Alleinssein - Anno Dazumal - E-Book
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Anno Dazumal

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Beschreibung

Eine Geschichte über die Firma schlechthin, ihre Leute und Probleme. Nicht immer ganz ernst zu nehmen, aber dennoch gute Unterhaltung, auch wenn es oft ganz schön zur Sache geht. Also nichts für zarter Besaitete. Es geht zur Sache und um Macht, deshalb wird nicht immer sehr viel nachgedacht.

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Seitenzahl: 148

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Anno Dazumal

Alleinssein

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Suche

Die Versuchung

Impressum neobooks

Die Suche

Ignaz war ein guter Mann. Solche Sätze schrieben sich prinzipiell leicht, denn sie dienten der Etikettierung und konnten nicht nachgeprüft werden. In Wirklichkeit handelte es sich bei Ignaz nämlich um einen skrupellosen Unternehmer, der seine Arbeiter ausbeutete, seine Frauen mißhandelte und seine Kinder terrorisierte. Doch der Schein bestimmte das Bewußtsein und nach außen hin war Ignaz ein wirklich netter Kerl. Immer einen lockeren Spruch auf den Lippen, charmant und großzügig, ein überall gern gesehener Gast und ein großartiger Gastgeber. Seine Freunde mochten ihn, weil er immer so lustige frauenfeindliche Sprüche von sich hören ließ und am Stammtisch schimpfte er über die blöden Politiker und ihre angebliche Unfähigkeit. Das war insofern bemerkenswert, da es sich bei Ignaz um jemanden handelte, der aktiv in die Politik mit eingriff, indem er vielen Parteien Spendengelder zukommen ließ und dafür natürlich Gegenleistungen erwartete, die er selbstverständlich auch bekam. „Wir sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet“, hörte er viele „hohe Tiere“ sagen, nachdem er sie persönlich geschmiert hatte. Ignaz überließ nichts dem Zufall und die Übernahme seines größten Konkurrenten hatte er schon lange geplant und generalstabsmäßig vorbereitet. Allerdings hatte er bei der ganzen Sache irgendwie übersehen, daß es sich bei jener Firma um ein Mafia-Unternehmen handelte und so bekam Ignaz erstmals in seinem Leben einen Einblick in die ehrenwerte Gesellschaft. „Wenn Sie Ihr Übernahmeangebot nicht zurücknehmen, dann wird Ihrer Familie etwas ganz Schreckliches zustoßen“, drohte einer der Herren aus der Organisierten Kriminalität. „Das ist mir scheißegal. Eigentlich tun Sie mir damit sogar einen Gefallen“, gab Ignaz zu und sorgte mit jener Aussage für großes Aufsehen im größten aller italienischen Familienbetriebe. „Wie können Sie nur so etwas sagen? Die Familie ist unser Ein und Alles. Sie ist uns heilig“, betonte der Mafioso erschüttert. „Mir ist überhaupt nichts heilig“, machte Ignaz deutlich und so hinterließ er einen bleibenden Eindruck. „Wir müssen viel mehr über diesen Mann erfahren. Der ist noch skrupelloser als wir und könnte langfristig eine echte Gefahr für uns werden“, befürchtete der Obermafioso und erteilte seinem besten Detektiv den Auftrag, im Leben des unheiligen Ignaz herumzuschnüffeln und herauszufinden, wie der zu dem werden hatte können, der er heute war. Beim Detektiv handelte es sich um einen Schnüffler mit abgeschlossenem Psychologiestudium, das bedeutete, daß der Mann wirklich Ahnung hatte oder zumindest so tun konnte als ob. Er machte sich sogleich ans Werk und besuchte eine Tante von Ignaz im Altenheim. „Schönen guten Tag! Ich bin ein alter Freund von Ignaz und soll für ihn an seinem 50. Geburtstag eine Rede halten. Deshalb brauche ich ein paar Informationen über seine Kindheit und sein Leben als junger Mann“, erläuterte der Detektiv und ihre Augen begannen zu glänzen. Sofort legte sie los: „Ach ja, der Ignaz! Was war der nur für ein süßer kleiner Racker! Ich hatte ja leider keine Kinder und deswegen habe ich ihn fast so geliebt wie meinen eigenen Sohn. Als Tante hat man ja den Vorteil, daß man keine Verantwortung trägt und den Kindern keine Vorschriften machen braucht. Der Ignaz war ein kleines Wunderkind. Der war ja sowas von selbständig, der hat sich schon mit vier Monaten die Windeln selbst gewechselt. Eigentlich stand damals schon fest, daß er mal Unternehmer werden würde.“ Der Detektiv lauschte gebannt. „Er war der ungekrönte König in unserer Familie. Alles drehte sich nur um Ignaz, schließlich war er der Erstgeborene der Erstgeborenen, so etwas wie das Über-Kind. Seine Intelligenz war beeindruckend und seine Auffassungsgabe phänomenal. Ich liebte diesen kleinen Racker, der schon als Zweijähriger genau wußte was er wollte. Dann kam seine Schwester zur Welt und er war nicht länger der alleinige Mittelpunkt. Das hat er ihr nie verziehen und sie von Anfang an gedemütigt. Wir fanden das nicht weiter dramatisch, denn wir hielten es mit Darwin. Ignaz wurde eingeschult und war gleich die Nummer Eins, der unumstrittene Klassenführer. Seine Schulkameraden liebten und fürchteten ihn, er konnte manchmal grundlos ausrasten, aber das waren wir gewöhnt. Auch die Lehrer dominierte er und da seine Eltern sehr bekannt und beliebt waren, ließen sie sich das gefallen.“ Der Detektiv schrieb fleißig mit und bekam bereits einen ersten Eindruck davon, mit wem sein Pate es da zu tun hatte. Die alte Frau setzte ihre Erzählung unbeeindruckt fort: „Es war auf dem Gymnasium, als sich Ignaz zum ersten Mal in ein Mädchen verliebte. Sie aber wollte nichts von ihm, doch er ließ nicht locker. Irgendwann nahm er sie sich mit Gewalt und sie zeigte ihn an. Seine Eltern schmierten die zuständigen Leute und so wurde das Verfahren eingestellt. Schön langsam merkten alle in der Familie, daß mit Ignaz irgend etwas nicht stimmte. Er war brutal, rücksichtslos und jähzornig, konnte ein richtiges Ekel sein und als er mit 16 Jahren seine zwei Jahre jüngere Schwester vergewaltigte, sie davon schwanger wurde und abtreiben mußte, da hatten wir alle genug von Ignaz und seinen Eskapaden. Seine Eltern schickten ihn in ein Internat und das hat er ihnen bis heute nicht verziehen. Wir sahen ihn fortan nur noch selten und erschraken jedesmal wieder aufs Neue. Zwar war er nun ruhiger und klang vernünftiger, aber dafür wurde er immer kälter und egoistischer. Eines Tages sagte er uns bei einem Familienfest, er würde dem Teufel nicht nur seine Großmutter, sondern auch den ganzen dreckigen Rest verkaufen. Das fanden wir überhaupt nicht komisch und waren froh, als er die Schule verließ und weit von daheim entfernt zu studieren begann. Er studierte BWL und war einer der Besten. Sein Ehrgeiz ist immer noch bemerkenswert, dieser Mann setzt sich Ziele und erreicht sie auch. Ach so, vielleicht sollte ich doch lieber etwas Positives über ihn berichten, denn das alles von eben können Sie ja wohl kaum in Ihrer Rede verwenden“, fiel der alten Dame plötzlich ein. „Nein, nein, das paßt schon. Ich will schließlich keine Märchen erfinden, sondern eigentlich schon die Wahrheit schreiben. Wie hat sich Ignaz weiterentwickelt?“ „Na ja, nicht unbedingt zum Besseren. Er ist halt so ein richtiger Wirtschaftsfuzzi geworden, der nur seinen eigenen Vorteil im Kopf hat. Zu mir hat er seit Jahren keinen Kontakt mehr, denn von mir hat er nichts mehr zu erwarten. Er hat seine Firma aufgebaut, seine Familie gegründet, Frauen ausgetauscht und Kinder vermöbelt, er ist seinen Weg praktisch konsequent weitergegangen.“ „Wie kann man gegen ihn bestehen?“ „Man darf sich einfach nichts gefallen lassen. Dem Ignaz muß man Steine in den Weg legen, die er nicht so leicht beiseite schieben kann. Der Mann kennt absolut keine Skrupel.“ „Eigentlich wäre der Kerl genau der Richtige für unsere Familie“, dachte sich der Mafia-Detektiv, bedankte und verabschiedete sich von der auskunftsfreudigen Frau und verließ das Altenheim. Er hatte sehr viele interessante Dinge erfahren, doch er brauchte noch viel mehr Informationen.

Derweil war auch Ignaz nicht untätig geblieben. Er spazierte auf einem Golfplatz herum und befragte seinen Spion, den er in das Konkurrenzunternehmen eingeschleust hatte: „Also, was habe ich von diesem Verein zu halten? Handelt es sich dabei um ein richtiges Mafia-Unternehmen oder ist das bloß irgend so eine x-beliebige Zweigstelle für Geldwäsche?“ erkundigte sich Ignaz. „Weder noch und sowohl als auch. Was ich ganz sicher weiß ist, daß es die Mafia nicht gerne sieht, wenn man in ihrem Revier wildert“, ließ der Spion von sich hören. „Das ist mir egal. Ich unterhalte allerbeste Beziehungen in die höchsten Kreise. Die Mafia kann mir den Buckel runter rutschen, ich habe schon ganz andere Brocken aus dem Weg geräumt“, prahlte Ignaz. Zwei Sekunden später hatten ihn die Caddys überwältigt und gefesselt. „Tut mir leid, mein Freund, aber ich bin ein Doppelagent“, gestand der Spion und ließ den völlig perplexen Ignaz abführen. Jener dachte an einen ganz schlechten Aprilscherz und rief: „Nein, ich verstehe keinen Spaß! Das hier ist nicht lustig!“ Seine Begleiter ignorierten sein Geschrei und verstauten ihn in einer Limousine, in der sie ihn zum Paten brachten. Der Spion nickte tief befriedigt und teilte seinem Boß per Handy sein baldiges Erscheinen mit.

Der Pate jedoch befand sich in einem Dilemma. Seine neueste Flamme war eine überzeugte Tierschützerin und verlangte von ihm, daß er die Patenschaft für einen kleinen Eisbären übernehmen solle. „Das soll der Umweltminister machen, für solche Kindereien bin ich nicht zuständig“, wiegelte er ab. „Wir sind hier in Italien und da gibt es alle paar Monate einen neuen Umweltminister. Das ist nicht gut für den kleinen Luigi“, glaubte die neue Freundin des älteren Herrn. „Was für ein bescheuerter Name für so einen kleinen Fellscheißer! Also gut, meinetwegen, dann mache ich es halt, damit mein ohnehin glänzender Ruf noch besser wird.“ „Ich will aber, daß Du es für mich machst, mein Knuddelbär. Und jetzt unterschreib bitte noch auf dieser Liste hier gegen das Foltern von Tieren.“ „Was Du alles von mir verlangst! Aber solange ich nicht gegen die Folter von Menschen unterschreiben soll, ist ja alles noch im giftgrünen Bereich. Apropos: Süße, ich habe gleich eine wichtige Besprechung, also verzieh Dich bitte in eines Deiner fünf Zimmer.“ Sie verschwand zufrieden lächelnd und er sah ihr leicht verliebt hinterher. Die jungen Frauen waren gut für ihn, sie gaben ihm neue Energie und frische Lebenskraft. Außerdem fühlte er sich neben ihnen sehr viel jünger und das war das Allerwichtigste. Auf einmal klopfte es und seine Leute führten den gefesselten Ignaz herein. „Willkommen in meiner bescheidenen Hütte!“ begrüßte der Pate seinen unfreiwilligen Gast. „Sie haben schon eine merkwürdige Art, Menschen für sich zu gewinnen“, urteilte jener. „Na ja, die Menschen sind verschieden und viele Leute sind bereits verschieden, weil sie sich falsch entschieden haben.“ „Hören Sie gefälligst mit Ihren kindischen Wortspielereien auf! Ich bin doch hier nicht Ihr Publikum. Sagen Sie mir lieber, was ich für Sie tun kann!“ „Na ja, erst einmal sollten Sie damit aufhören, mir andauernd in die Suppe zu spucken. Dann möchte ich, daß Sie sich aus unserem Geschäftsbereich zurückziehen, was wir Ihnen natürlich entsprechend vergüten würden. Und zu guter Letzt wünsche ich mir, daß Sie gefälligst damit aufhören, meinem Leibwächter ständig auf seine Kanone zu starren.“ „Aber der hat nun mal so ein wahnsinnig großes Ding. Was soll das? Wieso soll ich aufgeben? Warum wollen Sie mich ruinieren?“ „Sie haben damit angefangen, mit Ihrem dämlichen Übernahmeversuch. Sie haben uns den Krieg erklärt und jetzt schlagen wir zurück. Alles so, wie es sich gehört.“

Doch es ging bei der ganzen Sache um viel mehr als darum, einen unliebsamen Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen. Es hatte dereinst in Mafiakreisen eine Prophezeiung gegeben, nach der eines Tages der Über-Pate auf der Erde erscheinen würde, der aus der Mafia ein weltumspannendes, krisenfestes Riesenunternehmen machen würde, das die Welt beherrschen sollte. Auf gut deutsch so etwas wie Scientology für Italiener. Jedenfalls war der aktuelle Pate schon seit geraumer Zeit auf der Suche nach jenem Über-Paten, war jedoch bislang zu seiner großen Enttäuschung noch nicht fündig geworden. So erhielt der Detektiv den Auftrag weiterzuforschen, damit man jenen widerspenstigen Ignaz besser und näher kennenlernte. Er besuchte daraufhin einen alten Studienkollegen von Ignaz und der zog gleich mächtig vom Leder: „Ja, der Ignaz, der war so ein richtiger Schweinehund. Der hat uns alle über den Tisch gezogen und das in einer Tour. Von Anfang an hat uns der nur verarscht und uns an der Nase herumgeführt. Ignaz kennt die Tricks und weiß ganz genau was abgeht. Wer diesem Mann vertraut, der hat bereits verloren. Ich war mal relativ gut befreundet mit ihm gewesen. Regelrecht bewundert habe ich ihn und das hat er natürlich genossen. Was für ein Scheißkerl! Mich hat er die Drecksarbeit machen lassen und er selbst hat die Meriten einkassiert. Er ist ein begnadeter Laberer, man darf ihm auf gar keinen Fall länger zuhören, weil er so viel Süßholz raspelt, daß man immer wieder auf ihn hereinfällt. Ich habe diesen Mann wie einen Bruder geliebt. Wir hatten zusammen eine Firma und gingen wegen seiner Unfähigkeit pleite und er hat sich einfach davongemacht und mich mit den Schulden und dem Gerichtsvollzieher zurückgelassen. So ein Dreckskerl!“ „Könnten Sie sich vorstellen, daß einer wie Ignaz an der Spitze eines multinationalen Unternehmens stehen könnte?“ forschte der Detektiv. Der Mann überlegte eine Weile, schenkte sich Brandy nach und verkündete dann: „Bei so viel Skrupel- und Rücksichtslosigkeit auf jeden Fall. Ignaz geht nicht nur über Leichen, er schändet sie auch noch und verkauft sie dann. Dieser Typ wird es garantiert noch ganz weit bringen.“ „Was sind seine Schwächen?“ „Er ist zu extrem, er weiß einfach nicht wann es genug ist.“ Der Detektiv notierte fleißig mit, unterhielt sich noch eine knappe Stunde mit dem Ex-Freund von Ignaz und fuhr dann zu sich nach Hause. Dort las er in seinen Unterlagen und überlegte: „Diese Außenbetrachtungen sind zweifellos höchst interessant, das Problem ist bloß, daß meine Gesprächspartner natürlich unbewußt ihre eigene persönliche Scheiße auf unseren Mann projizieren. Aber daran kann man nichts ändern, das ist leider fast immer so. Ich finde, daß dieser Ignaz durchaus das Zeug zum Boß hat, aber ich weiß beim besten Willen nicht, ob er wirklich dieser Über-Pate ist, auf den wir schon so lange warten. Auf alle Fälle muß ich noch viel tiefer einsteigen, vielleicht sollte ich sogar bei Adam und Eva anfangen und seine Kindergartentante befragen. Ob die noch lebt? Würde mich nicht wundern, wenn er die aus dem Weg geräumt hat, obwohl, seine Tante und sein Ex-Freund leben ja auch noch.“ Nach jenen Gedanken zog sich der Detektiv einen primitiven Trashfilm rein, doch der kam gerade zur richtigen Zeit, denn nach so einem anstrengenden Tag mit dermaßen viel Denkarbeit hatte sich sein Gehirn eine Ruhepause wirklich verdient. Der Mann schaltete gedanklich ab und ließ sich fallen. Leise berieselte der Fernseher. Alle Dinge nahmen ihren Lauf und er nahm sie in Kauf.

Ganz anders verlief das Leben der zu jenem Zeitpunkt 35jährigen Isolde. Sie gehörte zu den selbständigen Frauen, die es sich zum Ziel gesetzt hatten, auf eigenen Füßen im Leben zu stehen. Isolde war beliebt, vermögend und hatte einen tollen Job, aber alles hatte seinen Preis. Sie war allein und das störte sie immer erst dann, wenn sie mal zur Ruhe kam und über sich und ihr Leben nachdachte. Aber sie hatte sich ihr Leben selbst ausgesucht und mußte mit den Konsequenzen klarkommen. Isolde hatte zwar diverse Verehrer, doch die konnten ihr nicht das Wasser reichen und so verzichtete sie auf deren Beistand und Beischlaf. Was sie auch anfaßte, es wurde zu Gold, aber das Leben bestand nun mal aus mehr als dem bloßen Ansammeln vergänglicher Materie. Isolde träumte von einer glücklichen und erfüllten Beziehung, andererseits hätte sie überhaupt nicht gewußt, woher sie sich die Zeit dafür hätte nehmen sollen. Sie saß mit ihrer Freundin Ulrike im Park und schwafelte: „Mein Traummann müßte alles haben: Geld, einen tollen Körper, Selbstbewußtsein und natürlich müßte er auch ein toller Vater sein.“ „Den Typen mußt Du Dir aber aus dem Katalog bestellen. Vielleicht ist die Roboterforschung in ein paar Jahren so weit, so ein Wunderwesen herzustellen.“ „Ach ja, romantisch, einfühlsam und zärtlich muß er natürlich auch sein.“ „Weißt Du, Isolde, mein Markus ist vielleicht nicht gerade der tollste Typ auf der Welt, aber auf ihn kann ich mich hundertprozentig verlassen.“ „Wer’s glaubt wird selig. Der ist doch genauso polygam wie alle anderen Kerle.“ „Wie kannst Du nur so etwas Schreckliches behaupten? Markus betrügt mich nicht.“ „Aber Du ihn.“ „Na und? Das ist ganz allein meine Sache. Ich brauche halt auch manchmal etwas Abwechslung.“ „Dann tu doch nicht immer so scheinheilig! Ist doch wirklich nichts dabei, das Kuckuckskind beim Namen zu nennen.“ „Themenwechsel. Was hältst Du eigentlich von diesen Superstar-Kandidaten?“ „Ich weiß nicht so recht. Die sind im Grunde auch nichts weiter als ein Spiegelbild unserer Gesellschaft.“ „Für eine Frau redest Du manchmal ganz schön gescheit daher. Ich jedenfalls kann ohne meinen Fernseher nicht leben.“ „Ich schon. Den ganzen Tag in der Arbeit und abends noch ins second life. Da bleibt keine Zeit mehr für andere Dinge.“ „Nur gut, daß Du keine Familie hast. Die könnte Dich ja nur am Wochenende live erleben.“ „Man sucht sich schon das Leben aus, das am besten zu einem paßt. Aber manchmal wünsche ich mir, daß ich viel mehr leben könnte und viel weniger arbeiten müßte.“ „Du weißt doch, daß Du ohne Arbeit nicht leben kannst.“ „Das schon. Trotzdem. Ich bräuchte das richtige Maß. Wenn alle Leute nur die Hälfte arbeiten würden, dann hätten alle Menschen einen Job.“ „Schon gut. Genug gefaselt.“ „Ich meine das wirklich ernst. Außerdem könnte ich mir für mich auch vorstellen, einfach nur die Frau eines erfolgreichen Unternehmers zu sein. Damit hätte ich überhaupt kein Problem.“ „Das sagst Du jetzt so locker, aber wenn es tatsächlich so käme, dann würde es Dir auch wieder nicht passen.“ Sie schauten sich nachdenklich an. Seit vielen Jahren waren sie nun schon miteinander befreundet und hatten sehr viel miteinander erlebt. Doch irgendwie spürten sie, daß sich ihre Wege bald trennen würden. Ulrike war eine gute Hausfrau und Mutter, Isolde dagegen strebte nach Höherem. Bald würde sich zeigen, ob sie die Luft dort oben auch vertrug, doch erst einmal ging es darum, ins second life zurückzukehren und sich dort ein bißchen auszuleben. Jene Parallelwelt faszinierte Isolde sehr, denn sie vermittelte ihr das unheimlich befreiende Gefühl, daß das normale Leben nicht alles war.