Alle Jahre Liebe - Sue Watson - E-Book
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Alle Jahre Liebe E-Book

Sue Watson

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Beschreibung

Lass dich nach Appledore entführen – auf eine heiße Schokolade und eine zweite Chance für die Liebe

Ein Jahr nach der Trennung von ihrem Ehemann Gianni ist Chloes Herz endlich wieder fast verheilt. Bis das Telefon klingelt. Der Manager von Giannis neuem Restaurant im beschaulichen Küstenstädtchen Appledore fleht sie um Hilfe an. Chloes Ex-Mann, der für seinen Blattgold-Weihnachtspudding genauso bekannt ist wie für sein explosives Temperament, hat die Einheimischen gegen sich aufgebracht. Chloe weiß, dass sie die Einzige ist, die helfen kann, auch wenn es das Letzte ist, was sie tun will. Aber wird das Wiedersehen mit Gianni auch alte Gefühle neu entfachen?

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Seitenzahl: 391

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Das Buch

Die Schneeflocken fallen, und die Weihnachtsglocken läuten. Doch Chloe ist überhaupt nicht in besinnlicher Stimmung, als sie die Lichterketten für ihr erstes Weihnachten allein auspackt. Nach der Trennung von ihrem hitzigen italienischen Mann Gianni sollte eigentlich Ruhe einkehren, aber nun ist es ausgerechnet ihr Ex, der ihre Hilfe braucht. In Devon hat der begnadete Koch gerade ein kleines Restaurant eröffnet und es mit seiner rüden Art innerhalb kürzester Zeit geschafft, alle Mitarbeiter zu vergraulen. Chloe weiß nur zu gut, dass Gianni die Menschen gerne vor den Kopf stößt, aber sie weiß auch, dass sich hinter seiner harten Schale ein weicher Kern verbirgt. Als die Pfannen anfangen zu fliegen und die Temperatur in der Küche steigt, können nur Chloes beruhigender Einfluss und ihre magischen Hände das Restaurant davor retten, wie ein missglücktes Soufflé in sich zusammenzufallen. Und als der Schnee zu schmelzen beginnt, scheint auch die Tür zu Chloes Herzen nicht mehr verschlossen.

Die Autorin

Sue Watson war Fernsehproduzentin bei der BBC. Irgendwann entschied sie sich jedoch, ihre Fernsehkarriere an den Nagel zu hängen, einen rosafarbenen Laptop zu kaufen und einen Roman zu schreiben. Die Autorin kommt ursprünglich aus Manchester, wohnt aber heute mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Worcestershire.

SUE WATSON

ALLE

JAHRE

Liebe

Aus dem Englischen

von Evelin Sudakowa-Blasberg

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel

Snowflakes, Iced Cakes and Second Chances bei Bookouture

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Deutsche Erstausgabe 11/2019

Copyright © 2017 by Sue Watson

Copyright © 2019 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Birgit Bramlage

Umschlaggestaltung: Eisele Grafik Design, München,

unter Verwendung von Shutterstock

(Woodhouse, Marish, Maria_Ih); Bigstock (kolonko)

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN: 978-3-641-25089-8V001

www.heyne.de

Ich wünsche all meinen Leserinnen

frohe Weihnachten und ein wundervolles neues Jahr.

Kapitel Eins

Jimmy-Choo-Stilettos und Truthahn-Tiramisu

Ich hatte das Gefühl, als würde ich einen verwunschenen Wald betreten, eine winterliche skandinavische Wunderwelt mit silbernen Birken, eisblauem Himmel und Schneeverwehungen. Durch silbrige Zweige hindurch spähte ich zu der einsamen Prinzessin hinüber, die auf dem Eis tanzte. Ihr helles Haar wehte im Wind, während sie langsam ihre Runden auf dem glitzernden, zugefrorenen Teich drehte. Ich ließ den Blick weiter durch den höhlenartigen Raum schweifen, und mir stockte der Atem, denn an einem Zweig links vom Teich hing das himmlischste Paar Jimmy Choos, das mir jemals unter die Augen gekommen war. Übersät mit himbeerrotem Glitzer, eleganten Bleistiftabsätzen und einer messerscharfen Fußspitze, die einen Mann ernsthaft verletzen könnte.

»Die muss ich haben!«, murmelte ich. Mir tropfte förmlich der Speichel aus den Mundwinkeln, als ich mir die Nase an dem Schaufenster platt drückte. In Wahrheit fühlte ich mich genauso wie die einsame Prinzessin in der Weihnachtsdekoration, die quälend langsam Runde um Runde auf dem verdammten Eis drehte, ohne jeden Sinn und ohne jedes Ziel. Nur hatte sie wenigstens die Aussicht auf ein Paar Jimmy Choos, was deutlich mehr war, als ich im Moment vor Augen hatte. Ich war eine einsame Prinzessin, die im quietschenden Hamsterrad des Lebens strampelte. Meine Ehe war zerbrochen, ich lebte allein, und in einigen Wochen stand Weihnachten vor der Tür. Dieses Jahr hatte ich einen Heidenbammel vor den Feiertagen. Es gab nichts, worauf ich mich freute, niemanden, der mich zu Hause erwartete, keine Geschenke, die ich noch besorgen musste, kein Weihnachtsessen im Kreise lieber Menschen; es gab nur mich in meinem einsamen Prinzessinnenturm – also genauer gesagt in meiner kleinen Wohnung in Clapham. Es gab keinen Prinzen, der mich auf seinem weißen Pferd entführte, und keine traumhaften Jimmy Choos, die ich wie eine reife Beere von einem Zweig pflücken könnte.

Ich tat mir selbst am meisten leid, als die Weihnachtseinkäufer hektisch an mir vorbeirannten. Sie schwirrten geschäftig umher, um Geschenke zu besorgen, durch Läden zu stöbern und andere Leute zu treffen. Während sie alle ihr Leben lebten, kam ich mir vor, als wäre mein Leben schon vorbei, noch bevor es überhaupt begonnen hatte.

Ich stand nicht ohne Grund vor Harrods und betrachtete sehnsüchtig teure Schuhe. Ja, ich mag Schuhe; ich bin eine Frau, das liegt in meiner Natur. Aber ich starrte vor allem deshalb in das Weihnachtsschaufenster, um den Mut aufzubringen, diese geheiligten Hallen der märchenhaften Pracht zu betreten. In den nächsten zwei Wochen sollte ich hier freiberuflich als Marketingberaterin arbeiten. Ich freute mich sehr, weil es eine schöne Aufgabe rund um das Weihnachtsfest war. Aber wie die meisten schönen Dinge im Leben hatte auch dieser Job seinen Preis.

Ich riss mich vom Schaufenster los und ging zum Eingang. Mit angehaltenem Atem schritt ich durch das Portal und betrat das glitzernde Innere des Nobelkaufhauses Harrods. Mein Mund war trocken, und mein Herz vollführte einen wilden kleinen Tanz, denn hier hatte alles begonnen. Vor etwa fünfzehn Jahren hatte ich hier den unhöflichsten, selbstsüchtigsten und arrogantesten Mann kennengelernt, der mir jemals begegnet war. Und genau diesen hatte ich geheiratet.

Gianni Callidori war ein italienischer Koch, dessen ungewöhnliche Kreationen die Aufmerksamkeit eines Harrods-Managers erregten. Dieser beschloss, die Gerichte hübsch verpackt in der Vorweihnachtszeit zum Verkauf anzubieten. Wenn mir damals nach der ersten Begegnung mit Gianni Callidori jemand gesagt hätte, ich würde mich in diesen schrecklichen Mann verlieben, hätte ich es niemals geglaubt. Meine damalige Aufgabe war es, dass die richtigen Produkte an den richtigen Stellen in den dafür vorgesehenen Schaufenstern erschienen. Voller Hingabe gab ich mich dieser Aufgabe hin, als ich ihm das erste Mal begegnete.

»Nehmen Sie Ihre dreckigen Pfoten von meinen Weihnachtspuddings!«, waren die ersten Worte, die er in einem nicht gerade höflichen Ton zu mir sagte. Als Assistentin des Verkaufsleiters war es eine meiner Aufgaben, Gianni Callidoris Weihnachtskreationen, die als »neues und spannendes Sortiment an exquisiten Festtagsgerichten für den verwöhnten Gaumenfreund« beworben wurden, optimal in Szene zu setzen. Ich war geschockt über seinen Ton, und es war mir ziemlich egal, dass die Vogue gerade über ihn berichtet hatte und er vom Festive Food-Magazin als »Koch-Genie« des Monats Dezember ausgezeichnet worden war. Ich fand ihn einfach nur ungehobelt und anstrengend. Er gebärdete sich wie ein verzogenes Kleinkind, das seine Launen nach Herzenslust auslebte.

Damals habe ich ihn auf den ersten Blick gehasst. Wie konnte er es wagen, mich in meiner Arbeit zu stören und einfach anzubrüllen?

»Heiliger Bimbam, stellen Sie die verdammt noch mal nicht dorthin!«, schrie er weiter. Das ging nun wirklich zu weit, also drehte ich mich um und brüllte zurück.

»Wo soll ich die Sachen Ihrer Meinung nach hinstellen?« Ich nahm zwei Mandarine-Nelken-Puddings aus seinem »Callidori Weihnachtssortiment« und hielt sie ihm leicht aggressiv entgegen, was auf vorbeigehende Passanten ziemlich befremdlich wirken musste.

»Jedenfalls nicht in dieses gottverdammte Drecksschaufenster«, lautete seine hitzige Antwort. »Sie müssen im Dunkeln ruhen, dürfen nicht dem Licht ausgesetzt werden«, sagte er, schnappte sich eine Handvoll Puddings und presste sie an sich, als wären sie schutzbedürftige, frisch geschlüpfte Küken.

»Oh, Verzeihung, man hat mir nicht gesagt, dass man Pudding wie Vampire behandeln muss«, gab ich zurück. »Soll ich in ihrer Nähe vielleicht auch das Versprengen von Weihwasser und Knoblauch vermeiden?«

»Nein, in den verdammten Puddings ist schon Knoblauch drin«, entgegnete er, was mich ein wenig überraschte, weil ihm der Sarkasmus meiner Worte offenbar entgangen war.

Ehe ich ihn daran hindern konnte, begann er die Puddingbehälter auf einem Tisch hinter einem großen Truthahn übereinanderzustapeln, wo sie die Kunden niemals sehen würden.

»Da, sehen Sie, der Pudding braucht Schatten, auf gar keinen Fall Licht.« Er fuchtelte wild mit den Armen. »Stellen Sie den ganzen Pudding dorthin«, fügte er zornig hinzu und deutete aggressiv auf den Tisch.

»Ich weiß, wohin ich ihn drapieren möchte, und dort ist er auch nicht dem Licht ausgesetzt«, murmelte ich. Sein verdammter Pudding verkaufte sich nicht und musste sichtbar präsentiert werden. Hier ging es schließlich um meinen Job.

Während er sich vor mir aufbaute, erklärte ich ihm ein paar Dinge über Produktplatzierung und stellte seine Puddings wieder an den Platz zurück, den ich ursprünglich für sie ausgewählt hatte. Geschockt über mein eigenmächtiges Verhalten, schnappte er mehrmals nach Luft, brummelte verärgert vor sich hin und rauschte von dannen.

Als meine Freundin Cherry mir später in der Vogue den Artikel über ihn zeigte, musste ich laut lachen. Er wurde als »enfant terrible« der italienischen Küche bezeichnet; er war eindeutig der aufgehende neue Stern am Kochhimmel, deswegen führte das noble Harrods seine leicht verrückten Weihnachtsgerichte im Sortiment. O Gott, mir wurde bewusst, dass ich vielleicht wegen dieses Vorfalls meinen Job verlieren könnte. Ich rechnete schon jetzt damit, vor sämtliche Chefs gezerrt zu werden, weil ich dem König nicht gehuldigt hatte, sondern ihm gegenüber ziemlich unverschämt war.

»Niemand will mit ihm zusammenarbeiten«, sagte Cherry. »Also hat man dir die Aufgabe übertragen. Du bist neu, und die Chefs wollen keinen Ärger.«

Es wurmte mich, dass der Schwarze Peter an mich weitergereicht worden war, aber ich war pflichtbewusst und wollte meinen Job gut machen. Das beinhaltete allerdings nicht, mich von einem cholerischen Italiener anbrüllen zu lassen, der nicht einmal den Anstand besaß, sich vorzustellen. Genau das gab ich ihm am nächsten Tag zu verstehen, als er ohne jede Vorwarnung in dem Schaufenster auftauchte, in dem ich gerade »Weihnachten am Schwanensee« dekorierte.

»Wie ist Ihr Name?«, blaffte er mich an.

»Und wie ist Ihr Name?«, erwiderte ich ziemlich schnippisch. »Verzeihung, aber Sie können nicht einfach auftauchen und mir vorschreiben, wie ich meine Arbeit zu tun habe. Sie waren gestern sehr unhöflich.«

»Sie auch«, knurrte er. »Ich werde mich an die Geschäftsleitung wenden.«

»Okay, wenn Sie sich über mich beschweren, werde ich mich über Sie beschweren«, sagte ich in der Hoffnung, er würde es nicht darauf ankommen lassen. Ich war mir ziemlich sicher, dass das Management eher mich als ihn feuern würde; schließlich bewegte ich nur Schwäne hin und her, war also durchaus ersetzbar.

Wortlos starrte er mich an, und ich hielt seinem Blick stand. Dieses Kräftemessen währte einige Sekunden, bis er »Heilige Krötenkacke« murmelte und abdampfte.

Bevor ich Gianni traf, war ich immer gut darin gewesen, andere Menschen zu durchschauen. Ich dachte, dass ich andere Menschen gut einschätzen konnte. In meinem Job war ich es gewohnt, mit schwierigen Menschen umzugehen, aber jetzt war ich mit einem Typen konfrontiert, der sich total irrational benahm. Er war nervig und arrogant in seinem ganzen Auftreten, sein Verhalten war unverständlich und befremdlich – und trotzdem war ich von Anfang an von ihm fasziniert. Er hatte diese erstaunliche Energie, war unbezähmbar, oft unerreichbar, aber dennoch gelang es mir nach einer Weile irgendwie, mit ihm auf Augenhöhe zu kommunizieren. Ich arbeitete mehrere Wochen mit seinen Festtagsspeisen, platzierte sie überall in der Abteilung an prominenten Stellen, vor allem in den Schaufenstern, besuchte Werbeveranstaltungen und überlegte mir neue Verkaufsstrategien. Insgeheim bezeichnete ich sein Sortiment als Callidoris Weihnachts-Schwachsinnn und räumte seinen seltsamen Kreationen nur wenig Hoffnung auf Erfolg ein. Ich lächelte tapfer, wenn er vorbeikam, um zu fragen, wie das Geschäft lief, und als ich ihm die Verkaufszahlen nannte, explodierte er erwartungsgemäß wie ein Feuerwerk. Er beschwerte sich bitter über den schlechten Absatz und besaß noch die Frechheit, mich zu fragen, was ich falsch machen würde. Wie kein anderer Mensch hatte er die Fähigkeit, mich binnen Sekunden auf hundertachtzig zu bringen, sodass wir uns bei jedem Treffen über kurz oder lang in der Wolle lagen. Aber wir hatten auch Gespräche, die nicht in Streit mündeten; manchmal plauderten wir über Rezepte oder die Vorgänge im Kaufhaus. Es war im Grunde nur Small Talk, aber in diesen Momenten erlebte ich einen anderen Menschen, jemanden, der zugänglich war. Mitunter entdeckte ich in seinen Augen ein schalkhaftes Funkeln, aber oft zog er mich dann auf oder zettelte einen Riesenstreit an.

Eigentlich war es unmöglich, mit ihm zusammenzuarbeiten, doch ich ließ mich nicht unterkriegen. Wenn ich die Truthahn- oder Cracker-Weihnachtspuddings an einer bestimmten Stelle haben wollte und er nicht, beharrte ich auf meiner Meinung. Am nächsten Tag stellte ich oft fest, dass er die Artikel heimlich umgestellt hatte, und dann stellte ich sie eben wieder zurück. Ich konnte mich nicht immer durchsetzen, aber ihm gelang das auch nicht.

Erst als ich in die Abteilung für Hundebedarf versetzt wurde und nicht mehr mit Gianni arbeitete, merkte ich, wie sehr ich mich an ihn und seine Art, ständig unangemeldet aufzutauchen und nach einem Grund zum Meckern zu suchen, gewöhnt hatte. Mir wurde klar, dass alles nur ein Spiel war und Gianni den Schlagabtausch, der im Laufe der Wochen einen flirtartigen Unterton angenommen hatte, zutiefst genoss. Ich mochte es, wie seine Augen mutwillig funkelten, oder wie er mich ansah, wenn er glaubte, ich würde es nicht merken. Offen gestanden freute ich mich fast jeden Tag darüber, wie er hereingerauscht kam und sich beschwerte, wie unsensibel ich seine Puddings oder sein Panettone in Szene setzte. Ich wusste ganz genau, dass er mich provozieren wollte und sich darüber freute, wenn ich eine genervte Grimasse zog, aber gleichzeitig mit den Wimpern klimperte (okay, ich flirtete zurück, ich war jung). Und manchmal hielten wir plötzlich mitten im Streit inne und begannen zu lachen, schüttelten die Köpfe über die absurden Ansichten des anderen und wussten beide, dass wir über uns selbst lachten und über die prickelnde Spannung, die sich zwischen uns entwickelte.

Die Arbeit in der Hundeabteilung machte mir Spaß; ich war sehr kreativ bei den Weihnachtssocken für den kleinen Liebling und den mit Schleifchen umwickelten Markknochen. Als Gianni von der Geschäftsleitung verlangte, ich solle weiter für ihn arbeiten, gab ich mir den Anschein, als würde ich mich dem Druck von oben notgedrungen beugen aber insgeheim verspürte ich eine fast irrationale Freude über diese Entwicklung. Ich hatte den spielerischen Schlagabtausch und das Flirten vermisst und auch jene Momente, wenn wir uns »wie ganz normale Leute« unterhielten. Gianni faszinierte mich. An manchen Tagen war er nachdenklich und weniger exaltiert, erzählte über sein Elternhaus in der Toskana, über die Kochkünste seiner Mutter und den Wein seines Vaters, den er aus den Trauben herstellte, die auf dem eigenen kleinen Stück Land wuchsen. Diese Momente blieben die Ausnahme; in der Regel behielten wir unseren Scheinkampf bei, in dem er den Bösewicht und ich die pampige Prinzessin mimte.

»Heilige Hasenpfote, Sie haben nicht immer recht«, gab er eines Tages von sich. Sein hinreißender italienischer Akzent und die seltsame Wortwahl waren eine Kombination, die ich unglaublich reizvoll fand. Trotz seines unbeherrschten Auftretens erkannte ich, dass auf ihn der Spruch von den bellenden Hunden, die nicht beißen, zutraf. Manchmal schob er mir einen seiner berühmten, mit Glasur überzogenen Kuchen zu – übrigens der köstlichste Kuchen, den ich je gegessen hatte – und brummte: »Bringen Sie den Ihrer Mama mit.« Meine Mutter war bereits einige Jahre tot, aber ich wollte ihm die Freude nicht verderben und nahm das Geschenk dankend an. Um seine Mundwinkel zuckte dann jedes Mal ein leichtes Lächeln, und ich sah ihm an, wie sehr es ihm gefiel, mir etwas zu schenken. Das stand im Gegensatz zu dem Image des unhöflichen, gefühllosen Despoten, das er für den Rest der Welt pflegte. Mir wurde bewusst, dass dieser Mann viele Facetten hatte, und ich wollte herausfinden, was sich unter der Oberfläche verbarg.

Es gab oft eine Menge Ärger zwischen uns, doch Gianni verlor niemals wirklich die Beherrschung. Er beschwerte sich zwar über alles unter Verwendung einer Vielzahl an Flüchen, die er wahllos verwendete, um die Stärke seines Gefühls zu betonen. Da er mit der englischen Sprache immer noch zu kämpfen hatte, beinhalteten diese Flüche oft eine Ansammlung von vulgären Kraftausdrücken ohne jeden Kontext, was viele Menschen vor den Kopf stieß, mich jedoch köstlich amüsierte. Ich lernte bald, dass der Weg zu seinem Herzen über das Essen ging, und konnte ihn immer beruhigen, indem ich ihn nach dem Knoblauchbrot seiner Nonna oder der Pastasoße seiner Mama fragte. Dann kam der echte Gianni zum Vorschein, der mit feuchten Augen von der italienischen Küche seiner Kindheit schwärmte. »Dicke Tomatensoßen mit frischem Knoblauch vom Feld«, sagte er dann sehnsuchtsvoll. »Und der Käse, Chloe … ah, der verdammte, herrliche italienische Käse.«

Er hatte Italien mit neunzehn Jahren verlassen, um sein Glück zu suchen, und sich schließlich in London niedergelassen. Doch er hatte bislang keinen Ort gefunden, an dem es Essen »wie zu Hause« gab.

Zu dieser Zeit zeigte ein Fernsehsender Interesse daran, einen Dokumentarfilm über Gianni zu drehen. Seine Gerichte waren traditionell italienisch mit einem modernen Touch, und neben seinem innovativen Weihnachtssortiment war er berühmt für seine Cannelloni mit Gorgonzola und seine Zitronen-Walnuss-Pasta. Doch als zu Beginn der Dreharbeiten ein Treffen mit einem Essenstester stattfand, der es wagte, die Konsistenz von Giannis Truthahn-Tiramisu zu kritisieren (die Konsistenz war dabei das kleinste Problem!), war Gianni so erbost, dass er den Mann am Kragen packte und sein Gesicht in eine riesige Torte tunkte. Und damit war das Ende seiner Fernsehkarriere besiegelt. Er war enttäuscht, aber ich sagte ihm, dieser ganze Showrummel sei sowieso nichts für ihn; er solle sich lieber an seine Prinzipien einer simplen italienischen Küche halten, als Fernsehruhm anzustreben und bizarre Gerichte zu erfinden. Wer will schon Truthahn-Tiramisu essen?

Trotz seiner Neigung zu Gerichten mit Innereien begann sein Stern weiter aufzusteigen, und je länger wir zusammenarbeiteten, desto enger wurde unsere Beziehung. Oft neckte er mich mit frechen Bemerkungen über mein Outfit (wenn ich es beispielsweise wagte, Gelb zu tragen, sagte er, ich sähe aus wie eine »verdammte Banane«). Ich war nicht gekränkt, da ich wusste, dass er mich gernhatte. Es erinnerte mich an die Art, wie Jungs in der Schule die Mädchen neckten, in die sie verschossen waren. Jedenfalls war Gianni Callidori bei Weitem nicht so weltläufig und kultiviert, wie die Klatschblätter uns glauben machen wollten. All diese schönen Schwarz-Weiß-Fotos, wie er lässig in der Küche stand oder im Schneidersitz mit einem riesigen Schneidemesser in der Hand auf der Arbeitsplatte saß, waren nichts als Pose. Ich sah hinter seiner Fassade den linkischen Teenager und den verletzlichen Mann. Seine ziemlich unbeholfenen Versuche, meine Aufmerksamkeit zu gewinnen, waren herzerwärmend, und manchmal wünschte ich mir, er würde seine Maske ablegen und mich einfach küssen.

Auch Cherry fiel das Knistern zwischen uns auf. »Sobald du auftauchst, hat dieser finstere Kerl so etwas wie ein Lächeln im Gesicht«, lachte sie. »Das sind die einzigen Momente, in denen er überhaupt lächelt.«

Eines Morgens arbeitete ich im Büro an einer Werbekampagne für seinen mit Glasur überzogenen italienischen Weihnachtskuchen (der Name war ein ziemlicher Zungenbrecher, aber dafür zerschmolz der Kuchen förmlich auf der Zunge), als Gianni hereinkam.

»Guten Morgen«, sagte ich gut gelaunt. »Wie finden Sie das Poster, das wir gemacht haben?« Ich stand auf und hielt ihm das Foto des Weihnachtskuchens entgegen. Gianni hatte mir erklärt, dass italienische Glasur aus Eiweiß hergestellt werde und im Grunde eine Art von Baiser sei. Die leichte, fluffige Konsistenz ergänzte sich mit dem samtig weichen Schokoladen-Chili-Biskuitkuchen auf geradezu himmlische Weise. Ich konnte das beurteilen, weil er mir Tage zuvor einen Kuchen für mich »und die Mama« mitgegeben hatte, den ich innerhalb von zwei Tagen verputzte.

»Das ist mein absoluter Favorit in Ihrem Sortiment«, sagte ich, während ich auf seine Antwort wartete. Gianni war jedoch sehr einsilbig und betrachtete nur achselzuckend das Foto.

»Der Kuchen erinnert mich an Sie«, fügte ich hinzu, worauf er mich ansah.

»An mich?«, fragte er stirnrunzelnd.

»Mm, die Eiweißglasur glänzt wie ein zugefrorener See, und da kommt mir Ihr gefrorenes Herz in den Sinn.« Ich provozierte ihn bewusst, wollte quasi eine Reaktion von ihm erzwingen.

Einige Sekunden stand er einfach nur da und sah mich an, als würde er darüber nachdenken, was ich soeben gesagt hatte. Ich fragte mich, ob ich zu weit gegangen war. Es war ein Scherz, aber ich arbeitete für ihn und hatte den Bogen womöglich überspannt.

Schließlich riss er den Blick von mir los und betrachtete das Poster, ehe er sich mit ernstem Gesicht mir zuwandte. »Und Sie könnten vielleicht der Chili sein, der die eisige Hülle und mein kaltes Herz erwärmt.«

Mit so einer Bemerkung hatte ich nicht gerechnet, und mir wurde heiß und kalt, als er näher kam, die Hand hob und mit den Fingerspitzen über meine Wange strich. Wir sahen uns tief in die Augen, und ich hatte das Gefühl, dass nun endlich etwas vorangehen würde. Ich bereitete mich innerlich schon auf den Kuss vor, doch er drehte sich um und rief mir im Hinausgehen über die Schulter hinweg zu: »Gute Arbeit, Chloe. Das Poster gefällt mir.«

Sein abrupter Rückzug irritierte mich. War er schüchtern und ein wenig verlegen, weil er es so weit hatte kommen lassen? Oder betrachtete er mich lediglich als eine Kollegin, mit der er ab und zu flirtete ohne ernsthafte Absichten?

Danach sah ich ihn ein paar Tage lang nicht, und mit jedem Tag wuchs die Enttäuschung, als er nicht auftauchte, um mich zu necken oder einen Aufstand wegen der unsensiblen Präsentation seiner hochtrabenden Weihnachtspuddings mit Kardamom zu machen. Während ich seine Puddings zu Pyramiden stapelte und dem Schaufensterdekorateur dabei half, mit Giannis verrückten Produkten die Szenerie eines festlichen Weihnachtsessens zu gestalten, musste ich ständig daran denken, wie seine Finger sich auf meiner Wange angefühlt hatten. Immer wieder fragte ich mich, warum er einfach gegangen war und wo er jetzt sein würde. Hatte er meine überraschte Reaktion auf seine Worte als Abwehr interpretiert oder Angst vor zu viel Nähe? War dieser nach außen hin so kalte Mann überhaupt in der Lage, Gefühle zuzulassen?

Ich lenkte mich mit Arbeit ab und versuchte, nicht an ihn zu denken, doch in jeder Spiegelung des Weihnachtsschaufensters sah ich sein Gesicht und hoffte, dass er doch noch auftauchen würde.

Und dann passierte plötzlich etwas. Es war der 24. Dezember, und ich wollte noch die Werbekampagne für Januar fertig machen, damit ich nach den Feiertagen sofort loslegen konnte. Die Luft vibrierte vor freudiger Erwartung auf das Fest, doch ich hatte den ganzen Tag verzweifelt mit den Tränen gekämpft, weil mein kleiner Kater Freddie am Abend zuvor auf die Straße gelaufen und von einem Auto überfahren worden war. Ich war so traurig, dass ich am liebsten nicht zur Arbeit gegangen wäre, aber wegen eines Katers hätte man mir auch keinen Sonderurlaub bewilligt.

An diesem Morgen tauchte Gianni wieder auf und begann sofort wegen irgendeiner Nebensächlichkeit zu meckern. Ganz schlechtes Timing, denn ich war zu traurig, um mich über das Wiedersehen zu freuen. Obwohl er offensichtlich auf einen unserer kleinen Schaukämpfe aus war, konnte ich darauf nicht auf meine übliche Art reagieren. Als er schrie, warum seine Pies mit geräucherter Paprika und Minze nicht verkauft worden seien, erwiderte ich nicht so schlagfertig wie sonst, sondern brach in Tränen aus. Der Kummer über den Tod meines kleinen Freddie und die Erleichterung darüber, Gianni wiederzusehen, hatten alle Schleusen in mir geöffnet. Plötzlich überfiel mich ein nahezu unwiderstehliches Verlangen, den Kopf an Giannis Brust zu schmiegen. Ich wollte, dass er mich in den Arm nahm und mir mit seinem betörenden italienischen Akzent ins Ohr raunte, dass alles gut werden würde. Aber er hatte meine Tränen gar nicht bemerkt, sondern schimpfte ungerührt weiter. Ich hatte nicht die Absicht, ihn um ein wenig Trost anzuflehen. Durch den Tränenschleier hindurch sah ich, wie seine Miene plötzlich erstarrte; er hörte auf zu schreien und sackte förmlich in sich zusammen. Offenbar war er von dem Anblick einer weinenden Frau absolut überfordert.

»Oh, Entschuldigung, das tut mir so leid, ich wollte Sie nur ein bisschen aufziehen«, stammelte er.

»Nein, nein, es hat nichts mit Ihnen zu tun«, erwiderte ich und erzählte ihm schluchzend von Freddie. Wortlos hörte er zu, und in seinen Augen lag eine solche Zärtlichkeit, dass es mir den Atem verschlug. Während ich meinen Tränen freien Lauf ließ, blieb er unbeholfen neben mir stehen. Als ich endlich aufhörte zu weinen, ging er ohne ein weiteres Wort aus dem Büro. Wahrscheinlich konnte er mit meinem Gefühlsausbruch nicht umgehen. Ich beschloss, mich davon nicht runterziehen zu lassen und meine Gefühle an einen Eisklotz zu verschwenden. Also arbeitete ich weiter und versuchte, ihn aus meinen Gedanken zu verbannen. Aber als ich am späten Nachmittag aus dem Kaufhaus auf die dunkle, regennasse Straße hinausging, stieß ich direkt mit Gianni zusammen, der gerade hereinkommen wollte. Erschrocken keuchte ich auf und begann dann zu lachen. Sein Anblick löste ein Wirrwarr an Gefühlen in mir aus. Einerseits freute ich mich riesig, ihn zu sehen, andererseits hatte ich Angst, weil ich mich in seiner Gegenwart so verletzlich fühlte. In diesem Augenblick wusste ich, dass ich verliebt in ihn war.

»Ah, Chloe, ich wollte gerade zu Ihnen«, sagte er. Er bewegte sich seltsam, hielt den Mantel zu, als würde er etwas darunter verstecken.

»Gianni, was ist los? Sie sehen aus wie ein Ladendieb«, bemerkte ich lachend. »Oder als hätten Sie unter Ihrem Mantel nichts an.« Letzteres war mir herausgerutscht, und ich biss mir verlegen auf die Lippe.

»Äh, aber es ist Winter«, erwiderte er sichtlich verwirrt. »Zieht man in England unter dem Mantel nichts an?«

»Doch, normalerweise schon.« Ich kicherte und schüttelte den Kopf.

Mein Heiterkeitsausbruch ließ ihn ungerührt. Sein ganzes Gebaren wirkte irgendwie verdächtig.

»Ich habe ein Geschenk für Sie, ein Weihnachtsgeschenk«, sagte er. Langsam öffnete er seinen Mantel und bedeutete mir, näher zu kommen. Wollte er sich etwa im Eingang von Harrods entblößen? Und noch dazu an Weihnachten? Exhibitionismus war in England eine Straftat, aber vielleicht war das in Italien ja anders? Unschlüssig sah ich ihn an, worauf er mich anlächelte (ja, ein richtiges Lächeln). Also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und ging auf ihn zu. Meine Bedenken lösten sich in Luft auf, als mir sein berauschender Duft nach Aftershave und Knoblauch in die Nase stieg. So nah war ich ihm noch nie gewesen, und es fühlte sich gut an, tröstlich und aufregend zugleich. Er schob die Hand in den Mantel, und Wärme durchströmte mich (ehrlich gesagt auch Erleichterung), als er das süßeste Kätzchen mit den blauesten Augen, die ich jemals gesehen hatte, hervorzog.

»Ein Kätzchen?«, fragte ich verdutzt, als könnte es auch etwas anderes sein.

»Für Sie. Damit Sie nicht mehr um Freddie weinen müssen«, sagte er lächelnd und sah mich erwartungsvoll an. Behutsam legte er mir das winzige weiße Kätzchen in die Arme, das sein rosa Mäulchen öffnete, um sein erstes »Hallo« zu maunzen. Ich blickte von dem Kätzchen zu Gianni, und unsere Blicke trafen sich. Es war, als hielte die Welt den Atem an. Genau in diesem Moment begann es zu schneien, und trotz allem, was in den Jahren danach passierte, wird das für mich immer die schönste Erinnerung sein, die ich mit Weihnachten verbinde. Niemand wird mir das jemals nehmen können.

Kapitel Zwei

Eine bildschöne Rothaarige und ein Cottage am Meer

Das erste Weihnachten mit meinem Kätzchen verbrachte ich bei Cherry. Sie war gerade frisch getrennt, und wir hatten beschlossen, das Fest gemeinsam in ihrer kleinen Wohnung zu feiern. Wir waren beide ganz verliebt in das flauschige kleine Wesen, das auf der Fensterbank saß und versuchte, die draußen fallenden Schneeflocken zu fangen.

»So werde ich sie nennen!«, rief ich. »Schneeflöckchen.«

Cherry konnte es kaum fassen, dass Gianni mir so ein liebevoll ausgesuchtes Geschenk gemacht hatte.

»Er ist sonst so verschlossen, lässt niemanden an sich heran«, sinnierte sie, während wir bei Glühwein und warmen Mince Pies (ohne geräucherte Paprika!) gemütlich zusammensaßen. »Ich schätze mal, er ist in dich verknallt.«

»Er hätte doch irgendetwas sagen oder mich um ein Date bitten können«, seufzte ich mit dem Wissen, dass ich ihn einige Tage nicht sehen würde. Mir graute jetzt schon vor der Zeit ohne ihn.

»Ich glaube, Gianni Callidori ist der Typ Mann, der sein Herz nur ein einziges Mal verschenkt. Er will es nicht überstürzen, bevor er sich ganz sicher ist.«

Mir gefiel ihre Theorie, und ich hoffte, sie möge recht behalten, denn als er mir das kleine weiße Kätzchen in die Arme gelegt hatte, hatte ich ihm im Stillen mein Herz bereits geschenkt.

»Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal von ihm sagen würde, aber er ist ein feiner Mensch«, fuhr sie fort und lächelte über Schneeflöckchen, die unter dem Weihnachtsbaum herumflitzte und dabei die Schleifen um die hübsch verpackten Geschenke berührte.

Im darauffolgenden Jahr sprang Schneeflöckchen wieder unter dem Baum herum und spielte mit Lametta und Schleifen, nur dieses Mal im Beisein von Gianni und mir.

Wir lebten damals recht beengt in seiner kleinen Wohnung. Leider brachte sein »Callidori Weihnachtssortiment« nicht besonders viel Gewinn, dennoch sparten wir für ein eigenes Restaurant, von dem er immer geträumt hatte. Ich arbeitete Vollzeit bei Harrods, während er an seinem Traum arbeitete, aber wir achteten darauf, immer genügend Zeit füreinander zu haben. Gianni konnte aus nichts die wunderbarsten Gerichte zaubern: Seine Karottensuppe schmeckte wie Hummer Thermidor, billiges Fleisch verwandelte er in zarte Filetsteaks, die auf der Zunge zergingen. Und teilten wir uns eine Flasche Wein, schmeckte der Wein so köstlich wie Champagner.

»Dieser Mann kann Gemüse zum Singen bringen«, sagte ich einmal zu Cherry.

»Du kannst dich glücklich schätzen!«, lachte sie. »Möge dein Kohl immer wie Pavarotti klingen.«

Zu unserem ersten gemeinsamen Weihnachtsfest kauften wir einen kleinen Baum und schmückten ihn mit sehr viel Hilfe von Schneeflöckchen, die sich um alles kümmerte, was funkelte, raschelte und herunterhing. Zum Schluss knipste Gianni die bunte Lichterkette an, und dann standen wir alle drei ehrfürchtig vor unserem festlich geschmückten kleinen Baum. Er war für uns schöner als die fünfundzwanzig Meter hohe norwegische Tanne am Trafalgar Square.

Als wir danach zusammensaßen, ein Gläschen Sekt schlürften und Schneeflöckchen knuddelten, erspähte ich am Weihnachtsbaum eine Glaskugel, die vor wenigen Minuten noch nicht dort gehangen hatte. Neugierig ging ich näher und entdeckte im Inneren der Kugel einen glitzernden Gegenstand. Fragend drehte ich mich zu Gianni um, der mich schmunzelnd beobachtete, während er Schneeflöckchen streichelte.

»Was ist das?«, fragte ich atemlos und merkte, wie mein Herz einen kleinen Hüpfer machte.

»Sieh selbst nach«, antwortete er lächelnd.

Also nahm ich die Kugel ab, öffnete sie und entdeckte darin einen wunderschönen Diamantring.

»Heirate mich, Chloe. Du bist die einzige Frau für mich«, sagte er leise zu mir.

Ich war so überwältigt vor Liebe und Glück, dass ich kein Wort herausbrachte.

»Sag verdammt noch mal einfach Ja! Ja?«, drängte er etwas besorgt.

»Ja … ja«, antwortete ich leise.

»Gott sei Dank!«, rief er und atmete erleichtert auf. »Einen Moment lang habe ich befürchtet, Mummy würde Nein sagen«, sagte er zu Schneeflöckchen, die laut schnurrend den Kopf an seiner Brust rieb. Es war scherzhaft gemeint; er wusste, dass ich mir ein Leben mit ihm genauso wünschte wie er. Und ich liebte es, das Wort »Mummy« aus seinem Mund zu hören. Selbst jetzt noch durchströmte mich ein warmes, weihnachtliches Gefühl bei der Erinnerung daran, wie er mir den Ring über den Finger streifte.

Damals wussten wir nicht, was das Schicksal noch alles für uns bereithielt. Das Leben folgt eigenen Gesetzen und ist niemals so einfach, wie man sich das erhofft.

Das letzte Weihnachten, das wir zusammen verbrachten, hatte keinerlei Zauber mehr in sich. Wir waren vierzehn Jahre verheiratet, und es war so viel in der Zwischenzeit passiert. Am Weihnachtstag kam Gianni mitten in der Nacht betrunken nach Hause, und ich weinte vor Zorn, Kummer und Enttäuschung. Die Auseinandersetzungen, die Kränkungen, die Beschuldigungen verquirlten sich zu einem Weihnachtscocktail, der jede Zuneigung ertränkte, die wir einst füreinander empfunden hatten. Ich hatte gehofft, wir würden für immer zusammenbleiben. Die Vorstellung, einen anderen Mann zu lieben, war für mich undenkbar, wie auch die Vorstellung, er könne mit einer anderen Frau glücklich sein.

Immer wieder hatte ich versucht, an ihn heranzukommen, doch in dieser Nacht wurde mir klar, dass wir nicht mehr miteinander reden konnten. Er stürmte ins Schlafzimmer, und als ich versuchte, ihn zu einer Aussprache zu bewegen, hörte er einfach nicht zu – wieder einmal. Also packte ich schweren Herzens eine Tasche mit den nötigsten Sachen zusammen und flüchtete in die Morgendämmerung. Schneeflocken wirbelten um meinen Kopf, und mein Herz zerbrach in tausend Scherben, als ich meinen Mann, meine Katze und mein altes Leben hinter mir zurückließ.

Die Trennung bot mir die Gelegenheit, in Ruhe über alles nachzudenken, und mir wurde bewusst, dass wir uns in den letzten Jahren unserer Ehe immer weiter voneinander entfernt hatten. Wir waren beide beruflich stark eingespannt gewesen, hatten unsere Karrieren als Ausrede benutzt und den Kopf in den Sand gesteckt. Gianni leitete sein großes Restaurant in London, und ich war eine international tätige Eventmanagerin. Nach außen hin wirkten wir wie der Inbegriff eines vom Leben verwöhnten Glamourpaares. Der leidenschaftliche italienische Koch und die um die Welt jettende Eventmanagerin, die Partys auf Jachten, königliche Gartenfeste und Feiern von Prominenten organisierte.

Während ich auf der anderen Seite der Welt Abendgesellschaften für saudische Prinzen veranstaltete, wurde Gianni in London zum gefeierten Starkoch. In Sonntagsbeilagen erschienen Fotos von ihm, die ihn mit Kochmütze und düsterer, grüblerischer Miene zeigten. Die Begleittexte spielten oft auf sein »schwieriges Naturell«, sein »Genie« und seine »innovative Küche« an. Ich erinnere mich, wie ich einmal während eines Fluges eine Reportage über ihn las und das Gefühl hatte, etwas über einen Fremden zu lesen.

Das diesjährige Weihnachten war mein erstes als Single. Es war mir nicht leichtgefallen, mich an diesen neuen Zustand zu gewöhnen. Ich war gerne verheiratet gewesen, hatte es genossen, mein Leben mit einem anderen Menschen zu teilen. Obwohl wir uns schon mehrere Jahre vor der Scheidung voneinander entfremdet hatten, war die Angst vor dem Alleinsein doch so groß gewesen, dass ich nicht loslassen wollte. Natürlich hatte ich versucht, mich mit meinem neuen Singledasein zu arrangieren und mich sogar halbherzig zu einigen Dates hinreißen lassen, aber nachdem diese allesamt mehr oder weniger katastrophal verlaufen waren, hatte ich beschlossen, lieber allein zu bleiben.

Und jetzt war ich wieder bei Harrods, um einen brandneuen Champagner zu promoten. Als ich an diesem Tag Mitte Dezember das Kaufhaus betrat, war ich ein wenig nervös. Mir gefiel zwar die Vorstellung, Teil der Kampagne zu sein, aber ich kehrte wieder an den Ort zurück, wo ich meinen Mann vor fünfzehn Jahren kennengelernt hatte. Obwohl es ein großartiger, sehr gut bezahlter Job war, war ich hin- und hergerissen zwischen Freude, Nostalgie und herzzerreißender Traurigkeit.

Allein das Durchschreiten des Portals erinnerte mich an Schneeflöckchen und an Giannis mit Knoblauch aufgepeppte Weihnachtspuddings. All die bittersüßen Erinnerungen an jene frühen Tage unserer Beziehung kehrten mit einem Mal wieder zurück, und ich trauerte um alles, was wir einst gehabt hatten. In unserer Verbindung hatte so viel Verheißung gelegen, so viel Zauber, und ich fragte mich zum Millionsten Mal, warum alles so entsetzlich schiefgelaufen war.

Aufgrund unserer Berufe waren wir sehr oft räumlich getrennt gewesen, was sicher auch zu unserer zunehmenden Entfremdung beigetragen hatte. Am Anfang unserer Ehe hatten Gianni und ich es uns zur Regel gemacht, nie länger als zwei Wochen voneinander getrennt zu sein und niemals an Weihnachten. Diese Regel ließ sich nicht immer mühelos mit unserem hektischen Berufsleben in Einklang bringen; manchmal musste ich mit dem Flugzeug um die halbe Welt reisen und dann im Restaurant auf Gianni warten, damit wir Weihnachten zusammen verbringen konnten. Aber als ich irgendwann wieder einmal eine lange Flugreise auf mich nahm, um rechtzeitig zu Weihnachten da zu sein, war ich vom Jetlag todmüde gewesen und hatte keine Lust gehabt, noch stundenlang in Giannis schickem Restaurant herumzusitzen und auf ihn zu warten. Also war ich vom Flughafen schnurstracks nach Hause gefahren, hatte ein Glas Wein getrunken und war ins Bett gegangen. Das war das erste Mal, dass einer von uns gegen die Regel verstoßen hatte, doch rückblickend betrachtet, war an jenem Abend auch der Zauber, der diesem Versprechen innewohnte, entkräftet worden. Gianni war von seinem anstrengenden Arbeitstag ebenfalls erschöpft gewesen und hatte vermutlich gar nicht gemerkt, dass ich nicht, wie sonst, im Restaurant vorbeigekommen war. Danach waren wir beide zu dem Schluss gelangt, dass es unmöglich sei, einander Versprechen zu geben, wo wir wann sein würden, doch inzwischen wusste ich, dass es in einer Ehe genau darum ging – da zu sein. Stattdessen gaben wir uns gegenseitig die Erlaubnis, unsere Termine so zu legen, wie es für uns am besten war, ohne dass dies irgendwelche Konsequenzen nach sich zog. Doch das Leben hatte mich gelehrt, dass es immer Konsequenzen gab. Es war eine Ironie des Schicksals, dass ich in diesem Jahr bereits von Mitte Dezember an in London sein würde und ausnahmsweise einmal genügend Zeit hätte, um Vorbereitungen für das Weihnachtsfest zu treffen. Doch für Gianni und mich gab es kein gemeinsames Weihnachten mehr; außerdem hatte ich gehört, er habe London verlassen und wolle an einem anderen Ort ein Restaurant eröffnen. Wie es aussah, würde ich Weihnachten wohl allein verbringen – vermutlich mit einer Magnumflasche Jahrgangschampagner.

Seit ich Single war, bestimmte das Alleinsein mein Leben. Selbst in Hotelzimmern in Dubai und königlichen Palästen in Paris fühlte ich mich einsam. Da ich immer viel unterwegs gewesen war, vermisste ich Gianni im Alltag nicht und konnte erfolgreich verdrängen, dass sich mein Privatleben radikal verändert hatte. Doch mitten in einer Verkaufspräsentation oder zu Beginn eines wichtigen Events überfiel mich dann oft mit aller Wucht der Gedanke, dass kein Gianni mehr zu Hause auf mich wartete. Ich entsinne mich, wie ich einmal für eine königliche Hochzeit in Spanien arbeitete. Als die Braut zum Traualtar schritt, fiel mir ein, dass ich bald geschieden sein würde, und dieser Gedanke traf mich wie ein Schlag in die Magengrube. Ich täuschte einen Migräneanfall vor und verließ fluchtartig die Kirche.

Die ersten Monate nach der Trennung waren hart gewesen, aber laut Cherry befand ich mich inzwischen in einem späteren Stadium der Trauer, das Liebe, Angst, Tränen, Hass und alle Gefühle dazwischen beinhaltete. Wie auch das Überprüfen von Giannis Instagram-, Twitter- und Facebook-Accounts, das weit über die gesunde Neugierde hinausging und eher einem Stalking glich. Okay, ich war besessen. Und obwohl mir mein Spionieren nur noch mehr Kummer, Bitterkeit, Bedauern und Sehnsucht bereitete, suchte ich diese Seiten immer wieder auf wie ein Drogensüchtiger seinen Dealer. Ich checkte regelmäßig seine Facebook-Seite, da er dort auch persönliche Dinge postete. Einmal entdeckte ich sogar ein Foto von Schneeflöckchen (die bei Gianni geblieben war), und das warf mich in meiner Trauerbewältigung um Wochen zurück. Früher hätte er Fotos von uns beiden mit unserer Katze gepostet oder von unseren Urlauben in unserem kleinen Cottage in Devon. Aber jetzt erhaschte ich einen Einblick in das neue Leben meines Mannes, und das tat höllisch weh. Im Herbst tauchte dann ein Foto auf, das mir einen solchen Schock versetzte, dass ich mich in den Alkohol flüchtete – eine ganze Flasche Wein in weniger als einer Stunde. Gianni hatte mehrere Fotos von einer Preisverleihung gepostet, wo er einen Preis für kreative Gerichte mit Innereien vergab. Gianni hatte eine Schwäche für Innereien und ärgerte sich oft darüber, wie verächtlich solche Speisen in der Presse behandelt wurden. Ich teilte seine Leidenschaft für Mägen und Lungen nicht, tolerierte sie aber – manchmal kostete ich die Gerichte sogar, kam für mich jedoch zu dem Schluss, dass ich keine Frau war, die Organe goutierte. Gianni trug auf den Fotos Abendgarderobe, und ich stellte zu meinem Entsetzen und meinem Ärger fest, dass ich ihn nach wie vor ungeheuer attraktiv fand. Beim weiteren Stöbern (okay, Stalken) in seiner Chronik machte ich jedoch eine noch viel schrecklichere Entdeckung. Gianni hatte eine Freundin! Er hatte nicht einmal ein Jahr gebraucht, um mich zu ersetzen, und ich schäumte vor Eifersucht, Kränkung und dem irrationalen Verlangen, mit irgendeinem Mann zu schlafen, einfach nur, um es ihm heimzuzahlen.

Mir stockte der Atem, als ich besagtes Foto einer wirklich bildschönen Frau sah, die wie ein gottverdammter Pelzmantel über seinen Arm drapiert war. Sie war – wie könnte es anders sein – rothaarig. Er hatte immer eine Schwäche für Ginger Spice gehabt, was mich in den Anfangsjahren unserer Ehe absurd eifersüchtig gemacht hatte. Und jetzt rief Jahre später diese namenlose Rothaarige dasselbe grünäugige Monster namens Eifersucht in mir wach. Energisch mahnte ich mich zur Vernunft. Wir waren getrennt. Ich war diejenige, die ihn verlassen hatte, also war diese Frau kein Verrat an mir. Ach, aber es fühlte sich genauso an, und während ich auf meinem Handydisplay fieberhaft nach weiteren Fotos suchte, versuchte ich mir einzureden, dass ich Gianni aus vollem Herzen hasste – obwohl mein Herz jedes Mal, wenn ich ihn in seiner eleganten Abendgarderobe betrachtete, weich wie Wackelpudding wurde.

Die Frau an seiner Seite, die er als »meine neue Freundin« bezeichnete, war über und über mit Diamanten behängt und lächelte wie eine Katze, die Sahne schleckte. Sie trug ein knallenges, schwarzes Kleid, in das ich mich nicht einmal annähernd hineinquetschen könnte. Natürlich hasste ich sie sofort abgrundtief.

Ich war überrascht, wie sehr mich das verletzte, aber Cherry brachte es auf den Punkt: »Du kannst es ihm nicht verübeln, dass er sein Leben weiterlebt. Du hast ihn verlassen, nicht umgekehrt.«

»Ja, aber er hat nicht um mich gekämpft. Und er ist immer noch mein Ehemann. Du bist doch diejenige, die gesagt hat, er sei der Typ Mann, der sein Herz nur ein einziges Mal verschenkt.«

»Jetzt gib bitte nicht mir die Schuld«, erwiderte sie. »Außerdem wissen wir gar nicht, ob er ihr sein Herz geschenkt hat. Vielleicht ist es ja nur sein Penis.«

»Da fühle ich mich ja gleich viel besser«, seufzte ich. Der Schock über seine neue Freundin führte dazu, dass ich mich selbst hinterfragte. Ich war eifersüchtig auf etwas, das ich lange Zeit gehabt und aufgegeben hatte. Warum war ich nicht einfach dankbar für das großartige Leben gewesen, das so viel Schönes für uns bereitgehalten hatte?

Ungefähr eine Woche vor Weihnachten ging ich von Harrods nach Hause, fest entschlossen, den Abend nicht wieder damit zu verbringen, seine Facebook-Seite zu stalken. Und mit was könnte ich mich besser davon ablenken, dass mein Mann eine neue Liebe gefunden hatte, als meinen Christbaum zu schmücken? Als ich zu Hause ankam, klingelte mein Telefon.

»Spreche ich mit Chloe Callidori?«

»Ja.« Ich war noch nicht geschieden und trug immer noch Giannis Nachnamen. Ihn zu ändern würde sich ungünstig auf meinen Job auswirken, da ich unter diesem Namen bekannt war. Außerdem gefielen mir der Klang und die unterschwellige Anspielung, dass sich hinter meinem blonden Haar und der hellen Haut mehr verbarg, als es den Anschein hatte. Ich hoffte, der Nachname würde mir einen exotischen Hintergrund verleihen. Irgendwie glaubte ich fast selbst daran und konnte mir die Chloe, wie sie vor der Zeit mit Gianni war, kaum noch richtig vorstellen.

»Meine Name ist Fiona Langden«, sagte die Frau am Telefon. »Ich bin die Geschäftsführerin eines neuen Restaurants und wollte Sie fragen, ob Sie Interesse hätten, über Weihnachten für uns zu arbeiten?«

Instinktiv wollte ich ablehnen. Ich war in den letzten Jahren sehr beschäftigt gewesen, hatte kaum Urlaub genommen und war von einem Auftrag zum nächsten gehetzt. Außerdem benötigte ich eine Auszeit, um meinen Kummer zu verarbeiten und zu überlegen, was ich mit meinem Leben als Single anfangen sollte.

»Tut mir leid, ich möchte mir Weihnachten und Neujahr frei halten«, sagte ich. »Vielleicht dehne ich meinen Urlaub sogar bis in den Februar aus, ich muss Ihr Angebot leider ablehnen.«

»Oh, wie schade«, sagte sie. »Der Besitzer hat ausdrücklich nach Ihnen verlangt.«

»Tja, bedaure«, sagte ich, aber meine Neugierde war entfacht. Hatte etwa Gordon Ramsay wieder nach mir gefragt?

»Wir würden Sie so gerne mit an Bord haben. Gibt es denn nichts, womit ich Sie zu einer Mitarbeit locken könnte? Es ist ein Strandrestaurant. Wir würden Ihnen eine Unterkunft besorgen und sämtliche Ausgaben erstatten.«

»Oh, das Geld ist nicht das Entscheidende«, sagte ich, obwohl ich in Gedanken bereits bei den roten Jimmy-Choo-Schuhen war, die ich so sehnsüchtig im Schaufenster von Harrods bewundert hatte. »Ich möchte mir eine Auszeit nehmen und will nicht schon wieder in ein Flugzeug steigen.« Ich nahm an, es ginge um ein Strandrestaurant in Monte Carlo oder ein temporäres Restaurant auf den Malediven, wo sich der französische Spitzenkoch Raymond Blanc meine Anwesenheit in Paris noch heute Abend um acht Uhr wünschte. Die Vorstellung war zugegebenermaßen reizvoll, aber ich hatte weder die Energie dafür noch das Verlangen danach, an Weihnachten zu arbeiten. Und brauchte ich wirklich ein Paar sündhaft teure Schuhe? Wer brauchte das überhaupt?

Doch Fiona Langden gab nicht so leicht auf. »Eine Flugreise ist nicht erforderlich. Das Restaurant befindet sich in England, und in Anbetracht Ihrer Erfahrung wäre dieser Auftrag für Sie ein Kinderspiel. Sie könnten die Arbeit sogar mit einem Weihnachtsurlaub kombinieren, Mrs. Callidori.«

»Nennen Sie mich Chloe«, sagte ich. »Ich bin nicht …« Gerade noch rechtzeitig hielt ich inne. Ich hatte nicht die Absicht zuzusagen, war jedoch neugierig. In England? Mir war nicht bekannt, dass vor Kurzem ein Spitzenkoch ein Strandrestaurant eröffnet hätte, es sei denn, Jamie Oliver wollte ein weiteres Restaurant in Cornwall aufmachen. Als ich an Cornwalls felsige Strände und die wunderschöne Landschaft im Winter dachte, geriet ich in Versuchung. Ich hatte schon länger nicht mehr mit Jamie zusammengearbeitet, und es würde bestimmt lustig werden. »Können Sie mir nähere Einzelheiten nennen? Wo befindet sich das Restaurant? Und wie heißt es?«

»Es heißt Il Bacio und befindet sich in North Devon«, sagte sie rasch, beinahe nuschelnd, als hoffte sie, ich würde es nicht verstehen.

Mein Herz machte einen Sprung. Konnte das wirklich ein Zufall sein? »Ähm, Il Bacio?«

»Ja, es ist ein italienisches Restaurant mit einer neuen Interpretation der italienischen Küche. Der Ort heißt Appledore«, fügte sie hinzu. Sie hörte sich an, als würde sie ein Produkt in einer Fernsehwerbung anpreisen.

Mir wurde es flau im Magen.

»Hat das etwas mit meinem Mann zu tun? Mit Gianni Callidori?«, fragte ich.

»Ja, es ist sein neues Restaurant. Er hat London den Rücken gekehrt«, erwiderte sie ruhig.

»Tatsächlich?«, murmelte ich, während ich diese Information verdaute.

Gianni und ich hatten immer davon gesprochen, aus London wegzuziehen und ein Restaurant in dem kleinen Fischerdorf Appledore zu kaufen. Wir hatten dort so viele glückliche Urlaubstage verbracht, und sogar unsere Weihnachtsflitterwochen. Es war unser beider Traum gewesen, am Meer zu leben und zu arbeiten, dem hektischen Alltag zu entfliehen und mehr Zeit miteinander zu verbringen, nur wir beide. Jetzt hatte er unseren gemeinsamen Traum offenbar für sich selbst wahr werden lassen. Obwohl wir getrennt waren, bedauerte ich sehr, dass wir diesen Traum niemals zusammen verwirklicht hatten. Vielleicht wäre dann alles ganz anders gekommen. Wie viele Ehepaare malten wir uns unseren Traum oft in den schönsten Farben aus – das kleine Restaurant am Strand, romantische Sonnenuntergänge, lange Strandspaziergänge. Wir hatten dort sogar ein Cottage gekauft, um ab und an der Londoner Hektik zu entfliehen und Zeit für uns zu haben. Es war der Beginn eines größeren Plans gewesen, der erste Schritt in unser Aussteigerleben – und nun setzte er diesen Plan allein in die Tat um, oder vielleicht sogar mit einer anderen Frau. Sogleich stieg das Bild von Gianni mit der schönen Rothaarigen vor meinem inneren Auge auf, doch ich schob es energisch beiseite und rief mir wieder ins Gedächtnis, wie nervtötend die Zusammenarbeit mit Gianni war.

»Hat mein Mann Sie etwa gebeten, mich anzurufen?«, fragte ich befremdet, denn unser letztes Treffen, bei dem wir die Scheidungsformalitäten besprechen wollten, war nicht gerade freundschaftlich verlaufen. An irgendeinem Punkt hatte ich ein volles Glas Merlot über seinem Kopf ausgekippt und war aus dem Restaurant gestürmt, begleitet von heftigen Beschimpfungen.

»Gianni meinte, Sie hätten ihm bei seinem ersten Restaurant sehr geholfen.«