Der Sonnensturm Teil 1 Energiekrieg - Hardy Klemm - E-Book

Der Sonnensturm Teil 1 Energiekrieg E-Book

Hardy Klemm

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Beschreibung

In diesem Buch tauchen Sie ein in ein Universum, das den Globus umspannt und durch unzählige Kulturen und Fachgebiete führt, angereichert mit einem fesselnden "ologischen" Überbau. Während viele Populisten ihre schrillen Thesen verbreiten und sich dabei oft gehörig verrennen, entspinnt sich hier eine fesselnde Auseinandersetzung, die alle widerlegt. Ursprünglich als Antwort auf einige populistische Behauptungen gedacht, widerspricht dieses Werk nun allen, indem es den Fehler im Aufbau entlarvt. Man spricht auch von Null Hypothese. Die Leser werden die Mängel am Ende klar erkennen, wenn die satirische Enthüllung ihren Höhepunkt erreicht. Alle Recherchen sind korrekt nur irgendwie stimmt da etwas nicht. Dies ist der erste Teil der "Sonnensturm"-Romantrilogie, in der der Autor beweist, dass er auch vernünftig über Politik schreiben kann. Begleiten Sie ihn auf diesem fesselnden Abenteuer!

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

4. Auflage April 2024

Copyright © 2013 by Ebozon Verlag

ein Unternehmen der CONDURIS UG (haftungsbeschränkt)

www.ebozon-verlag.com

Alle Rechte vorbehalten.

Covergestaltung:Diana Klemm

Layout/Satz/Konvertierung: Ebozon Verlag

ISBN 978-3-95963-841-8 (PDF)

ISBN 978-3-95963-840-1 (ePUB)

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors/Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Veröffentlichung, Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Über das Buch

In diesem Buch tauchen Sie ein in ein Universum, das den Globus umspannt und durch unzählige Kulturen und Fachgebiete führt, angereichert mit einem fesselnden "ologischen" Überbau.

Während viele Populisten ihre schrillen Thesen verbreiten und sich dabei oft gehörig verrennen, entspinnt sich hier eine fesselnde Auseinandersetzung, die alle widerlegt. Ursprünglich als Antwort auf einige populistische Behauptungen gedacht, widerspricht dieses Werk nun allen, indem es den Fehler im Aufbau entlarvt. Man spricht auch von Null Hypothese.

Die Leser werden die Mängel am Ende klar erkennen, wenn die satirische Enthüllung ihren Höhepunkt erreicht. Alle Recherchen sind korrekt nur irgendwie stimmt da etwas nicht.

Dies ist der erste Teil der "Sonnensturm"-Romantrilogie, in der der Autor beweist, dass er auch vernünftig über Politik schreiben kann. Begleiten Sie ihn auf diesem fesselnden Abenteuer!

Hardy Klemm

Der Sonnensturm

Teil 1

Energiekrieg

ScienceFiction

Ebozon Verlag

Vorwort des Autors

Dieses Buch entstand aus einer Idee, die Idee war allerdings nicht, dieses Buch zu schreiben. Ich interessiere mich für Geopolitik, eine Wissenschaft, die, wenn man sie an einem Beispiel erklärt, schnell zur Politik wird. Es ist viel zu umfangreich, zu viel.

Mittlerweile glaube ich nicht mehr an sogenannte Globalisierungsexperten.

Ein Nahostexperte, ein Afrikaexperte – das geht noch.

Ich sah, wie ganze Konzepte nicht nur erst in einer Krise entwickelt wurden, sondern dabei auch vieles nicht bedacht wurde: Nämlich die ganzen, alles entscheidenden „Kleinigkeiten“. Meine eingangs erwähnte Idee war es, Software zu entwickeln. Ein nicht lineares Medium sollte es sein, in welchem man seine Vorhaben simulieren und dann sehen konnte, was geschehen würde, mit all den Kleinigkeiten, die dabei eine Rolle spielen könnten.

Etwas Vergleichbares gibt es bereits in einer bekannteren Form, nämlich Videospiele.

Meine Idee würde man in dieser Branche wohl als „Serious Game“ übersetzen.

In die Herstellung eines durchschnittlichen Videospiels sind rund 150 Programmierer involviert, man kann sich also leicht vorstellen, dass die Umsetzung meiner Idee nicht nur personelle Unterstützung, sondern vor allem eins kosten würde: Geld. Viel Geld. Zu viel Geld. Meine Lösung: dieses Buch. Ein Buch, in dem ich auf ein Problem aufmerksam machen will, welches ich eigentlich nicht lösen möchte.

Aber die Branche Videospiel entwickelte sich und mein größter Konkurrent, Sid Meier, der durch seine Serie „Civilization“ bekannt wurde, brachte etwas Neues raus: Civilization IV. Ich erinnerte mich an Civilization II, bei welchem sich der Fundamentalismus als beste Regierungsform bewährt hatte. Bei Teil III des Spiels hatte der Entwickler das Problem ganz gut gelöst, aber in Teil IV kam nun eine neue Regierungsform hinzu, der Faschismus.

Wie erwartet löste man das Problem mittels Balancing. Mit „Balancing“ bezeichnet man das Herumpfuschen an einem Spiel, damit es „fair“ wird.

Die Motivation, beispielsweise ein Spiel wie Tetris zu spielen, liegt darin, den eigenen Highscore zu überbieten. Das gelingt auch ganz einfach deswegen, weil man sich während des Spiels verbessert und dazu lernt. Hat man jedoch zum Beispiel einen Computergegner, wird der sich im Verlauf des Spiels kaum verändern. Er kann sich nicht entwickeln, so wie es ein Mensch täte, also darf er von Anfang an nicht zu simpel sein, damit man ihn nicht schon beim ersten Mal schlägt, er darf aber auch nicht zu schwierig sein, damit man den Anreiz hat, am Ball zu bleiben und ihn zumindest theoretisch zu besiegen.

Der Faschismus war in diesem Spiel so miserabel, dass er ohnehin nie gespielt werden würde, und man hätte ihn umsonst programmiert. So konnte man im Faschismus 25 Prozent der Kosten einer Militäreinheit vergessen. In Wahrheit hätten die Kosten eigentlich viermal höher sein müssen, sonst hätte niemand diese Regierungsform gewählt.

Aber so schnell kam die Erkenntnis nicht, erst musste ich das Spiel spielen können. Mein Computer war nicht fähig, das Spiel zu öffnen, die Hardware-Anforderungen waren zu hoch. Ich musste aufrüsten und es dauerte sechs Monate, bis ich das Geld dafür hatte. Windows XP musste dabei neu aufgespielt werden. Dabei kam ich an den Punkt, an dem das Benutzerkonto neu benannt werden konnte. Es mussten mindestens zwei Benutzerkonten angelegt werden: Ich und Du.

Das reichte mir nicht, also ergänzte ich: Gott und Mao. Wie bei Windows üblich, ordnete der Computer die Benutzerkonten alphabetisch: Du – Gott – ich – Mao. Das Ganze schien bereits ein Hinweis auf die Verhältnisse zu sein, denn funktionieren tat alles nur mit CD.

Disclaimer, mein Leben ist gerade ziemlich krude, und ich habe starke Indizien dafür das sich jemand auf meinem Computer rum treibt. Also ich kann nicht garantieren das es alles meine Schreiben ist. Egal, ich schreibe keine Bibeln.

Energiekrieg

Die Nacht

Ich schaute auf die Erde herab. Das mache ich öfters, und entdeckte natürlich hin und wieder mich, aber meistens gab es Besseres.

Zum Beispiel Martin Bretz. Er lebte in Sassnitz, auf einer Insel namens Rügen. Er war arbeitslos, aber er hatte eine Idee, wie er aus dieser Lage herauskommen konnte. Er suchte sich eine Arbeit. Schreck, lass nach. Rügen war nicht gerade der richtige Ort, um die Kapazitäten eines Mannes durch Arbeit auszulasten. Zahlreiche Jobs hatten ihm dieses bereits bewiesen, schließlich lernte man durch Versuch und Irrtum. Trial-and-Error.

Sein Ziel war der Abschluss des Kapitels „Hartz IV“, das totale Ende jeglicher Kommunikation mit der Arbeitsagentur und der Aufstieg in eine funktionsfähige und gerechte Welt.

Martin beschloss: Ich mache eine Erfindung!

Er befolgte den Rat der Bundeskanzlerin: Ideen braucht das Land!

Also suchte er ein Problem, das er lösen konnte, oder er fügte zwei nützliche Dinge zusammen, die danach noch nützlicher waren. Alles so nebenbei, die Inspiration sollte schließlich ihn finden, und man wollte das Arbeitslosendasein ja auch genießen.

Es war Herbst, und die Insel erholte sich. Von der Badesaison, von der unser Held in den Küchen, Büros und auf den Baustellen seit seiner Schulzeit nichts mehr mitbekommen hatte. Klimaforscher prognostizierten, dass auf Rügen in einigen Jahrzehnten im Winter Temperaturen herrschen würden wie auf Malle.

Wenn der Prophet schon nicht zum Berg kam, dann eben anders herum. Martin gab sein Geld anders aus. Ab und zu aß er kaum bezahlbare südamerikanische Rindersteaks. Dabei hatte er durchaus ein schlechtes Gewissen, vor allem, weil diese beim Discounter direkt neben den Bauernglück-Schweinekoteletts lagen. Die wohl eher und öfter vom eigenen Finanzhaushalt diktiert wurden, und wahrscheinlich passten die auch vom Namen her besser zu ihm. Das Höchstmaß an Luxus stellte der Karamell-Eisbecher dar. Diesen gab es in dem einzigen Café, in dem er Trinkgeld gab, dem mit dem Strandkorb, in der Hafenstraße, mit der Bedienung, die sich entschuldigte, wenn sie mal den Aschenbecher vergaß.

Und bei eben diesem Genuss kam ihm seine erste Idee. Nein, er hatte schon eine Unzahl Ideen gehabt. Er versuchte, die Mischung aus Nuss-, Vanille-Eis und Karamellsauce mit dem langen Löffel aus dem tulpenförmigen Glas zu schöpfen. Ein ständig wiederkehrendes Problem: Der gläserne himmelblaue Eisbecher war zu tief, um die flüssige Karamelleisschmelze herauslöffeln zu können. Der verchromte Freudenspender konnte nur hineingetaucht werden. Die Möglichkeit, sein Eis einfach zu verspeisen, bevor alles geschmolzen war, kam ihm nicht einmal in den Sinn, viel zu kalt! Er konnte nur das Geschmolzene genießen und dies war mit dem Löffel nicht zu transportieren, viel zu flüssig. Es lief alles von dem nur senkrecht zu positionierenden Förderkorb herunter.

Martin: Es braucht ein Loch!

Das kreisrunde Förderkorbhaltemassiv brauchte genau dies, und man hätte einen Strohhalm. Das köstliche Geschmolzene würde unmittelbar in den Löffel gelangen. Und in diesem Café, dem einzigen, in dem er jemals Trinkgeld gab, war es völlig in Ordnung, den Löffel mitzunehmen. Er hatte auch den passenden Onkel Rudolf und dieser hatte die passende Werkstatt. Was nicht passte, waren die Bohrer. Es musste ein sehr langer, sehr dünner Bohrer sein, wenn man einen Hohlraum in den Stiel des Löffels bohren wollte. Der Stiel musste abgeflext und durch eine Alustange ersetzt werden, wie sie für Zierpflanzen verwendet wurden. Und plötzlich läuteten die Alarmglocken: Zusatzinvestition!

Mit gelähmtem Blick begab er sich zum Baumarkt. Es gab Dinge, die man dort kaufen konnte, und die Dinge, die man nicht kaufen konnte. Die Stange war so ein Mittelding.

Die Verkäuferin sagte: „Fünf Euro und dreißig Cent, bitte.“

Dieser Schmerz in der Brieftasche, nicht unerwartet, aber doch überraschend.

Da Funkenflug kleine Löcher im Lack verursachen konnte, hatte Martin die Garage vom Sharan befreit. Danach entstaubte er erst einmal den Schraubstock und dachte dabei an seine überbetriebliche Ausbildung, an eine seiner ersten Ideen als Kfz-Mechaniker.

Im Praktikum erhielt er damals eine Aufgabe. Er sollte Ladekabel herstellen, für die Batterien des Patienten. Zu diesem Zweck überreichte man ihm einen Seitenschneider, Kabel, Kabelschuhe und eine Zange. Sinn der Übung, denn wirklich niemand brauchte so viele Ladekabel, war es wohl, seine Handkraft zu messen.

Plan A des Meisters, die Kabel abzuisolieren und die Schuhe mittels Zange an die Kabel anzubringen, war inakzeptabel. Der Griff der Zange hätte sich im Handrücken abgezeichnet. Plan B sah vor, den Schraubstock zu missbrauchen anstatt der Zange, und dieser Plan war fertig und bewilligt, bevor der Meister ausgesprochen hatte. Schön, wenn man alleine arbeiten konnte, so war der tatsächliche Arbeitsablauf nicht nachvollziehbar.

Eine Anstellung hatte es für ihn dennoch nie gegeben.

Beim Abflexen des Stiels von der Löffelmulde schien es, als wäre es das höchste Ziel, möglichst großen Abstand zwischen sich und die Maschine zu bringen.

Rudolf: „Beißt der, oder hast du in Feuerzeugbenzin gebadet?“

Martin zog sein besonderes Lächeln auf, das sonst den Beratern von der Arbeitsagentur vorbehalten war, wenn sie etwas unglaublich Dummes gesagt hatten oder wieder mal Vorschläge oder Kommentare zum nächsten oder vorigen Praktikum abgaben. Schließlich habe der Löffel Schrapnellqualitäten, entgegnete er seinem Onkel. Immer weit weg vom Körper, so hatte er es gelernt und wahrscheinlich war er der Einzige, der sich daran hielt. Nicht einmal der Geselle, der für den Arbeitsschutz beauftragt wurde, hielt sich daran. Überhaupt niemand hielt sich daran. Die Schaufel des Löffels fiel senkrecht nach unten. Beim Ablängen der Alustange ging es dann schneller.

Feilen, dann löten, wieder feilen, dann war der unbenannte Gegenstand der Hoffnung fertig.

Rudolf: Fahr das Auto wieder rein.

Das war schon ein Running Gag, denn Martin hatte keinen Führerschein.

Es ging ans nicht unangenehme Testen mittels Eisbecher. Die niemals verschwendeten 3,90 Euro waren vorhanden. Die kleinen Metallpartikel, die man schmeckte und die großen, die man in der Speiseröhre spürte, blieben ein lösbares Problem. Das im Kopf zusammenkalkulierte Acht-Euro-Wunder war vollbracht. Leider schon lange zuvor von einem anderen Erfinder, in Plastik, wie sich herausstellte. Er erinnerte sich an den Schmerz in der Brieftasche und beschloss, etwas zu erfinden, das so groß war, dass, wenn dieses bereits erfunden wäre, er ganz sicher davon gehört hätte.

Das Warpfeld, viel besser, etwas, mit dem er glaubte, sich auszukennen, so als bekennender Trekkie. Es gab nur wenige Informationen über dieses künstliche Universum. Ein Verrückter in Mexiko hatte ausgerechnet, dass man mehr Energie zur Verfügung stellen müsste, es zu erzeugen, als der Mensch in seiner gesamten Geschichte bisher verbraucht hatte. Diese Forschung wurde nicht finanziert, was allerdings von den Amerikanern finanziert wurde, war die Antimaterie-Bombe. Natürlich die Amerikaner, wer sonst. Das war schon eine witzige Sache: Um mit Antimaterie eine Glühbirne zum Leuchten zu bringen, benötigte man erheblich mehr als das Hundertfache des Bruttosozialproduktes dieses Landes. Aber mit Antimaterie flog die Enterprise!

Die kalte Fusion, das nicht wiederholbare Experiment eines Asiaten. Dieser sagte, er hätte es geschafft, konnte das Ganze aber nie wiederholen oder beweisen. Der wollte wahrscheinlich finanziert werden. Oder die heiße Fusion, die von den Europäern finanziert wurde, und die wahrscheinlich in nächster Zukunft Geld abwerfen sollte, in fünfzig Jahren oder so. Dieses dahingestellte Fusionskraftwerk war ein riesiger Gebäudekomplex, der scharf bewacht wurde. Der Reaktor war donutförmig, aus Raumfahrtmaterialien, hohl, im Wesentlichen ein Magnet. Das superheiße Deuterium-Tritium-Plasma fusionierte im Inneren.

Als Martin fragte, wie er denn in dieses Geschäft einsteigen könnte, nannte man ihm eine Summe, mit der man auch alle Mannschaften der Bundesliga hätte kaufen können. Es bräuchte einen anderen Ansatz für sein Warpfeld. Aus- „Star Trek“, „Andromeda“ und „Star Gate“ zusammengeklautem Wissen und ein paar tatsächlichen Fakten. Zum Beispiel, dass, wenn ein „Bird of Prey“, ein Raumschiff, sein Tarnschild aus Tachyonen aufbauen würde, es sich rückwärts durch die Zeit bewegen würde. Captain Kirk hätte also gar nicht um die Sonne fliegen müssen, um die Wale zu retten.

Das mit den Tachyonen glaubte Martin allerdings nur. Man hatte mit einer Antennenanlage versucht, sie zu finden. Die Tachyonen bewegten sich rückwärts durch die Zeit und das Erste, was sie taten, war irgendwo ankommen, und das Letzte, was sie taten, war existieren. Sie konnten ja nirgendwo ankommen, bevor sie anfingen zu existieren, deshalb fand man sie nicht, schlussfolgerte Martin.

Teilchenphysik oder Quantenphysik waren spannend genug, um sich dafür zu interessieren. Teilchen, die aus dem Nichts auftauchten, immer zwei gleichzeitig, um wieder miteinander zu kollidieren und sich wieder im Nichts aufzulösen. Dann und wann kam es vor, dass eines der zwei Teilchen von einem schwarzen Loch verschlungen wurde. Die Folge davon war, dass das Universum ein neues Teilchen hatte, da das andere nicht mehr mit diesem kollidieren konnte. Quantenphysik, eine Wissenschaft, bei der Experten wie Richard Feynman sagten: „Wenn man behauptet, dass man das versteht, hat man nichts verstanden.“

Das war doch einfach: Es ist alles da und nicht da. Martin hatte es eindeutig verstanden! Stephen Hawking sagte, dass man für so etwas wie ein Wurmloch wohl eine neue, exotische Sorte von Materie bräuchte.

Pseudo-Professor Bretz: Das ist mein Ansatz, denn von Energie sagt der ja nichts.

Wie ging man da heran? Genau wie alle anderen – mit einem Teilchenbeschleuniger. In dieser langen Röhre von der Größe einer oder mehrerer Kleinstädte, etwas billiger als das Apollo-Programm, suchte man zum Beispiel Spartikel, schwere Partikel, die sich wahrscheinlich in einem anderen Universum befanden. Auch Antimaterie konnte man dort herstellen, was den Preis erklärte.

Martin: Wenn ich mir das so angucke, brauche ich so etwas sowieso.

Die Lichtmauer galt es zu überwinden. Wenn es sie denn gab. Das war ein rein theoretisches Konstrukt, ähnlich der Schallmauer. Beim Durchbrechen der Schallmauer reiste man durch stark komprimierten Schall, das war laut! Beim Durchbrechen der Lichtmauer reiste man durch stark komprimiertes Licht. Damit war keineswegs gemeint, den Regenbogen zu durchfliegen, sondern eher einen Neutronenstern, da die radioaktive Gammastrahlung ebenfalls Licht war. Hinzu kam noch, dass mit den bekannten Materialien ein interstellares Schiff einen acht Meter dicken Mantel brauchte, um sich interstellar, also zwischen den Sternen bewegend, nennend zu können, da der Sonnenwind die weltraumtypische Strahlung wegdrückte und aus der Planetenscheibe fernhielt. Und überhaupt, so ein Warpfeld war ein künstliches Universum, wer wusste schon, was dort für Regeln herrschten, fern jeder Logik.

Martin: Wie im Bundestag?

Ein Teilchenbeschleuniger, das sind doch nur ein Magnet, eine Röhre und eine Kollisionskammer. Meiner muss gar nicht so groß werden, dann noch Sensoren wie ein Elektronenmikroskop. Wie teuer ist denn so ein Ding?

Ein paar Klicks später …

Martin: Ein Elektronenmikroskop brauch ich doch eigentlich nicht, das müsste ich doch alles auch so sehen können. Wie viele Quarks passen denn auf eine Nadelspitze?

Der Laptop krepierte beim Versuch, dies zu errechnen. Quarks waren die kleinsten bewiesenen Teilchen.

Martin: Diese Spartikel sollen ja größer sein, und das, was ich da herausbekomme, müsste ja auch irgendwie auffallen. Das Platzproblem muss ich auch noch lösen – ah, ich hab’s!

Ein Teilchenbeschleuniger war eigentlich rund.

Martins Plan basierte auf Blasinstrumenten. In ihnen war nur der Weg wichtig und nicht die Form des Weges. Seine Gedanken drehten sich eher in Richtung Alchemie als in Richtung Wissenschaft. Das Platzproblem bestand nur aufgrund des Wagens in der Garage. Das Einzige, was ihm sonst noch als Ort zur Verfügung stand, war seine Wohnung, mit einem Einrichtungsmix aus westlichem und östlichem Stil. Für einen Europäer war es beispielsweise wichtig, dass das Außen der Behausung gut aussah, für einen Koreaner hingegen zählten die inneren Werte. Ihm war beides scheißegal. Zwei Dinge zeigten dies deutlich: der Kaktus, den er niemals goss, er zog die Feuchtigkeit wohl aus der Luft, und der Kalender, den er erfunden hatte, aus Klebeband, die vielseitigste Entdeckung der Menschheit. Man konnte den Tag am Gelbton der Tapete ablesen. Es wurde einfach jeden Tag ein Stück abgezogen. Das Muster mit den kleinen Quadraten, das so entstand, erinnerte an die Tarnfarbe des Leopard 2 PSO, das war ein hochmoderner Kampfpanzer.

Aber er war weder ein Messie noch ein Mietnomade. Die Wohnung bot noch eine Menge an Platz. Nach der Aufstellung der Stückliste – Magnete, Vakuumröhre und Kollisionskammer – kam die Materialbeschaffung. Sperrmüll, wo er bereits einen Laptop gefunden hatte und noch einen weiteren fand, und Schrottplätze, wo er eine gut erhaltene Röhre, oder besser einen Schlauch mit Mettalarmierung, aufspürte. Von einer Schulauflösung nahm er sich gleich einen Karton scheinbar unbenutzter Erlenmeyerkolben mit.

Magneten aus Radios, Mikrochipschrott als Supraleiterersatz. Und in den Wochen und Monaten war er immer davon überzeugt, das alles würde ein Teilchenbeschleuniger werden.

Martin: Das Ding muss wahrscheinlich gekühlt werden.

Dazu wurde ein alter Feuerlöscher verwendet, den er sich immer wieder von der Feuerwehr auffüllen ließ. Dann wurde der Kühlschrank dafür geopfert. Bei dieser Aktion hoffte der Amateur bereits auf das surrende Geräusch, das er aus den Fernseh-Dokus kannte. Aber Löten machte ihm immer noch Spaß. Er nahm einen Job als Zeitungsjunge an, so entging er den kontraproduktiven Vermittlungsversuchen der Arbeitsagentur.

Nägel gerade klopfen, da der Sinn der Arbeiten, die er so tat, sich wohl seiner etwas niedrigen Bewusstseinsebene entzog. Die Stellenangebote, die er vom Amt bekam, passten nie. Sie wanderten direkt in den Papiermüll. Nicht, weil er die Chance nicht nutzen wollte, sondern aufgrund des Meinungswechsels von Seiten des Chefs. Es handelte sich um die Weisheit eines Mannes, der ganz sicher einen höheren Bewusstseinszustand hatte: Haki, er war Taxifahrer.

Haki: Wohin soll es denn gehen?

Martin: Wenn es eine Möglichkeit gibt, ohne über die Grenze zu fahren von diesem Kuhdorf zum Bahnhof zu gelangen, dann dahin.

Haki: Wir haben aber eine Laune!

Martin: Ich bin seit drei Uhr auf den Beinen, weil da der einzige Bus fährt, der mich zumindest in die Nähe einer Arbeitsstelle bringt, die bereits vergeben ist, für die ich nicht qualifiziert bin, die kurz vor der Pleite steht und bei der der Chef mich weitere drei Stunden warten lässt.

Haki: Und da stellt der Chef noch an?

Martin: Nein, das Arbeitsamt. Ein Ein-Euro-Job. Theoretisch müsste ich auch noch auf meinen Arbeitsberater warten, der mit dem Chef verwandt ist. Ist sein Schwager. Ich bin jetzt weghier. Als ich gefragt habe, wo es hier etwas zu essen gibt, haben die gesagt, dass übermorgen der mobile Inselfleischer kommt. Der hat nur rohes Fleisch.

Haki: Aber gutes!

Martin: Passen Sie auf, das Geld für das Taxi kriege ich mit Sicherheit von keiner Stelle erstattet, weil der vom Arbeitsamt mich auf Verdacht in die Pampa geschickt hat.

Haki: Drei Worte genügen: Runter von Rügen.

Als Zeitungsjunge konnte man spazieren gehen, nachdenken, und es war einer der wenigen Jobs außerhalb der Saison. Er wurde in dieser Zeit überhaupt sehr nachdenklich. Er hütete sein Geheimnis.

Es war eher Modellbau, ein Hobby wie Eisenbahn oder Rollenspiele. Martin wäre es mittlerweile egal gewesen, ob der Apparat funktionierte oder nicht. Aber dann, die Maschine sah durchaus nach etwas aus, ein geordnetes Gewirr, das zu einem Viertel in einem Kühlschrank steckte. Es gab ein Geräusch, ein „Plub“.

Martin: Etwas abgebrochen?

Oder das mittlerweile fast perfekte Vakuum der Röhre war nicht mehr, dachte er noch, als er auf der Rückseite des Kühlschrankes sowohl eine Beule als auch eine Delle registrierte. Der Kasten hatte sich auch verzogen. Als er in Gedanken schon begann, einen neuen Kühlschrank zu kalkulieren, zog sich ein Knistern durch die Apparatur. Er dachte sofort an ein Feuer.

Martin: Tu das nicht!

Er kappte die Stromversorgung des Apparates, worauf das moderne Kunstwerk an die Decke sprang, ohne das geringste Geräusch, und danach wieder den Boden berührte. Kreidebleich öffnete er langsam die Tür des Kühlschranks. Schließlich hätte es ja auch das Vakuum sein können. Wenn nicht, dann das Magnetfeld? Außerdem wollte, nein, musste erkundet werden, welche Auswirkung die Delle, der Verzug und vor allem die Beule auf das eingeschwebte Kühlschrankinnere hatten. Antwort: Keine. Betrachtete man die Sache von innen, war alles absolut unbeschädigt. Zwei Millimeter dickes Blech, außen eine Beule, innen nichts. Dasselbe mit der Delle, was wirklich für Ratlosigkeit sorgte. Zwei bis drei Zentimeter tief. Nachdem erst einmal sichergestellt war, dass keine Gefahr drohte, wanderten die Gedanken von der Unfallversicherung zum Automobilbau.

Martin: Knautschzone!

Er musste erst einmal das Prinzip und den genauen Sachverhalt klären, um an den Kommerz zu denken. Danach ging es an die Ursachenforschung die Kausalität. Die Anwendungen waren einfacher. Hier waren der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Die Mikrowellenantenne war nach dem Patent auch eine Wettermaschine. Mit Freude fing Martin an, zu spinnen. Die erste Anwendung lag auf der Hand.

Martin: Intelligentes Metall, zum Beispiel in der Robotik.

Die zweite Anwendung steuerte in eine Richtung, die nur wenig gefiel.

Martin: Im Militärwesen.

Beim Katalogisieren und systematischen Testen waren seine Werkzeuge so gut wie wirkungslos. War sein Material so hart?

Martin: Discounter!

Eigentlich waren sie noch in Ordnung, die Bohrmaschine, deren Bohrer nicht einmal warm wurde, geschweige denn dass auf dem Blech irgendeine Schramme zu erkennen war. Das war noch nicht alles. Die gesamte Oberflächenstruktur hatte sich verändert. Der Vergleich zur Lotusblüte drängte sich auf, da selbst Honig davon abperlte oder auch extrahaftender Ofenreiniger. Keines seiner Messgeräte zeigte auch nur halbwegs erklärbare Werte.

Martin: Kein Widerstand auf … lass das mal sechs Meter sein.

Sogar Supraleiter hatten einen Widerstand. Es gab bis jetzt nichts, das eine solche Eigenschaft besaß. Alles schien ganz ohne Strom unter Spannung zu stehen. Nur durch einen Zufall zeigte sich, dass Zigarettenrauch von oben in die Delle zog und unten wieder heraus kam. Dieses Phänomen wurde mittels Wassertropfenversuch untersucht. Zwei so identische Tropfen, wie es dem jetzt tatsächlichen Forscher unter Zuhilfenahme einer Spritze möglich war zu erzeugen, einen neben und einen durch die Delle, brauchten einen identischen Zeitraum für unterschiedliche Strecken. Da die Maschine, durch die Spannung angezeigt, noch zu arbeiten schien, fiel der Beschluss, jedes Teil zu markieren und dieses Knäuel an Rätseln zu demontieren. Nur, um einfach die eigentlich arbeitenden Teile zu entwirren. Dabei sprang die Maschine, das Blech veränderte sich, aber diesmal begann die Angelegenheit kontrolliert zu verlaufen. Martin löste jene Schraube und erhielt dafür zwei Beulen, zog sie wieder fest und die vorher entstandenen Arschbacken waren verschwunden.

Nach zwei Wochen kannte er die meisten Ursachen und Wirkungen, hatte diese mittels selbst konstruiertem Computer-Tool auf dem zweiten Laptop festgehalten, und begann, ein Smiley ins Blech zu zeichnen, mit einer anderen Platte die Schwerkraft abzuschirmen, und dazu noch Origami. Sogar Vergrößern und Verkleinern lag im Bereich des Möglichen. Auch unter Radiowelleneinfluss, und mit diesem steuerte man den Bau-Modus, wie er dieses gezielte Verändern von Eigenschaften und Form der Bleche nannte. Mit der Spannung ließ sich Energie erzeugen. Das war ein Meilenstein! Nur das mit der Energie mochte er nicht. Er wusste nichts über die Herkunft.

Martin: Problem. Nullpunktenergie, eigentlich sehr schwach, entsteht bei der totalen Abwesenheit von Energie und Masse aus dem, na ja, Nichts, Nullpunkt.

Das Vakuum war mittlerweile wegreduziert. Kein Nullpunkt, und Saft hatte diese Maschine eigentlich vergleichsweise viel.

Martin: Ich zapfe die Schwerkraft an. Wenn das so ist, muss ich weg von der Schwerkraft, um zu sehen, ob sich die Werte verändern, den Planeten verlassen. Tachyonen, Metaversen, ich hab ein Problem, das Raum-Zeit-Kontinuum, der Hyperraum, vielleicht, nein, unwahrscheinlich, da bewegt sich nichts schneller als das Licht.

Das, was er anfangs wollte, wollte er nun nicht mehr.

Bretz versus Einstein.

Der sagte und tat das auch noch nach dem Tod, nichts war schneller als das Licht. Hyperraum, Warpfeld, am Ende noch die String-Theorie, eine solche Sache kam immer mehr und mehr infrage. Das Warpfeld war ja auch anfangs geplant, aber keinesfalls, weil die neuen Erkenntnisse darauf hinwiesen.

Veni vidi vici – ich kam, ich sah, ich siegte. Das wollte ich machen, ich habe das getan. Das Ego spielte sein Spiel weiter. Hiroshima, Nagasaki. Er könnte noch etwas bedeutend Gefährlicheres an Land gezogen haben. Die lange isolierte Arbeit, der Druck des Erfolges veränderten ihn. Er griff zum Karamell-Eisbecher als Beruhigungsmittel. Für ihn war das wichtig, etwas, was er nicht begriff. Und wie er den Eisbecher wegschmiss. Er wartete nicht, bis das Eis taute. Zum Abendessen gab es argentinisches Rindfleisch, schwimmend im eigenen Protein, besser bekannt als rote Soße, Saft. Er hatte eine beeindruckend lange Zeit nur von Hartz-IV-empfängertypischer Dosennahrung gelebt.

Das Arbeiten als Zeitungsjunge erfolgte fast wie in Trance. Für gewöhnlich kannte man die Familien, die man bediente, und zumindest über die Familiennamen machte man sich lustig, ganz besonders, wenn es sich nur um Reihenhäuser handelte. Auf seiner Tour mit dem Bollerwagen gab es eine Familie, die Schwanzlose hieß, da zwischen den weit voneinander stehenden Briefkästen eine Menge Platz für Gedanken war.

Aber dieser Platz wurde stets ausgefüllt durch die nächsten Konfigurationen der Maschine, und das Arbeiten – Briefkasten auf, Zeitung rein – erfolgte schon nach kurzer Zeit so automatisch, dass er vor seinem Hauseingang stand und sich ein paar Minuten fragte, ob die gesamte Arbeit bereits erledigt war. Blackouts, die Arbeitstage waren kurz.

Martin: Hartz IV macht gaga, ich brauche Urlaub.

Hätte ihn jemand gefragt, was er da machte, hätte er es ihm erzählt.

Er wollte erst damit beginnen, die Schwerkraft im Zusammenhang mit seiner Maschine zu untersuchen, dann funkte ihm das Arbeitsamt dazwischen.

Der Ausflug nach Bergen tat gut, bis er ins Amt musste. In der Stadt gab es zahlreiche Secondhand-Läden, auch für Hardware. Die Laune des Schnäppchenjägers sank nur langsam, aber bis er vom Wartesaal des Amts ins Büro gelangt war, waren die Erfolgserlebnisse, die Martin gehabt hatte, nämlich dass er ein altes Programm auf CD und andere Laufwerke für seine Laptops gefunden hatte, schon vergessen. Die Stimmung war vergleichbar mit der, die Martin gehabt hatte, wenn er sich mit seiner Ex GZSZ ansehen musste. Die Ursache hierfür waren nicht, wie eigentlich zu erwarten, die Dekaden, die man mit der Nummer in der Hand verbrachte. Die Ursache waren die wahrscheinlichen Vermittlungen, besonders die mit einem kürzlich eröffneten Callcenter. In Hartz-IV-Empfängerkreisen fiel das Wort ‚Betrug‘ im Zusammenhang mit diesem Gebäude häufiger als ‚der‘, ‚die‘ oder ‚das‘. Dort gab es aufgrund des hohen Verschleißes unzählige Stellen. Das passte nun wirklich nicht auf ihn, ehrliche Haut, die er war. Die normale Reaktion des Arbeitsuchenden in einer Situation wie dieser war es, mit Schusswaffengebrauch oder Amokläufen zu drohen. Legal gab es jedoch keine Möglichkeit, eine solche Stelle abzulehnen, sonst drohten Sanktionen. Martin war nicht normal. Er versuchte es mit reden. Dabei musste eine Sprache gewählt werden, die der mutmaßlichen Bewusstseinsebene des jeweiligen Arbeitsberaters entsprach. In unzähligen Versuchen vorher hatte sich gezeigt, dass diese anscheinend transzendent existieren musste.

Es war hypothetisch nur möglich, mit diesen zu reden, wenn man selbst auf der gleichen Ebene war. Um die Gesetze umzusetzen, die Politiker beschlossen, war so etwas wie ein Nirwana wohl nötig. Und das taten diese transzendenten Wesen. Jedes Mal, wenn Martin etwas zahlen musste, schien weniger als eine Sekunde zu vergehen, bis die Rechnung oder der Abzug bei ihm ankam. Aber es musste auch diese Anderen geben, wenn er mehr bekommen sollte oder einfach nur normale bürokratische Sachen wie ein Anruf, zehntausendmal die Zeit im Wartezimmer. Diese Theorie basierte auf der puren Hoffnung, dass man jemals auch nur so etwas Ähnliches wie ein normales Gespräch führen konnte, egal in was für einem Büro. Die tatsächliche Bewusstseinsebene war Null, denn den Zustand eines Arbeitsberater konnte man auch als bewusstlos definieren. Das Gespräch lief folgendermaßen: Der Arbeitsberater fragte zuerst nach den Bewerbungen oder besser, wieso man sich nicht dort bewarb, das Versuchstier antwortete in Standardantworten.

Versuchstier: Die Firma gibt es nicht mehr, der Gesetzgeber verbietet mir, dort ohne Weiterbildung zu arbeiten, ich kann nicht für einen Job, der nur vier Tage dauert, in ein Hotel ziehen, für das ich selbst zahlen muss, bei diesem Lohn mache ich Miese.

In Martins Fall sah das so aus:

Martin: Das ist mittlerweile ein Baumarkt, ich bin Kfz-Mechaniker, kein Fluggerätemechaniker. Gut, das ist schon mal ein Anfang, von der Insel herunter, gut, das Problem mangelnder Italienischkenntnisse lässt sich mittels Pantomime umgehen, aber wie immer gibt es gute Gründe, wieso die Stelle wahrscheinlich noch offen ist. Trotz der lustigen Grammatik ist erkenntlich, dass man hier wohl kurzfristig einen Arbeiter sucht, der einen anderen ersetzt, der für die Dauer einer Meniskusoperation und den Zeitraum seiner Genesung ausfällt, das heißt für gewöhnlich, man sollte dort in der Gegend wohnen, und mir ist es überhaupt ein Rätsel, wie diese Anzeige nach Rügen kommt.

Man sollte sich stets selbst um seine Bewerbungen kümmern, denn das Amt schickte einem immer nur das, was aus guten Gründen übrig geblieben war. Der wahre Stellenmarkt bestand aus subtilen Informationen, ohne die Bitte nach Arbeitskraft. Man erhielt pro Jahr nur fünfzig Bewerbungen gesponsert, da musste man wählerisch sein.

Der Rest des Gesprächs lief ähnlich ab. Der Arbeitsberater machte einen Vorschlag, entschuldigte sich für etwas, das wohl verschwunden war und fragte nach Informationen, die man ihm bereits gegeben hatte, wobei man feststellte, dass diese wohl verschwunden waren. Beiderseitig wurde versucht, zu verhindern, dass das Amt irgendeine Aufgabe erhielt, natürlich nur, wenn man Glück beim Arbeitsberater hatte.

Arbeitsberater: Das mache ich schon!

Arschkarte, wie die Nachricht „Sie haben Hodenkrebs“. Danach sprach man über die zukünftigen Geschehnisse. „Das mache ich schon“ war kein zukünftiges Ereignis, obwohl die deutsche Sprache etwas anderes behauptete. Anscheinend entwickelte sich hier eine neue Sprache, die man mit dem Hochdeutschen verwechseln konnte.

Das Merkwürdigste war das Wort „wollen“. Es konnte nur benutzt werden, wenn man, für einen Hartz-IV-Empfänger mochte das eventuell etwas viel sein, mehr als eine Möglichkeit zur Auswahl hatte. Beispielsweise: „Ich möchte diese Stelle“ und „Ich möchte diese Stelle nicht“. Irgendwie waren die Sanktionen, die man bei Ablehnung einer Stelle erlitt, in dem Satz „Wollen Sie dieses Praktikum machen?“ unauffindbar. OK, ein bisschen schwer, es handelte sich auch um Quantenphysik, für den Arbeitsberater existierte diese Option, für Sie nicht. Da und nicht da. Noch zu viel, OK, das Universum hatte nicht vier Dimensionen – Länge, Breite Höhe und Zeit –, sondern elf. Mit Quantenphysik schien sich das Amt wirklich auszukennen. Es musste etwas Ähnliches wie ein Teleporter im Spiel gewesen sein, denn plötzlich fand sich das Versuchstier Martin auf der Straße vor dem Amt wieder, mit einem Zettel in der Hand.

Martin: Reha-Maßnahme, Februar, Stralsund, von der Insel runter, gut.

Aber die Apparatur, die sich vermutlich auf dem Herrenklo befand, denn niemand wollte diese Räumlichkeiten betreten, war noch im Versuchsstadium und hatte eine Sicherheitsvorrichtung, genannt ‚Fahrkostenantrag‘. Eine Prozedur, die so ständig und unumgänglich war, dass man diese mittlerweile automatisiert hatte. Man benötigte einen Beleg vom Arbeitsberater, um an das Geld in diesem Automaten zu kommen. Saß man dem Arbeitsberater noch gegenüber, erinnerte einen niemand an den Fahrtkostenantrag oder fragte, ob man Fahrgeld brauchte. Die ungeheure Anzahl von Worten, die ein Mensch hintereinander weg sagen konnte, ohne dass ein vitales System dahinter steckte, war so faszinierend, dass Martin die Frage fast immer vergaß. Es folgte der zweite Anmarsch. Es gab Leute, die in einem solchen Fall nochmals im Wartebereich Platz nahmen. Herr Bretz hatte zwar eine kleine Macke, aber er wusste, was als nächstes passieren würde, würde er das tun. Ein Bauarbeiter würde ihn darauf hinweisen, dass dieses Gebäude gesprengt würde. Er hatte keine Einladung. Das Positive an der Situation im Büro des Arbeitsberaters war, dass nun sowohl der Arbeitsberater als auch Martin wollten, dass er das Gebäude auf dem schnellsten Weg verließ. Das nächste Versuchstier war nebensächlich. Danach hing die Reha-Maßnahme an ihm wie der Zettel am Zeh.

Das war ein guter Behördengang, runter von der Insel und nicht so wie der, bei dem Martin versuchte, zu erklären, dass ein Pannenhelfer sehr wohl einen Führerschein brauchte.

Die knappe Zeit, bis die Maßnahme begann, wurde mit weiteren Versuchen verbracht. Der wichtigste Versuch war der, eine Ersatzkraft für den Zeitungsjob zu finden. Es sollte eine gute Bekannte machen, Anja. Diese hatte Probleme in der Schule, und eigentlich sollte es auch eine Vertretung sein, die mehr Zeit hatte. Ein Aushang im Supermarkt blieb unbeantwortet und auch die sechs Personen, die Martin auf der Straße gefragt hatte und die zugestimmt hatten und sich am Samstag vor seiner Haustür einfinden sollten, um die komplizierte Strecke erklärt zu bekommen, trafen nie dort ein.

Es war eine Kunst, die schwierigen Regeln des Zeitungsjungen einem Außenstehenden zu vermitteln.

Martin: Also, Anja, wie verläuft die Route?

Anja: Einfach vom ersten äußersten Punkt zum nächsten äußeren Punkt, vom Mittelpunkt aus gesehen, also von außen nach innen, ganz einfach.

Martin: Und wieso machst du das Austragen so?

Anja: Weil der erste Zeitungsjunge das so gemacht hat?

Martin: Fast richtig, er war ein Gelehrter und wollte die Weltwunder besuchen, in der Antike, zu Fuß. Der hat es erfunden und unseren Job leichter gemacht. So, wie wir es machen, ist es immer der kürzeste Weg. Welche Regeln kennst du noch?

Anja: Stets rechts abbiegen, das geht am schnellsten, und das hat UPS erfunden.

Das Erste, was auf der Maßnahme erklärt wurde, war, dass diese trotz schriftlicher Gegenbeweise, die jeder vorzeigen konnte, keine Reha war. Eher eine Arbeitserprobung. Man suchte sich einen Bereich aus, in dem man getestet wurde, und es handelte sich dabei um Idiotentests. Herr Bretz ging in den Bereich Elektronik und Elektrik. Das hatte nichts mit seiner Erfindung zu tun, sondern mit einem anderen, ständig wiederkehrenden Problem. Wenn er irgendwo als Hausmeister arbeitete, musste immer ein Elektriker gerufen werden, wenn es um mehr ging als eine Glühlampe auszutauschen. Er hätte es gekonnt, aber man wollte immer einen vom Fach. Das Kantinenessen war sehr gut. Oh, ein lustiges kommunikatives Problem, wenn man zuerst gesagt bekam, es handele sich um eine Reha-Maßnahme, denn so konnte man sich nicht auf eine mögliche Umschulung vorbereiten.

Am Ende der vierwöchigen Maßnahme hieß es, er sei sprachbegabt und redegehemmt, die Diskussionen mit dem Arbeitsberater hatten ihn im Sprechen geübt. Nicht zur Umschulung geeignet. Es hieß, er sei nicht motiviert.

Nachdem er Anja das Geld für ihre Arbeit gegeben hatte, begab er sich wieder in die Fänge der grinsenden Maschine in seiner Wohnung.

Die Zeitungstour führte mit dem durch das Gewicht der Zeitungen verbeulten Wagen bergauf, bergab. Auf der Runde gab es zwei Blocks, dann noch ein paar Reihenhäuser und der Rest bestand aus 651 weit verteilten Briefkästen. Der Lohn dafür war so gering, dass die Strecke sich nicht rentiert hätte, wäre man sie mit einem Auto abgefahren.

Jeden Morgen lachte die Maschine ihn aus, weil sie keinen Namen hatte.

Seine Möglichkeiten, herauszufinden, worauf sie basierte, waren erschöpft. Die Forschung konnte nicht nur teuer, sondern in Martins Augen auch eine Gefahr für die Menschheit werden.

Martin: Ich muss raus aus der Schwerkraft. Du schwebst luftdicht, hm, aber wenn ich in den Weltraum ziehe, leuchte ich danach wohl im Dunkeln, oder Richard Branson und die anderen haben dich nicht und kommen in den Weltraum.

Mit einem Trick prüfte er die Strahlenschutzfähigkeiten. Nach der Anfertigung eines kleinen Probestückes, viereckig, mit einem dicken, abgerundeten Rand und zur Mitte immer dünner werdend, um zu erfahren, wie viel Strahlung welche Stückstärke abhielt, bis zur Breite eines Quarks, begab er sich mal auf dem linken Bein, mal auf dem rechten Bein hinkend zum Orthopäden. Röntgen. Fragen über Fragen zu Strahlung und Funktionsweise. Dann legte er das kleine Viereck einfach neben den Fuß, für den er sich erst bei der Frage danach entschied. Ein strahlend weißes Viereck.

Martin: Gut.

Arzt: Weichei!

Auch den anderen, immer phantastischer werdenden Eigenschaften seiner Materie ging er auf den Grund. Was teilweise schon manische Zustände im, wie es schien, zukünftigen Milliardär auslöste. Martin arbeitete nicht, er beschäftigte sich gezielt!

Aus irgendeinem Grund, wollte Martin jetzt die Erfindung teilen, ausgerechnet mit einem Mann der bereits Geld hatte, Richard Branson.

Martin: Branson – Bretz, Bretz – Branson.

Wäre Martin verheiratet gewesen, hätte im Ehevertrag wohl gestanden, dass die Gattin die Namen für die Kinder aussucht. Er besuchte ständig die Bibliothek der Berufsschule, um in den Formelsammlungen zu blättern und die Fachliteratur zu studieren. Einen Ausweis besaß Martin nicht, aber so selten, wie dieser Ort besucht wurde, war es am wahrscheinlichsten, dass die Mitarbeiter sich einfach freuten, überhaupt einen Menschen zu sehen. Er lieh sich sogar Software dort aus, nicht die aktuellste zwar, aber die vielseitigste. In neuerer Software kam man nicht so leicht in die Unterprogramme, zu viele Sicherheitsbarrieren. Die neuen Programme wiesen außerdem noch einen Makel auf, sie waren immer nur für bestimmte Maschinen. Die alten Programme sahen schlicht und einfach keinen Unterschied zwischen einem Kühlschrank und einer 250.000 Euro teuren Fräsmaschine. Die, die er brauchte, um zum Beispiel über Satellitenpositionen einen sicheren Flug zu gewährleisten, gab es zum Download bei SETI.

Search for Extraterrestrial Intelligence bot noch einen anderen Service. Um den doch großen Himmel abzusuchen, benötigte man nicht nur Teleskope, sondern auch Computer, die die enorme Datenmenge auswerteten. Die Mädchen und Jungs hatten sich dazu etwas einfallen lassen: Ein jeder, der willens war, konnte seinen PC an das Netz hängen, und damit selbst mittels hochentwickelter Programme, die die Daten der Teleskope vollautomatisch auswerteten, die freundlichen grünen oder grauen Analsondenverteiler, suchen.

Martin: Saugi saugi saugi.

Bei diesem Spaß hätte er auch gerne mitgemacht, aber Internet kostete Geld. In dem nur durch Motivation betriebenen Internet-Café, in dem seine Leidensgenossen arbeiteten, wurde mit guter Laune bezahlt. Daher war es unhöflich, länger als eine Viertelstunde zu bleiben. Die Navigation war inzwischen ein kleineres Problem. Alles, was mutmaßlich das Sonnensystem verließ, versah man mit einer Tafel, auf der die Pulsar-Signaturen abgebildet waren. So fanden ALF und ET die Erde.

Die Navigation in der Nähe war also OK, im Sonnensystem selbst war es schwieriger. Glücklicherweise wirkte sich die Schwerkraft auf sein Schiff nicht aus. Es würde immer nur geradeaus fliegen, nicht geostationär oder auf elliptischen Bahnen wie Satelliten. Die Flugbahnen derer zu berechnen, war für jeden seiner Computer eine Sache von Jahren, da sie immer durch verschiedene Kräfte abgelenkt wurden.

Der Sonnenwind und die sowieso vorhandenen Partikel des Alls waren bedeutungslos für das Kurshalten, da sie ebenfalls keine Wirkung irgendeiner Art auf das hatten, was sich Martin da gebastelt hatte. Ein Instrumentenflug, bei dem nur die Strecke aufgezeichnet wurde, die man dann wieder zurückflog, mit ein paar Korrekturen. Die Atemluft sammelte Martin einfach in den Dellen, die geschlossen wurden und verkleinert. Die Schwierigkeiten, die manches Mathematische in sich barg, löste nicht er, sondern ein College seiner Wahl. Bei diesem Wettstreit der Colleges und auch der NASA, die natürlich der Meinung war, sie hätte die Lösungen, gab es natürlich Beanstandungen. Die Aufgaben seien zu leicht!

Mathematiker: Der Bretz ist wieder da. Guck dir das an, zu blöd, der fragt hier doch nach einem Körper mit der kleinstmöglichen Oberfläche.

Hausmeister: Kugel, oder?

Mathematiker: Das schick ich an Princeton, da sind die Bücher so alt, dass die immer noch mit neun Planeten rechnen.

Sir Henry Kaven: Es sollen jetzt wieder elf oder zehn sein, weil Charon sich mit Pluto um dasselbe Schwerkraftzentrum dreht. Der kleine ganz außen ist, glaube ich, zu klein. Der ist jetzt ein Planetoid, wie hieß der noch mal?

Mathematiker: Sedna, nach der Inuit-Göttin.

Sir Henry: Geht mein Antrieb?

Mathematiker: Ja, mit Einschränkungen, es ist technisch schwierig umzusetzen, Kohlefaser-Triebwerke brauchen andere Dichtungen.

Es war mittlerweile Auslegungssache, wie viele Planeten unser Sonnensystem hatte.

Es war beim Mathematischen ein Ding der Unmöglichkeit, dass Martin den Schwierigkeitsgrad änderte oder überhaupt unterscheiden konnte, da für ihn alles gleichermaßen unmöglich aussah. Aber die NASA berechnetet dort etwas Reales. So weil keiner davon wusste, konnte niemand sagen, ob es funktionierte.

Zigaretten, Konserven, Wasser und Kleidung mussten auch noch eingekauft werden.

Martin: Tschüs, Miete.

Neben einem Gerät, das die Fernsehsignale ortete, konstruierte er noch den Raum mit dem einzigen Fenster, vom Rest des Inneren getrennt, das Cockpit. Die Licht und Strahlenmauer forderte ihren Tribut. Auf dem Computer zeichnete sich langsam ein 34 Meter langes Schiff ab. Keine Triebwerke, die normalerweise den größten Platz forderten. Der Überlichtantrieb wäre nach heutigen Maßstäben in frühestens 250 Jahren realisiert, selbst wenn die ganze Welt daran arbeiten würde. Jetzt war nicht mehr drin als vier Fünftel Lichtgeschwindigkeit. Die pessimistischen Schätzungen lagen bei über 1300 Jahren. Blödsinn, das Ego kroch aus seinem Loch, in das es bei den mathematischen Aufgaben geflüchtet war. Er würde die Schwerkraft im Bug so hoch drehen, dass auch die Lichtmauer fällt. Das wäre, als hätte er ein schwarzes Loch vor den Wagen gespannt. Den ganzen Tag schweißtreibendes Training gegen die Erschlaffung des Körpers in der Schwerelosigkeit. Künstliche Schwerkraft stand in seinem Kopf ebenfalls bereits auf dem Patent und war nicht nur Fantasie.

Martin sparte Kraft und sorgte für einen langen Flug ohne interessante Ereignisse. Zeit, seinen Geisteszustand zu überprüfen.

Martin: Was mache ich hier?

Und Zeit, dafür zu sorgen, dass man den desolaten Verstand mit etwas anderem ablenkte. Er nahm jede Art von Unterhaltung, die er finden konnte. Der zu Unrecht eingesperrte Dreyfuss beschäftigte sich mit mathematischen Problemen, dann musste er es nicht tun da es schon jemand anderes machte. Philosophie gut, Mathe schlecht. Dreyfuss war tot, und Mathe wäre wohl sinnvoller.

Wenn er das Maschinchen ausreizen wollte, brauchte er Platz im Raum, nicht nur eine lange Strecke, sondern auch einen unbeobachteten Abschnitt. SETI kontrollierte zwei bis drei Prozent des Himmels. Wenn das Raumschiff nur mit der Schwerkraft der Erde flöge, wäre er schon nach kurzer Zeit hilflos im All und müsste von der ISS gerettet werden, peinlich. Dieser Witz blieb ihm noch eine ganze Zeit lang im Kopf.

Für die Außenwelt machte er für die Dauer des Fluges ein Auslandspraktikum, sechs Monate müssten reichen. Und im Bewusstsein der Tradition nahm er sich eine Plakette mit, wie sie schon auf den Voyager-Sonden angebracht waren. In „Star Trek“ wurde der erste Kontakt durch einen Warp-Flug initiiert, ein solches Ereignis war für Martin nun greifbar.

Der Tag der Abreise war gekommen und Martin war kaum noch zu halten. Da niemand eine Ahnung davon hatte, was er im Begriff war zu tun, überlegte Martin sich, ob er das nur für sich tat und wie viele einen solchen Wahnsinn vor ihm schon gewagt hatten.

Er grübelte bei guter Musik und las dabei ein paar Bücher, die sich nur zum Teil mit diesem Thema befassten. Schlafen konnte er kaum, aber rauchen. Er rauchte Billigzeug, diese Zigarillos für einen Euro pro Packung. Die waren Bückware, dabei dachte man, dass es so etwas nur zu DDR-Zeiten gegeben hatte. Er rauchte eine Schachtel pro Tag, dementsprechend war die zu transportierende Menge. Der ‚Hawazuzie‘ – Handwagen zum Ziehen – war das einzige Transportmittel, das ihm zur Verfügung stand. Erst die Zigaretten zum kleinen Versteck auf der Waldlichtung, in einer Bauminsel, und dann die schwereren Konserven. Beim Beladen stellte Martin einen Backstein unter die Achse des im Supermarkt gekauften Wagens, damit diese, dünn wie ein Zahnstocher, nicht durchbog. Er konnte nicht stehenbleiben, bergauf, bergab, mit dem Backstein in der Hand. Er glaubte, ihn zu brauchen, wenn es ums Ausladen ging. Dem war aber nicht so, da der Wagen in der Wiese der Lichtung versank.

Die namenlose Maschine lief auf schwerelos.

Um 01:15 Uhr nachts wurde das Schiff gebaut. Filigran veränderten sich die einzelnen Bauteile, aber viel zu laut bogen sich die Bleche zum Schiff. Besonders das Vergrößern sorgte für kräftiges Knarzen. Martin hüpfte mit den Händen fuchtelnd umher.

Martin: Pst!

Parallel suchte er bis zwei Uhr morgens die Gegend nach Spionen ab. Das Bunkern der Luft war dann noch geräuschintensiver. Es knarzte wie das Feilen eines zu hoch eingespannten Stücks Plastik. Gleichzeitig belud er das fleckige Schiff. Rot, gelb, blau. Das Schiff hatte beim Wachsen Farbe bekommen.

Einen Konstruktionsfehler bekam Martin beim Beladen zu spüren. Die Sache fiel erst auf, als es bereits zu spät war. 1,5 Sekunden vor dem Aufprall stellte Martin fest, dass die Treppe, die das Beladen des schwebenden Schiffs ermöglichen sollte, zu glatt war. Taunasser Rasen und ein Stück der Treppe, die auf ihn prallten, sorgten nur für einen blauen Fleck und ein paar unauffindbare Konserven. Das war alles, was Martin zunächst übersehen hatte. Schulterzuckend legte er eine Decke über die Stufen und belud das Schiff. Praktischerweise programmierte man zwei Schiffe, eines mit und eines ohne Tür.

Als Martin das Beladen beendet hatte, baute er kurzerhand um.

Martin: Luftdicht.

Gestartet wurde 02:45 Uhr. Martin bevorzugte zum Steuern ein Joypad, keinen Steuerknüppel. Durch die durch die Lichter der Stadt rot ausgeleuchteten Wolken sollte es gehen, so schnell wie möglich. Luftraumüberwachung gab es zwar nicht, aber die Signalfarben Rot und Gelb korrigierten Martins Einschätzung der Sichtbarkeit stark nach oben. Gute Gründe für UFO-Sichtungen. Martin setzte, im Cockpit sitzend, zum Spurt an und jagte sein Schiff durch die beim Näherkommen dunkel werdenden, rötlich glühenden Wolken.

Es folgten Wassermassen. Als die Sterne aufblinkten, bemerkte er, dass die Maschine immer noch keinen Namen besaß. Er befand sich tatsächlich in einem UFO, nur bedeutete es in seinem Fall „unbenanntes fliegendes Objekt“, nicht unbekanntes.

Martin: Schiff ist ein schlechter Name für ein Schiff.

Bei Martins Sinn für Namensgebung war diese Erkenntnis eine gewaltige Leistung.

Martin plante nicht, wieder auf den Boden zurückzukehren. Ein solcher Flug wäre nur in Geschwindigkeiten denkbar, die eine Entdeckung mit sich führen könnten, ohnehin konnte er nicht abschätzen, wie weit der Boden unter ihm lag.

Eine Ausrede des Egos, die Fähigkeiten eines Piloten wurden nicht gemessen an der Geschwindigkeit, sondern eher an Dingen wie der Landung. Entweder dachte er, dass er das schon lernen würde, wahrscheinlich hatte er jedoch gar nicht daran gedacht.

Die Wolken und die Höhe, die er langsam erreichte, schlugen ihn aus jedem Blickfeld. Sein eigenes war etwas eingeschränkt. Aus Gründen der Orientierungslosigkeit wurde der Autopilot eingeschaltet, den er auf der gesamten Reise brauchen würde. Der Plan war, in der Ionosphäre bis zum eigentlichen Startpunkt des langen Geradeausfliegens durch die Blackout-Zone zwischen den Horizonten, Verstecken mit der Luftraumüberwachung zu spielen.

Aber zu was für einem Preis!

Das Cockpitfenster, das einzige Fenster, zeigte die immer gleichen Sterne, einen Teil des Rumpfes und sonst nichts. Martin stellte sich vor, dass etwas durch die Scheibe schoss, Raumschrott. Er hatte bereits geahnt, dass dieser nicht so groß sein würde wie auf den Karten angezeigt. Martins Vorstellung, von einem gefrorenen Brocken Urin abgeschossen zu werden, brachte ihn nicht wirklich zum Lachen. Beim Überprüfen der Instrumente und der Systeme, da er langsam die natürliche Gravitation verließ, blinkten die ersten Sterne auf, die sich bewegten: Satelliten. Nach den ersten Kurskorrekturen durch den Autopiloten entdeckte Martin das Morgengrauen, mehr nicht. Es gab Witze darüber, wie wunderschön sich die Erde vom Orbit aus zeigte. So dicht, wie er davor war, dies zu sehen, war das auch einer. Er hätte gern die Tiefe begriffen, vielleicht, wenn er in die Senkrechte schwenkte …? Auch nicht, er konnte nur das Blau der Atmosphäre wahrnehmen.

Martin: Soll ich mich auf die Konsole legen und es so versuchen?

Aber dann dachte er, bei seinem Glück würde er auf die Schaltfläche kommen und im Bau-Modus zwischen den beiden Schiffen switchen, wenn er den falschen Knopf erwischte. Die Tür wäre da, Martin wäre der erste Mensch, der im Weltraum starb, was für eine Leistung. Das Schiff wäre weg und er würde brennend zur Erde zurückstürzen. Als nächstes sagte Martin, der Weltraumeroberer, schulterzuckend: „Scheiße.“

In der Hagakure, dem Ehrenkodex der Samurai, stand, man soll sich einmal pro Tag seinen eigenen Tod vorstellen. Es sollte immer auf eine andere Art geschehen. Zumindest war es vorstellbar, dass er beim ersten Mal der erste Mensch war, der dachte von Exkrementen abgeschossen wurde. Der selbsternannte Samurai hatte ein neues Hobby.

Martin: Vielleicht werde ich beim Rückflug etwas sehen.

Er starrte auf einen Monitor, der zum Rückflugplan wechselte, überlegte, wie herum sein Schiff fliegen müsste und wo. Martin erkannte, dass er die Erde kurz auf der Tagseite zu Gesicht bekommen würde. Kurz ging gar nicht. Das wäre eine peinliche Sache, wenn sich die Unterhaltung seiner mutmaßlichen Kollegen um den Ausblick drehte, könnte er zu den Astronauten nur sagen: „Da war sie mal kurz.“ Als würde er sein Genital beschreiben. Da will man doch lang sagen und nicht kurz!

Nach der Feststellung, dass die Konsole zu bullig schien, begann er einen achtstündigen Programmier-Marathon, eine richtige Sightseeing-Tour. Er wollte mitreden können. Da war er der erste Überlicht-Astro- oder Kosmonaut und das Tollste bekam er nicht zu Gesicht. Wo die Kontinente lagen, wusste er nicht, also verlief die Route von schräg nach links.

Den Raumschrott und die Satelliten ignorierte er dabei völlig. Um zwölf Uhr mittags machte er ein Schläfchen, nach zwei Stunden aß er eine Dose Ravioli. Er las gute Bücher und hörte dabei Musik von CD in Endlosschleife. Die Routine brach in den namenlosen Schiffskörper ein. Er las Nietzsche, den er nicht mochte, und Konfuzius, mit dem er sich stritt.

Martin: Ein Führer konnte am besten durch sein Vorbild dienen?

Er hatte grundsätzlich etwas gegen Führer und hier sollte wohl eher ein Kaiser Chinas sich benehmen, unter dem Konfuzius lebte.

Martin: Die größte Kraft erhält man, wenn die Gegensätze miteinander arbeiten. Aber wie macht man das? Natürlich, ein Kurzschluss!

Das Computerspielen wurde erst für ihn interessant, wenn er sich ein todsicheres System zum Gewinnen überlegt hatte. Programmierfehler waren eigentlich auch zu genießen. Jeder andere schmiss die Spiele weg, wenn dies zu oft passierte, aber für Martin war es Kleinkunst. Zum Beispiel Boras, der Spinnenkrieger, hatte den schnellsten Schlag, einen Speerhieb. Kein Gegner landete auch nur einen Treffer, weil er immer vorher getroffen wurde. Der machte alles nieder, da konnte angreifen, was wollte, das ganze Spiel bestand darin, sich auf den Boden zu hocken und mit dem Speer zu schlagen. Natürlich begann er auch, über seine Siege zu philosophieren.

Martin: Was nützt der größte Highscore, wenn ihn niemand sieht?

In die Filme, die er sah, kroch er hinein. Bei “Small Soldiers” sang er mit: „War? What is it good for? Absolutely nothing!“

Der Trick mit den zwei verschiedenen Schiffen musste bis zur Gänze ausgelastet werden. Ihm war brachial langweilig. Auf dieselbe Weise setzte er die Heizung unter die Liege, das war schön warm. Der Samurai legte sich dann auf die beheizte Liege, die Heizung bekäme einen Energiestoß und alles, was sich auf der Liege befand, verbrannte zu Asche, fiel durch das Gitter auf die Heizung und seine Füße, die nicht ganz auf der Liege Platz fanden, würden neben der Heizung auf den Sohlen landen.

Er wäre quasi nach dem Tod wiederauferstanden. Es stand die Frage im Raum, ob er der erste gewesen wäre, dem dies passierte. Die Kost war so einseitig, dass der Maître de micro-ondes, der Meister der Mikrowelle, die Mahlzeiten mit Absicht anbrennen ließ und unter anderem Bohnen und Fischsuppe kombinierte, am besten mit gerösteten Zwiebeln, nur um einen anderen Geschmack zu genießen, egal welchen.

Bei der üblichen Kurskontrolle setzte er sich um 16 Uhr in Shorts ins Cockpit. Er suchte einen Namen für sein Schiff.

Martin: PSS – Private Space Ship, da fehlt ein „i“. „Attila“ – nein, nicht nach einem Feldherrn; „Blech“ sagt, was es ist, „Aschenbecher“ zu was es benutzt wird, „Phoenix“ nach Gene Roddenberrys erstem Warpschiff. Die „Enterprise“ wurde ja auch nach einem realen Schiff benannt, aber da ist ja noch das Shuttle, das nie im Weltraum war. Die Amis haben einfach die „Star Trek“-Ideologie genutzt. Ich nutze doch keine Ideologie!

Er spielte mit dem Gedanken, sich in „Kapitän Kirk“ umzubenennen, als plötzlich ein hellbrauner Blitz erschien, dann nicht mehr, innerhalb von einer halben Sekunde. Als hätte der Vorführer im Kino die Weichstellung der Linse vergessen und dadurch sah man jedes Brandloch beim Rollenwechsel. So drehte er sich blitzschnell um und erstarrte, mit einem Lächeln, weil das Gesicht gefror, und großen Augen zwanzig bis dreißig Sekunden zur Schleuse, die das Cockpit mit der Wohnkammer verband. Schockgefrostete Gedanken, die erst auftauen mussten. Jetzt fingen die Gedanken an, die Situation zu beurteilen, dazu waren sie da. Asteroid, möglich, er wäre ausgeleuchtet von der Sonne, die sich im Rücken befand. Eigentlich war die Wahrscheinlichkeit zu gering. Er flog nicht durch die Planetenscheibe und den Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Der Kuipergürtel war also weit entfernt oder die Oort'sche Wolke am Rande des Sonnensystems. Fehlfunktion, keine Ahnung, was transparentes Blech so auf die Dauer machte. Es hätte nur etwas für das Material Typisches sein können.

Degradiert vom Groß-Kirk zum Kleinpassagier, strich er sich die Haare aus dem Gesicht. Wie oft wurde so was übersehen? Martin war zum in die Leere starren abkommandiert. Eigentlich bewegten sich alle Asteroiden auf einer Bahn. Stand dieser einfach da, auch beim Rückflug?

Die Aussicht beim Rückflug sah etwas anders aus. Der Asteroid würde nicht angestrahlt werden, wäre also ein schwarzer Punkt im schwarzen Weltraum. Er hatte sich aus zwei Gründen gegen den Flug durch die Planetenscheibe entschieden. Erstens, weil buchstäblich jeder die Planetenscheibe beobachtete, und zweitens aufgrund des interstellaren Krieges.

In der Schule bestand das Sonnensystem noch aus neun Planeten: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, und Pluto, dann kam etwas später Charon dazu und dann noch Sedna, also elf. Wir hatten zwei zusätzliche Planeten erobert. Dann waren es nur acht. Wir verloren, gegen wen auch immer. Da wollte sich Martin nicht einmischen. Mit den Zusatzschichten im Cockpit raste das Schiff weiter und Martins Selbstgespräche wurden immer lauter.

Martin: Stell dir mal vor, es kommt jemand zu Besuch, du stinkst, du brauchst ein Bad.

Für den Standard-Astronauten war ein Bad eine Utopie, obwohl er den halben Tag trainierte. Martin schuf sich Abhilfe. Er konstruierte eine Badewanne. Nach dem täglichen Sternbildergucken schuf der Designer nicht nur eine einfache Badewanne, ein in der Wand steckendes Blech mit einer einseitigen Delle, die mit einem ständig die Farbe ändernden Wasserersatz gefüllt war und von einem Röhrenrahmen umschlossen. Das Blech, das er dazu brauchte, war winzig und stammte von einer Dose.

Ein Gedankenspiel war es, sich die verschiedenen Möglichkeiten des Ertrinkens vorzustellen, auch dass die Pseudo-Flüssigkeit plötzlich vom flüssigen in den festen Aggregatzustand wechselte oder ihm einen tödlichen Stromschlag verpasste.

Aber unvorsichtig war der Seepferdchen-Inhaber nicht. Das Tool, das er programmierte, um den Luftdruck zu regulieren, wenn er das Schiffsvolumen änderte, war der Beweis dafür, sonst drohte ja die Taucherkrankheit. „Ahoi“, schrie er, als das kaum nützende Programm startete. Als Martin dann das lauwarme Blütenmeer der Wanne betrachtete, stellte sich erneut die Frage nach dem Namen der Maschine. Diese zu beantworten war ja der eigentliche Grund für die Reise. Eine Drohne, mit allen Messinstrumenten, die dazu notwendig sein müssten, sie sollte den Test von außen beobachten. Ein Problem, sie würde langsamer sein als das Schiff.

Martin: Noch zwei Wochen bis zum Testgelände.

Er kontrollierte dabei den Boden.

Martin: Sie muss gut sein, viel Planung.

Mit höher gerichtetem Blick:

Martin: Ein Meisterwerk!

In einer aufwärts gerichteten Bewegung des Kinns:

Martin: Eine totale Überkonstruktion!

Lustvoll lächelnd und gleichzeitig kopfschüttelnd ging er an die Arbeit. Es gab einen minimalistischen Entwurf, eine quadratische Platte mit einem Loch, in einer der Ecken rot und schwarz gefärbt. Einen Entwurf inspirierte das HAL’s Auge aus „2001 – Odyssee im Weltraum“, in der Mitte eben das rote Auge und der Abstand vom Augenrand bis zum Rand der Sphäre, die wieder bunt war, entsprach dem Augendurchmesser. Oder auch wie ein Urzeit-Krebs, nur ohne Schwanz, das stand auch auf der Liste der Möglichkeiten. Die Sphäre hatte die größte Sensorenfläche.

Er addierte zusätzlich noch einen CD-Spieler mit Beethovens 9. Sinfonie dazu, um einen Eichpunkt für die Sensoren zu erhalten, da man an der Stelle, an der man das Lied empfing, durch ein Programm die Entfernung berechnen konnte. Und die Platte sollte einen durch ein Stäbchen verbundenen Ring besitzen.

Sie war so etwas größer als ein Fußball, 29,4 Zentimeter im Durchmesser, ein Computer, so leistungsstark wie der des Schiffes.

Der Bremsweg des Schiffes war so lang, dass es einen halben Tag dauerte, das Schiff zu stoppen. Beim Beginn des Manövers setzte sich Martin in die Zelle, die er viermal am Tag besuchte.

Martin: Die Verschiebung des Lichts vom Blauen ins Rote muss man bestimmt sehen können.

Der Geschwindigkeitsmesser des Schiffes arbeitete auf Basis der Spektral-Verschiebung und von jetzt an bis ans Ende der Zeit würde Martin sagen, genau diese habe ich gesehen, nun ja, ich nicht. Nach einer langen Nacht, seine Muskeln zuckten schon, so angespannt war er, stand das Schiff. Wie geplant wurden die Farben des Schiffes unter Zuhilfenahme der Sonde gemustert. Er hatte es bis jetzt nur nachts von außen gesehen. Geflammte und gefladerte Flecken, symmetrisch, also steckte ein System dahinter. Das letztendlich weiße Licht der Sonde brach sich bläulich. Beschädigungen durch den hellbraunen Blitz gab es keine. Da HAL’s Auge in „2001“ rot glühte, wurde die Farbe des Auges wieder geändert, ins gleiche Rot.

Bloße Sturheit und zehn Minuten Zeit brachten dann ein rotschwarzes Bild zum Erscheinen, das weit weniger brillant wirkte als das Bild des weißen Auges. Es folgten weitere zehn Minuten, in der die Farbe wieder geändert und das Schiff durchkontrolliert wurde, sogar abgemessen, von innen und außen.

Die Schwerkraft, die vor den Bug gespannt war, ging hoch und das Schiff setzte sich in Bewegung. Die Lichtmauer wurde gebrochen. Er stellte sich vor, dass auf dem Bett, eine Strahlenwand durch den Raum fegte und ihn grillte. Oder das Schiff hielt den physikalischen Belastungen nicht stand und er fegte mit Überlicht und in Unterhosen durch das unendliche All.

Es könnte auch einfach sein, dass er sich in Flüssigkeit auflöste. Der Samurai schob Überschichten. Oder, oder, oder … er krepierte am laufenden Band. Alles, was nur den leisesten Hauch einer Gefahr bedeutete, verschwand. Nach einer Packung Tortilla Chips, die, mehr geplant als gewollt genau wie alles andere Gefährliche verschwanden, hatte Martin alles getan, was getan werden konnte. Leider war alles erledigt.

Martin: Wir schlafen noch darüber.

Mut trug den Atem. Das Unternehmen war einfach: so lange den Beschleunigungsknopf drücken bis Warp erreicht wurde oder bis das Schiff nicht mehr schneller wurde. Mit all der Kompetenz, die ihm zu Verfügung stand, drückte er den Knopf.

Jetzt konnte auch er die Spektralverschiebung sehen, wie das Licht sich spaltete und Punkte zu Streifen wurden. Martins Kopf suchte hektisch die Armaturen nach Informationen ab, Farbe wurde zu schwarzweiß, das Schiff bekam überall transparente Flecken und Löcher, die mehr All hergaben. Diese wurden berührt und dann registriert. Warp 4, erst dann stoppte er das Schiff. Dass es sich scheinbar auflöste, war irgendwie zur Nebensache verkommen. Veni vidi vici, der Tanz der Tänze, beginnend mit einem Schrei.

Martin: Warp 4.

Dass er dabei nicht nachdachte, zeigte der Tanz! Mal springen, mal Hüftschwung und Liegestütze. Vierzig Sekunden dauerte es so, die enorme Anspannung abzubauen, bis er sich wehtat.

Martin: Autsch, ich brauche mehr Platz.

Der Flug selbst dauerte nur wenige Sekunden.

Nach zwei Stunden bekloppt sein folgte die Auswertung, mit Musik. Vom Ritter zum König, thronte er auf dem Monitor und bediente die Tastatur mit den Füßen. Ab und zu wackelte sein Kopf. Die Stimmung schlug um.

Martin: Von 4 auf 0 dauert umgekehrt 30 Prozent länger. Hm, die Startspannung ist gewachsen und dann ging die Leistung rauf. Das endet in einer Kaskadenreaktion.

Die nächsten zehn Tage kam ihm etwa alle halbe Stunde ein „Hä?“ ungläubig aus der Kehle gekrochen, dann war er wieder da, wo er die Überkonstruktion ausgesetzt hatte, am Startpunkt. Rein medizinisch gesehen hätte Martin eigentlich eine Wunde bekommen müssen vom vielen Stirnrunzeln und am Kopf kratzen.

Das Auge wurde ungeduldig eingeschwebt, mehr Daten, mehr Fakten, redete der schon leicht Verwirrte. Beim Rückflug zur Erde wurde der Finger mehrmals erkennend erhoben und blieb oben, tagelang.

Der Wahnsinn, der kam, beschränkte sich auf Theorien. Immer wieder probierte er einen neuen Standpunkt aus und nach dem darauf folgenden Fehlschlag lenkte er sich mit anderen Projekten ab. Ein Pissoir, das einfach nur stank. Ein Wecker, der ohne Unruhe nur laut tickte – nur einen Tag, weil er so laut tickte. Die Ruhe des Weltraums war gewohnt und die Unruhe des Weckers wurde schnell zur Belästigung.

Sein größtes Projekt war ein Raumanzug, der Brustpanzer hatte griechische Züge.

Den rätselhaften Farbcode knackte er übrigens, deshalb war der Anzug knallrot, mühsame Kleinarbeit. Gebaut, aber unfertig, nur zur Ansicht. Das kommentierte er mit „Pyjama“.