dort näher sei als zu Hause. Daniel hatte ihr das nicht ausreden können und sich schließlich darauf eingelassen, die Verantwortung für ihre Genesung zu übernehmen. Neben dem Pflegedienst, den Frau Dornhagels Familie für sie organisiert hatte, sah auch er jeden zweiten Tag nach ihr. Inzwischen musste er ihr recht geben. Die vertraute Umgebung beschleunigte den Heilungsprozess.

Als er von seinen Hausbesuchen zurückkam, saßen Olivia und Ophelia auf der Treppe vor ihrer Haustür. Beide sahen auf die Zeitschrift, die auf Olivias Schoss lag. Sie blickten nur kurz auf, als er an ihrer Einfahrt vorbeifuhr, ließen sich aber weiter nicht stören. Daniel musste lächeln, als die beiden sich mit der gleichen schnellen Bewegung ihr langes rotes Haar aus dem Gesicht streiften. Unverkennbar Mutter und Tochter, dachte er.

Nachdem er kurz darauf sein Auto in die Garage gefahren hatte und mit der Fernbedienung das Tor schloss, stand Ophelia plötzlich hinter ihm. »Hallo, Daniel, hast du noch ein paar Minuten, bevor die Sprechstunde anfängt?«, fragte sie ihn.

»Klar, um was geht es?«

»Mama und ich wollen dir etwas zeigen. Wir denken, wir haben endlich das richtige Hochzeitsgeschenk für Anna und Sebastian gefunden.«

»Ich bin schon gespannt«, sagte er. Es war kurz vor halb drei. Sophia und Lydia würden gleich da sein und die Praxis aufschließen. Er konnte sich noch ein paar Minuten Pause gönnen, zumal das mit der Wahl des Hochzeitsgeschenkes inzwischen eine dringende Angelegenheit war. Die Hochzeit, zu der sie eingeladen waren, fand bereits am kommenden Samstag statt.

»Setz dich einen Augenblick zu uns«, bat Olivia ihn, als er und Ophelia das Grundstück der Mais durch die Lücke in der Lorbeerhecke betraten, die ihre beiden Gärten trennte. »Was hältst du davon?«, fragte sie und legte die Zeitschrift auf Daniels Schoss, nachdem er sich neben sie auf die Stufe gesetzt hatte und Ophelia auf der anderen Seite neben ihm Platz nahm.

»Denkt ihr, das würde ihnen gefallen? Ich meine, es gehört schon etwas Abenteuerlust dazu, sich auf eine solche Unternehmung einzulassen«, stellte Daniel fest und betrachtete die Hochglanzfotos des Artikels, der eine Ballonfahrt beschrieb.

»Emilia hat mir verraten, dass Anna und Sebastian erst neulich von einer Ballonfahrt über die Alpen gesprochen haben, an der sie gern einmal teilnehmen würden«, erzählte ihm Ophelia.

»So eine Fahrt steht auch für mich auf der Liste der Dinge, die ich in diesem Leben noch tun möchte«, meldete sich Ottilie zu Wort, die aus dem geöffneten Küchenfenster neben der Haustür herausschaute. »Ich hoffe, mir bleibt noch genügend Zeit, um diese Liste abzuhaken«, fügte sie mit einem tiefen Seufzer hinzu.

»Oma, du hast noch jede Menge Zeit«, entgegnete Ophelia und wandte sich ihrer Großmutter zu. »Du bist doch noch jung, und das meine ich echt ehrlich«, versicherte ihr das Mädchen.

»Danke, mein Schatz, ich weiß dieses Kompliment zu schätzen«, antwortete Ottilie lächelnd. Sie war vor einigen Wochen neunundfünfzig geworden und noch immer eine attraktive Frau. Sie hatte das gleiche hellrote Haar und die hellen blauen Augen wie ihre Tochter und ihre Enkelin, und da sie sich gern bewegte, hatte sie sich auch ihre jugendliche Figur bewahrt.

»Mir scheint, dass ihr drei euch darüber einig seid, dass ein Gutschein für eine Ballonfahrt das richtige Geschenk für die beiden ist«, stellte Daniel fest.

»Bist du auch einverstanden?«, wollte Olivia wissen.

»Wie ihr wisst, bin ich in einer großen Familie aufgewachsen. Ich weiß, dass es zwecklos ist, sich gegen drei Frauen, die sich einig sind, zu stellen. Davon abgesehen, finde ich aber auch, dass es ein schönes Geschenk wäre«, stimmte er dem Vorschlag mit der Ballonfahrt zu.

»Gut, dann herrscht also Einigkeit«, sagte Olivia und hauchte Daniel einen Kuss auf die Wange.

»Am liebsten würde ich den ganzen Nachmittag mit euch hier sitzen bleiben, aber leider geht das nicht«, bedauerte Daniel. Es war ein wundervoller Spätsommertag, die Sonne schien, es war angenehm warm, und nur hin und wieder zogen ein paar Schäfchenwolken über den strahlend blauen Himmel. Daniel schaute auf das Haus mit den türkisfarbenen Fensterläden, das den Mais gehörte und von einem bunten Garten mit Beerensträuchern und Obstbäumen umgeben war. Danach wanderte sein Blick hinüber zu seinem Grundstück, den Rosenbüschen und den Birken mit ihren tiefhängenden Ästen, die dem Haus mit dem zartgelben Anstrich im Sommer Schatten spendeten.

»Alles in Ordnung?«, fragte Olivia, als er sich ihr wieder zuwandte.

»Ja, es ist alles in Ordnung«, versicherte er ihr und nahm sie noch einmal liebevoll in den Arm, bevor er sich von ihr, Ophelia und Ottilie verabschiedete.

»Manchmal ist es schon verrückt«, sagte Ophelia, während sie und Olivia noch auf der Treppe saßen und Daniel nachschauten.

»Was ist verrückt?«, fragte Olivia.

»Dass wir ausgerechnet dieses Haus gekauft haben, als wir beschlossen, nach München zu ziehen. Wäre das nicht passiert, hätten wir Daniel nie kennengelernt.«

»Wer weiß das schon. Vielleicht wären deine Mutter und er sich irgendwann irgendwo über den Weg gelaufen, weil es einfach so kommen sollte«, stellte Ottilie nachdenklich fest, die noch immer am Küchenfenster stand.

»Die Macht des Schicksals?«, fragte Ophelia.

»Wenn du es so nennen willst.«

»Oma, du und Mama, ihr seid Psychologinnen. Ihr glaubt an die Macht des Willens, nicht an das Schicksal.«

»Weißt du, Schätzchen, das Leben steckt voller Geheimnisse. Niemand, auch kein noch so gelehrter Wissenschaftler, sollte sich anmaßen, diese Geheimnisse bereits entschlüsselt zu haben.«

»Aber zwei Geheimnisse habe ich für mich bereits zweifelsfrei gelöst.«

»Welche?«, fragte Ottilie, und auch Olivia sah ihre Tochter gespannt an.

»Das Geheimnis um den Osterhasen und das um den Nikolaus. Ich musste leider feststellen, dass die beiden nicht existieren.«

»Bleiben noch die Geheimnisse um die Mathematik«, erinnerte Olivia ihre Tochter an ihre Hausaufgaben.

»Ach, Mama, schon wieder die unschöne Realität«, seufzte Ophelia.

»Mit der Mathematik lassen sich aber möglicherweise sogar die Geheimnisse des Universums ergründen«, entgegnete Olivia lächelnd.

»Da kann ich dir nicht widersprechen. Dann gehe ich wohl mal in mein Zimmer«, zeigte sich das Mädchen einsichtig.

»Und ich gehe in die Praxis. In ­einer Viertelstunde kommt mein nächster Patient«, stellte Olivia nach einem kurzen Blick auf ihr Handy fest.

»Während ihr beide fleißig seid, werde ich einen Stachelbeerkuchen backen«, sagte Ottilie, die zur Haustür gekommen war und sie für die beiden aufhielt.

»Stachelbeerkuchen, lecker! Du bist einfach die Beste, Oma«, lobte Ophelia ihre Großmutter und umarmte sie liebevoll.

*

Daniel schaute auf die Patientenliste, die Sophia bereits für den Nachmittag angelegt hatte, als er sich in seinem Sprechzimmer an den Schreibtisch setzte. So wie es aussah, war die Nachmittagssprechstunde mal wieder gut besucht. Um kurz vor drei bat er Bettina Kranich, seine erste Patientin, zu sich.