Boom Shaka Laka in Vegas - AJ Sherwood - E-Book

Boom Shaka Laka in Vegas E-Book

AJ Sherwood

0,0

Beschreibung

Wenn dich jemand fragt, ob du eine Bombe entschärfen willst, sag Nein! Wieso zum Teufel habe ich diesen verflixten Auftrag überhaupt angenommen? Dabei sind Flugzeuge für mich eigentlich tabu, wegen einer Elektrogeräte-Allergie, die so einen Flieger im Handumdrehen schrotten könnte. Das reibt mir auch Donovan unter die Nase. Der ist nicht nur stinksauer, er steht kurz vor der Explosion. Ebenso wie die Bombe, die uns den ganzen Schlamassel überhaupt erst eingebrockt hat. Die tickt munter vor sich hin, während meine Welt um mich herum zusammenbricht. Doch da gibt es auch noch etwas anderes, das mir auf der Seele brennt …

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 352

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



AJ SHERWOOD

BOOM SHAKA LAKA IN VEGAS

JONS ÜBERNATÜRLICHE FÄLLE 4

Aus dem Amerikanischen von Johanna Hofer von Lobenstein

Über das Buch

Wenn dich jemand fragt, ob du eine Bombe entschärfen willst, sag Nein!

Wieso zum Teufel habe ich diesen verflixten Auftrag überhaupt angenommen? Dabei sind Flugzeuge für mich eigentlich tabu, wegen meiner Elektrogeräte-Allergie, die so einen Flieger im Handumdrehen schrotten könnte. Das reibt mir auch Donovan unter die Nase. Der ist nicht nur stinksauer, er steht kurz vor der Explosion. Ebenso wie die Bombe, die uns den ganzen Schlamassel überhaupt erst eingebrockt hat. Die tickt munter vor sich hin, während meine Welt um mich herum zusammenbricht.

Doch da gibt es auch noch etwas anderes, das mir auf der Seele brennt …

Über die Autorin

AJ steckt voller Ideen. Deshalb arbeitet sie meist an mehreren Projekten und Büchern gleichzeitig. Unter einem weiteren Pseudonym verfasst sie Fantasy-Romane, doch sie wollte unbedingt auch für die LGBTQ+-Gemeinde schreiben. Glücklicherweise war ihre Lektorin sofort damit einverstanden.

In ihrer Freizeit verschlingt AJ Bücher, isst viel zu viel Schokolade und verreist gern. Ihre erste größere Reise führte sie nach Japan, und das hat ihr so gut gefallen, dass sie sich fest vorgenommen hat, so bald wie möglich noch viel mehr von der Welt zu sehen. Bis dahin recherchiert sie weiterhin via Google Earth und schreibt über die Welten in ihrem Kopf.

Die englische Ausgabe erschien 2021 unter dem Titel »Jon’s Boom Shaka Laka Problem«.

Deutsche Erstausgabe Oktober 2021

 

© der Originalausgabe 2019: AJ Sherwood

© Verlagsrechte für die deutschsprachige Ausgabe 2021:

Second Chances Verlag

Inh. Jeannette Bauroth, Steinbach-Hallenberg

 

Alle Rechte, einschließlich des Rechts zur vollständigen oder auszugsweisen Wiedergabe in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

 

 

Umschlaggestaltung: Frauke Spanuth, Croco Designs

unter Verwendung von Motiven von vladwel, ket4up, mozZz,

greens87; alle stock.adobe.com

Lektorat: Judith Zimmer

Korrektorat: Julia Funcke

Satz & Layout: Second Chances Verlag

 

 

ISBN 978-3-948457-99-0

 

www.second-chances-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Titel

Über die Autorin

Impressum

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Weitere Bücher von AJ Sherwood

 

Liebe Leserinnen und Leser,

 

dieses Buch ist eine erfundene Geschichte, also bitte behandelt es auch so. Wirklich. Die Bezugnahme auf lebende Personen, tote Personen, gute und schlechte Menschen, dumme Politiker, Unternehmen, Restaurants, Veranstaltungen, Produkte, Orte, Referenzen zur Popkultur oder zu verrückten historischen Begebenheiten sind dazu gedacht, der Geschichte Authentizität zu geben. Sie werden als literarische Mittel eingesetzt. Oder weil ich sie gerne in die Geschichte einbauen wollte. Charaktere, Namen, Geschichte, Orte, Dialog, seltsamer Humor und merkwürdige Ereignisse entstammen einzig und allein der sehr lebhaften Fantasie der Autorin und sollten nicht als real interpretiert werden. Nein, ich glaube nicht daran, meine Protagonisten umzubringen. Bei Bösewichten sieht es ganz anders aus.

 

Eure AJ Sherwood

#HASHTAGS:

 

Jon und Donovan haben einen Streit und können das erwartungsgemäß gar nicht gut * Es macht BOOM * Mein Kink ist der gesunde Umgang mit Gefühlen * Lektionen in Sachen Beziehung * Lebenslektionen * Bedingungslose Liebe * Die Dads sind super * Ich habe Jon in ein Flugzeug gesetzt, weil ich gemein bin * Privatsphäre? Was ist das? * Katzen * Jon hat ein neues Spielzeug, und nein, damit ist nicht Donovan gemeint * Das Bombenkommando würde Jon am liebsten behalten * Roadtrip! * Großeltern sind auch cool * Absolut nichts läuft hier nach Plan

KAPITEL 1

JON

Ich, Jonathan Andrew Bane, hatte ein kleines Problem.

Zumindest war ich sehr bemüht, das Problem nicht zu groß werden zu lassen. Allerdings hätte mein zweiter Vorname wohl eher »Kompliziert« lauten sollen, und ich hatte das Gefühl, mit Höchstgeschwindigkeit auf ein massives Problem zuzusteuern.

Donovan war vor fast zwölf Monaten eingezogen. Schon in ein paar Wochen würde der Tag sich jähren, und natürlich wollte ich dieses Jubiläum mit etwas ganz Besonderem feiern. Doch was das sein könnte, hatte ich noch nicht mit mir ausgefochten. Einerseits wollte ich nichts riskieren und dachte an einen Urlaub und vielleicht ein schönes Geschenk.

Andererseits war so etwas Belangloses überhaupt nicht das, was ich eigentlich wollte.

Unser erstes Jahr war eine wahre Achterbahn gewesen – mit Höhen und Tiefen und allem Möglichen dazwischen. Wir hatten es wunderbar gemeistert, und unsere Beziehung war stabiler denn je. Ich konnte mir nicht vorstellen, jemals jemanden mehr zu lieben als ihn, und wusste, dass er das Gleiche für mich empfand. Um Donovan ging es auch gar nicht.

Es waren nur meine alten Kriegsverletzungen, die muckten.

Ich hatte also hin und her überlegt, unsicher, was ich tun sollte. Am Ende entschied ich schließlich, das Problem mit jemandem zu besprechen. Meine Mutter war nicht die Richtige dafür. Sie würde mich zwar verstehen, aber sie würde auch in Rechtfertigungszwang geraten. Sie war durchaus in der Lage, ihre Fehler zuzugeben, versuchte aber dennoch immer, diese Fehler zu rechtfertigen. Wahrscheinlich war es einfach schwer für sie, sich einzugestehen, dass sie dazu beigetragen hatte, dass ich mich mit Beziehungen so schwertat. Keine Mutter findet es schön, zu wissen, dass sie ihre Kinder verkorkst hat. Jedenfalls fehlte ihr sowieso die notwendige Erfahrung, um mir gute Ratschläge zu geben. Mein Vater dagegen konnte das wohl schon, hatte ich das Gefühl. Ich setzte mich also mit dem roten Wählscheibentelefon an den Küchentresen und rief Caleb auf dem Handy an. Hoffentlich war er um diese Zeit zu Hause und nicht mehr bei der Arbeit.

Es war aber Neil, der abnahm. »Hi, Jon. Versuchst du, deinen Dad zu erreichen?«

»Genau. Ist er gerade nicht da?«

»Doch, doch. Er hat nur Öl an den Händen, weil er eben Hühnchen mariniert hat. Einen kleinen Moment. Ist alles okay?«

Mein Stiefvater war Detective bei der Polizei von Sevierville, und zwar ein sehr guter. Neil war scharfsinnig und ein guter Beobachter. Zweifellos hatte etwas in meiner Stimme mich verraten. Seit ich wieder mit meinem Vater in Kontakt stand, hatte ich Neil recht gut kennengelernt und war wirklich froh, ihn als zusätzliche Vaterfigur zu haben. Mein eigener Vater hatte zwar seine erste Ehe total in den Sand gesetzt, aber die jetzige war dafür umso besser.

»Ja. Ich, äh, ich würde vielleicht sogar gerne mit euch beiden etwas besprechen. Euch um Rat fragen.«

»Na klar, mein Junge. Augenblick, da kommt er. Ich stelle dich auf Lautsprecher.«

Die etwas rauere Baritonstimme meines Vaters klang warm. »Hi, Jon. Alles in Ordnung bei dir?«

»Ja. Verrückte Fälle, die Kollegen spielen sich gegenseitig Streiche, das Übliche. Es ist nur, ja also, ich denke da über eine Sache nach, und ich bin nicht ganz sicher, warum ich noch zögere. Ich …« Ich musste einmal tief durchatmen, um ruhig zu bleiben. Es brachte mich schon aus dem Konzept, es laut auszusprechen. Ich war zittrig und unruhig, auch wenn ich ganz still saß. »In ein paar Wochen haben Donovan und ich unseren ersten Jahrestag. Und ich würde ihm total gerne einen Heiratsantrag machen.«

Beide gaben überraschte Geräusche von sich. In der Stimme meines Vaters schwang Vorsicht mit. »Du klingst fürchterlich nervös, mein Junge.«

»Und genau darüber wollte ich mit euch reden. Ich verstehe meine eigene Reaktion nicht. Donovan und ich, wir sind wirklich glücklich. Ich liebe den Kerl über alles, es gibt keinen greifbaren Grund für mein Zögern. Ich weiß auch, dass Donovan unbedingt heiraten will. Er hält sich nur zurück, weil er mir Zeit geben will, mich an den Gedanken zu gewöhnen. Außerdem hat er nach seinem Einzug geschworen, dass er mich nicht drängen würde. Zusammenzuziehen war die letzte egoistische Bitte, die er je äußern wollte.«

Neil schnaubte. »Ja, das hört sich nach Donovan an. Heißt das, du denkst darüber nach, weil du ihm eine Freude machen willst?«

»Wenn du mich vor sechs Monaten gefragt hättest, wäre meine Antwort Ja gewesen. Aber … das stimmt inzwischen nicht mehr. Ich will es genauso sehr wie er. Und gleichzeitig macht es mir eine Höllenangst. Also, Dad, meine eigentliche Frage ist wohl: Wie hast du den Mut gefunden, es noch mal zu versuchen?«

»Oh, Jonathan«, sagte mein Vater mit einem schmerzerfüllten Seufzer. »Was haben deine Mutter und ich da nur angerichtet bei dir?«

»Ich frage das nicht, um irgendjemandem Schuld zuzuschieben.« Ich wand mich ein wenig. Das hatte ich wohl nicht besonders geschickt ausgedrückt.

»Nein, nein, das weiß ich. Es tut mir nur so schrecklich leid, dass du wegen uns immer noch so wenig Zutrauen hast.« Sein nächster Seufzer klang wie alle Seufzer aus zehn Jahren zusammengenommen. »Natürlich, nach der Scheidung war ich sehr verletzt und konnte mir nicht vorstellen, noch einmal zu heiraten. Aber nach der Therapie war mir dann klar, dass die ganze Hochzeitszeremonie und die Ringe und all das nur Symbole für die Entscheidung waren, die ich schon längst getroffen hatte, für die Bindung, die ich längst eingegangen war. Die Leute machen immer ein unheimliches Theater um den Tag der Hochzeit. In Wirklichkeit ist es ja nicht das Endziel oder auch nur der Anfang einer Beziehung. Die Heirat ist ein Meilenstein, der die Liebe, das Vertrauen und die Treue versinnbildlicht, die du längst mit deinem Partner aufgebaut und gepflegt hast. Ein Versprechen, das auch in Zukunft so weiterzuführen.«

Darüber dachte ich einen Moment nach. »Du meinst also, der Fehler war nicht, Mom zu heiraten, sondern überhaupt erst eine Beziehung mit ihr einzugehen?«

»Als Fehler kann ich es nicht wirklich sehen, denn ich würde mir niemals wünschen, meine Kinder nicht zu haben. Aber es war trotzdem falsch, mit ihr zusammenzukommen, denn ich konnte mich nicht so auf sie einlassen, wie sie es gebraucht hätte. Die Probleme haben nicht damit begonnen, dass wir geheiratet haben. Es hat die Probleme nur verstärkt, die davor schon da waren.«

Neil fügte hinzu: »Wir zwei haben zum Teil auch deswegen so lange mit dem Heiraten gewartet, weil wir beide ganz sicher sein wollten. Meine eigene Erfahrung war zwar etwas anders als Calebs, aber auch ich war in einer langen Beziehung, die am Ende nicht funktioniert hat. Wir wollten einfach sicher sein, dass es zwischen uns keine größeren Probleme geben würde. Niemand verändert sich, nur weil er einen Ring am Finger trägt.«

Ich sah auf meine linke Hand hinunter und stellte mir einen Ring daran vor. Es stimmte schon. Wir würden keine anderen Menschen werden, wenn wir heirateten. Warum dachte ich, dass es uns verändern würde? War es wirklich das, was mir Angst machte? Die Vorstellung, dass wir uns verändern würden und dass ich das Glück, das ich jetzt hatte, verlieren würde?

»Jonathan, ich wusste an meinem Hochzeitstag schon, dass ich Versprechen gegeben hatte, die ich nur mit großer Mühe würde einhalten können. Aber damals war ich so naiv, zu glauben, dass es schon gehen würde, wenn ich mir nur genug Mühe gab. Ich war mir selbst nicht treu, und daran ist dann letztendlich auch die Beziehung zerbrochen. Lauren hat mir verziehen, und darüber bin ich sehr froh, aber ich möchte nicht, dass du dir ein Beispiel an unserer Ehe nimmst. Wenn überhaupt, solltest du eher Neils und meine Ehe als Messlatte dafür nehmen, was eine Ehe sein sollte.«

»Ach, mein Schatz. Ich liebe dich auch.« Neil machte Kussgeräusche.

Ich musste laut lachen. Neil schaffte es immer, im richtigen Moment die Spannung mit einem Scherz aufzulockern.

»Sieht so aus, als wäre es genau andersrum, als ich dachte. Wie am College. Man taucht nicht erst am Tag des Abschlusses auf – man arbeitet auf diesen Tag hin.«

»Ja, genau, das ist ein gutes Bild«, sagte Neil zustimmend. »Wenn du bei deinen Prüfungen schummelst und nur so tust, als hättest du alles verstanden, bedeutet dein Abschluss gar nichts, selbst wenn du dennoch dein Zeugnis bekommst. Du hast nichts dafür getan, und das wird sich nach dem Abschluss rächen. In einer Ehe ist es so ähnlich.«

Das änderte meine Sicht auf die Sache. Es stimmte. Wenn ich mir meine beiden Väter anschaute oder die Partnerschaft meiner Schwester, dann hatte ich das Gefühl, dass Ehe etwas Tolles war. Und natürlich waren Kanye und Alani ein Paradebeispiel dafür, was eine gute Beziehung bedeutete. Durch sie hatte ich überhaupt erst begonnen, meine Meinung zum Heiraten zu hinterfragen. Wie sehr sie sich auch nach vierzig Jahren noch liebten, war inspirierend. Die Ehe meiner eigenen Eltern war eine Katastrophe gewesen; meine Mutter hatte leider auch in ihrer zweiten Ehe kein Glück gehabt – aber es gab Menschen, die in der Lage waren, es richtig zu machen.

Und das wollte ich auch so gerne.

»Hat das ein bisschen geholfen?«, fragte mein Dad hoffnungsvoll.

»Sogar sehr, danke. Ich habe mich die ganze Zeit im Kreis gedreht und mir den Kopf zerbrochen, ohne zu einem Schluss zu kommen. Aber jetzt habe ich verstanden, was ihr sagt: Wenn die Beziehung eine gute Basis hat, wird sie durchs Heiraten nur noch besser.«

In seiner Antwort hörte ich Erleichterung. »Ganz genau! Und aus meiner Sicht habt ihr beiden eine tolle Beziehung.«

»Das glaube ich auch. Wir geben uns auf jeden Fall Mühe. Aber verratet ihm bitte nichts. Ich muss noch mal darüber schlafen.« Ich hatte zwar schon das Gefühl, dass es die richtige Entscheidung war, aber wenn man schlau war, dann ließ man sich mit einem so monumentalen Schritt Zeit. Ich wollte auch über die Konsequenzen nachdenken, nicht nur über den Akt an sich.

Also, zugegeben, den Ring hatte ich schon gekauft. Er war nicht weit von dem Platz entfernt versteckt, an dem ich gerade saß. Ob ich mir lediglich einredete, dass ich für diesen Schritt nicht bereit war? War ich vielleicht nur nervös?

»Natürlich«, sagte Neil. »Ich nehme mal an, er ist gerade nicht da?«

»Nein. Er spielt Basketball mit Garrett und Brandon. Ich glaube, sie haben auch Mack rumgekriegt. Also habe ich die Gelegenheit genutzt, ungestört mit euch zu telefonieren. Ich schwöre, er hat Ohren wie ein Luchs.«

»Wir sind immer da, wenn du mit uns reden willst«, versprach Dad. »Und wenn du das Gefühl hast, dass du noch warten und euch beiden noch Zeit lassen solltest, ist das absolut in Ordnung. Es gibt keine irgendwie geartete Deadline, die du einhalten musst.«

Wie sehr er sich von Rodger unterschied! Mein Vater setzte mich nie unter Druck oder gab mir ein Gefühl der Unzulänglichkeit. Er tat sein Bestes, um mir bei meinen Problemen zu helfen, und stand mir mit gutem Rat zur Seite, ohne etwas dafür zu erwarten. Es war beruhigend, mit meinen Vätern zu sprechen und zu wissen, dass sie mich immer unterstützen würden, wenn ich es brauchte. Der böse Stiefvater war mir immer nur ein Dorn im Auge gewesen, und ich war froh, ihn los zu sein. »Danke, ihr beiden. Ich will es auf jeden Fall. Ich bin nur so nervös, wenn ich daran denke.«

»Ich bin ziemlich sicher, dass er Ja sagen wird, wenn es das ist, was dir Sorgen macht«, warf Neil scherzhaft ein.

Ich lachte, immer noch etwas angespannt. »Ach, das ist es gar nicht. Es ist einfach nur ein großer Schritt.«

»Das stimmt, und das sollte man auch nicht herunterspielen.« Caleb versuchte offensichtlich, nicht zu viel Einfluss zu nehmen. »Aber offen gestanden weiß ich gar nicht, wie ihr beiden noch verbindlicher werden solltet, als es jetzt schon der Fall ist. Es wird anders sein, und dann auch wieder nicht, so komisch es sich anhört.«

»Ich glaube, ich weiß, was du meinst. Ich denke, ich will meinem Gehirn einfach noch Zeit geben, diese Entscheidung zu verarbeiten. Ein Heiratsantrag ist schließlich nicht das Gleiche wie das andere Thema, über das wir im Moment diskutieren.« Als mir einfiel, dass sie wahrscheinlich noch nichts davon wussten, fügte ich hinzu: »Donovan wünscht sich ein Haustier.«

»Warm- oder kaltblütig?«, erkundigte sich Neil.

»Warm. Er wollte immer eins haben, aber bei seinem Beruf wäre schon ein Goldfisch schwierig gewesen. Wir diskutieren gerade, ob eine Katze oder ein Hund besser wäre. Wir tendieren zur Katze, weil sie selbstständiger wäre als ein Hund. Schließlich müssen wir manchmal achtzehn Stunden am Stück arbeiten, wenn es hart auf hart kommt, und dann die Zeit dafür zu finden, nach Hause zu fahren, um den Hund rauszulassen, ist nicht wirklich machbar. Außerdem haben wir keinen Garten.«

Dad summte zustimmend. »Das muss man alles bedenken. Tierheim oder Züchter?«

»Wir neigen zum Tierheim. Wenn wir uns eine Katze holen, müsste es eine Wohnungskatze sein, deswegen bin ich eher dafür, eine erwachsene Katze aufzunehmen. Ich habe null Ahnung, wie man einer Babykatze beibringt, aufs Katzenklo zu gehen.«

»Das ist ein Vorteil, wenn man eine erwachsene Katze nimmt. Und die Tierheime sind voller erwachsener Katzen.« Neil klang plötzlich begeistert wie ein Fünfjähriger. »Schatz, wollen wir uns nicht auch Katzen anschaffen?«

»Guck mal, was du angerichtet hast«, schalt mich mein Vater im Scherz.

Ich zuckte die Achseln, auch wenn sie es nicht sehen konnten. »Sorry, aber so richtig leid tut’s mir nicht.«

Die Hintertür ging auf, und ich spähte um den Küchentresen, um meinen Lover reinkommen zu sehen. »Und da ist er wieder. Bis bald, okay?«

Donovan streckte den Kopf herein und schaute mich neugierig an, während ich mich mit »Ich hab euch lieb« von meinen Vätern verabschiedete. Ehrlich gesagt war ich dankbar für die Unterbrechung. Mein Kopf schwirrte vor Emotionen, Hoffnungen und Ideen, die sich alle um die Oberhand stritten. Es war zu viel, um alles auf einmal zu verarbeiten. Ich wollte es am liebsten erst gar nicht versuchen, wo ich Donovan doch als willkommene Ablenkung zur Verfügung hatte. Jetzt wollte ich nicht weiter darüber sprechen. Lieber in Ruhe darüber nachdenken und es erst mal in meinem Kopf Gestalt annehmen lassen.

Ich rutschte vom Barhocker, um den Hörer auf die Gabel zu legen. Donovan war verschwitzt vom Basketballspielen, was ich sehr ansprechend fand. Sein Sportshirt hatte er schon an der Tür ausgezogen und trug jetzt nur noch seine Basketballshorts. Darüber war ich sehr glücklich. Er hatte sich so weit entspannt, dass er mich jederzeit seinen Rücken sehen ließ, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden. Anderen gegenüber war er da immer noch zögerlich, aber bei mir war es ihm inzwischen egal.

Jedes Mal, wenn er einfach so sein Hemd auszog, hatte ich den Drang, ihn zu belohnen. Mit bösen, bösen Dingen.

»Mit wem hast du denn gesprochen?«, fragte Donovan, während er seine Turnschuhe abstreifte.

Ich löste mich mühsam von den schmutzigen Gedanken. Er hatte mich etwas gefragt … oh. »Mit den Dads. Sie überlegen jetzt auch, sich eine Katze anzuschaffen.«

»Ha! Ist ja cool. Skylar wünscht sich auch eine. Und Mack hat Brandon damit aufgezogen. Obwohl, ich glaube, die wissen beide, dass ein Haustier im Moment nicht praktisch wäre. Vielleicht später mal, wenn sie sich irgendwo niederlassen und nicht mehr so viel in der Weltgeschichte rumflitzen.«

»Der letzte Fall muss ganz schön heftig gewesen sein. Sie waren ja fast den ganzen Monat weg.«

»Aber sie haben ja auch bisschen Ferien gemacht. Die sie sich auch verdient hatten. Wenn es so zur Sache gehen würde, würde ich danach auch ein paar Tage freinehmen.« Er beugte sich zu mir herunter und gab mir einen Kuss, süß und langsam.

Ich hob den Kopf und seufzte in den Kuss hinein. Als wir uns voneinander lösten, lächelte ich. »Na, du.«

»Ich glaube, ich sollte öfter verschwitzt sein«, murmelte er schmunzelnd an meinem Mund. »Du bekommst dann immer so einen Blick, als würdest du mich am liebsten sofort an der Wand nehmen.«

»Oh, das will ich, aber ich habe noch so viel mehr vor«, versicherte ich ihm und erwiderte sein Lächeln. Mit einer Hand strich ich über seinen ansehnlichen Bizeps, dann ließ ich sie an seinem Oberkörper heruntergleiten. »Das ist ja alles sehr hübsch und auf jeden Fall verlockend, aber zufällig weiß ich ganz genau, was sich unter diesen viel zu weiten Shorts versteckt …«

Er stöhnte leise, als ich meine Hand unter den Gummizug wandern ließ und ihn mit der flachen Hand streichelte, um seinen Schwanz aufzuwecken.

»… und ich habe sehr, sehr viel Freude daran.«

Donovan verwickelte mich wieder in einen Kuss, stürmisch diesmal, während er mit beiden Händen meinen Po umfasste und mich fester an sich zog. Wie immer waren wir beide nur zwei Sekunden und einen Blick davor, den anderen ins Bett zu zerren, das war also nichts Neues, aber ich liebte diese Momente. Donovans volle Aufmerksamkeit zu haben, würde für mich immer etwas Besonderes sein, das ich niemals selbstverständlich finden würde.

Er zog sich zurück und keuchte: »Dusche?«

Mein Lover brauchte auf jeden Fall eine, und er würde ganz sicher nicht allein darunter stehen.

»Dusche«, stimmte ich also zu und nahm die Hand weg.

Donovan protestierte: »Aber ich mag es, wenn du die Hand da hast.«

Mit einem lüsternen Blick über die Schulter wandte ich mich dem Flur zu. »Und meine Hand mag auch gerne da sein, aber lass uns erst die Treppe hochgehen. Erinner dich mal, was passiert ist, als wir das letzte Mal nicht die Finger voneinander lassen konnten.«

Er zog eine Grimasse. »Da hast du recht.«

Da ich mal wieder das Pech des ganzen Universums anzuziehen schien, klingelte das Telefon. Wir hielten irritiert inne. Es war neunzehn Uhr, und wir hatten beide keine Rufbereitschaft. Es gab keinen Grund, ranzugehen.

»Ignorieren«, sagte ich entschlossen.

Donovan brummte zustimmend, nahm mich an der Hand und zog mich in Richtung Treppe.

Und dann klingelte sein Handy.

Wieder blieben wir stehen und schauten uns an. Okay, wenn beide Nummern innerhalb von Sekunden angerufen wurden, war definitiv etwas nicht in Ordnung. Donovan zog das Handy aus der Hülle und starrte verwirrt darauf.

»Die Nummer kenne ich nicht.«

Mit einem leisen Fluch sah ich das Display an. Ich kannte sie durchaus. Anders als die meisten Millennials besaß ich kein Smartphone und konnte mich nicht auf die Technologie verlassen, was Adressen und Telefonnummern betraf. Und wenn Special Agent Freeman vom FBI uns direkt hintereinander über beide Nummern anrief, bedeutete das, dass es irgendwo lichterloh brannte.

»Das ist Freeman. Bitte geh ran.«

Donovan tippte auf »Anruf annehmen« und stellte sofort auf Lautsprecher. »Hallo. Sie sprechen mit Donovan und Jon.«

»Freeman hier.« Der Agent klang über alle Maßen gestresst. »Ich habe nicht viel Zeit für Erklärungen, also die Kurzfassung: Ich habe eine scharfe Bombe im Aria-Casino in Vegas und genau 21 Stunden, um sie zu entschärfen. Ich brauche Sie hier, und zwar gestern.«

KAPITEL 2

DONOVAN

Verwirrt starrte ich das Handy an. Dass Jon einmal bei der Psy eine Bombe entschärft hatte, hatte ich zwar gehört, aber das war ein Notfall gewesen. Er hatte die Platine der Bombe angefasst und sie dadurch außer Kraft gesetzt, dann war das Bombenkommando angerückt und hatte sich um den Rest gekümmert. Das machte ihn kaum zum Experten, also verstand ich nicht, warum ausgerechnet er angerufen wurde.

Jon dagegen schien es absolut einzuleuchten. Er schloss resigniert die Augen. »Sie können die Forderungen des Bombenlegers nicht erfüllen?«

»Wir haben es versucht, aber das Ganze ist eine echte Shitshow. Es ist verpatzt worden. Ich muss Ihnen unterwegs alles erklären. Wir sind jetzt jedenfalls auf uns allein gestellt. Ich weiß ernsthaft nicht mehr weiter. Die Jungs vom Entschärfungskommando sagen, sie können nichts tun. Die Bombe ist so geschickt gebaut, dass man sie nur anzuniesen braucht, und wir fliegen in die Luft. Aber wenn wir Sie hierherkriegen und Sie mit einer Berührung einen Teil lahmlegen, dann haben wir vielleicht die Chance, sie ganz zu entschärfen, bevor sie hochgeht. Wenn nicht, bedeutet es fünf Quadratmeilen Zerstörung.«

Ich zuckte zusammen. Gott, so schlimm war es? Wie zum Teufel war so etwas durch die Security gekommen? Das Aria war ein Casinohotel. Hieß das nicht, dass der Casino-Sicherheitsdienst das hätte im Griff haben müssen? Offenbar nicht, wenn die Bombe schon platziert war.

Aber noch während mir das alles durch den Kopf ging, war ich bereits mit etwas ganz anderem beschäftigt. Mein Adrenalinspiegel war deutlich in die Höhe geschnellt: Freeman wollte, dass mein Lover in einen Raum hineinspazierte, in dem sich eine lebensgefährliche Bombe befand, um sie mit seinen Tod-bei-Berührung-Superkräften zu zerstören. Dieser Plan gefiel mir ganz und gar nicht. Ich wollte mich dagegen aussprechen, aber schon ein Blick in Jons Gesicht zeigte mir, dass er ernsthaft in Erwägung zog, es zu tun.

Wie genau, war mir ein Rätsel, denn logistisch ergab das überhaupt keinen Sinn. Nevada war nicht gerade um die Ecke von Tennessee. Es würde viele Stunden dauern, dort hinzufahren. Selbst wenn wir sofort aufbrachen, blieb uns nicht viel Zeit. Offen gestanden glaubte ich nicht, dass wir es schaffen würden.

»Freeman, ist das nicht eine über zwanzigstündige Fahrt?«

»Sechsundzwanzig, um genau zu sein«, antwortete Freeman ernst. »Ich habe nachgesehen, bevor ich angerufen habe. Natürlich können Sie dieses Mal nicht fahren. Jon, ich werde Sie einfliegen müssen.«

Ich musste mir das sarkastische Lachen verkneifen. Jeder, der Jon kannte, wusste, dass er und Flugzeuge sich zueinander verhielten wie Wasser zu Öl. Aber Jon widersprach nicht. Stattdessen machte er ein nachdenkliches Gesicht. Das ließ mich vermuten, dass es da etwas gab, was ich nicht wusste.

Ungläubig fragte ich: »Du kannst also ein Flugzeug benutzen?«

Jon nickte mit einer Grimasse. »Das war eins der Dinge, die ich erfahren habe, als ich mich mit einem Recruiter vom FBI unterhalten habe. Manchmal transportieren sie Dinge, die einen EMP-Schutz brauchen, und dafür gibt es diverse EMP-Zelte. Wenn Freeman schnell genug so eins besorgen kann …«

»Schon erledigt«, warf der ein.

»Dann ist es möglich. Ich müsste in einer faradayschen Hülle ins Flugzeug und wieder rausgetragen werden, aber möglich ist es tatsächlich.« Jon kaute auf seiner Unterlippe herum, während er zu mir hochblickte.

Sein Ausdruck gefiel mir gar nicht. Er schaute mich gar nicht richtig an, und Mund und Augenbrauen waren angespannt, als würde er innerlich die Schultern hochziehen. Diese Miene hatte ich lange nicht gesehen. Sie erinnerte mich an die erste Zeit mit ihm, als er in meiner Gegenwart noch unsicher gewesen war und nicht gewusst hatte, wie er um das bitten sollte, was er brauchte. Mir war klar, dass ich hassen würde, was als Nächstes aus seinem Mund kam.

»Es ist trotzdem gefährlich. Wenn das EMP-Zelt nicht absolut sicher versiegelt ist, könnte ich ein bisschen Ladung abgeben. Das Flugzeug könnte meinetwegen abstürzen. Donovan …«

Ich schüttelte den Kopf und fiel ihm ins Wort, noch bevor er es aussprechen konnte. »Du wirst den Teufel tun.«

»Okay, Leute – ich habe keine Zeit für Beziehungskrisen. Ich bin so schon am Limit. Das Bombenkommando braucht auch nach Jons Ankunft noch mehrere Stunden. Ich brauche eine Antwort, und ich brauche sie gleich. Jon, werden Sie kommen?«

Jon wich meinem Blick sorgfältig aus. »Ja. Ich bin in dreißig Minuten am Flughafen.«

Ich fühlte eine eisige Gänsehaut. Seine Antwort erschreckte mich. Und sie machte mich unglaublich wütend. Ich konnte nicht fassen, dass er diese Entscheidung getroffen hatte – etwas, das uns beide in Gefahr brachte –, ohne vorher mit mir zu sprechen. Er hatte es noch nicht mal versucht, sondern war einfach losgeprescht.

Es war lange her, dass ich mit Jon die Geduld verloren hatte, aber jetzt war es so weit.

Freeman dagegen war voller Dankbarkeit. »Danke. Ich organisiere alles. Meine Leute warten am Terminal auf Sie. Halten Sie einfach am Eingang nach einer FBI-Jacke Ausschau.«

»Mache ich.« Da er selbst den Anruf nicht beenden konnte, versuchte er es auch nicht. Er wandte sich einfach um und sauste in Windeseile die Treppe hinauf, zweifellos, um für eine Übernachtung zu packen.

Ich konnte mein Handy natürlich bedienen. Als Erstes stellte ich den Lautsprecher aus, dann hob ich das Gerät ans Ohr und knurrte: »Das gefällt mir ganz und gar nicht, Freeman.«

»Ja, das hätte mich auch gewundert. Ich schwöre Ihnen, dass wir ihn in einen Bombenschutzanzug stecken, bevor wir ihn da reinschicken.«

Wie zum Teufel war es nur zu dieser Entscheidung gekommen, ohne dass mich jemand gefragt hatte? Jon war kein Bombenexperte, also gab es eigentlich keinen Grund dafür, dass man ausgerechnet ihn dazuholte. Das passte mir nicht. War ihnen denn nicht klar, dass ich mich eindeutig dagegen ausgesprochen hätte, wenn sie mich gefragt hätten? Oder war ich genau deswegen nicht gefragt worden?

Vielleicht stand die Entscheidung fest, vielleicht auch nicht. Ich hatte noch Zeit, das mit Jon auszudiskutieren. Natürlich wollte ich den Leuten in Las Vegas zu Hilfe kommen, und es tat mir leid, dass sie in so einer schlimmen Lage waren. Aber das Wichtigste für mich war und blieb der Mann, der gerade oben seine Sachen packte.

Ich schloss die Augen und atmete gleichmäßig ein und aus, um ruhig zu bleiben. Es mochte eine blöde Frage sein, aber ich stellte sie trotzdem. »Und diese Reisepläne, die beziehen sich auch auf mich, richtig?«

»Sehe ich etwa aus wie ein Idiot? Natürlich. Und selbst wenn Jon es nicht will, Sie fliegen auf jeden Fall mit.«

»Mehr brauche ich nicht zu wissen. Wiederhören.« Ich sprintete die Treppe hoch und nahm drei Stufen auf einmal.

Jon hatte bereits einen Koffer aufs Bett gelegt und warf wahllos Klamotten hinein. Er war nervös und aus dem Gleichgewicht, seine Bewegungen waren weit davon entfernt, effektiv zu sein, denn er war immer ungeschickt, wenn er in Eile war. Kaum hatte ich einen Fuß ins Zimmer gesetzt, fing er schon hektisch an zu sprechen. »Du musst den Humvee nach Vegas fahren, denn ich will wirklich ungern zurückfliegen, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. Bring mich einfach zum Flughafen und …«

Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte. »Wenn du ernsthaft denkst, dass du ohne mich in diesen Flieger steigst, Bane, haben sie dich ein paarmal zu oft auf den Kopf fallen lassen. Und jetzt noch mal von vorne. Wieso bist du so sicher, dass du überhaupt fliegst?«

Sein Kopf zuckte hoch, und er unterbrach das Packen. »Natürlich fliege ich. Freeman hat mich extra angefordert …«

»Jon. Nur weil jemand dich um Hilfe bittet, heißt das noch lange nicht automatisch, dass du Ja sagen musst.« Kaum zu glauben, dass ich ihm das erklären musste. Andererseits, ja, doch. Das war eine von Jons Achillesfersen. Er konnte nicht Nein sagen, wenn ihn jemand um Hilfe bat, ganz besonders nicht, wenn es ein Freund war. Und ich wusste, dass er Freeman als Freund betrachtete. Aber was war mit seinen eigenen Wünschen? Und mit meinen?

Ganz zu schweigen von seiner eigenen Sicherheit, verdammt noch mal?

Jon schüttelte bereits den Kopf. »Ich muss es machen.«

»Nein, das musst du ganz und gar nicht. Du kannst Freeman auch erklären, dass es zu gefährlich ist. Dass du das erst mit deinem Anker besprechen musst, dass du erst mal darüber nachdenken musst …«

»Nein. Jede Minute zählt«, gab er zurück, und dann packte er schon wieder wie ein Irrer. »Ich muss sofort los.«

Er würde also nicht fragen, obwohl ich ihn gerade darauf hingewiesen hatte, dass er das gar nicht mit mir besprochen hatte? War er in Gedanken schon so mit der Reiselogistik beschäftigt, dass er mir gar nicht richtig zuhörte? Ich hatte das Gefühl, dass es Letzteres war. Das verstand ich sogar bis zu einem gewissen Grad – aber in der Hauptsache war ich wütend und besorgt. »Kannst du mal kurz aufhören und einmal durchatmen? Du stürzt dich in diese Sache, als ob ich zugestimmt hätte. Das habe ich nicht. Warte doch mal einen Moment. Erkläre mir, warum du dich in eine so gefährliche Situation bringen willst.«

»Ich habe den Moment aber gerade nicht«, erwiderte er abwesend. Es war eine Reaktion, aber keine Antwort. Ich glaubte, dass er gar nicht richtig gehört hatte, was ich gesagt hatte, weil er mit Augen und Händen damit beschäftigt war, was er noch einpacken sollte.

Jetzt bekam ich ernsthaft Angst. War es wirklich ganz normal für ihn, sich so in Gefahr zu begeben, ohne auch nur darüber nachzudenken? Nur weil ihn jemand darum gebeten hatte? Ich hatte die alten Geschichten zwar gehört, von früher, bevor ich ihn gekannt hatte, bevor wir unsere Verbindung eingegangen waren, aber wir waren in den ganzen sechzehn Monaten nicht ein Mal in eine solche Situation gekommen. Gefährlich war es zwar geworden, ja, aber er hatte sich vorsichtig verhalten. Er war sich der Gefahr bewusst, und er wusste, was er zu tun hatte, um für seine eigene Sicherheit zu sorgen oder das Risiko zu verringern.

Warum zum Teufel tat er das jetzt nicht auch? Ich verstand es nicht. Aber es ärgerte mich, dass er mit unser beider Sicherheit so wenig achtsam war. Für meinen Beschützerinstinkt war es eine Tortur. Ich fühlte den Zorn in mir aufwallen wie die Lava in einem Vulkan, kurz vor der Eruption. »Jon, verdammt noch mal! Ich will nicht in diesen Flieger!«

»Dann lass es eben!«, bellte er zurück.

Das gab es ja wohl nicht. Das war jetzt nicht sein Ernst. Er hatte mir nicht ernsthaft gesagt, ich solle nicht mitkommen. Ich würde durchdrehen, wenn er ohne mich in ein Flugzeug steigen würde. Wie stellte er es sich überhaupt vor, es ohne meine Hilfe durch den Flughafen und bis in den Flieger zu schaffen? Er war doch noch nie geflogen, wenn ich mich richtig erinnerte. Er hatte null Erfahrung mit Flughäfen. Natürlich konnte er gar nicht wissen, wie schwierig das für ihn werden würde.

So oder so – es tat einfach weh, dass er wirklich glaubte, ich würde ihn allein lassen. Dass er sich in Gefahr begab, ohne auch nur darüber nachzudenken, wie ich mich dabei fühlte. Ich wurde noch zorniger, und ich spürte die Wut im Bauch wie ein lebendiges Wesen.

Sein Gesichtsausdruck sagte ganz eindeutig, dass er das Flugzeug besteigen würde, egal wie ich dazu stand. Dass er es sogar ohne mich tun würde. Keine Wahl zu haben, schmerzte wie eine Brandwunde. So war es nämlich für mich: Wenn er ging, würde ich ihm folgen.

»Als ob ich dich das allein machen lasse.«

Da war der Gesichtsausdruck von vorhin wieder, ein bisschen verloren und unsicher. »Donovan, es ist besser, wenn du mit dem Humvee nachkommst.«

»Wie ist das besser? Für wen? Was ich höre, ist, dass es sicherer für mich ist, wenn ich fahre.«

Seine Augen fielen zu, und sein Gesicht wurde ganz ausdruckslos. »Das ist … es ist schon okay, wenn ich in das Flugzeug steige. Diese EMP-Zelte sind wirklich robust. Ich werde fliegen können.«

»Gut. Dann fliegen wir beide.«

Jons Augen öffneten sich wieder, und ich sah sein irisches Temperament in seinem Blick durchblitzen. »Du wirst darauf bestehen, oder? Du wirst nicht fahren.«

»Es ist entweder für uns beide sicher, zu fliegen, oder für niemanden. Was soll es sein, Jon? Ist es sicher oder nicht?«

»Du elender Dickschädel.«

»Das bin ich. Ich bin außerdem dein verdammter Anker, und du wirst den Teufel tun, ohne mich zu fliegen. Ich lege deine Sicherheit nicht in die Hände von Leuten, die ich nicht kenne. Leute, die dich nicht verstehen. Die nicht wissen, wie man mit deiner Gabe umgeht.«

»Und was zum Teufel willst du dann machen? Dich mit mir in das Zelt setzen?«

»Nein.« So gerne ich das auch gemacht hätte – es war einfach nicht praktikabel. »Ich werde danebensitzen, damit ich dich unterstützen kann, wenn es nötig ist. Ich hätte zwar anders entschieden, denn ehrlich gesagt macht mir der Gedanke, dich in ein Flugzeug zu setzen, eine Scheißangst. Mir wäre es am liebsten, wenn wir gar nicht darüber reden müssten. Ich will nicht, dass du das machst. Aber wenn du entschlossen bist, weigere ich mich, dich allein zu lassen.«

Jetzt war auch er sauer. Ich sah den Ärger in seinen blauen Augen, seine angespannte Haltung, fast stocksteif. Dann begann er wieder zu packen. »Also gut. Du hast fünf Minuten zum Packen.«

Wenn er glaubte, dass mich das abhalten würde, hatte er sich getäuscht. Ich war verdammt noch mal bei der Army gewesen. Ich konnte innerhalb von Minuten startklar sein, wenn es sein musste. Ich riss meine Reisetasche aus dem Schrank und warf zwei Garnituren von allem rein: Hosen, Hemden, Socken, Boxershorts und ein weiteres Paar Schuhe. Pyjama. Dann holte ich meine Zahnbürste aus dem Bad. Machte den Reißverschluss zu. Meine Brieftasche und mein Laptop waren unten, die würde ich auf dem Weg nach draußen einpacken. Ich zog nur schnell die verschwitzten Klamotten aus und schlüpfte in Jeans und Shirt. Jon brauchte trotz seines Vorsprungs länger als ich.

Wir verließen das Haus in eisigem Schweigen und schlossen hinter uns ab. Ich wusste kaum, wie es zu diesem ganzen Irrsinn gekommen war. Ich wusste nur, dass ich versucht hatte, ihn zurückzuhalten, und dass er so wild entschlossen war, es durchzuziehen, dass er sogar ohne mich gegangen wäre. Außer physischer Gewalt sah ich keine Möglichkeit, ihn aufzuhalten. Jon saß am Steuer, und ich schrieb meinem Bruder eine Nachricht, erklärte die Situation und fragte, ob er den Humvee abholen könnte.

Brandon antwortete: Wie jetzt, Jon fliegt?

Ja, schrieb ich zurück.

Und das ist okay für dich?

Überhaupt nicht. Er macht es aber trotzdem.

Oh, shit – du bist echt wütend, oder? Bro, denk daran: Du liebst den Kerl.

Warum, damit ich ihm nicht den Hals umdrehe?

Brandons Warnung hätte eigentlich witzig sein müssen. Aber in diesem Augenblick war sie es ganz und gar nicht. Hauptsächlich, weil ich Jon tatsächlich am liebsten an die Gurgel gegangen wäre.

Ja. Also, als Anker weiß ich genau, wie das ist, wenn so die Kacke am Dampfen ist und sie sich einfach in irgendwelche Gefahren stürzen. Ich werde manchmal echt sauer auf Mack. Du musst ja fuchsteufelswild sein.

Ah, wie gut mich mein Bruder kannte. Das war ich in der Tat. Vor allem, weil Jon sich in eine gefährliche Situation begab, ohne sich etwas dabei zu denken. Das Einzige, was mich wirklich die Geduld verlieren ließ, war, wenn Jon in Gefahr war. Und dass er sich jetzt auch noch freiwillig dafür entschied, ohne mir eine andere Wahl zu lassen, als ihm zu folgen – das setzte mir fast so sehr zu wie die Gefahr selbst.

Also, bring ihn nicht um, okay? Das würde dir später leidtun, setzte Brandon nach.

Das stimmte zwar, half mir aber gerade nicht, ruhiger zu werden. Ich sah vom Display auf, um mich zu orientieren. Um diese Zeit war der Highway relativ ruhig, also waren wir schneller als sonst. Jon nahm die Ausfahrt Harding Place und fuhr in Richtung Flughafen. Viel Zeit hatte ich nicht, bis wir durch die Security mussten. Ich schrieb noch eine Nachricht, dass wir auf dem Kurzzeitparkplatz waren. Brandon antwortete mit: Okay.

Dann schickte ich unserem Chef eine Nachricht, um ihn von der Situation in Kenntnis zu setzen. Ich vermutete zwar, dass Freeman ihn schon kontaktiert hatte, wenn er Jon mit Beschlag belegte, aber es schadete nie, Dinge zu kommunizieren. Ich hatte noch keine Antwort, als wir auf den Parkplatz fuhren.

Die Stimmung zwischen uns war weiterhin angespannt, während wir schweigend unsere Taschen aus dem Kofferraum holten. Ich wollte versuchen, mich mit Jon auszusprechen, denn es schien mir eine ganz schlechte Idee zu sein, sich in eine derart stressige Situation zu begeben, während man sauer aufeinander war. Aber er gab mir keinen Ansatzpunkt. Er war ebenfalls wütend und hatte spürbar alle Stacheln aufgestellt. Ich hatte keine Ahnung, wie ich ihn dazu bringen sollte, sich abzuregen und mir einen Augenblick zuzuhören.

Und ich befürchtete, dass ich es nur noch schlimmer machen würde, wenn ich ihn jetzt zum Reden drängte.

Wir hatten relativ nah am Eingang geparkt, und sobald wir die ersten Autos hinter uns gelassen hatten, entdeckte Jon eine FBI-Agentin. Sie stand neben dem Eingang und beobachtete die Umgebung.

»Agent?«

Die Frau drehte sich um, sah ihn winken und rief ihm zu: »Sind Sie Jonathan Bane?«

»Der bin ich.«

»Gut. Das Flugzeug wartet bereits auf Sie. Folgen Sie mir.«

Wir gingen durch eine Seitentür in einen mir unbekannten Abschnitt des Flughafens. Es schien so, als sei dieser Flur sonst dem Personal vorbehalten, denn es waren nur Menschen in Uniform unterwegs. Während wir ihr nacheilten, sagte die zierliche Blondine: »Danke, dass Sie so schnell gekommen sind. Wir haben wirklich keine Zeit zu verlieren bei dieser Sache. Das EMP-Zelt ist schon in der Maschine aufgebaut. Soviel ich verstanden habe, sollten Sie noch nicht einmal in die unmittelbare Nähe von Elektronik geraten, also habe ich zur Sicherheit eine faradaysche Hülle und einen Rollstuhl bereitgestellt, mit dem wir Sie an Bord bringen können.«

»Ich kann ihn tragen«, unterbrach ich sie.

Sie warf mir über die Schulter einen prüfenden Blick zu. »Das glaub ich sofort. Okay, machen Sie das. Havili, richtig?«

»Ja, das bin ich.«

»Agent Lansky. Ich freue mich, Sie beide kennenzulernen. Im Zelt ist eine Akte mit allen Informationen, die wir gegenwärtig haben. Es ist nicht viel. Ich konnte auch nur das ausdrucken, was schon aufgeschrieben wurde, und wir sind gerade ein bisschen zu beschäftigt für Berichte. Außerdem habe ich einen Leuchtstab, Wasserflaschen und ein paar Erdnüsse reingelegt. Brauchen Sie noch etwas?«

»Nein, das ist super«, beruhigte Jon sie.

Sie nickte ihm zu, dann schaute sie mich an. »Und Sie?«

»Ich bleibe als Rückendeckung am Zelt.«

»Ah. Das ist wahrscheinlich schlau.«

Agent Lansky bog rechts ab und brachte uns in einen weiteren Bereich des Flughafens, den ich noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Hier standen hauptsächlich Privatjets, so wie es aussah. Es gab keine Wartebereiche, nur Terminal-Gates. Am zweiten Gate stand ein weiterer Agent in einem dunkelblauen FBI-Anorak. Er öffnete uns wortlos die Tür, und wir liefen an ihm vorbei.

Am Ende einer schmalen Rampe stand der Rollstuhl, auf dem die faradaysche Hülle lag. An der Oberseite hatte sie eine Versiegelung mit einem Reißverschluss, denn solche Hüllen waren normalerweise für andere Zwecke gedacht. Sie wirkte ein bisschen wie eine überdimensionale Ziplock-Tüte. Eine so große hatte ich noch nie gesehen. Jon ließ seinen Koffer stehen und zog sie resigniert, aber routiniert an. Er war schon sehr, sehr oft in dieser Situation gewesen. Seine Familie hatte ihn früher nur auf diese Weise mit dem Auto transportieren können.

Normalerweise hätte ich ihn jetzt einfach hochgehoben, ohne weiter darüber nachzudenken. Aber das waren keine normalen Umstände. Ich war wütend über die Situation, in der wir uns befanden, und auch wütend auf Jon. Er war sauer auf mich und hatte sich so abgekapselt, dass er mich gar nicht ansah, als ich auf ihn zutrat, und das sprach Bände. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mit diesem Jon umgehen sollte. Er war wie eine fremde Person für mich. Aber wir hatten auch noch nie solchen Streit gehabt.

Ich versuchte, Worte zu finden, um diese Spannung zwischen uns zu lösen. Aber was für Worte sollten das sein? Wir hatten außerdem keine Zeit, um zu reden. Ich schluckte also das Bedürfnis hinunter und konzentrierte mich auf meine Aufgabe. Ich konnte mir während des Fluges etwas ausdenken.