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Raus aus dem WG-Chaos! Um das neue Familienleben zu viert auszuprobieren, buchen Ricks Vater und Linda kurzerhand eine Kreuzfahrt zu den norwegischen Fjorden. Und Rick und Finn müssen mit. Doch kaum hat die Fähre den Hafen verlassen, tauchen Oma Mary mit ihrer überdrehten Bulldogge Helena und Mitbewohner Wutz als verdeckter Ermittler an Bord auf und sorgen für heilloses Chaos. Und dann bricht auch noch ein Brand auf dem Schiff aus ...
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Seitenzahl: 149
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ISBN 978-3-649-60993-3 (eBook)eBook © 2011 für die deutschsprachige AusgabeCoppenrath Verlag GmbH & Co. KG, MünsterAlle Rechte vorbehalten, auch auszugsweiseISBN 978-3-649-60292-7 (Buch)© 2011 Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG, MünsterAlle Rechte vorbehalten, auch auszugsweiseUmschlaggestaltung: init, Büro für GestaltungUmschlagillustration: Kim SchmidtRedaktion: Jutta KnollmannSatz: Sabine Conrad, Rosbach
www.coppenrath.de
Puh, das war knapp!
Beinah wäre ich kleben geblieben, so wie es mir die fiese Püttelmeyer prophezeit hatte. Doch in allerletzter Sekunde hab ich noch mal die Kurve gekriegt. Rasiermesserklingenscharf an der Ehrenrunde vorbei.
Elias aus meiner Klasse hatte allerdings weniger Glück. Das war wohl auch der Grund, warum er jetzt ziemlich angefressen aus der Wäsche glotzte. Aber deshalb gleich mit beleidigter Leberwurststimme »Streber!« zu mir zu sagen, war echt daneben.
»Danke, Elias. Dir auch schöne Ferien«, knurrte ich ihn an, zeigte ihm mein berüchtigtes, lautloses, zahnpastaweißes Extremgrinsen und zog ab.
Auf der anderen Seite des Schulhofs hatte sich meine Familie im Halbkreis aufgebaut. Sie stierten mir entgegen wie Kühe, die sich aufs Melken freuen.
»Ich bin mächtig stolz auf dich, Rick!« Wutz fuhr sich durch die Haare, sodass sie ihm wie elektrisiert vom Kopf abstanden.
Mary drückte mir einen feuchten Schmatzkuss auf die linke Wange und tätschelte gleichzeitig meine rechte. »Ich auch, mein Großer. Hat sich das ganze Pauken am Ende doch gelohnt.«
Dann war Pa an der Reihe. Er sah aus, als ob er jeden Augenblick zu einer phänomenalen Lobrede auf seinen einzigen Sohn ansetzen würde, dem tatsächlich das Unfassbare gelungen war, in die siebte Klasse versetzt zu werden. Mit feierlicher Miene schaute er in die Runde. Gerade als ich dachte: Ey, jetzt mach mal endlich hinne!, wurde sein Blick plötzlich fragend.
»Wo ist Finn?«
»Ja, wo ist eigentlich Finn?«, wunderte sich nun auch Linda … und sah mich an.
Ich hob die Schultern. »Null Plan!«
Warum sollte ich bitte schön wissen, wo Finn steckte? Nur weil ich ihn seit der Nacht im Museum nicht mehr ganz so bekloppt fand, war ich doch nicht automatisch zu seinem Babysitter geworden. Waffenstillstand: okay. Freunde: never!
Leider wollten Pa und Linda das einfach nicht checken. Aber bevor ich es den beiden noch einmal ausführlich erklären konnte, kam das Monster in Gestalt meiner Klassenlehrerin auf uns zugerollt und streckte die schwabbeligen Arme nach Linda aus.
»Ich werde dich schrecklich vermissen, Lindalein«, säuselte die Püttelmeyer.
Höchste Zeit, mich vom Acker zu machen, entschied ich und wandte mich um.
»Ich geh mal Finn suchen.« Während ich mich durch die Schülermassen Richtung Aula schlängelte, wurde mir klar, dass ich jetzt zum allerletzten Mal als Sechstklässler über den Schulhof lief.
Gerade als ich die breite Glastür erreicht hatte, öffnete sie sich wie von Geisterhand, und Nelly stand vor mir.
»Rick, wo willst du denn hin?«
Ich starrte sie verblüfft an. »Nelly, wo kommst du denn her?«
Nelly verzog ihren Mund zu einem schiefen Grinsen und strich sich eine widerspenstige rote Locke aus dem Gesicht.
»Ich hatte was im Klassenzimmer vergessen. Und du? Kannst dich wohl nicht von der Schule trennen, was?«, kicherte sie.
Ich kratzte mich am Hinterkopf. Und mit einem Mal – keine Ahnung, warum – machte es in meinem Kopf laut KAWUUUMMMMS! und schon lief ein Spielfilm vor meinem inneren Auge ab – ein schnulziger Liebesfilm mit Nelly und mir (!) in den Hauptrollen. Wir düsten in voller Eishockeymontur übers Eis, kämpften um den Puck, schenkten uns nichts. Ich war vor Nelly im Strafraum, doch wenige Millimeter vorm Tor pflückte sie mir den Puck vom Schläger und versenkte ihn mit einem außerirdisch lauten Ziiisch im Netz. Triumphierend riss sie die Arme hoch und strahlte mich durch die Gitterstäbe ihres Helms an.
Und urplötzlich schnallte ich etwas: Nelly war ein Mädchen! Also nicht, dass ich das nicht schon vorher gewusst hätte. Aber mir war nie zuvor aufgefallen, dass meine Young-Indians-Mannschaftskameradin nicht nur extrem cool, sondern dazu auch noch richtig … ähm … na ja, wie soll ich es sagen … hübsch war. Und diese unglaubliche Tatsache traf mich nun ohne Vorwarnung wie ein Tausend-Volt-Stromschlag.
»Hey, Rick, was ist los? Warum guckst du so komisch?« Nelly verpasste mir einen Knuff gegen den Oberarm.
Ich war wie paralysiert. Stand einfach nur da und starrte Nelly wie der absolute Volldepp an. Und während die Stimme in meinem Kopf mir verzweifelt ›Nun sag doch was!‹ zurief, begannen meine Hände, unkontrolliert zu zittern.
»Geht es dir nicht gut?«
Ich gab einen seltsam röchelnden Laut von mir, von dem ich mir erhofft hatte, dass er sich wie alles paletti anhören würde.
»Was hast du denn? Fällt dir der Abschied so schwer, dass es dir die Sprache verschlagen hat?« Nelly fuchtelte mit beiden Armen vor meinem Gesicht herum. »Erde an Rick, bitte aufwachen!«, rief sie.
Was sollte ich machen? Mein Hirn war völlig leer gefegt. Schweißperlen traten auf meine Stirn.
›Rick Michalski, jetzt hör mir mal zu!‹, versuchte die Stimme in meinem Kopf, mich wieder unter Kontrolle zu bringen. ›Du bleibst jetzt ganz cool. Reiß dich zusammen! Sag einfach irgendwas, das dir gerade in den Sinn kommt. Ganz egal, was! Peinlicher als dieses Schweigen kann es nicht sein!‹
Ich machte zweimal hintereinander »Grumpf!« oder so etwas Ähnliches. Dann wurde mir abwechselnd heiß und kalt und meine Unterlippe litt plötzlich unter undefinierbaren Zuckungen.
Nelly kam hammermäßig dicht an mich heran. Ich spürte ihren warmen Atem und roch ihren Erdbeerkaugummiduft.
»Jetzt weiß ich es«, sagte sie und umfasste mit ihren samtweichen Händen mein Gesicht. »Du kannst dein Glück kaum fassen, dass du nicht sitzen geblieben bist.«
Verdattert schaute ich Nelly an. Seit wann hatte sie denn bernsteinfarbene Augen? Das war ganz genau das, was mir durch den Kopf ging. Mein Herz donnerte so laut gegen die Rippen, dass es bestimmt noch in Honolulu zu hören war.
Nelly grinste. »Ich kann dein Herz kloppen hören.«
»Kann gar nicht sein«, krächzte ich, erleichtert, endlich meine Stimme wiedergefunden zu haben.
»Doch, ich höre es ganz deutlich.«
Das war zu viel für mich. Nichts wie weg, dachte ich und ergriff die Flucht. Über den langen Gang, die Treppe hinauf in die erste Etage, direkt auf den Flur zu, der zu unserem Klassenzimmer führte. Obwohl mir klar war, dass ich mich gerade total idiotisch benahm, gab ich noch einmal ordentlich Gas …
Und krachte im nächsten Moment volle Kanne gegen die Glastür.
Schepper!
Ich war total verwirrt und checkte nicht, dass die Tür abgeschlossen war, sondern versuchte es gleich noch einmal.
Klirr!
Voll mit dem Kopf dagegen. Der Rückschlag war gewaltig. Ich taumelte leicht. In meinem Schädel explodierte irgendetwas.
Chinakracher.
Feuerwerkskörper.
Bestimmt fand gerade das Jahrestreffen der Pyrotechniker in meiner Birne statt.
»Rick?«
Das war wieder Nelly. Wieso um alles in der Welt lief sie mir hinterher? Und warum bitte schön hörte sich ihre Stimme so besorgt an?
»Rick, ist alles in Ordnung mit dir?«
»Ja«, grunzte ich.
»Hast du dir wehgetan?«
»Nein.«
»Hast du nicht gemerkt, dass die Tür schon verschlossen ist?«
»Nein.«
Dann drehte ich mich langsam um und blickte direkt in Nellys untertassengroße Augen.
»Du … du blutest ja.«
Unsinn. Ich blutete doch nicht. Warum auch? Ich war ja gar nicht gegen die Tür gelaufen. Kein bisschen. Das bildete ich mir alles bloß ein. Und jetzt sagte ich auch nicht, dass ich Nelly total hübsch fand, und ganz bestimmt kullerten mir keine oberpeinlichen Tränen über die Wangen, weil der Schmerz sie mir in die Augen getrieben hatte. Das war nur ein schrecklicher Albtraum. Ich musste einfach aufwachen, dann war alles vorbei.
Nelly streckte die Hand nach mir aus. »Rick, so etwas Schönes hat noch nie jemand zu mir gesagt.« Sie tupfte mir mit dem Zeigefinger eine Träne von der Wange.
Alles nur ein Traum, alles nur ein Traum, sagte ich mir.
Klar war es das, denn Männer (dazu zählen auch fast zwölfjährige Jungs) weinen nicht. Und bestimmt keine Eishockeystürmer. Und garantiert nicht vor den Augen eines Mädchens.
Mit letzter Kraft rappelte ich mich auf und rannte los. Diesmal Richtung Ausgang.
Unten in der Aula wurde ich direkt von zwei parfümierten Armen in Empfang genommen. Den Duft kannte ich. So roch nur Mary.
»Rick, wo bleibst du denn?«, fragte sie mit ungewöhnlich schriller Stimme. »Wir haben Finn gefunden und … Auweia, was ist denn mit dir passiert? Du blutest ja!«
Ich öffnete den Mund, brachte aber schon wieder keinen Ton heraus. Weil da nämlich rein gar nichts mehr war.
Alles weg!
Sämtliche Buchstaben waren verschwunden.
Abgehauen. Untergetaucht. Geflohen.
Mary starrte mich an, als ob mir ein zweiter Kopf gewachsen wäre.
»Das sieht übel aus«, hörte ich Finn sagen.
Ich runzelte die Stirn. Stand er schon lange neben mir? Hatte ich gar nicht gemerkt.
Mir wurde wieder kalt. Eiskalt. Überall. Nur nicht im Kopf. Da kochte es, blubberte, sprudelte und brodelte. Mein Herz war kurzerhand direkt aus meiner Brust zu den Pyrotechnikern ins Hirn gehüpft und nun feierten alle zusammen eine wilde Party.
»Rick, jetzt sag doch endlich was!« Das war wieder Mary, und diesmal klang sie nicht nur besorgt, sondern irgendwie auch ärgerlich.
»Mir ist schlecht«, stieß ich hervor. Da legte Mary mir die Arme um die Schultern und führte mich aus der Aula.
Hinter mir hörte ich, wie Nelly und Finn miteinander sprachen. Ich wollte verstehen, was sie sagten, doch Mary zog mich unerbittlich mit sich. Ihre Arme waren Schraubstöcke, die sich fest um mich gelegt hatten und keinen Widerstand duldeten.
Vielleicht war das auch ganz gut so, denn ich war sowieso völlig plemplem – und hatte noch immer null Plan, warum eigentlich.
Ähm … aber ihr habt noch Plan, oder? Ihr wisst noch, wer ich bin, nicht wahr?
Rick Michalski, der unerschrockene Eishockeystürmer der Hannover Young Indians. Der Blutsbruder von Chrissy, der jetzt leider in Stuttgart wohnt. Der Enkel von Mary, der verrücktesten Oma der Welt. Der Ziehsohn von Wutz, dem lässigsten Geheimagenten der ganzen Polizei und Herrchen des verfressensten Katers aller Zeiten. Der Sohn von Pa, der eigentlich voll okay ist, aber im Moment leider nicht zurechnungsfähig, weil er sich im totalen Liebesrausch befindet. Und das, weil er sich ausgerechnet in meine Kunstlehrerin Linda verknallen musste. Und ehrlich, Leute, ich weiß noch immer nicht, ob ihr Sohn Finn nun okay ist oder ein blassbackiger Vollpfosten.
Doch das ist eine ganz andere Sache. Außerdem habe ich jetzt genug von früher erzählt. Mary sagt auch immer, man soll der Vergangenheit nicht hinterhertrauern, auch wenn sie noch so schön war.
Ich muss der Tatsache leider ins Auge blicken: Die coolen Männer-WG-Zeiten sind endgültig vorbei!
Und noch etwas ist anders: Nach den Sommerferien bin ich endlich die fiese Püttelmeyer los. Und das ist so ziemlich das Beste, was mir passieren kann.
So, nun solltet ihr wirklich wieder voll den Durchblick haben und die Geschichte kann endlich weitergehen – und zwar ganz genau hier!
Pa, Linda und Wutz warteten auf dem Schulhof bereits ungeduldig auf uns. Wutz starrte auf seine Uhr, als ob er sie hypnotisieren wollte, während Pa von einem Fuß auf den anderen trat.
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