Anderwald (Band 1) - Das Geheimnis der Silberwölfin - Julie Leuze - E-Book

Anderwald (Band 1) - Das Geheimnis der Silberwölfin E-Book

Julie Leuze

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Beschreibung

Tiermagie und Baumgeflüster  Ein einziger Schritt durch das Steintor und schon ist Fiona im magischen Anderwald! Zwischen raschelnden Blättern und wispernden Pflanzen hüten Krafttiere besondere Schätze. Der Anderwald erwacht Unglaublich: Auf einer nebelverhangenen Lichtung taucht plötzlich ein Tor auf, das nur Fiona sehen kann. Voller Neugier tritt sie hindurch und gelangt in den Anderwald – einen Ort voller Abenteuer! Dort begegnet Fiona einer silbernen Wölfin, die sich als ihr Krafttier vorstellt und dem Mädchen ein großes Geheimnis anvertraut. Doch als am tiefschwarzen Himmel auf einmal glühende Funken auftauchen, findet Fiona heraus, dass der Wald und all seine Bewohner in Gefahr schweben …  Der bezaubernde Reihenauftakt voller Gefühl und Magie  Fantasyabenteuer trifft auf Schulalltag, leichtherzig und spannend erzählt von Julie Leuze. Dieser Reihenauftakt ab 8 Jahren vereint die große Welt der Gefühle mit der wundersamen Magie des Waldes. Starke Krafttiere spiegeln die unterschiedlichsten Persönlichkeiten wider und verleihen der Geschichte so hohes Identifikationspotenzial für junge Leser*innen. Stefanie Klaßens detailreiche Illustrationen mit grüner Schmuckfarbe lassen den Anderwald zum Leben erwachen. Für Fans von Ein Mädchen namens Willow, Spirit Animals und Flüsterwald. Diese Reihe ist bei Antolin gelistet.

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Seitenzahl: 128

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Inhalt

Magisches Gewisper

Das steinerne Tor

Eine fantastische Welt

Unglaublich, aber wahr

Magisches Gewisper

Plappern verboten!

Die silberne Wölfin

Im Anderwald

Magisches Gewisper

Glück und Leid

Zerstritten!

Die Höhle im Fels

Magisches Gewisper

Der Schatz

Für immer verloren?

Das uralte Buch

Magisches Gewisper

Die Nachtwanderung

Bonbon-Chaos

Dreierlei vereint

Epilog

Magisches Gewisper

Ein Raunen ging durch die Bäume.

„Da ist sie … da ist das Mädchen, das dreierlei in sich vereint!“

„Ob es den Schlüssel wohl heute in sich trägt?“

„Ob seine Augen sehen werden?“

„Ob es den Schritt wagen wird?“

Die uralten Eichen raschelten mit den Blättern.

Durch die glatten Stämme der Buchen fuhr ein Beben.

Die Ahorne warfen ihre Blüten in die Luft – sie machten sich bereit, das Mädchen willkommen zu heißen. Eine weiche Decke aus Flügelnüsschen bildete sich unter den Bäumen.

Das Problem war nur: Das Mädchen würde nicht kommen.

Denn es war noch nie gekommen. Nicht ein einziges Mal. Und auch heute war die Wahrscheinlichkeit, dass seine Augen sehen und es den Schritt ins Unbekannte wagen würde, äußerst gering.

Ein kräftiger Wind fuhr durch die Bäume. Das Knarren der mächtigen Äste klang wie ein Seufzen. Seit Urzeiten hatte kein Kind mehr den Weg in diesen Wald gefunden.

Was im Grunde kein Wunder war, gab es doch nur sehr wenige Menschen, die um die magische Natur des Schlüssels wussten. Und fast niemanden, der dreierlei in sich vereinte. Außerdem, so besagte die Legende, musste die Anwesenheit des Kindes notwendig sein – denn ohne triftigen Grund konnte niemand die Welten wechseln!

So verging Jahreszeit um Jahreszeit, Jahr um Jahr, Jahrzehnt um Jahrzehnt, Jahrhundert um Jahrhundert, ohne dass ein Kind den Anderwald betrat.

Doch jetzt war da diese Bedrohung.

Jetzt war da dieses … Wesen.

Es kam näher und näher.

Anfangs hatte es sich nur durch die glühenden Streifen verraten, die es in samtschwarzen Nächten über den Himmel gezogen hatte. Dann aber hatte das Wesen die Blattspitzen der höchsten Bäume versengt. Die Eichen, Buchen und Ahorne hatten Angst bekommen. Man munkelte, das Wesen habe hier und dort schon ganze Brombeerhecken in Brand gesetzt!

Sogar die Hüter, die tapfersten Geschöpfe des ganzen Anderwalds, waren mittlerweile beunruhigt.

„Da ist das Mädchen“, wisperte es in den Zweigen.

„Ob es kommen wird?“

„Ob es uns helfen kann?“

Während der Anderwald raunte und seufzte und wisperte und auf das unwahrscheinliche Auftauchen eines Mädchens wartete, das keinerlei Ahnung von der Existenz dieses Waldes hatte, bereitete das verwitterte Steintor auf der Lichtung sich in aller Gelassenheit darauf vor, sich zu zeigen.

Das steinerne Tor

„Wer zuerst bei der hohen Ulme ist!“, rief Fiona und rannte los.

Jakob warf ihr nur einen zerstreuten Blick zu, aber Olivia ließ sich nicht lange bitten. Schnell wie der Blitz war sie neben Fiona.

Die beiden Mädchen spurteten den Waldweg entlang. Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen, doch Fiona erreichte die Lichtung, in deren Mitte wie eine einsame Königin die hohe Ulme stand, einen Wimpernschlag früher als Olivia. Fast schon glaubte sie, den Sieg in der Tasche zu haben! Auf dem letzten Meter setzte Olivia allerdings zum Sprung an, hechtete an Fiona vorbei … und knallte unsanft gegen den Stamm der Ulme.

„Autsch!“ Olivia ließ sich ins Gras fallen und rieb sich den Kopf. „Ganz schön hart, so ’n Baumstamm.“

„Du gibst echt alles, oder?“ Obwohl Fiona völlig außer Atem war, musste sie lachen. „Glückwunsch, Olivia! Du hast gewonnen. Wie eigentlich immer.“

„Und Jakob hat nicht mal mitgekriegt, dass wir ein Wettrennen gemacht haben.“ Olivia grinste. „Wie eigentlich immer.“

Die Mädchen kicherten. Fiona setzte sich neben Olivia ins sonnenwarme Gras. Während Fionas Herzschlag sich allmählich beruhigte und auf Olivias Kopf eine stattliche Beule wuchs, tauchte auch endlich Jakob auf der Lichtung auf.

„Hey, schaut mal, was ich gefunden habe“, rief er begeistert. „Ich bin mir fast sicher, dass das ein Brettkanker ist!“

„Ein Brettkanker.“ Olivia hob die Augenbrauen. „Schon klar.“

Aufgeregt lief Jakob zu seinen Freundinnen. Dabei passte er gut auf, dass der Lupenbecher in seiner Hand nicht allzu sehr wackelte. Schließlich sollte dem Tier darin nicht übel werden! An der hohen Ulme angekommen, hockte Jakob sich zu Fiona und Olivia ins Gras.

„Wollen wir doch mal sehen“, murmelte er, stellte den Lupenbecher neben einer blühenden Walderdbeere ab und zückte sein Smartphone.

Die Mädchen blickten auf den Becher, in dem sich ein kleines braunes, spinnenartiges Wesen befand. Es rührte sich nicht.

Jakob öffnete seine Lieblings-App, mit der sich alles bestimmen ließ, was in Wald und Wiese so krabbelte, kroch oder herumflog, und richtete die Kamera auf den Lupenbecher. Er scannte das Tierchen, das vollkommen still dasaß.

Fiona griff nach dem Lupenbecher, nahm den Deckel ab und steckte den Zeigefinger hinein. Vorsichtig berührte sie das Tierchen. Da begann es in Fionas Herz plötzlich zu summen. Es war ein hohes und nervöses Summen. Es fühlte sich schrecklich an! Bim-bim, bim-bim, bim-bim!, sirrte es panisch in ihrem Herzen, während das Tier stocksteif im Becher hockte.

„Ist ja ziemlich entspannt, dieser … äh …“, sagte Olivia.

„Brettkanker“, ergänzte Fiona beunruhigt. „Du, Jakob, ich glaube, du solltest das Tier ganz schnell wieder freilassen!“

Aber Jakob hörte ihr gar nicht zu.

„Ha, ich wusste es!“, rief er triumphierend. „Hier steht es: ‚Trogulus tricarinatus, auf Deutsch: Brettkanker. Verwandt mit dem Weberknecht, diesem aber äußerlich kaum ähnlich. Lebt überwiegend in Waldgebieten und dort vor allem in …‘“

Fiona schüttelte den Kopf. Wenn Jakob ihr nicht zuhörte, musste sie die Sache wohl oder übel selbst in die Hand nehmen! Sanft ließ sie den Brettkanker aus dem Becher gleiten und keine Sekunde später war das Tierchen unter den schützenden Blättern der Walderdbeere verschwunden.

„Was machst du denn da?“ Jakob ließ genervt sein Smartphone sinken. „Ich wollte mir den Brettkanker doch noch mal genau ansehen!“

„Er hatte aber Angst“, entgegnete Fiona. „Eine Riesenangst sogar! Ich habe es gespürt.“

Ihre Freunde starrten sie an.

Olivia zuckte irritiert mit den Schultern und Jakob steckte sein Handy seufzend wieder ein. Daran, dass Fiona ab und an seltsame Dinge sagte, hatten die zwei sich längst gewöhnt.

Dennoch hatte Fiona ihnen ihr größtes Geheimnis bisher nicht anvertraut – noch nicht: Sie konnte die Gefühle von Menschen und Tieren erspüren! Sie musste das Lebewesen bloß berühren und schon begann in ihrem Herzen etwas zu erklingen. Manchmal war es bloß ein Rhythmus, manchmal eine kurze Melodie und ab und zu summte ihr Herz sogar ein ganzes Lied!

Fiona selbst war schon lange nicht mehr erstaunt, wenn das passierte. Schließlich kannte sie es nicht anders! Gefühle auf diese Weise zu erspüren, war völlig normal für sie.

Doch Fiona hatte früh begriffen, dass sie weit und breit die Einzige mit dieser Gabe war. Und da sie von niemandem als Sonderling abgestempelt werden wollte, gab sie dieses Geheimnis nicht gern preis, auch wenn Olivia und Jakob ihre besten Freunde waren. Fiona würde ihnen von ihrer Fähigkeit erzählen, wenn die Zeit reif war. Ganz bestimmt!

„Na los, Leute.“ Olivia sprang auf. „Lasst uns was spielen!“

Die Kinder liefen zum Rand der Lichtung, wo mehrere Ahorne dicht nebeneinanderstanden. Ihre Kronen verflochten sich zu einem grünen Dach aus spitz gezahnten Blättern und der Waldboden darunter war mit unzähligen Flügelnüsschen bedeckt.

„Wow“, staunte Fiona. „Guckt mal, es ist alles voll mit Propellern! Als hätten die Bäume sich geschüttelt und alle auf einmal abgeworfen.“

„Umso besser. Dann können wir uns ohne viel Mühe die schönsten aussuchen!“, meinte Jakob zufrieden. Er schnappte sich ein Flügelnüsschen, ritzte mit dem Daumennagel den pappigen Knoten auf und klebte sich die aufgeklappte Frucht auf den Nasenrücken. „Für meine feine Nase nur das Beste!“

Die Mädchen lachten. Fiona kniete sich auf den Waldboden, um sich aus der Fülle der Propeller einen für ihre eigene Nase auszusuchen. In diesem Moment machte sich das lästige Kratzen wieder bemerkbar. Unwillig runzelte sie die Stirn. Schon seit gestern Abend wurde sie von doofem Halskratzen geplagt und sie wollte auf gar keinen Fall krank werden! Nicht jetzt, im Mai, wo der Wald endlich wieder so herrlich grün war! Wo die Frühlingssonne auf die Lichtung herabschien, der warme Wind in den Blättern der Bäume säuselte und Fiona nirgendwo anders sein wollte als hier, genau hier: im Wald, auf ihrer Lieblingslichtung, zusammen mit ihren allerbesten Freunden!

Sie seufzte. Widerwillig zog Fiona die Papiertüte mit den scheußlichen Kräuterbonbons aus ihrer Hosentasche. Es musste wohl sein. Angeblich halfen diese Bonbons unübertroffen gut gegen Halsweh, Schnupfen und Husten; das behauptete zumindest Fionas Mutter. Ihre Mutter hatte diese Bonbons nämlich selbst hergestellt aus wilden Kräutern, die sie gesammelt hatte. Fiona steckte sich ein Bonbon in den Mund und trotz des üblen Geschmacks musste sie grinsen. Mama und ihre Kräuterbonbons! Und ihre Kräuterkekse, Kräuterkuchen, Kräuterbrote, Kräutertees … Sie hätte nicht Buchhändlerin im Antiquariat werden sollen, sondern Kräuterexpertin! Wobei Fiona sich nicht sicher war, ob es diesen Beruf wirklich gab.

„Oooh, Bonbons!“ Olivias Begeisterung riss Fiona aus ihren Gedanken. „Krieg ich auch eins?“

Olivia liebte alles, was süß war.

„Klar.“ Fiona hielt ihr die Papiertüte hin. „Die sind selbst gemacht, von meiner Mutter.“

„Ach so, ähm … weißt du, eigentlich habe ich doch keine Lust auf Bonbons“, murmelte Olivia.

Fiona kicherte. Olivia liebte fast alles, was süß war; bei den merkwürdigen Kreationen von Fionas Mutter machte sie eine Ausnahme. Zu Recht!

„Jakob, du?“, fragte Fiona der Höflichkeit halber, aber auch Jakob lehnte schaudernd ab.

Fiona konnte ihre Freunde gut verstehen: Hätte sie nicht dieses fiese Kratzen im Hals, hätte sie sich Mamas Bonbons auch nicht freiwillig angetan! Aber immerhin schienen die bitteren Kräuter zu wirken, das Halskratzen war nämlich bereits etwas schwächer geworden.

Schon bald vergaß Fiona den bitteren Geschmack in ihrem Mund, so viel Spaß machte es, die Zeit mit ihren Freunden zu verbringen und mit den Unmengen an Flügelnüsschen zu spielen. Jakob klebte sich den ganzen Nasenrücken voll und Fiona versuchte, sich die Flügel wie Kirschen an die Ohren zu hängen. Olivia schrie: „Es regnet Propeller!“, und warf so viele Flügelnüsschen in die Luft, dass Fiona die Arme ausbreitete und unter dem Regen tanzte. Lachend wirbelte sie herum … und blieb auf einmal so abrupt stehen, dass sie beinahe das Gleichgewicht verlor.

Ihre Augen wurden groß.

Ihr Mund klappte auf.

„Was zur Hölle …?!“, stieß Fiona ungläubig aus.

„Was ist los?“, fragte Jakob beunruhigt. „Du siehst aus, als würdest du einen Geist sehen.“

Aber Fiona sah keinen Geist. Sondern ein Tor! Ein verwittertes Tor aus grauen Steinen, das mitten auf der Lichtung stand.

Das konnte nicht sein! Vielleicht war das Ganze nur eine optische Täuschung? Sie kniff die Augen zu und zählte bis drei.

Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie es immer noch: Statt der hohen, sonnenbeschienenen Ulme befand sich ein Tor auf der Lichtung! Dunkelgrüner Efeu umrankte die grauen Steine. Nebelschwaden wallten aus dem Eingang heraus und verbargen, was auch immer sich dahinter verstecken mochte.

Gebannt blickte Fiona auf das Tor.

Wie von selbst setzten ihre Beine sich in Bewegung.

„Was macht sie da?“, fragte Olivia ratlos.

Fiona lief schneller. Das Steintor zog sie an und als sie es endlich erreicht hatte, setzte sie, ohne zu zögern, einen Fuß hinein.

„Bist du verrückt geworden?“, rief Olivia ihr hinterher. „Warum rennst du gegen den Baum?“

Jakob schrie: „Fiona, nein!“

Doch da hatte der dichte weiße Nebel Fiona bereits verschlungen.

Eine fantastische Welt

Für einen schwindeligen Moment verging ihr Hören und Sehen. Dann kam Fiona wieder zu sich.

„Wo bin ich denn hier gelandet?“, flüsterte sie verwundert.

Das steinerne Tor stand noch immer da und es quoll weiterhin Nebel heraus. Aber das war auch das Einzige, was so war wie zuvor! Zwar befand sie sich nach wie vor auf einer Lichtung, doch ihre Freunde waren verschwunden und ihr Wald … War das überhaupt noch ihr Wald? Der Wald, in dem sie seit Jahren mit Jakob und Olivia herumstromerte? War das noch ihre Lichtung, die ihr Treffpunkt war, seit sie denken konnte?

Alles fühlte sich so anders an. Alles war so anders!

„Was für ein Glück“, raunte es auf einmal in den Buchen, den Eichen, den Ahornen.

„Sie ist gekommen.“

„Willkommen, willkommen im Anderwald!“

Fiona zuckte zusammen. Es fühlte sich schon merkwürdig genug an, hier zu sein – was auch immer „hier“ bedeutete –, und nun hörte sie auch noch Stimmen! Aber natürlich war es völlig unmöglich, dass das seltsame Wispern aus den Bäumen gekommen war. Bäume wisperten nicht! In Bäumen keckerte höchstens mal ein Eichhörnchen. Oder?

Langsam drehte Fiona sich um die eigene Achse. Sie sah das Gras und die zarten Waldblumen auf der Lichtung. Die altvertrauten Buchen und Eichen an ihrem Rand. Die Haselnusssträucher, die vereinzelt dazwischen wuchsen. Die Fülle der Flügelnüsschen unter den Ahornen, die mit einem Mal von innen heraus leuchteten! Die Stämme der Bäume schienen zu pulsieren, als fließe heißes, wallendes Pflanzenblut in ihnen. In der Luft lag ein Duft von Moos und Magie, von Baumharz und Abenteuer. Und im Sonnenlicht, keine Armlänge von Fiona entfernt, tanzte eine Schar kleiner, anmutiger Wesen … die ganz bestimmt keine Insekten waren!

„Wer seid ihr?“, hauchte Fiona fasziniert. „Oder besser: Was seid ihr? Mücken jedenfalls nicht!“

Zu ihrem Erstaunen bekam sie augenblicklich eine Antwort. Mit glockenhellen Stimmen plapperten die winzigen Wesen durcheinander: „Mücken? Also wirklich, wir sind doch keine Mücken!“

„Sonnenstäublinge sind wir! Warum weißt du das denn nicht?“

„Weil sie ein Mensch ist, Dummerchen.“

„Ist sie der Mensch?“

„Ist sie diejenige, von der die Bäume erzählen?“

„Vielleicht ist sie’s, vielleicht auch nicht!“

„Hast du etwa noch nie einen Sonnenstäubling gesehen, Menschenkind?“

„Wurdest du noch nie von unserem Tanz erfreut?“

„Hast du noch nie unsere wunderschönen Flügel bewundert?“

Sämtliche Sonnenstäublinge hatten sich Fiona zugewandt. Abwartend starrten sie das Mädchen an, während sie mit ihren zarten, pastellfarbenen Flügeln einen Hauch von Wildblumenduft in seine Richtung fächerten.

„Ähm, nein, tut mir leid“, sagte Fiona verlegen. „Von Sonnenstäublingen habe ich noch nie gehört. Und gesehen schon gar keine! Wenn auf dieser Lichtung etwas getanzt hat, dann immer nur ein Schwarm Mücken.“

Erneut hob wirres Geplapper an. Diesmal klangen die Sonnenstäublinge ziemlich empört!

„Was hat sie bloß immer mit ihren Mücken?“

„Menschenkinder scheinen Mücken sehr zu mögen.“

„Pfff. Mücken können doch nicht tanzen, die sirren bloß dumm herum!“

„Und sie haben lang nicht so herrliche Flügel wie wir!“

„Und auch keine goldenen Augen!“

„Aber wir haben goldene Augen. Glänzende, strahlende Augen!“

„Welche Augenfarbe haben Mücken überhaupt?“

„Menschenkind, weißt du das? Welche Augenfarbe haben Mücken?“

Fiona musste lachen. Irgendwie fand sie die Sonnenstäublinge niedlich. Zwar schienen sie etwas eingebildet zu sein, aber vielleicht waren sie ja wirklich so wunderschön, wie sie behaupteten. Nachprüfen konnte sie das schlecht, da die Sonnenstäublinge so klein waren, dass sie dafür eine Lupe gebraucht hätte.

„Ich habe keine Ahnung, welche Augenfarbe Mücken haben“, antwortete Fiona ehrlich. „Aber könntet ihr mir sagen, wo ich hier bin?“

Die Sonnenstäublinge glucksten vor Belustigung.

„Wo du bist? Na, du bist vielleicht witzig!“

„Fragst du allen Ernstes, wo du hier bist?“

„Ist das Menschenhumor?“

„Hast du keine Augen im Kopf?“

„Natürlich hat sie Augen im Kopf! Allerdings braune, nicht so fantastisch goldene wie wir.“

„Blick dich um, Menschenkind. Dann siehst du selbst, wo wir sind!“

„Natürlich sind wir auf der Lichtung …“

„Beim uralten Steintor …“

„Im Anderwald!“

Anderwald … dieses Wort hatte Fiona schon einmal gehört: vorhin, im Wispern und Flüstern der Bäume. Sie war also im Anderwald gelandet – und der schien eindeutig kein normaler Wald zu sein!