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Gegend: Wyoming, in den Ausläufern der Rocky Mountains, in der Nähe des heutigen Laramie Zeit: Frühjahr und Sommer 1872 Mickey Callaghan hat einen langen Ritt hinter sich. Er will seine Vergangenheit vergessen. Seine Vergangenheit als Revolverheld, als "Fast Cally" von Laramie. Er landet in Gillette, einem 400-Seelen Nest. Dort findet er Arbeit als Cowboy. Er lernt mehrere Freunde kennen, findet einen alten Freund wieder und es gelingt ihm, das schönste Mädchen im Tal zu erobern.
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Seitenzahl: 249
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Über dieses Buch:
Wyoming, in den Ausläufern der Rocky Mountains, in der Nähe des heutigen Laramie
Zeit: Frühjahr und Sommer 1872
Mickey Callaghan hat einen langen Ritt hinter sich. Er will seine Vergangenheit vergessen. Seine Vergangenheit als Revolverheld, als „Fast Cally“ von Laramie.
In Gillette, einem 400-Seelen Nest, findet er Arbeit als Cowboy.
Er lernt neue Freunde kennen, er findet einen alten Freund wieder und es gelingt ihm, das schönste Mädchen im Tal zu erobern.
Bis dahin ist es ein beschwerlicher Weg, hartgesottene Gauner und ein mächtiger Rancher stellen sich ihm entgegen.
Ich bedanke mich bei meiner Frau, meinem größten Fan und gleichzeitig meiner größten Kritikerin, für ihre unermüdliche Arbeit am Manuskript und die schöpferischen Diskussionen.
PETER ECKMANN, geboren 1947, lebt im Niederelbe-Dreieck in der Nähe von Cuxhaven
Ingenieur der Verfahrenstechnik, schreibt unter dem Pseudonym Allan Greyfox Wildwest- und Detektivromane.
Jahrelange Praxis im Schießen mit echten Waffen und insbesondere das „Western-Action-Schießen“ haben ihm ausreichend Kenntnisse über die Waffentechnik, die in seinen Büchern eine Rolle spielt, vermittelt.
Der Wilde Westen war eine spannende Zeit, Allan Greyfox versucht, sie in seinen Geschichten wieder lebendig werden zu lassen.
Der Reiter aus Laramie
Der Schmied
Der Spieler
Die neue Stellung
Marilyn Baker
Der Rinderbaron
Der Banküberfall
Die alte Minenstadt
Geoffrey Banks
Die Double M Ranch
Die gefälschten Brandzeichen
Gäste bei der Zeitung
Der Wunderheiler
Die Hochzeitsfeier
Der Hinterhalt
Im Gefängnis
Die Frau des Rinderbarons
Nachwort
Es ist Mittagszeit, die Sonne brennt vom Himmel, ein schwacher Wind führt den Duft von Sage mit sich. In der Ferne breitet sich ein großes Tal aus, das von zwei Seiten durch flache Berge eingeschlossen wird. Die Sicht begrenzt zu einer Seite ein hoher Wald, mehr Einzelheiten sind wegen der Ferne und der in der Hitze flimmernden Luft nicht zu erkennen.
Im Schatten der Bäume wird ein Pferd gerade zu dem Bach in der Senke geführt. „Komm, Brighty“, spricht der junge Mann zu dem Rappen, „trink erst einmal tüchtig, ich werde mir auch etwas Wasser nehmen.“
Der junge Mann heißt Mickey Callaghan. Er ist hier fremd und reitet nur in die Richtung, die ihm die Sonne weist. Vor zwei Wochen hat er Laramie verlassen, seine bisherige Heimat. Was bedeutet schon Heimat für einen Mann wie Mickey? Er hat dort gelebt und gearbeitet, mehr nicht. In Laramie war er zum Schluss der Deputy des Marshalls gewesen. Sein angeborener Instinkt, immer die Aktionen seiner Gegner richtig vorauszuahnen, hat ihm bisher immer geholfen und hat ihn auch das letzte Feuergefecht wie durch ein Wunder überleben lassen.
Sein Pferd hat genug getrunken und zupft nun an dem saftigen Gras, es gedeiht üppig hier am Bach, im Schatten der Bäume.
Mickey sitzt neben seinem treuen Begleiter und sieht ihm zu. Es wird Zeit, dass sie beide wieder in einen richtigen Ort kommen. Er würde gerne wieder mit einem Menschen, statt mit seinem Pferd reden. Sein vierbeiniger Gefährte braucht endlich eine ordentliche Portion Hafer, statt des ständigen Krautes und der Gräser.
Ein schönes warmes Bad könnte dem Reiter auch gefallen, der Staub auf den Wegen hat ihn wie mit Puderzucker überzogen, es rieselt bei jeder Bewegung von seiner Kleidung herunter.
In weiter Ferne, gerade eben noch in der flirrenden Luft zu erkennen, sieht er ein paar Häuser. „Vielleicht können wir beide dort mal eine Pause einlegen, was meinst du, Brighty? Oder vielleicht auch länger bleiben?“
Sein Pferd spitzt die Ohren und wendet seinen schwarzen Kopf mit der auffallenden Blesse dem jungen Mann zu.
Sein Geld geht langsam zur Neige, er muss sich nach einer Arbeit umsehen. Auf jeden Fall will er sich nicht mehr als Revolverkämpfer verdingen. Vom Gunfighter zum hemmungslosen Killer ist ein verdammt kurzer Weg, ein Weg, der zwischen Glück und Unglück, zwischen Leben und Tod, entscheidet. An dieser Schwelle zum Killer hatte er vor zwei Wochen gestanden und die grausame Kälte verspürt, die ihm von der anderen Seite entgegenschlug. Er muss und will dieser gefährlichen Neigung ein Ende bereiten, bevor sie ihn vernichtet.
Was soll er jetzt machen? Bisher hat er sich immer mit Hilfe seiner Waffen über Wasser gehalten, mal als Gehilfe des Marshalls, als Troubleshooter bei der jungen Eisenbahn oder auch als Leibwächter. Das muss jetzt ein Ende haben, denn bei seinem letzten Job hat er ein Dutzend Leute erschossen. Bei jedem Einzelnen war es Notwehr gewesen, oder es waren gemeine Verbrecher, die ihr Leben lassen mussten. Egal - er kam mit den vielen Toten, die er hinterließ, nicht mehr zurecht. Ihre Gesichter tauchten manchmal in seinen Träumen auf. Er musste jetzt endlich sein Leben ändern, deshalb war er aus Laramie geflohen, um weit fortzureiten. Weit fort, irgendwohin, wo man ihn nicht kannte und wo man ihn nicht als »Fast Cally« fürchten musste.
Er rollt seine Decke zusammen und bindet sie hinter dem Sattel fest. Ausgeruht trägt ihn sein treuer Gefährte den Hügel hinunter, in das weite, grüne Tal hinein.
Mit vierzehn Jahren ist Mickey von zu Hause ausgerissen. Sein Vater hatte ihn mit seinen ständigen Schlägen aus dem Haus getrieben. Der Vater war groß und kräftig und pflegte seine Probleme mit Gewalt zu lösen. Der Junge war nie aufsässig und gab seinem Vater keinen Grund für seine Ausbrüche, aber das spielte keine Rolle. Wenn dem Vater danach war, musste Mickey herhalten.
Seine Mutter war das genaue Gegenteil, sie war klug und sanftmütig und hatte Mickey trotz aller Schwierigkeiten eine ausreichende Ausbildung zukommen lassen. Nach einem der häufigen Auseinandersetzungen mit seinem Vater hatte er in einer Nacht sein Zuhause verlassen.
Der Junge hatte sich eines der Pferde aus dem Stall genommen, dazu eine Decke, und war davongeritten. Für immer. Für seine vierzehn Jahre war er groß und kräftig, dazu klug und aufmerksam, sodass man ihn gerne als Helfer nahm. Nach einer kurzen Zeit des Herumtreibens trat er als Soldat in die Armee der Nordstaaten ein. Rasch zeigte sich sein großes Geschick im Umgang mit Waffen. Der raue Umgang der Soldaten untereinander, und die in den Gefechtspausen immer wieder stattfindenden sportlichen Boxkämpfe, schärften seine Sinne und Fähigkeiten, um aus einem Kampf als Sieger hervorzugehen.
Nach dem Ende des Bürgerkrieges fand er Arbeit in der Tischlerei einer Dampfschiffreederei, es folgte eine Arbeit in der Waffenvertretung bei einem Freund in New Orleans. Ja, dort hatte es ihm gefallen, gerne denkt er daran zurück Er lernte dort seine große Liebe kennen. Ein grausames Unglück zwang ihn jedoch, Louisiana zu verlassen, er schloss sich einem Rindertreck von San Antonio nach Abilene als Viehtreiber an.
Es gab dort einen sehr erfahrenen Cowboy, der Gefallen an dem aufgeweckten jungen Mann gefunden hatte und ihm während des Trails viel von seinen Kenntnissen vermittelte. Am Ende des Viehtriebs, in Abilene, bekam er die freie Stelle des Marshalls. Und wieder dauerte auch diese Arbeit nicht lange. Er nahm den Job eines »Troubleshooter« bei der Union Pacific an, die im Frühjahr 1869 ihre Bahnlinie über den Kontinent fertigstellte. Es folgte der Job eines Bodyguards und dann die des Deputys in Laramie.
Gillette heißt der Ort, den sie erreichen, ein verwittertes Schild steht vor einer Ansammlung aus windschiefen Häusern mit grauen Dächern. Die Anzahl der Einwohner verkündet das Schild auch: »Population 412«. So richtig groß ist der Ort gerade nicht, es ist mehr ein Nest, als eine Stadt. Dieses Nest unterscheidet sich nicht von den vielen anderen Orten, die er inzwischen gesehen hat. Es gibt eine Hauptstraße, die von hölzernen Gebäuden gesäumt wird, ein überdachter Gehweg aus Holz, der Boardwalk, führt an beiden Seiten entlang. Ob es noch mehr Straßen gibt, kann er noch nicht erkennen.
Es gibt auf jeden Fall zwei Saloons. Einer ist der »Red Bull«, der andere ist der »Cattlemen's Palace». Beide stehen sich an der Hauptstraße fast gegenüber. Ein Gebäude scheint das Rathaus zu sein, auf dem Dach ragt ein kleines Türmchen mit einer Uhr empor. Und richtig, als er daran vorbeireitet, kann er »Town Hall«, Rathaus, auf dem Schild neben dem Eingang lesen. Fünfzig Schritte hinter den beiden Saloons befindet sich der Eingang zu einer Bank.
Hinter den Dächern ragt die Windmühle einer Bewässerungspumpe empor, das rhythmische Quietschen tönt bis zum Reiter hinunter. Neben dem Poltern des gerade vorbeifahrenden Wagens ist es das einzige Geräusch, das zu ihm dringt. Die Straße ist sandig, die Hufe seines Pferdes ziehen kleine Staubwolken hinter sich her.
Es ist inzwischen Abend, auf beiden Seiten der Straße treiben sich etliche Cowboys herum, sie sitzen auf dem Boardwalk oder stehen neben ihren Pferden. Neugierig drehen sie ihren Kopf zu dem Ankömmling auf dem schwarzen Pferd mit der weißen Blesse. An seinem Sattel sind die üblichen Utensilien, wie Essgeschirr, eine Decke und Trinkflasche, angebunden. Auch die Winchester 66, ein Repetiergewehr mit Systemkasten aus Messing, das am Sattel des fremden Reiters blinkt, ist nicht ungewöhnlich.
Mickey spricht einen von ihnen an. „Howdy! Wo kann ich mein Pferd unterstellen? Wir haben einen langen Ritt hinter uns.“
Der Alte mustert ihn einen Moment und weist mit der Hand geradeaus. „Die Straße hinunter ist der Mietstall.“
„Thanks!“, Mickey tippt an seine Hutkrempe, er reitet langsam weiter und spürt dabei die neugierigen Blicke der Männer in seinem Rücken.
Er führt sein Pferd in den Stall, endlich bekommt sein treues Tier den Hafer, den es so gerne frisst. Mickey schnallt den Sattel ab und legt ihn vor Brighty in die Box. Der Gehilfe erhält einen Vierteldollar, Mike erkundigt sich nach einer Möglichkeit zum Essen.
„Das Boardinghouse ist in der nächsten Straße links, es ist nicht zu verfehlen. Das Essen ist gut und die Betten sind sauber.“ Mickey bedankt sich, nimmt sein Gepäck und überlässt sein Pferd der Fürsorge des alten Mannes. Es gibt also noch mehr als eine Straße, er geht zu der Kreuzung mit der erwähnten Nebenstraße, dort sieht er auch einen Gunshop und einen General Store. Es gibt sogar noch ein winziges Büro mit einer Riesenaufschrift: »Gillette Mirror«. Allerhand, eine Zeitung, das hatte er nicht erwartet.
»Pete's Boarding House« ist ein kleines Lokal, das um diese Zeit mit lärmenden Gästen überfüllt ist. Die Einrichtung ist einfach und praktisch, Tische und Stühle sind aus rohem Holz gezimmert. An jeder Seite des Raumes ist eine Petroleumlampe befestigt, eine dritte hängt in der Mitte der Decke, dort wo Mickey einen Platz gefunden hat. Die Decke oberhalb der Lampe ist schwarz von Ruß. Der flackernde Schein ergießt sich in den Raum und beleuchtet etwa ein Dutzend Gäste mit gelbem Licht. Es sind ausschließlich Männer, die hier sitzen, sie verfolgen Mickey mit neugierigen Blicken, ohne ihre Unterhaltung zu unterbrechen.
Ein höchstens zwölfjähriger Junge nimmt seine Bestellung entgegen. Es gibt nur ein Gericht, so bestellt er wie die anderen Gäste ein Steak mit Bohnen, dazu ein Bier.
Er sitzt mit einem älteren Cowboy am Tisch, sein Gegenüber hat schulterlange, dunkle Haare, die an der Stirn schon etwas schütter sind. Er ist mit seiner Mahlzeit fertig und mustert Mickey aufmerksam, schließlich kommt die unvermeidliche Frage: „Hallo, Fremder, wo kommst du denn her?“
Mickey nickt bedächtig und gibt ihm eine ausweichende Antwort. „Ich bin auf der Suche nach Arbeit.“ Er zögert einen Moment. „Ich will etwas Neues versuchen, und nehme alles, was sich anbietet.“
Der Cowboy sieht ihn aufmerksam an. „Der Sheriff ist nicht hinter dir her, oder?“
Mickey kann ihn beruhigen. „Nein, keine Sorge, ich bin zwar kein Unschuldsengel, aber zu richtigen Untaten hat es nicht gereicht.“
Der Alte grinst. Obwohl, so alt ist er auch wieder nicht, er mag Ende dreißig sein. „Schon gut, eigentlich will ich es gar nicht wissen, auf so eine Frage bekommt man ohnehin nie eine ehrliche Antwort.“ Er streut Tabak aus einem kleinen Lederbeutel auf ein Stück Reispapier, mit geschickten Fingern rollt er in Sekunden eine etwas krumme Zigarette. Mit den Fingernägeln kneift er überstehende Tabakreste ab und zündet sich den Glimmstängel mit einem Streichholz an. Er nimmt einen Zug und sieht Mickey wieder an. „Wegen des Jobs habe ich eine Idee. Weißt du, ich bin Cowboy auf der Ranch von Tippy Overbeck, die haben dort gut zu tun und können jede Hand gebrauchen. Wie kannst du mit Rindern umgehen?“
Mickey muss nicht lange überlegen. „Ich kenne vieles, das mit Rindern und Weidebetrieb zu tun hat, ich habe einen langen Roundup mitgemacht, das Einfangen und Brennen von Kälbern war einige Wochen meine tägliche Arbeit.“
Das ist allerdings schon ein paar Jahre her, denkt er. Vor und während des Trecks von San Antonio nach Abilene hatte ihn ein sehr erfahrener Cowboy unter seine Fittiche genommen. Jubal Cherfield, oder auch Cherry. Ja, der hatte alles gewusst, was es über Rinder zu wissen gab. Am Ende des Trails, in Abilene, hatte Mickey den Job des Marshalls angenommen und seinen alten Lehrmeister aus den Augen verloren.
Der Cowboy nickt. „Das klingt nicht schlecht. Ich bin heute und morgen hier, um einzukaufen. Ich mach dir einen Vorschlag: Du fährst Morgen mit mir auf meinem Wagen zur Ranch zurück, dein Gaul läuft hinterher. Das wird etwas länger dauern, ich kann dir bei der Gelegenheit Einiges über die Menschen hier im Tal erzählen.“ Er zögert einen Moment. „Außerdem muss ich Miss Helen mitnehmen, die muss auch wieder nach Hause.“
Mickey sieht ihn fragend an.
Der Cowboy - er hat sich inzwischen als Jimmy Buskop vorgestellt - fährt fort: „Weißt du, Helen ist die Tochter von unserem Chef, Tippy Overbeck. Sie ist mit dem Zeitungsmann hier im Ort verlobt. So wie ich höre, soll die Hochzeit wohl noch diesen Sommer sein.“ Er lächelt. „Immer wenn ich hier in den Ort fahre, kommt sie mit, um ihren Schatz zu besuchen.“
Er grinst, Mickey lächelt und nickt wissend. Er denkt kurz an seine Verflossenen zurück, es waren einige sehr nette Mädchen dabei. Eine ernsthafte Beziehung hatte es gegeben, ein schwerer Schicksalsschlag hatte seine damaligen Zukunftspläne jedoch gnadenlos zerstört.
Am nächsten Morgen wacht Mickey ausgeruht auf. In der Nacht war es absolut still, seit halb sechs dringt nun allerlei Lärm aus der Gaststube. Man hört Geschirr klappern, Rufe ertönen.
Es duftet nach frischem Kaffee, Mickey freut sich aufs Frühstück. Danach muss er unbedingt ein Bad nehmen, auch seine Kleidung muss gewaschen werden, der Staub rieselt überall heraus.
Das Essen ist gut und reichlich, es gibt Schinken mit Rührei, dazu ein paar Scheiben Brot und einen Pott Kaffee. Auf dem Herd steht eine Emaillekanne, aus der sich die Gäste bedienen können. Er wendet sich an den Jungen, der hier wieder bedient und aufmerksam die Gäste beobachtet. „Sag mal, mein Junge, kann ich hier irgendwo meine Wäsche waschen lassen?“
Der Junge nickt. „Klar! Meine Schwester kann das für Sie machen, ich glaube, heute ist ohnehin Waschtag. Ich werde ihr gleich Bescheid sagen.“
Keine zehn Minuten später steht ein junges Mädchen vor ihm. Sie ist höchstens sechzehn Jahre alt, die dunklen Haare sind zu einem Zopf geflochten, sie hat eine Schürze vor ihren schmalen Körper gebunden.
„Mister, mein Bruder hat mir gesagt, dass Sie etwas zu waschen haben?“
Mickey lächelt die Kleine an. „Ja, eigentlich alles, was ich trage, ich will nach Möglichkeit auch gleich baden. Kannst Du in der Zwischenzeit meine Wäsche waschen?“
Das junge Mädchen lächelt zurück, der große, gutaussehende Fremde, gefällt ihr. „Wir haben hinten auf dem Hof ein Wasch- und Badehaus, dort können Sie hingehen. Die Wäsche wird heute nicht fertig, die muss ich Ihnen nass mitgeben, Sie müssen sie später zum Trocknen aufhängen.“ Sie mustert ihn von oben bis unten. „Sie brauchen etwas zum Anziehen, bis Ihre Kleider trocken sind. Ich habe ein paar Sachen von früheren Gästen, die hier etwas liegengelassen haben, das müssen wir mal durchsehen.“
Unter viel Gelächter des Mädchens finden sie, was Mickey benötigt. Keine zwei Teile passen zusammen, auch die Größe stimmt meist nicht, bis zum nächsten Tag wird es genügen müssen. In der neuen, sauberen Kleidung kommt er sich wie ein anderer Mensch vor. Er sieht ganz verändert aus und bringt mit den bunt zusammengewürfelten und selten passenden Teilen andere eher zum Lachen als zum Fürchten. Es scheint ihm, als wenn die veränderte Kleidung den Wunsch nach Veränderung in seinem Leben widerspiegelt.
Am späten Vormittag ist er fertig gebadet. Er fühlt sich endlich sauber und erfrischt, die Wäsche trocknet auf der Leine und er trägt die geliehene Kleidung.
Mickey geht zum Livery Stable, löst sein Pferd aus, sattelt auf und bindet seine wenigen Gepäckstücke fest. In dem kleinen Sack befindet sich neben seinem Rasierzeug ein weiterer Revolver mit Holster. Es ist nicht unbedingt nötig, dass er schon von weitem als Revolverheld zu erkennen ist, deshalb hat er seine zweite Waffe im Beutel gelassen.
Er steigt auf sein Pferd und beginnt, die Stadt zu erkunden. Es gibt zwei Kreuzungen mit je zwei kurzen Querstraßen, keine länger als einhundert Schritt. Von weitem kann er das Marshalls Office erkennen, da wird er bei der nächsten Gelegenheit auch hinreiten, um sich dem Gesetzeshüter vorzustellen.
Er hört in der Nähe die typischen Hammerschläge einer Schmiede. Bei den Tönen fällt ihm etwas ein, es gab da einen guten Freund, den er seit einem Jahr schmerzlich vermisst. Neugierig geworden, wendet er sich in die Richtung des Lärmes. Ein Pferd steht dort und erhält gerade ein neues Hufeisen. Es riecht nach verbranntem Horn, als der Schmied das noch heiße Eisen mit der Zange auf den Huf presst.
Als Mickey den Schmied mustert, fällt ihm Vieles wieder ein. Er kennt den kräftigen Mann, viele Schmiede sind starke Burschen, dieser hier übertrifft sie alle. Er hat einen mächtigen Oberkörper entblößt, der Schweiß glänzt in der Sonne. Der Mann ist groß, nicht ganz so groß wie er, stattdessen unglaublich muskulös. So einen breiten Rücken und so kräftige Arme sieht man nur selten. „Peter! Peter O'Connell!“
Der Schmied sieht hoch und dreht sich um. „Was kann ich für Sie tun, Fremder?“ Doch dann glättet sich die Stirn und er ruft: „Mickey, bist du es? Mein Gott, ich hätte dich fast nicht erkannt.“
Mickey steigt von seinem Pferd und umarmt den alten Freund. „Mensch Peter, das tut gut, dich zu sehen!“
Sie schauen sich wortlos an. In dem kurzen Moment laufen bei beiden Männern Bilder aus der Vergangenheit ab. Der Schmied findet als Erster seine Worte: „Gib mir noch ein paar Minuten, dann habe ich dieses Pferd fertig beschlagen, wir können uns dann in Ruhe unterhalten.“
„Lass dir Zeit“, sagt Mickey und greift nach seinem Tabakbeutel, „ich warte gerne.“
Geschickt dreht er eine Zigarette, streicht ein Zündholz an, hält die Zigarette an die Flamme, und beginnt zu rauchen. Er lehnt sich im Schatten an die Wand, sieht dem Rauch der Zigarette hinterher und kramt in seinen Erinnerungen.
Peter war der Gehilfe eines Schmiedes in Laramie gewesen, er war von einem Tag auf den anderen verschwunden, niemand wusste, wo er hingegangen war. Mickey war ratlos und gab nach einiger Zeit die Suche auf. Vergessen hatte er Peter nie, er hatte den gutmütigen und lustigen Kerl gemocht.
Der Schmied nagelt das Eisen fest und gleicht den Huf mit ein paar Strichen einer groben Raspel noch etwas an. Danach wendet er sich zu Mickey und setzt sich zu ihm in den Schatten.
Peter O'Connell dreht sich ebenfalls eine Zigarette und entzündet sie. Er sieht dem kräuselnden Rauch hinterher und beginnt zu erzählen.
Vor einem Jahr waren seine Frau und ihr einziges Kind bei einem Indianerüberfall ums Leben gekommen. Weil ihn alles um ihn herum schmerzlich an seine verlorene Familie erinnerte, hatte er sich damals sofort entschlossen, die Stadt zu verlassen und woanders neu anzufangen. Es ergab sich, dass hier in Gillette eine leere Schmiede stand. Schmied, das war das, was er konnte, und er hat angefangen, die verlassene Werkstatt wiederzubeleben. Inzwischen ist er als tüchtiger Handwerker bekannt und kann sich über Mangel an Arbeit nicht beklagen.
Mickey hört schweigend zu, als sein Freund erzählt. So lustig wie früher scheint er nicht mehr zu sein, er ist ernst geworden. Ernst und nachdenklich. „Tut mir leid, wegen Deiner Familie....“
Der Schmied senkt den Kopf und fragt dann unvermittelt: „Und du? Was machst du hier?“
„Zu allererst habe ich eine ganz große Bitte: Erzähl bitte niemandem, dass ich »Fast Cally« genannt wurde, niemandem! Ich möchte diesen Teil meines Lebens hinter mir lassen und jetzt ganz neu anfangen.“
Peter O'Connell nickt. „Okay, kein Problem, das kann ich gut verstehen.“
Mickey erzählt von der Möglichkeit, auf der Ranch der Overbecks eine Stelle als Cowboy bekommen zu können.
„Das ist gut, die Overbecks haben eine gut laufende Ranch und behandeln ihre Leute anständig. Da kannst du ohne Bedenken anfangen.“
Es gibt für beide viel zu erzählen. Mickey ist glücklich, seinen Freund wiedergefunden zu haben, doch dann drängt die Arbeit in der Schmiede wieder, der Reiter aus Laramie muss sich verabschieden. „Bis bald, mein Freund, ich sehe wieder vorbei, sobald es passt!“ Er steigt auf sein Pferd und trottet langsam zur Hauptstraße zurück. Der kleine Ort wirkt wie im Schlaf, das scheint der normale Zustand zu sein. Lediglich vor dem Saloon stehen ein paar Männer im Schatten und unterhalten sich.
Mickey will sich noch ein wenig in der Stadt umsehen, er hat mit Jimmy Buskop vereinbart, sich kurz nach zwölf mit ihm vor dem Büro der Zeitung zu treffen. Das Mädchen im Boarding House wollte bis dahin seine Wäsche fertig haben. Trocken würde sie dann noch nicht sein, er müsste sie später irgendwo aufhängen.
Er reitet bis vor die beiden Saloons, steigt ab und bindet sein Pferd an. Er bleibt auf dem Boardwalk stehen und sieht zu einem zerlumpten Kerl hinunter. Es ist ein Indianer, er ist schmutzig und ist in eine Decke gehüllt. Er sieht unterwürfig zu Mickey hinauf, ganz nüchtern scheint er auch nicht zu sein.
„Hey, großer Häuptling“, sagt Mickey und wirft ihm einen Vierteldollar zu. „Kauf dir was zu essen, aber hau es nicht für Whisky auf den Kopf!“
Der Indianer bedankt sich mit einem Nicken, dann tritt Mickey Callaghan durch die Schwingtür in den »Cattlemen's Palace«.
Es ist wegen der frühen Tageszeit - jedenfalls früh für einen Saloon - noch nichts los. Hinter der Theke steht der Barkeeper und versucht vergeblich, mit einem Tuch der Platte etwas Glanz zu verleihen. Er sieht kurz hoch, als Mickey eintritt. An einem Tisch im Saloon sitzt ein Mann und spielt alleine Karten - es ist wohl eine Patience, oder ein ähnliches Spiel für eine Person.
„Darf ich mich zu Ihnen setzen und ein bisschen zuschauen?“, fragt Mickey.
„Kein Problem, ich vertreibe mir nur die Zeit und bin für jede Abwechslung dankbar.“ Er erhebt sich kurz und reicht Mickey die Hand. „Ich bin Matthew Richmond, du kannst auch Matt zu mir sagen.“ Er nickt seinem Gast freundlich zu und setzt sich wieder. Mickey erfährt, dass Matthew Richmond sich sein Geld als professioneller Kartenspieler verdient. Er gibt dem Wirt einen kleinen Anteil, dafür hält er einen Tisch für den Spieler frei.
„Und, kannst du davon leben?“, fragt Mickey.
„Es ernährt mich so gerade. Ich muss immer etwas in Reserve haben, weil man mitunter auch mehrmals an einem Abend verlieren kann, bisher hat es immer gepasst.“
„Die Spieler, die ich kennengelernt habe, haben alle betrogen, wie hältst du es mit der Ehrlichkeit?“
Matthew Richmond zieht seine Augenbrauen zusammen und sieht Mickey verärgert an. „Noch so ein Spruch, und ich werde dich abknallen müssen.“ Doch dann grinst er und schüttelt den Kopf. „Nein, ich spiele absolut ehrlich, es gibt allerdings immer wieder Gesellen, die mir das nicht abnehmen.“ Er greift mit einer Hand unter den Tisch und zieht einen kleinen, doppelläufigen Deringer hervor. „Für alle Fälle habe ich noch diese kleine Sicherheit. Es gibt manchmal Spieler, die nicht glauben wollen, dass ich nicht betrüge. Vor allem, wenn sie verlieren, dann kann es Ärger geben. Für die ganz harten Fälle habe ich noch das hier.“ Matthew Richmond lüftet seine Jacke, in einem Schulterholster ist ein Sixshooter zu sehen.
Mickey lächelt ihn an und grinst. „Und, reicht das immer aus? Pass mal auf, ob du das hier mitbekommst!“
Er macht eine rasche Bewegung mit der Hand, schneller als ein Lidschlag und plötzlich sieht Matthew in die Öffnung des Peacemaker: „Peng, du bist tot!“
Der Spieler wird kurz blass, er fasst sich wieder und grinst ihn an. „Mein Gott, Mickey! Du hast mich zu Tode erschreckt! So ein Tempo sieht man nicht alle Tage. Triffst du auch so gut, wie du ziehst?“
Mickey verkneift sich eine Antwort, und steckt den Revolver wieder ein. Verdammt! Eigentlich wollte er nicht den schnellen Revolverhelden hervorkehren, er ärgert sich, dass er sich hat hinreißen lassen. So etwas spricht sich schnell herum, für einen Moment konnte er nicht widerstehen. Sie sind noch allein in diesem Teil des Raumes, sodass niemand seinen Rückfall in die Zeiten mitbekommen hat, die er eigentlich hinter sich lassen wollte. Er räuspert sich verlegen. „Entschuldige, das überkam mich gerade, behalt das bitte für dich, ja?“ Er ruft in Richtung Theke: „He, Barmann! Einen Whisky für mich und meinen Freund hier!“ Er erfährt anschließend noch ein paar weitere Einzelheiten über die Saloons und ihre Besucher. Der Cattlemen's Palace hat ein paar Spieltische, er ist auch etwas größer als der Red Bull gegenüber, dafür gibt es im Red Bull ein paar sehr freundliche Damen. Der Red Bull wird fast ausschließlich von den Reitern der Strich-B Ranch besucht, andere Besucher wagen sich nur selten hinein.
„Ach“, entfährt es Mickey, „wie kommt denn das?“
„Ja, das ist eine unangenehme Geschichte“, fährt Matthew Richmond fort und erzählt seinem aufmerksamen Zuhörer von den ständigen Streitigkeiten zwischen dem Rinderbaron William Breckinridge und seinen Männern mit den anderen, kleineren Ranchern auf der Südseite des Brazos River.
„Der große Rancher erschwert den kleinen Rinderzüchtern das Leben, um ihnen ihr Land später für wenig Geld abkaufen zu können. Man spricht auch davon, dass eine Bande um zwei Revolvermänner, sie heißen Dusty MacKenzie und Geoffrey Banks, ebenfalls auf William Breckinridges Gehaltsliste stehen. Dafür machen sie in seinem Auftrag den kleinen Ranchern das Leben schwer.“
Mickey runzelt die Stirn, das hört sich nach Ärger an. Nach der Sorte Ärger, der er in seinem neuen Leben eigentlich aus dem Weg gehen wollte.
„Sagt man“, sagt Matthew und hebt seine Hände abwehrend hoch. „Bislang gibt es keinen Beweis dafür.“ Allmählich füllt sich der Gastraum und der Barkeeper bekommt zu tun. Mickey steht auf und verabschiedet sich. „Mach's gut, Matt! Viel Glück beim Spiel und bis bald, wir werden uns sicher wiedersehen“, sein Gesicht verzieht sich zu einem Grinsen. „Ob ich allerdings gegen dich spielen werde, weiß ich nicht so recht.“
Ihm fällt der Indianer ein. „Sag mal, was ist denn das für ein Häufchen Elend vor der Tür?“
„Das ist der Junge Falke, das heißt, so jung ist er auch nicht mehr. Ein Indianer, ein Cheyenne, soweit ich weiß. Er sitzt dort den ganzen Tag und lebt von gelegentlichen Almosen. Wenn du etwas von ihm willst, musst du jetzt mit ihm sprechen, ab dem späten Nachmittag ist er meistens sturzbesoffen.“
Mickey bedankt sich und geht vor die Tür. Dort wendet er sich an den Indianer. „Ich habe gehört, du bist der Junge Falke?“
Die Rothaut sieht zu ihm hoch und nickt.
„Ich bin Mickey Callaghan, du kannst auch Mick zu mir sagen. Was hältst du davon, wenn du in Zukunft auf mein Pferd aufpassen würdest, wenn ich in der Stadt bin? Du bekommst jedes Mal einen Dime.“
Der Indianer nickt und spricht etwas undeutlich, Mickey muss genau hinhören, um ihn zu verstehen. „Vielen Dank, Mister“, er fügt hinzu: „Junger Falke Ihnen helfen, wenn Sie mich brauchen, brauchen nur fragen.“
„Okay, ich komme bestimmt darauf zurück“. Jetzt kommt ihm ein Gedanke. Gerade in einer Stadt, in der man neu ist, kann man gut ein paar Augen und Ohren gebrauchen. Deshalb beugt er sich zu dem Indianer hinunter. „Bekommst du eigentlich mit, was hier den ganzen Tag abläuft?“
Der Indianer sieht sich um und flüstert dann: „Junger Falke alles mitbekommen - beinahe alles. Leute denken, Junger Falke immer betrunken, das sein falsch, Junger Falke meditieren und schlafen.“
„Kannst du für mich ein bisschen aufpassen, geht das? Halte nur Augen und Ohren offen und erzähl mir, was du beobachtet hast. In dieser Stadt scheinen komische Dinge abzulaufen. Ich werde selten hier sein, da kann ich hier gut einen Kundschafter gebrauchen, hier hast du schon mal einen Vorschuss.“ Mickey beugt sich zu dem Indianer hinunter und gibt ihm wieder einen Vierteldollar.
Sein Treffen mit Jimmy Buskop rückt heran. Er will ihn nicht warten lassen, also steigt er auf sein Pferd, und reitet zu dem Büro der Zeitung. Der kleine, offene Wagen steht schon dort und ist auch schon gut beladen. Jimmy Buskop und eine junge Frau kommen aus dem Büro heraus. Sie gibt dem in der Tür stehenden Mann noch einen Kuss, dann drehen sie sich zu Mickey um.
Der steigt ab und fasst an die Krempe seines Hutes. „Ma'am! Es freut mich, Sie zu sehen.“
Jimmy stellt sie alle vor, Mickey lernt nun den Herausgeber und einzigen Mitarbeiter des »Gillette Mirror« kennen. John Clarkdale ist vielleicht Anfang dreißig und trägt einen Anzug mit einer kunstvoll gebundenen, schwarzen Schleife. Er begrüßt Mickey freundlich. Das Mädchen heißt Helen Overbeck, sie ist eine groß gewachsene, rothaarige junge Frau, sie mag etwa in Mickeys Alter sein.
Er nimmt seinem Pferd den Sattel ab und legt ihn auf den Wagen. Da der Kutschbock mit Jimmy und dem jungen Mädchen besetzt ist, sucht er sich einen Platz auf der Ladefläche, dann beginnt die Fahrt. Sein Pferd ist hinten angebunden und trottet geduldig hinterher.
Während der Fahrt mit dem Wagen erfährt Mickey allerlei über das Tal hier am Brazos River. Auf der Nordseite des Flusses gehört alles Land dem Rinderbaron William Breckinridge. Er will es noch auf die Südseite des Flusses ausweiten, dafür müssten sich dort die kleinen Siedler und Rancher zurückziehen.
Helen Overbeck ereifert sich immer mehr, als sie davon erzählt. Ihre Wangen glühen im Zorn und sie sieht jetzt besonders hübsch aus. Mickey sieht sie an, er hört ihr interessiert zu und versucht, das Geflecht der Parteien hier im Tal zu verstehen. „Habt ihr keinen Sheriff, der das verhindern kann?“