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Das Alte Land ist ein Paradies ganz nah an Hamburg: endlose Obstgärten, idyllische Fachwerkhäuser, grüne Deiche. Hier kann man die Seele baumeln und es sich kulinarisch gut gehen lassen. Ralf Niemzig besucht Obstbauern, Imker, Elbfischer und findet kulinarische Geheimtipps in alten Mühlen. Er lugt in Töpfe und lässt sich die besten Rezepte verraten, wie »Deftigen Apfelsalat«, »Altländer Schweinetopf« oder »Quittenmousse mit Fliederbeeren«. So lecker!
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Seitenzahl: 97
Ralf Niemzig
Die norddeutsche Heimatküche. 50 Rezepte
50 typische Küchenschätze & Kultrezepte
Vorwort
Die Holländer und das Alte Land
Vincinette und das Alte Land
Die Schiffswerft an der Lühe
Der Gurkenfisch und Airbus
Freddy Boskoop und Didi Thurau
An der Hude der Este
Altländer Kirschenwoche
An der Ecke Umweg/Schützenhofstraße
Altländer Butterkuchenlauf
Der Wegezoll auf der Geest
Die Perlen aus der Este
Obsthofexpress
Erntedankfest beim Bauern
Der Hollerner Hof
Das Licht und der Klang einer malerischen Kulturlandschaft
Lollis, Lakritzschlangen und Kamellen
Bäckerei Pfeiffer
»Ellens Lecker MamaLade«
Mühlenfest
Die Kaffeeklappe am Leuchtturm
Register
Essen und Trinken im Alten Land
Einkaufen im Alten Land
Obsthöfe im Alten Land mit Hofladen und Hofführungen
Kulinarischer Veranstaltungskalender
Dank
Über den Autor
Impressum
EET, WAT GOR IS.
DRINK, WAT KLOR IS.
SECH, WAT WOHR IS.
— PLATTDEUTSCHE REDENSART
Gerne schaue ich auf das Etikett, wenn ich im Handel Obst aus Deutschland kaufe. Als Verpackungsort finde ich häufig Jork im Alten Land, nicht weit von mir auf der anderen Elbseite, oder Grafschaft im Rheinland, eine Nachbargemeinde des Dorfes meiner Jugend. Nach dem Alten Land ebenfalls ein wichtiges Obstanbaugebiet in Deutschland.
Vor einigen Jahren hatte ich eine Studentin aus dem Alten Land in meinem Fotokurs. Ihre Eltern hatten einen Obsthof im Marschland des Alten Landes. Genauso wie ich war sie zwischen Obstplantagen auf dem Land groß geworden. An meine Jugend erinnert, erzähle ich ihr von meinem kleinen 800-Seelen-Dorf. Man kannte sich und war nicht selten miteinander verwandt, nur ich als Zugezogener war eher ein Außenseiter. Mein Vater hatte nach vielen Umzügen quer durch Deutschland in der nahen Bundeshauptstadt Bonn eine Arbeit in einem Ministerium angenommen.
Auch wenn die Studentin gerade im Begriff war, das Dorfleben hinter sich zu lassen und das Stadtleben Hamburgs zu erobern, mussten wir über unsere vergleichbaren Dorfgeschichten schmunzeln. Irgendwie kamen wir auf Schmitz Hübsch zu sprechen. Er war der größte Obstbauer in meinem Dorf und ich war überrascht, dass dieser Betrieb ihr etwas sagte. Dieser Landwirt, so erzählte sie mir, sei unter Apfelbauern für seine Methoden und Beiträge zur Entwicklung neuer Apfelsorten bekannt und geschätzt. Wie klein die Welt doch ist. Wow, mein kleines Dorf hatte einen viel beachteten Platz im Obstgarten Deutschlands!
Dieses Buch ist eine Reise durch die einzigartige Kulturlandschaft des Alten Landes vor den Toren Hamburgs und zu ihren Menschen. Gleichzeitig ist es auch eine Reise in meine Jugend in einem kleinen rheinländischen Dorf inmitten von Apfelplantagen. Es sind Geschichten, wie sie auch im Alten Land hätten passieren können.
Ich habe mich auf die Suche gemacht, was die Marsch und auch die vorgelagerte Geest heute kulinarisch zu bieten haben. Mir ging es dabei sowohl um Traditionen, Klassiker als auch Neukreationen. Ich entdeckte Vertrautes, aber auch Überraschendes, zumeist herrlich einfache Rezepte zum Nachkochen und interessante Geschichten von den Menschen dahinter.
Guten Appetit!
Sumpfig und unbewohnbar war die Marsch. Zweimal täglich kam die Elbflut und überschwemmte das Land. Lange schaute man diesem Naturphänomen am unbewohnbaren Elbufer zu, bis um 1130 holländische Emigranten, seit Generationen erfahren im Umgang mit den Gezeiten und im Küstenschutz, sich an die Arbeit machten. Sie deichten das Land ein und entwässerten es über lang angelegte Kanäle. So machten sie das fruchtbare Marschland am Elbufer für die Besiedlung und Bewirtschaftung urbar. Das passierte in drei Etappen ostwärts: 1140 wurde die erste Meile zwischen den Flüssen Schwinge und Lühe eingedeicht. Der zweite Abschnitt erfolgte zum Ende des 12. Jahrhunderts von der Lühe bis zur Este, ebenfalls ein kleiner Fluss im Alten Land. Die Eindeichung des dritten Abschnitts, von der Este bis zu Süderelbe, einem Seitenarm der Elbe, erfolgte dann im 15. Jahrhundert. Neu war das Land während der Eindeichung und Entwässerung, zum Altland wurde es mit der Besiedelung und Bewirtschaftung. Gedankt hat man es den Holländern mit der Übereignung des neu kultivierten Landes und weitgehender Autonomie und Selbstverwaltung. Viele dieser Strukturen sind noch immer sichtbar. In der Endung »cop« vieler Dorfnamen erkennt man bis heute den Ursprung der ersten holländischen Siedler.
Zu Reichtum kamen die Hollern (Holländer), indem sie das Land bewirtschafteten und mit ihren Produkten die nahe gelegenen Hansestädte Stade, Buxtehude und Hamburg versorgten. Die angelegten Kanäle und die Flüsse Lühe und Este dienten ihnen dabei als Wasserstraßen, um auf Flachbodenschiffen ihre frischen Waren auf die Märkte zu bringen. Der Wohlstand zeigte sich in einer für das Alte Land typischen Architektur wie den großen prachtvollen Fachwerkhäusern mit opulent und reich verzierten Eingangspforten zum Hof. Sie wurden zum Markenzeichen der Landwirte aus dem Alten Land.
Während man sich in Vierlanden, ebenfalls eine Elbmarschregion vor den Toren Hamburgs, auf Ackerbau und Anpflanzung von Gemüse konzentrierte, spezialisierte man sich im Alten Land schon früh auf den Obstanbau. Bereits 1320 begann man dort damit. Heute ist das Alte Land das größte geschlossene Obstanbaugebiet in Nordeuropa. Seit einiger Zeit bemüht man sich darum, als einzigartige bäuerliche Kulturlandschaft von der UNESCO anerkannt zu werden.
4 Portionen
800 g festkochende Kartoffeln
3 säuerliche Äpfel
20 g Butter
Salz, Pfeffer, Muskat
250 g Speisequark
125 ml süße Sahne
1 Eigelb
200 g geriebener Käse (z.B. Emmentaler oder Gouda)
1 Bund Schnittlauch
Kartoffeln waschen und im Topf mit Wasser je nach Größe circa 20 Minuten kochen. Die Kartoffeln sollten noch Biss haben. Wenn sie zu lang gekocht werden, fallen sie auseinander.
Die Äpfel schälen, entkernen und in Scheiben schneiden.
Die abgekühlten Pellkartoffeln ebenfalls in Scheiben schneiden.
Eine Auflaufform oder vier kleine Portionsformen mit Butter einfetten und die Äpfel und Kartoffelscheiben wechselweise aufschichten. Beides mit Salz, Pfeffer und Muskat würzen.
Den Quark mit der Sahne und einem Eigelb verquirlen und über die Apfel-Kartoffel-Schichten verteilen. Alles mit geriebenem Käse bestreuen und im vorgeheizten Ofen bei 180 °C, je nach Höhe der Form, etwa 1 Stunde backen.
Den Auflauf mit Schnittlauchröllchen bestreuen und servieren.
Anstelle der Äpfel kann man auch Schinken und/oder Zwiebeln verwenden.
STURM
MONDSCHEIN AUF WÄLDERN, DUNKEL UND TIEF, WOLKEN VOM NORDWIND GETRIEBEN WIE EIN ZERRISSENER LIEBESBRIEF VON TREULOSER HAND EINST GESCHRIEBEN.
GELLENDES KREISCHEN IM SCHWARZEN GEÄST, STURMLIEDER, GRAUSIGER PRACHT VOLL, TOBE, ORKAN, ICH STEHE HIER FEST, FÜHLE MICH SICHER UND MACHTVOLL.
NIE FASST MICH SCHWINDEL AUF SENKRECHTEM FELS BEI DEINEM SCHIMPFEN UND TOBEN, KÜHNRE GEDANKEN IM HERZEN ICH WÄLZ’, WILD VON DEM BRAUSEN UMSTOBEN.
BRÜLLE UND HEULE NUR TOLL DARAUF ZU, GUT PASSEN BEID’ WIR ZUSAMMEN, BESSER ALS FAULEN IN LEBLOSER RUH IST ZU VERBRENNEN IN FLAMMEN.
HERMANN LÖNS (1866–1914)
An der Küste wird nicht lange drum herumgeredet. Wenn Sturm droht, braucht es klare Ansagen und schnelles Handeln. Zu häufig hat der Blanke Hans, wie der Sturm an der Nordsee genannt wird, seinen Tribut gefordert. Das hat die Menschen geprägt.
Nach einem Sturm ist auch immer die Zeit vor dem nächsten. Keen nich will diecken, de mutt wieken (wer nicht will deichen, der muss weichen), heißt es schon lange im Alten Land. Wer hier leben will, muss mit anpacken und über seinen Teil des Deiches wachen. Dieses jahrhundertealte Spatenrecht, Vorläufer des heutigen Deichrechts, besagt, dass jeder, der nicht seinen Aufgaben gegenüber der Gemeinschaft ausreichend nachkommt, seinen Deichabschnitt und sein dahinter geschütztes Land verliert. Hatte der Deichgraf einmal einen Spaten in den Deich gesteckt, verlor der bisherige Besitzer sein Recht und jener, der den Spaten herauszog, übernahm Deichabschnitt und Land.
1962 hielten die Deiche nicht stand. Es war die letzte große Sturmflut, die Hamburg und auch das Alte Land traf. Der damalige Hamburger Innensenator Helmut Schmidt handelte rasch über staatliche Bürokratie hinweg und rettete so viele Menschenleben. Die Hanseaten sind ihm bis heute dafür dankbar. Orkan Vincinette wütete in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 über die Elbmarschen und die Hansestadt. Im Alten Land brach als Erstes der Lühedeich, das führte zu einer Überflutung mit erheblichen Schäden. Die Altländer schauen nicht erst seitdem nervös auf Tiefdruckgebiete, die sich aus Westen in Richtung der deutschen Bucht nähern und das Wasser in die Elbe flussaufwärts drücken.
Als Konsequenz aus der Sturmflut wurde neben der Vordeichung des Alten Landes unter anderem auch das äußere Este-Sperrwerk 1964 bis 1967 errichtet und 1996 in seinen heutigen Zustand gebracht.
Auch wenn Sturmfluten an der Nordsee im Herbst und Winter zum Alltag gehören, schaut man hier trotzdem besorgt in die Zukunft. Das gesamte Gemeindegebiet ist im Extremfall gefährdet. Durch die Sturmfluten der Vergangenheit sind die Elbstrände im Alten Land schmaler geworden. Zum Schutz der Deiche denkt man auch hier, wie auf so mancher Nordseeinsel, über Sandaufschüttungen nach. Kritisch werden von vielen Altländern seit Jahrzehnten die stetigen Elbvertiefungen beäugt. Die größeren Wassermassen und die schnellere Fließgeschwindigkeit der Elbe erhöhen die Gefahr einer erneuten Katastrophe, insbesondere dann, wenn der Deichausbau nicht mit den Intervallen der Elbvertiefungen gleichziehen kann.
4 Portionen
500 g gepökelte Rinderbrust
1 Lorbeerblatt
3 Gewürznelken
2 Wacholderbeeren
500 g mehligkochende Kartoffeln
1 Zwiebel
250 g vorgegarte Rote Bete
50 ml Rote-Bete-Saft
4 Gewürzgurken
100 ml Fleischbrühe
Salz, frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
4 Eier
1 EL Butter
2 EL fein geschnittene Petersilie
4 Matjesfilets oder Bismarckheringe
Petersilie, Sprossen, Rote-Bete-Würfel und Essiggurken zum Garnieren
Das Rindfleisch mit den Gewürzen in einem Topf mit Wasser aufkochen und 1 Stunde köcheln lassen, bis das Fleisch gar ist. Die Kartoffeln waschen, schälen, vierteln und in der letzten ½ Stunde mitkochen lassen.
Alle Zutaten aus dem Sud heben und etwas abkühlen lassen. Die Kartoffeln stampfen.
Die Zwiebel abziehen und grob zerteilen, ebenso die Hälfte der Roten Bete. Das Rindfleisch mit der Zwiebel und der Roten Bete durch einen Fleischwolf drehen, dann mit den Kartoffeln und dem Rote-Bete-Saft vermischen.
Die restliche Rote Bete und die Gewürzgurken würfeln und unter die Kartoffel-Fleisch-Masse mischen. So viel Fleischbrühe angießen, bis die richtige Konsistenz, nicht zu fest und nicht zu breiig, erreicht ist. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Die Eier in Butter zu Spiegeleiern braten und mit Salz und Pfeffer würzen.
Die Kartoffel-Fleisch-Masse auf Tellern verteilen – gleichmäßig rund wird sie mithilfe von großen Dessertringen oder Spiegeleiformen. Mit je einem Spiegelei belegen. Rote-Bete- und Gurkenwürfel daneben anrichten, mit Matjesfilets oder Bismarckhering belegen und mit Petersilie und Sprossen garniert servieren.
4 Portionen
600 g Rinder- oder Schweinebraten
1 EL Senf
Salz, frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
1 große Zwiebel
1 Bund Suppengrün
2 EL neutrales Öl
700 ml Gemüsebrühe
dunkler Saucenbinder
½ Becher Crème fraîche
Zucker
4 frische, knusprige »Rundstücke« oder Brötchen nach Wahl
Essiggurken, Tomaten, Salat und Petersilie zum Garnieren
Den Backofen auf 180 °C Ober-/Unterhitze vorheizen. Das Fleisch abwaschen, trockentupfen und mit Senf, Salz und Pfeffer würzen. Die Zwiebel abziehen und würfeln, das Suppengrün putzen und klein schneiden.
Das Öl in einem Bräter erhitzen. Das Fleisch darin scharf anbraten. Zwiebelwürfel und Suppengrün zugeben und den Bräter in den vorgeheizten Backofen schieben.
Nach etwa 50 Minuten den Braten wenden, die zuvor aufgekochte Gemüsebrühe angießen und weitere 50 Minuten garen. Nach Ende der Bratzeit den Saft in einen Topf abgießen, den Braten im Ofen warm halten. Den Bratensaft aufkochen, mit Saucenbinder andicken und mit Crème fraîche, Salz, Pfeffer und Zucker abschmecken.
Den Braten aus dem Ofen nehmen, etwas abkühlen lassen und in Scheiben schneiden. Die Rundstücke aufschneiden und die untere Hälfte mit Fleisch belegen, mit etwas Bratensauce begießen und mit der oberen Brötchenhälfte bedecken.
Die belegten Brötchen auf Tellern anrichten und mit Petersilie bestreuen. Mit Gewürzgurkenstreifen und Tomatenvierteln garnieren und nach Wunsch Salat dazu servieren.
Das Brötchen liegt besser in der Hand, wenn es nicht ganz aufgeschnitten ist.