Die Brahms Büste - Alessandra Comini - E-Book

Die Brahms Büste E-Book

Alessandra Comini

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Beschreibung

Ein neuer spannender Fall für die Kunst- und Musikdetektivin Megan Crespi. In einem Antiquitätenladen in Austin, Texas, entdeckt Megan Crespi eine besondere Büste: der junge Brahms ohne Bart. Ob es ein Werk der deutsch-amerikanischen Bildhauerin Elisabet Ney ist, die in Austin ein prachtvolles Haus bewohnte und vermutlich mit dem Komponisten Johannes Brahms, ganz sicher jedoch mit dessen Freund, dem Virtuosen Joseph Joachim, bekannt war? Das ist nur die erste einer ganzen Reihe von Fragen, die Megan in Brahms' Geburtsstadt Hamburg und in die Elbphilharmonie führen. Währenddessen rumort es in Wien, Brahms' langjähriger Wahlheimat, bis es im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins zu einem Giftanschlag auf die junge Dirigentin Agatha Endlich kommt, den sie nur knapp überlebt. Megan und der Wiener Hauptkommissar Decker tappen zunächst im Dunklen, doch bei einem Besuch von Brahms' Lieblingsplätzen in Bad Ischl und Mürzzuschlag findet Megan die Lösung.

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Alessandra Comini

DIE BRAHMS BÜSTE

Ein Megan Crespi-Krimi

Aus dem amerikanischen Englisch von Pia Viktoria Pausch

Mit freundlicher Unterstützung

der MA 7 – Kulturabteilung der Stadt Wien

Alessandra Comini: Die Brahms Büste

Ein Megan Crespi-Krimi

Aus dem amerikanischen Englisch von Pia Viktoria Pausch

Hollitzer Verlag, Wien 2022

Originalausgabe: Sunstone Press, Santa Fe, New Mexico 2021

Coverabbildung: Nikola Stevanovic unter Verwendung von Friedrich Kaulbach: Die Bildhauerin Elisabeth Ney im Leineschloss © public domain, wikimedia commons

Lektorat: Paula Tiedge

Umschlaggestaltung: Nikola Stevanović

Satz: Nikola Stevanović

Hergestellt in der EU

Alle Rechte vorbehalten

© Hollitzer Verlag, Wien 2022

www.hollitzer.at

ISBN Druckausgabe 978-3-99012-942-5

ISBN epub: 978-3-99012-943-2

WIDMUNG

Für

Mary Dibbern, Music Director of Education an der Dallas Opera, Meistergesangslehrerin für Generationen junger Sängerinnen und Sänger, künstlerische Leiterin für weltliche Musik an der St.Matthew’s Cathedral

und

zum Gedenken an Richard R. Brettell (1949–2020), Museumsleiter, Kunstkritiker, Pianist und international bekannter Experte für den französischen Impressionismus, inspirierender Gründer des Edith O‘Donnell Instituts

Liste der Figuren

Prof.Dr.Megan Crespi: amerikanische Universitätsprofessorin für Kunstgeschichte im Ruhestand; begeisterte Musikhistorikerin; Expertin für europäische Kunst des frühen zwanzigsten Jahrhunderts; gefragte Beraterin bei der Aufklärung von Verbrechen in der internationalen Kunst- und Klassikszene

Tina Crespi: angesehene Tierärztin in der Region Dallas-Fort-Worth-Metroplex, bekannt für ihr Tierschutz-Engagement, jüngere Schwester von Megan Crespi

Jacquelyn McDonald: ambitionierte Direktorin des Elisabet-Ney-Museums in Austin, Texas

Edgar Wittgenstein: Generaldirektor des Wiener Musikvereins, der Heimstätte der Wiener Philharmoniker

Agatha Endlich: junge Wiener Stardirigentin, seit wenigen Jahren als Abonnementdirigentin der Wiener Philharmoniker im Musikverein tätig

Mario Intagliatore: italienischer Bildhauer, Schöpfer der bartlosen Brahms-Büste in der Walhalla, lebt seit vielen Jahren in Hamburg

Lukas Eifer: Dirigent des Grazer Philharmonischen Orchesters, ein leidenschaftlicher Brahms-Liebhaber

Reinhold „Reini“ Eifer: langjähriger Direktor des Archivs, der Bibliothek und der Instrumentensammlungen des Musikvereins, jüngerer Bruder von Lukas

Christian Begeist: Dirigent des Bruckner Orchesters Linz und fanatischer Verehrer des Komponisten Anton Bruckner

Dieter Unfug: ehemaliger Assistenzdirigent von Christian Begeist, ebenfalls ein Bruckner-Anhänger

Stefanie Schreibenstein: renommierte Musikkritikerin der Wiener Tageszeitung Wiener Rundschau, mit geheimnisvoller Abstammung

Peter Heimnis: Oberbühnenmeister im Wiener Musikverein

Antonius „Tönnies“ Helfer: Hamburger Augenarzt im Ruhestand und langjähriger guter Freund von Megan Crespi

Harry Dunmore: Amerikanischer praktischer Arzt, für Médecins sans Frontières in Indien und Afrika tätig, Ex-Mann von Tönnies Helfer

Anthony „Tony“ Bocello: Präsident des Dallas Symphony Orchestra im Ruhestand und ehemaliger Dekan der Meadows School of the Arts in Dallas

Fritz Rahm: Enkel in fünfter Generation von Friedrich Brahms (Johannes Brahms’ jüngerer Bruder), ein venezolanischer Organist aus Caracas

Erich Decker: Kriminalhauptkommissar, Leiter der Soko Wien für Kunst und Kultur

Oliver Kopf: musikbegeisterter Neurologe und treuer Fan der Wiener Philharmoniker seit mehr als zwanzig Jahren

1

„Das ist mit größter Gewissheit der junge Johannes Brahms, aber ziemlich ramponiert“, sagte die emeritierte Kunstgeschichteprofessorin Megan Crespi leise und hob eine leicht beschädigte Bronzebüste hoch, um sie genauer anzusehen.

„Aber nicht doch, Megan, da fehlt ja der Bart!“, spöttelte Tina Crespi, die, wie so oft, mit ihrer älteren Schwester als deren Chauffeurin unterwegs war. Die beiden waren von Dallas nach Süden in die texanische Hauptstadt Austin gefahren, denn Megan hatte dort abends zuvor auf Einladung des Blanton Museums an der Texas University einen Vortrag mit dem provokanten Titel „Die Bildhauerin, das unbekannte Wesen?“ gehalten. Darin ging es um Elisabet Ney, eine deutsch-amerikanische Künstlerin, die im neunzehnten Jahrhundert tatsächlich mehr oder weniger die einzige Frau war, die sich damals mit ihren Skulpturen in Europa und Amerika einen Namen machen konnte. Aber selbst den kannte bis heute kaum jemand, weder da noch dort. So war das mit den Frauen in der Kunst leider immer gewesen, und Megan hatte sich stets bemüht, vergessene, oft namenlose Künstlerinnen aufzuspüren und ihre Werke ans Licht zu bringen. In Austin, wo Elisabet Ney nach der Emigration aus Deutschland gelebt und gearbeitet hatte, war die Bildhauerin natürlich längst zur lokalen Heldin aufgestiegen. Neys prächtiges Wohnhaus, die Villa Formosa, und ihr mit Skulpturen gefülltes Atelier war, wie es sich die Künstlerin selbst immer gewünscht hatte, zum Museum umgewidmet worden und hatte sich seither zum begehrten Ziel kunstinteressierter Texas-Touristen entwickelt.

Die zwei Schwestern Megan und Tina konnten ungleicher nicht sein. Sie waren fünfzehn Jahre auseinander, eine zu lange Zeit, um eine gemeinsame Kindheit zu teilen. Als Tina zur Welt kam, war die Einserschülerin Megan schon in der Abschlussklasse der Highschool. Als Tina drei Jahre alt wurde, hatte Megan bereits ihr erstes Studienjahr am renommierten Barnard College in New York absolviert und war am Sprung zum begehrten Auslandssemester im fernen Europa. Als aufstrebende Kunsthistorikerin mit besonderem Interesse an der Wiener Moderne hatte es sie in die österreichische Hauptstadt gezogen. Das war in den 1950er Jahren gewesen, sie hatte dort neben dem Studium an der Universität Wien in der Archivabteilung der berühmten Albertina gearbeitet. Dann kam sie zurück und machte an der Columbia University in New York ihren Doktor in Kunstgeschichte über den damals noch recht unbekannten österreichischen Maler Egon Schiele „und seine Porträts“, wie es im Titel ihrer Dissertation hieß – Megan war diejenige, die als Erste der Welt erklärte, wer Egon Schiele überhaupt war. Dann kamen Gastsemester als junge Dozentin in Berkeley und Yale, bevor sie wieder in ihre Heimatstadt Dallas zurückkehrte, wo sie ihre Familie wieder öfter sah und blieb, um eine Professur zu übernehmen und die Fakultät für Kunstgeschichte an der Southern Methodist University von Dallas zu dem zu machen, was sie heute war: ein erstklassiges, international renommiertes Ausbildungsinstitut für Kunsthistorikerinnen. Aber das war nun auch schon eine Zeit lang her, denn in ihrem „Unruhestand“ seit der Pensionierung hatte sich die zwischenzeitlich in den USA und Österreich legendäre Kunsthistorikerin die Aufklärung internationaler Verbrechen in der Kunstszene zur Berufung gemacht. Gefälschte Gemälde, gestohlene Partituren – was immer es war, Megan Crespi hatte nicht nur eine ungeheure Expertise, sondern auch die richtige Spürnase und wurde von den Sonderkommissionen der Polizei, die solche meist internationalen Fälle bearbeiteten, als gern gesehene Beraterin hinzugezogen. Jetzt war sie schon Mitte achtzig, aber das sah man ihr nicht an, denn sie war für ihr Alter extrem fit. Ihr Geheimnis jugendlicher Frische war eine disziplinierte tägliche Aerobic-Routine gleich nach dem Aufstehen, die sie niemals vergaß. Dazu gesundes Essen, kein Alkohol, kein Nikotin, auf sich achten, und vor allem: Leidenschaft und Enthusiasmus für alles, was sie tat. Megan Crespi liebte das Leben und das sah man ihr an. Sie war eine „ewige Brünette“, die mit ihren stets funkelnden braunen Augen einen ungeheuren Esprit versprühte. Wenn sie nicht gerade auf Vortragsreise oder in Sachen Kunstraub et cetera international umherflog, dann liebte sie es, sich in ihr gemütliches, mit Büchern, Instrumenten und ausgewählten Kunstwerken vollgestopftes Haus in Dallas zurückzuziehen, zu forschen und zu schreiben.

Ihre jüngere Schwester Tina hatte einen ganz anderen Lebensweg eingeschlagen. Sie war als engagierte Tierärztin in der Metroplex-Region Dallas-Fort Worth hoch angesehen. Groß, schlank, mit riesigen, ausdrucksstarken kastanienbraunen Augen und langen blonden Locken war sie ein echter Hingucker, wo immer sie erschien. Aber Tinas Lebensinhalt war die Liebe zu Tieren. Auch sie war ständig unterwegs, und zwar im Auftrag der Veterinärmedizin und der Tierrettung. Sie hatte ihre Ordination auf ihrer Ranch nahe Fort Worth eingerichtet, brachte Texas-Longhorn-Kälbchen auf die Welt, verarztete Hunde, Katzen, Hamster und Frettchen ebenso wie Kaninchen, Schafe und Schweine, bis hin zu importierten Echsen und Riesenschlangen in den Keller-Terrarien abgelegener Farmhäuser in der texanischen Prärie. Ihr Revier war die Natur.

Doch die beiden ungleichen Schwestern hatten auch Gemeinsamkeiten. Keine der beiden hatte sich je durch eine Heirat binden lassen; beide schenkten ihre bedingungslose Hingabe stattdessen lieber ihren vergötterten Haustieren. Megans kleiner vierbeiniger Schatz war ein schneeweißer Malteser namens Button – Knöpfchen. Tina nannte zurzeit gerade fünf aus einem Hoarding-Haushalt gerettete japanische Chins ihr Eigen, entzückende Schmusehündchen, die gerne ohne jeglichen Jagdimpuls um ihr Frauchen herumwuselten. Ihre unaussprechlichen Namen vergaß Megan von einem zum nächsten Mal immer wieder, genauso wie Tina von einem Mal zum anderen vergaß, welcher große Maler, Bildhauer oder Komponist gerade in den Fokus von Megans leidenschaftlichem Forschungsinteresse geraten war.

Aber nun standen die beiden nebeneinander in einem Antiquitätenladen in Austin und begutachteten Megans Zufallsfund, die naturgetreue Bronzebüste eines offenbar jungen, attraktiven Mannes, der so gar nicht wie der deutsche Romantiker Johannes Brahms aussah – das fand jedenfalls Tina. Denn da fehlte doch der Bart! So viel wusste Tina, die genauso wie Megan die kulturbeflissene, klassisch-humanistische Grunderziehung ihrer Eltern durchlaufen hatte, bloß eben fünfzehn Jahre später. Der deutsche Komponist hatte einen langen, auffallend buschigen Rauschebart gehabt, da war sie ganz sicher, deshalb war er ihr nämlich in Erinnerung geblieben.

„Ja, weißt du, Tina, so geht es den meisten, sie kennen Brahms wie du, nur mit dem langen weißen Bart. Aber den ließ er sich erst in Wien, übrigens nach mehreren gescheiterten Versuchen, im Alter von vierunddreißig Jahren wachsen. Davor war er immer glattrasiert, genauso wie das Gesicht dieser Büste hier.“

Wenn Megan über einen ihrer Lieblingskomponisten sprach, und das waren vor allem die „drei großen B“ der Musik – Bach, Beethoven und eben Brahms – dann war sie kaum zu bremsen. Also ließ Tina ihre leise dozierende ältere Schwester ohne Unterbrechung fortfahren: „Es gibt ein Foto von Johannes Brahms aus dem Sommer 1867, da ist er Mitte 30 und sitzt mit Freunden auf der Veranda einer Pörtschacher Villa am Wörthersee: Es war das erste Foto von ihm mit einem üppigen Bart, damals noch dunkel, nicht weiß. Mal abgesehen davon, dass große, lange Bärte durchaus en vogue waren, gibt es mehrere Theorien darüber, warum er sich den Bart wachsen ließ – unter anderem, dass es eine Art Tarnung sei.“ Von Tarnung verstand Tina etwas, aber Megan meinte es anders und erzählte eine der tausend Anekdoten aus den Biografien von Künstlern und Komponisten, die sie gerne in jegliche Unterhaltung einstreute, um ihrem jeweiligen Publikum etwas beizubringen – und diese Rolle fiel nun eben Tina zu.

Also sprach Professor Crespi:

„Weißt du, Tina, Brahms hat selbst einmal gesagt: Mit rasiertem Kinn wird man entweder für einen Schauspieler oder für einen Pfaffen gehalten. Das wollte er offensichtlich keinesfalls, jedenfalls nicht in Wien. Und dann, als ihm endlich der Rauschebart gelungen war, wallend wie der von Michelangelos Moses, liebte er es, seine Bekannten, die ihn lange nicht gesehen hatten, genau damit zum Narren zu halten. Er präsentierte sich spaßhalber bei verschiedenen Gelegenheiten mit verstellter Stimme als ‚Kapellmeister Müller aus Braunschweig‘ und amüsierte sich köstlich, wenn er die Leute damit täuschen konnte. Vermutlich veräppelte er sie auch noch in seinem geliebten Plattdeutsch, sagte also nicht Braunschweig, sondern ‚Brunswiek‘.“ Megan amüsierte sich köstlich bei der Vorstellung, wie der große Brahms die grantigen Wiener mit seinem kühlen norddeutschen Humor – und mit seinem Rauschebart – auf die Schippe nahm.

„Ach, du mit deinem Sprachfimmel!“ Tina gluckste. Denn das war auch so eine Sache, die sie absolut nicht teilten. Megans vorrangiges Interesse galt neben Kunst und Musik auch noch der Linguistik, vor allem den vielen unterschiedlichen Mundarten, die es überall gab. Sie war in ihrem Leben so viel herumgekommen, dass sie nicht nur mehrere Fremdsprachen, vor allem Italienisch und Deutsch, nahezu fließend sprach – was für eine Amerikanerin, selbst für eine international tätige, amerikanische Wissenschaftlerin, recht außergewöhnlich war. Nein, sie liebte auch diverse Dialekte und konnte beispielsweise das gedehnte Südstaaten-Amerikanisch ihrer Heimat genauso glaubhaft persiflieren, wie den knarzenden schottischen Hochlandakzent, den ihre Vorfahren mütterlicherseits vor Generationen nach Amerika mitgebracht hatten. Oder das Wienerische, das sie „im oiden Wean“ schon als junge Frau mit höchstem Vergnügen von ihren Studienkollegen aufgeschnappt hatte. Oder das Neapolitanische, das sie sicher nicht von ihrem mailändischen Vater, sondern von Schallplattenschlagern, vielleicht auch von Filmen mit Sophia Loren, aufgeschnappt hatte. Und das Plattdeutsche faszinierte sie sowieso, schon allein deshalb, weil es die eigentliche Muttersprache Brahms gewesen war in dem beengten Hamburger Hafenviertel, wo er aufwuchs und schon von Kindheit an die ganze Familie mit seinem Klavierspiel ernährte.

„Nein, im Ernst, ich glaube, mit dem Bart wollte sich der norddeutsche Pianist, Komponist und Dirigent in der österreichischen Kaiserstadt Wien auch äußerlich als respektgebietende Persönlichkeit etablieren, die Größe seiner Musik mit seiner Erscheinung noch unterstreichen. In seinen Wiener Jahren war er wohl von Anfang an nicht mehr der junge Beau, den wir hier vor uns haben. Alkohol und Zigarren setzten ihm zu, er wurde mit zunehmendem Alter immer fülliger und rotgesichtig, aber auch das konnte er mit dem Bart gut kaschieren.“ Megan fuhr fast zärtlich mit den Fingern über die hohe Bronzestirn des hübschen, jungen Mannes und strich über sein seidig wirkendes, glatt zurückgekämmtes Haupthaar, das fein modelliert wie eine sanfte Welle auf die angedeuteten Schultern der lebensgroßen Büste fiel.

„Ist ja gut, Megan, du bist die Expertin, aber trotzdem … Wie kannst du auf den ersten Blick schon so sicher sein, dass das hier wirklich ausgerechnet Johannes Brahms ist?“ Tina hatte nun ebenfalls die Stimme gesenkt.

„Einfach weil ich sein Gesicht erkenne! Genauso sah er aus, als er zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt war, in der Zeit wo er viel mit Robert und Clara Schumann zusammen war und auf Tournee ging mit seinem besten Freund, dem Virtuosen Joseph Joachim. Der junge ‚Johannes B‘ sah auffallend gut aus, eben genauso wie du es hier siehst. Diese Büste, also ich würde sagen, die stammt aus genau der Zeit damals. Mitte Neunzehntes Jahrhundert.“

Megan warf einen kurzen, prüfenden Blick auf den Ladenbesitzer, der unverändert in seine Zeitung vertieft am Ladentisch lehnte und den beiden Frauen nicht die geringste Beachtung schenkte. Sie stellte die Büste zurück ins Regal, wandte dem Ladenbesitzer den Rücken zu, holte ihr iPhone hervor und wisperte noch leiser weiter.

„Schau mal, Tina, wenn du es mir nicht glaubst, dann zeige ich dir jetzt Fotos, wie Brahms aussah, bevor er sich den Bart wachsen ließ. Du wirst es selbst sehen.“ Sie tippte auf das Display, öffnete den Browser, gab in der Bildersuche ‚Brahms, jung‘ ein und zeigte auf die Porträts des jungen, glattrasierten und gutaussehenden Komponisten. Tatsächlich, Megan hatte recht, musste sich Tina nun eingestehen. Die Ähnlichkeit der Jugendbilder auf dem Display mit der Büste des schönen Unbekannten auf dem Regal war unverkennbar.

„Hm. Ich seh’ schon, was du meinst. Ein richtig sensibler junger Mann. Aber was für Geheimratsecken! Sieht ja richtig elegant aus mit der Fliege und dem Jackett.“

Megan gab eine neue Suche ein: ‚Brahms in 3D‘. Online war sie in ihrem Element. Es war ein großer Irrtum, zu glauben, dass sie als Forscherin und Gelehrte nur in altgedienten Universitätsbibliotheken zwischen Stößen staubiger Folianten glücklich wäre. Ganz im Gegenteil, der Zeit voraus musste frau sein! Was die neuen Technologien hervorbrachten, war oft brillant, fand sie, zum Beispiel das, worauf sie jetzt zeigte.

„Da. Der junge Brahms in Farbe. Diese empfindsamen blauen Augen, das dunkelblonde Haar! Und jetzt sieh dir das an.“ Sie hatte ein dreidimensional digitalisiertes Porträtvideo aufgerufen. Es vollführte eine langsame und vollständige Drehung von einer Seite des Profils zur anderen und wieder zurück zur Frontalansicht des naturgetreu, wie lebendig wirkenden, digital nachgebildeten Gesichts des jungen Johannes Brahms. Es sah eins zu eins wie die Bronzebüste aus.

„Verblüffend, nicht wahr? Diese Animation ist das Werk des iranischen Medienkünstlers Hadi Karimi. Er hat solche dreidimensional animierten Porträts von vielen Komponisten des neunzehnten Jahrhunderts gemacht, auch von Clara Schumann, sieh mal …“

„Oh, genial, ein Feminist!“, warf Tina ein, in der Hoffnung die Bilderschau sei damit zu Ende, aber Megan ging ausnahmsweise mal nicht sofort auf ihr zweites Lieblingsthema – die Emanzipation der Frau im Lauf der Kunstgeschichte – ein und war stattdessen mit einem Wisch schon beim nächsten Konterfei des Komponisten.

„… und schau dir mal dieses Porträt hier an und vergleiche den Gesichtsausdruck mit der Bronzebüste hier“, fuhr Megan fort, jetzt in genau jenem wissenschaftlichen Beweisführungsmodus, der ihr ein Leben lang die größten Erfolge in der akademischen Welt gesichert hatte. „Schau dir dieses Schwarz-Weiß-Foto an, Johannes Brahms im Alter von zwanzig Jahren! Wobei er da eher aussieht wie fünfzehn und mitten in der Pubertät. Und dann dieses hier, Anfang dreißig, mit langem Haar. Siehst du diesen typischen, verträumtem Blick?“

„Ach, der ist ja wirklich zum Verlieben.“ Tina tat so, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. Es war ihr auch danach. Von ihr aus konnte das gerne der junge Brahms sein, oder sonst wer, rasiert oder nicht, schwarz-weiß oder bunt, aus Bronze, Marmor, Gips oder Plexiglas. Hauptsache sie kamen heute noch nach Hause! Mindestens drei Stunden Autofahrt von Austin nach Dallas lagen vor ihnen, eher mehr noch, denn es war Montag, viel Verkehr. Aber Megan peilte gerade ein ganz anderes Ziel an.

„Ab jetzt kein Wort mehr von Brahms, Tina. Ich will diese Bronzebüste haben und das möglichst günstig. Ich glaube, der Besitzer ahnt nicht, was er hier stehen hat.“ Das leuchtete Tina ein, also machten sich die beiden mit dem „recht hübschen, aber durch die Jahre etwas ramponierten Ding“ auf zur Kasse und begannen dabei eine laute Unterhaltung, wie zwei Schwestern, die sich öfter mal uneins waren. Das fiel ihnen gar nicht schwer.

„Also, ich begreife überhaupt nicht, warum du dieses alte, verbeulte Metalldingsbums haben willst“, sagte Tina laut, mit gespielt vorwurfsvollem Ton.

„Nun lass mich doch, Tina, es spricht mich eben irgendwie an, ich weiß selbst nicht warum“, antwortete Megan mit ebenso gespielter sanftmütiger Ahnungslosigkeit und stellte die Büste sachte auf den Verkaufstresen. Der Antiquar legte seine Zeitung beiseite und grinste sie erwartungsvoll an.

„Soso, diese alte Bronzebüste spricht Sie also an?“, brummte er hoffnungsfroh.

„Ja, irgendwie schon. Ich darf wohl nicht annehmen, dass Sie wissen, wer das gewesen sein soll, oder? Dann hätten Sie es wohl angeschrieben?“

„Nein, da gab es leider gar keinen brauchbaren Hinweis. Dieses Exponat kam mit einem Haufen anderen Zeugs aus dem Nachlass einer Bewohnerin der Nachbarschaft. Die Enkelin hat die Sachen zu mir gebracht“, erklärte er, „aber eines ist schon klar, der junge Mann hier muss immerhin wichtig genug gewesen sein, dass eine Bronzebüste von ihm angefertigt wurde.“

„Oder er war ein eitler Geck, der sich ein solches ‚Bronze-Selfie‘ leisten konnte“, sagte Tina geringschätzig.

„Was verlangen Sie dafür?“, fragte Megan, bereit, auf Teufel komm raus zu verhandeln, ebenfalls etwas, das sie gerne tat und wobei sie oft gewann. Ihre kleine, aber feine private Kunstsammlung zu Hause war dafür der schlagende Beweis.

„Nun, ich denke, die Büste könnte einen Prominenten darstellen,“ argumentierte er, „vielleicht wurde aus dem jungen Mann ein texanischer Senator. Oder ein prominenter Richter der damaligen Zeit. Könnte durchaus wertvoll sein.“

„Dass ich nicht lache! Vielleicht der Erbe einer längst vergessenen Öldynastie? Ich bitte Sie!“, kicherte Tina. „Das hätte Ihnen die Enkelin doch sicher verraten, wenn die Großmama prominent verheiratet oder verschwägert gewesen wäre.“

„Stimmt auch wieder. Ich habe natürlich nachgeforscht. Aber es war in ganz Texas kein Hinweis auf eine Persönlichkeit aus der Whalley-Familie zu finden – so hießen sie nämlich.“

„Dann ist es also schlicht und einfach die ziemlich ramponierte Büste eines unbedeutenden Anonymus“, sagte Megan mit bedauernder Unschuldsmiene.

„Nun, ja, wenn Sie es so formulieren wollen“, antwortete der Antiquar verunsichert.

„Ach! Es ist nämlich so, wissen Sie“, startete Megan nun ihre Charme-Offensive mit einem melancholischen Seufzer und lächelte zuerst den Antiquar, dann die Bronzebüste und schließlich ihre Schwester vielsagend an. „Dieses Gesicht spricht mich an, weil es mich irgendwie an unseren lieben Vater erinnert. Er sah ein wenig so aus, als er jung war.“ Tina verstand sofort, obwohl sie für diese jungen Jahre ihres Papas ganze fünfzehn Jahre zu spät auf die Welt gekommen war. Sie nickte energisch und stimmte scheinheilig ein. „Ja, ganz wie unser lieber Daddy, als er jung war!“

„Für zweihundertfünfzig Dollar können Sie die Büste haben“, knurrte der Antiquar.

„Was, so viel?“, rief Megan mit gespieltem Entsetzen und riss die Augen so weit auf, wie sie nur konnte.

„Ja, doch. Ich glaube, das ist sie wert.“ Der Antiquar war noch nicht weichgeklopft. Aber Megan hatte noch ein Ass im Ärmel.

„Meine Güte, wie schade.“ Megan senkte ihren Blick und das sonst so selbstsichere Funkeln in ihren Augen schien sich augenblicklich in eine dicke Krokodilsträne zu verwandeln. „Mit meiner kleinen Rente könnte ich dafür doch allerhöchstens zweihundert aufbringen.“

Es folgte ein weiterer Seufzer und dann eine lange Pause. Schließlich resignierte der Antiquar.

„Beim Barte des Propheten. Na gut. Zweihundert.“

Megan hüllte sich in dankbares Schweigen, aber innerlich tat sie einen Sprung. Ha! Sie hatte gewonnen, und überzeugend auch noch, denn er setzte fast mitleidig nach: „Dann werde ich das gute Stück auch gerne für Sie einpacken.“ Er holte einen leeren Pappkarton unter dem Ladentisch hervor, stopfte die Ecken mit zerknülltem Zeitungspapier aus und stellte die Büste hinein.

„Oh, das ist aber wirklich ganz reizend von Ihnen!“, lobte Megan, sichtlich gerührt von so viel Liebenswürdigkeit, und reichte ihm ihre Kreditkarte.

Tina nahm den Karton und konnte es kaum erwarten, das Geschäft nach all dem Theater zu verlassen und ihrer klugen, älteren Schwester zu dem kunsthistorisch einmaligen Schnäppchen zu gratulieren.

„Glückwunsch, big Sis! Nicht umsonst sind wir zwei halbe Italienerinnen“, sagte sie augenzwinkernd zu Megan, als sie mit dem Pappkarton in den Armen draußen auf dem Bürgersteig auf ihren auffälligen weißen Chevrolet-Truck mit der Aufschrift T. Crespi Vets & Pets zusteuerte.

„Und nicht umsonst sind wir auf der anderen Seite schottisch-irischer Abstammung, sonst hätte ich beim Feilschen niemals das Pokerface aufbehalten können“, prustete Megan nicht minder fröhlich.

Tinas weißer Chevy Pick Up Truck fiel weniger wegen des Vets & Pets-Schriftzugs auf, sondern vielmehr deshalb, weil er, mit großen braunen Flecken bemalt, an ein kraftstrotzendes Rindvieh erinnerte. Dieser Eindruck wurde noch verstärkt durch ein Paar echte, riesige Texas Longhorns, die sie über dem Kühler montiert hatte. Sie war eben im Herzen ein Cowgirl, buchstäblich made in Texas – während ihre große Schwester noch in Europa gezeugt worden war, auf der Insel Ibiza. Dort hatten ihre Eltern in den 1930er Jahren geheiratet, bevor sie Franco und Mussolini gegen das sichere Amerika eintauschten, um aus ihrem Töchterchen Megan im Schnellverfahren mittels Geburt eine US-Staatsbürgerin zu machen.

Die praktisch veranlagte Tina war im Begriff, das eben erstandene Schnäppchen ihrer Schwester hinter dem Beifahrersitz zu verstauen und zeigte sich dabei überrascht, dass „dieses Bronzedingsbums“ so viel leichter war, als es aussah. Wenn man es nicht festband, würde es während der Fahrt womöglich hin- und herschlingern, so leicht wie es war. Gott behüte, der schöne Bursche könnte bei ihrem dynamischen Fahrstil noch mehr Dellen abbekommen als er ohnehin schon hatte.

„Hätte nicht gedacht, dass das Ding so wenig Gewicht hat“, murmelte Tina.

„Was? Wie meinst du das? Lass mich mal ran.“ Megan zwängte sich mit plötzlicher Ungeduld an ihrer Schwester vorbei, holte die Büste vorsichtig aus dem provisorischen Pappbehältnis und hob sie ohne jede Anstrengung in die Höhe. Sie wollte das Objekt ihrer Begierde jetzt gleich ein wenig genauer untersuchen.

„Na ist doch ganz klar, der Kopf ist natürlich innen ganz hohl. Siehst du?“ Megan fuhr mit der rechten Hand von unten durch den Hals in das staubige Innere der Büste und tastete sich mit den Fingern hoch bis zur Nasenhöhle. Nicht anders hätte sie es im Hörsaal ihren jährlich vierhundert Kunstgeschichte-Anfängern vorgeführt, und danach das Objekt im Kreis herumgereicht, damit jeder, der wollte, sich selbst davon überzeugen konnte. Quod erat demonstrandum!

Mit der rechten Hand immer noch tief im Schädel des jungen Brahms setzte Megan gerade an, Tina über die unterschiedlichen Bronzegussverfahren aufzuklären. Aber gerade als sie mit dem Zeigefinger in eines der hohlen Nasenlöcher eindrang, löste sich dort etwas und fiel mit einem leisen Klirren aus der perfekt geformten Nase des Bronze-Brahms auf den Bürgersteig.

Megan kniff die Augen zusammen und sah hin. Mitte Neunzehntes Jahrhundert, vielleicht Leipzig oder Wien, wummerte es im routinierten, sachverständigen Kopf der Kunstdetektivin Megan Crespi, noch bevor Tina sich hilfsbereit bückte, um das rätselhafte Ding für ihre ältere Schwester aufzuheben.

Es war ein zierlicher, alter Messingschlüssel mit einem elegant geschwungenen Bart.

2

Hoch über der schönen blauen Donau, nahe der bayerischen Stadt Regensburg, erhebt sich in Gestalt eines Säulentempels leuchtend weiß die Walhalla. In dieser Kultstätte zu Ehren historisch bedeutender Menschen sind nahezu alle großen deutschen Männer in Form von Büsten verewigt, doch einer fehlte lange Zeit. Erst im Jahr 2001 wurde dort eine Büste des Hamburger Komponisten Johannes Brahms aufgestellt. Die beiden anderen „großen Bs der Musik“, Johann Sebastian Bach und Ludwig van Beethoven, hatten längst ihren Platz in dem neoklassizistischen Heiligtum erobert. Doch Brahms war nicht die einzige Künstlerpersönlichkeit, die lang vergeblich warten musste. Eine berühmte Deutsche und Verehrerin von Brahms, die Bildhauerin und Malerin Käthe Kollwitz, musste sich bis 2019 gedulden. Frauen blieben bis in die Gegenwart Mangelware in dieser Skulpturensammlung der Deutschen.

Schöpfer der Brahms-Büste aus Marmor war der gefeierte italienische Künstler Mario Intagliatore, der seit langem in Hamburg lebte. Doch vom Moment der Enthüllung an erregte das Werk Empörung und Missfallen.

„Das soll unser Brahms sein?“, fragten Publikum und Medien.

„Diese Marmorbüste sieht doch überhaupt nicht aus wie Brahms!“, lauteten schon die ersten Beschwerden. Aber warum? Ganz einfach: Der Bart fehlte. Den Leuten war nicht beizubringen, dass Brahms’ allseits bekannter Rauschebart erst im Alter von dreiundvierzig Jahren, also in Wien, jenes Volumen erreichte, das bis in die Gegenwart im Bewusstsein der kollektiven Erinnerung verankert blieb.

„Aber unser Brahms“, so beschwerte sich das deutsche Publikum weiter, „ist ein stattlicher, etwas untersetzter, älterer Herr mit einem mächtigen weißen Bart, das ist der Brahms an den wir uns erinnern wollen! Nicht dieser glattrasierte Jemand, der da oben neben Kaiser Wilhelm an der rosafarbenen Basaltwand befestigt wurde.“

Mit einer Protestnote der besonderen Art wollte sich kurz nach der Enthüllung ein verwegener Besucher selbst verewigen. Er ließ sich über Nacht unbemerkt in dem Gebäude einschließen und ging ans Werk, denn alle sollten „es“ am nächsten Tag sehen. Doch erst gegen Mittag machte ein Tourist die Museumswärter auf den merkwürdigen Anblick aufmerksam, der bis dahin niemandem aufgefallen war. Über Nacht war der glattrasierten Brahms-Büste von Mario Intagliatore ein pompöser, am Ende leicht gezwirbelter Schnauzer und an Kinn und Backen ein wallender weißer Bart gewachsen. Der handwerklich begabte anonyme Aktionist hatte einen kunstvoll aus Stroh gefertigten, dann weiß besprühten Bart mit Epoxidharz an die Büste geklebt. Selbst aus der Nähe wirkte das so natürlich und angenehm vertraut, dass es einen ganzen Vormittag lang niemandem auffiel.

Prompt wurde dem geheimen Bart-Künstler in der lokalen Presse Lob zuteil: Er habe der Öffentlichkeit den ‚echten‘ Brahms zurückgegeben. Auf bestimmten Social-Media-Seiten hingegen kam wieder die alte These auf, wonach der Komponist ein „neurotisches Bedürfnis nach einer Maskierung“ gehabt habe, das ihm nun erfüllt worden sei.

3

„Sag mal, Megan, da wir deinen jungen Brahms nun mal in Austin gefunden haben, könnte es nicht sein, dass diese Büste ein Werk von Elisabet Ney ist?“, fragte Tina, als sie von der texanischen Hauptstadt Richtung Dallas nach Hause zurückfuhren. Es war zwar nicht ihr Metier, aber der Besuch am Vortag in der Villa Formosa und dann die Entdeckung des jungen Brahms in Bronze im Anitquitätenladen hatten ihre Neugierde geweckt. Vor Megans Vortrag gestern hatten die beiden auf Einladung der Museumsdirekorin Dr.Jacquelyn McDonald das Elisabet-Ney-Museum besucht, ein klassizistisch-deutsches Schlösschen mit einem zweistöckigen, zinnenbewehrten quadratischen Turm, das ehemalige Wohnhaus und Atelier der Bildhauerin. Bei der Privatführung mit der engagierten Direktorin hatten Megan und Tina dort eine märchenhafte Ansammlung von Gipsbüsten und lebensgroßen Statuen bestaunt, die sowohl aus Neys europäischer Zeit als auch aus ihrem amerikanischen Oeuvre stammten.

Megan musste über die plötzlich aufflammende Begeisterung ihrer Schwester lachen:

„Nichts ist unmöglich, aber zunächst einmal wird Ney in keiner Brahms-Biografie erwähnt und umgekehrt kommt auch er in keiner Ney-Biografie vor. In ihrem Werkverzeichnis ist keine Brahms-Büste katalogisiert. Das wurde aber von Anfang an penibel geführt, nachdem sie mit ihrem umwerfend gutaussehenden Ehemann Edmund Montgomery nach Amerika kam, um hier zu leben und zu arbeiten.“

„Wann war das denn?“

„Zu Beginn des Jahres 1871. Mitten im französisch-preußischen Krieg, der halb Europa verwüstete. Zuerst kamen sie nach Georgia, wo sie Freunde hatten, dann kurz nach Minnesota …“

„Oh, dort bist ja du zur Welt gekommen!“ unterbrach Tina mit einem liebevollen Seitenblick in Richtung Beifahrersitz. Diesen Teil ihrer Familiengeschichte, nämlich die Ankunft des jungen Ehepaars Crespi bei den Großeltern mütterlicherseits in Minnesota hatte sie, die in Dallas geborene viel jüngere Schwester, immer nur vom Hörensagen gekannt.

„… und dann übersiedelten die Neys dauerhaft in die texanische Hauptstadt Austin. Du hast recht, sie sind genauso wie unsere Eltern vor den eisigen Wintern Minnesotas geflüchtet und in den heißen Süden Amerikas aufgebrochen, direttissima nach Texas, wo der Sommer heutzutage ohne Klimaanlage überhaupt nicht mehr zu ertragen ist. Und dort, in Dallas, kamst du zur Welt.“ Megan erinnerte sich noch gut daran, wie sie in den Ferien manchmal Baby Tina im Kinderwagen umhergeschoben hatte.

„Eine überraschende Parallele. Aber, Megan, was spricht sonst noch dagegen, dass die Ney von Brahms eine Büste gemacht haben könnte? Nämlich diese?“, fragte Tina beharrlich weiter und deutete mit dem Kopf nach hinten, wo sie das gute Stück in Sicherheit hoffte.

„Nun, es gibt keinerlei Aufzeichnungen darüber, dass Brahms jemals für Ney Modell gesessen hätte. Und dabei saßen einige sehr prominente Männer für sie Modell: Jacob Grimm, der Märchensammler zum Beispiel. Auch der Philosoph und Frauenfeind Arthur Schopenhauer – selbst ihn brachte sie dazu, für sie zu posieren. Dann den in jungen Jahren erblindeten König Georg V. von Hannover. Und Giuseppe Garibaldi, der Freiheitskämpfer und Einiger Italiens, lud sie in seinen Heimatort ein …“

„Ach, deshalb bist du also damals auf die Insel Caprera gefahren?“

„Ja. Ich wollte Neys kühne Seereise von Sardinien aus nachvollziehen, die sie nur machte, um von ihm eine Marmorbüste machen zu können. Du weißt ja, dass er die halbe Insel gekauft und dort ein prachtvolles Haus gebaut hat, La Casa Bianca, heute ein Museum.“

„Und du hast dort natürlich alles fotografiert.“

„Natürlich“, sagte Megan ein wenig ungeduldig, denn sie hatte gerade weit ausholen wollen mit ihrer kunsthistorischen Antithese, warum die Fakten gegen Ney als Bildhauerin einer Brahms-Büste sprachen. Doch Tina wollte das Gespräch wieder auf ihre eigene Familiengeschichte lenken und sagte scherzend:

„Nicht umsonst war unser Papa ein Fotograf.“

„Ja, Tina. Aber lenk jetzt nicht ab, ich erzähle dir doch gerade, wen diese großartige Bildhauerin damals alles modelliert hat“, sagte Megan und fuhr unbeirrt mit ihrer Aufzählung fort. „In Deutschland war sie unglaublich gut im Geschäft: Sie schuf ein beeindruckendes Denkmal für den Eisernen Kanzler von Deutschland, Otto von Bismarck, dann eine lebensgroße Statue des verrückten Königs Ludwig II. von Bayern, aber auch ein Medaillon von Cosima Liszt von Bülow, die später den armen Hans fallen ließ, um Richard Wagner zu heiraten …“

„Genug! Genug!“, lachte Tina. „Wie soll ich mir das alles merken und gleichzeitig lenken!“

Sie fuhren weiter in Tinas braungeflecktem Longhorn-Chevy ohne etwas zu sagen, und Tina war froh darüber, denn sie musste sich im dichten Straßenverkehr der texanischen Hauptstadt darauf konzentrieren, den Baustellen auszuweichen und über eine Umleitung aus dem Zentrum zur richtigen Abzweigung der Interstate 35 zu finden, die sie dann geradeaus Richtung Norden nach Dallas bringen würde. Natürlich gab es einen Stau vor der Autobahnauffahrt. Megan schien das alles gar nicht zu bemerken, doch dann schrak sie plötzlich aus ihren Gedanken auf.

„Tina! Mir ist gerade etwas eingefallen! Als Elisabet Ney noch in Hannover im königlichen Auftrag mit ihrer Statue von Georg V. beschäftigt war, beauftragte dieser sie auch mit einer Büste des Geigenvirtuosen und Konzertmeisters seiner Hofkapelle, und das war Joseph Joachim. Der beste Freund von Brahms! Joachim und seine Frau, die berühmte Sängerin Amalie Weiss, wurden dann beide in Marmor von Ney porträtiert. Wir haben ihre Büsten gestern im Ney-Museum betrachtet, denn sie hat die Gipsabgüsse dieser beiden Werke gleich nach Amerika mitgenommen.“

„Na, da haben wir ja eine Verbindung. Oder nicht?“

„Lass mich ein paar Jahreszahlen nachsehen“, sagte Megan und nahm ihr iPhone, um ein paar Suchworte einzugeben.

„Hm. Nein, das wäre doch zu einfach gewesen. Warte mal, die Jahre 1859 und 1860, als Ney in Hannover mit der Anfertigung dieser zwei Büsten beschäftigt war, lass mich mal sehen.“

Herrjemine, Megan und ihre Jahreszahlen, dachte Tina, ließ sich aber nichts anmerken.

„Wusstest du, dass Ney und Brahms im selben Alter waren?“, fragte Megan, gerade als es die Abfahrt zur Interstate 35 hochging.

„Selbstverständlich“, murmelte Tina und versuchte auf die rechte Fahrspur zurückzuwechseln, um rechtzeitig abzubiegen. Megan war in ihre Recherche vertieft und bemerkte rein gar nichts von dem Verkehrschaos, das sie bald auf den achtspurigen Highway nach Dallas führen sollte.

„Da hab’ ich es, meine Notizen zu der Brahms-Biografie von Jan Swafford“, sagte sie, just als Tina wieder freie Fahrt hatte. „Ich halte ihn wirklich für den besten modernen Brahms-Biografen.“

Tina sagte nichts, denn sie wusste, was nun kommen würde. Weitere Jahreszahlen und noch mehr Namen, von denen nie ein Mensch zuvor gehört hatte. Denn Megan war im Begriff, einen wissenschaftlich fundierten Zusammenhang herzustellen.

„Sieh an!“, sagte sie mit der Nase fast am Display ihres iPhones, „Am achten Januar 1859 bereitete sich der fünfundzwanzigjährige Brahms in Hannover auf die Uraufführung seines ersten Klavierkonzerts vor. Es beginnt mit einem unheilvollen D in den Hörnern und tiefen Streichern und rund fünfzig stürmischen Paukenwirbeln“, las Megan aus ihren Notizen.

„Und?“ Der Zusammenhang erschloss sich Tina nicht. Was sollte nun das erste Klavierkonzert und seine weiß Gott wie vielen Paukenwirbel mit der Büste zu tun haben?

„Und … Und alle drei waren zur selben Zeit in Hannover! Brahms, Joachim und Ney! Es könnte wirklich sein, dass Joachim nicht nur sich selbst und seine Amalie, sondern auch seinen Freund Brahms … von Ney verewigen ließ.“

„Das ist doch super!“, rief Tina. Hatte sie nicht gleich gesagt, dass die eben erstandene Brahms-Büste ein frühes Werk von Elisabet Ney sein könnte? Eben der rasierte, junge, schlanke Brahms, nicht der bärtige, ältere, etwas rundliche?

„Aber dafür brauchen wir einen Beweis.“ Das war Megan, die Forscherin, die alles wissenschaftlich belegt haben wollte. Tina fuhr nun mit gemäßigten 80km/h die schnurgerade Interstate nach Norden und fühlte sich auf der altbekannten Strecke mitten durch die weiten Ebenen der Prärie wieder etwas entspannter.

„Aber wenn man bedenkt, wie akribisch jedes Detail in den Biografien von Ney und Brahms geschildert wurde, warum wurde dann nie erwähnt, dass es eine Brahms-Büste gibt?“ Megans Frage war mehr an sie selbst gerichtet als an Tina, aber die hatte ihr Interesse an dem Thema noch nicht verloren.

„Also glaubst du doch nicht daran, dass deine neue alte Brahms-Büste eine echte Ney sein könnte?“

„Das werden wir ja sehen! Ausgeschlossen ist gar nichts. Es trifft sich gut, dass ich ab übermorgen für ein paar Tage in Deutschland bin, dort kann ich der Sache genauer nachgehen.“

Megan war zu einer Vortragsreise eingeladen. In Hamburg sollte sie anlässlich eines dortigen Brahms-Festivals einen Vortrag über dessen eigene kleine Kunstsammlung halten, mit der er seine Wiener Wohnung geschmückt hatte. In Wien war sie zwei Tage später eingeladen, um im Leopold Museum über Gustav Klimt und seine Beziehung zur Musik zu sprechen. Das Fachübergreifende war ihr Metier – die Beziehung zwischen bildender Kunst und Musik, die Wirkung der unterschiedlichen Kunstformen aufeinander und die Beziehungen zwischen den Künstlern.

„Und was ist mit dem Schlüssel, der aus der Büste gefallen ist? Willst du ihn mitnehmen?“

Megan warf ihrer Schwester einen genervten, aber liebevollen Blick zu.

„Natürlich nehme ich ihn mit, Dummchen.“

4

Edgar Wittgenstein war überglücklich. Der schlanke, hochgewachsene Mittfünfziger mit dem auffallend lockigen, schwungvoll zurückgekämmten, dunklen Haar und den stets prüfend hochgehobenen Augenbrauen saß mit selig geschlossenen Augen ganz vorne in der Parterre-Loge des Großen ‚Goldenen‘ Saals seines Hauses und lauschte. Es war der erste Abend einer Konzertreihe, die er, der vielseitig begabte, langjährige Generaldirektor des Wiener Musikvereins, der ehrwürdigen Heimat der berühmten Wiener Philharmoniker, ins Rollen gebracht hatte. Unter dem Titel Bruckner und Brahms: B hoch 2 würde die ganze Woche hindurch jeden zweiten Abend ein Konzert stattfinden, das diesem Titel alle Ehre machte. Heute – Montag – das Auftaktkonzert, dann wieder Mittwoch, Freitag, und als Höhepunkt das Abschlusskonzert der neuen Reihe am kommenden Sonntag, unmittelbar danach ein exklusiver Künstlerempfang im elegantesten der modernen, unterirdischen Säle des Musikvereins.

An jedem der vier Konzertabende sollte die neue, junge Abonnementdirigentin der Wiener Philharmoniker, Maestra Agatha Endlich, die Kombination von je einer Sinfonie der beiden Zeitgenossen, des Linzers Anton Bruckner und des norddeutschen Wahlwieners Johannes Brahms dirigieren. Diese ungewöhnliche Paarung war im Grunde Edgars neuester kreativer Wurf gewesen und seine Idee war von Maestra Endlich begeistert aufgenommen worden. Ihr wiederum war es gelungen, den sonst so reservierten Orchestervorstand für die unkonventionelle Idee zu begeistern. Ausgerechnet Bruckner und Brahms? Kann man ein derartiges Mammutprogramm dem Wiener Publikum zumuten? Ja, warum denn nicht! Aber wie passt das zusammen? Keine Sorge, Agatha würde das buchstäblich spielend hinkriegen. Und tatsächlich kam bei niemandem innerhalb des Musikvereins Zweifel auf.

Die charismatische Brünette war eine brillante Musikerin, in jeder Hinsicht eine Naturbegabung. Sie hielt mühelos mit den berühmten internationalen Stammdirigenten der Wiener Philharmoniker mit, die bisher ausnahmslos alle dem männlichen Geschlecht angehört hatten. Ja, in ihrer jetzigen, prominenten Rolle stellte sie sogar eine gewisse Herausforderung für die männlich dominierte Dirigentenszene dar, aber das tat dem ganzen keinen Abbruch, dachte Edgar. Ganz im Gegenteil: Die Wiener Philharmoniker erstmals mit einer Frau am Pult der Abonnementkonzerte, das war eine internationale Sensation.

Agatha hatte Edgars Vorschlag gefallen, jeweils zuerst die Bruckner-Sinfonie und nach der Pause die Brahms-Sinfonie aufzuführen und daraus eine ganze Konzertreihe zu machen. Sie war auch ganz einer Meinung mit ihm, dass für die Kombination mit den vier Brahms-Sinfonien nur Bruckners Erste, Vierte, Achte und Neunte in Frage kamen. Die für ihren Eigenwillen bekannten Wiener Philharmoniker spielten ganz offensichtlich gerne mit und so hatte es sich Edgar nicht nehmen lassen, dem Eröffnungskonzert beizuwohnen und der Dirigentin und ihrem Orchester die Ehre zu erweisen.

Und nun, da das Konzert vor der Pause fast zu Ende war, erklang der letzte Satz von Bruckners grandioser Ersten Sinfonie in voller Pracht im Goldenen Saal des Musikvereins, mit der begnadeten Maestra Endlich am Pult. Bruckners Erste hatte er schon viele Male gehört, und sie erinnerte ihn immer eindrucksvoll daran, dass dieser ursprünglich Kirchenorganist gewesen war, da er in seinem letzten Satz parallel zu den üppig orchestrierten Themen einen fast fühlbaren „Pedal“-Kontrapunkt auskomponierte. Der ewig verunsicherte Bruckner hatte diese Sinfonie wie fast alle anderen später noch einmal überabeitet, ein endloses Tüfteln, dachte Edgar, ähnlich wie bei Brahms’ Erster Sinfonie, die ebenfalls so lange auf ihre Vollendung hatte warten müssen. Brahms selbst hatte eingestanden, dass er für seine Erste ganze einundzwanzig Jahre gebraucht hatte. Die Tüftelei führte allerdings zu jeweils ganz anderen Ergebnissen, fand Edgar, der es liebte, große Werke zu vergleichen und sich in die Seelen der Komponisten zu versetzen. Er freute sich schon auf den Vergleich mit dem Schlusssatz von Brahms’ Erster Sinfonie, die nach der Pause beginnen würde.

Dieser bot zwei ganz anders geartete, zartere Leckerbissen als das üppige Finale von Bruckner: den Hornruf eines einsamen Almhirten und dann das mächtige Finale mit seiner eindeutig heroisch angelegten, mitreißenden Melodie, die gewissermaßen zum Singen aufforderte. Kein Wunder, dass Brahms’ Erste oft wohlwollend als Beethovens Zehnte bezeichnet wurde.

5

Das sonnige Wohnzimmer der geräumigen, zweigeschossigen Wohnung des Bildhauers Mario Intagliatore in der schmalen Hamburger Zufallstraße bot einen direkten Blick auf die Architektur der erst kürzlich eröffneten, geschwungenen, weißen Treppen der neuen Elbpromenade. Intagliatore, gerade von einer Italienreise zurückgekehrt, wo er einen Marmorblock für sein neuestes Werk ausgesucht hatte, überflog kopfschüttelnd die Zeitungen, die ihm seine langjährige, treusorgende Haushälterin, Frau Salem, bereitgelegt hatte. Wieder einmal war seine Walhalla-Brahms-Büste, die nun schon seit mehr als zwanzig Jahren auf ihrem Platz ruhte, auf witzige, aktionistische Weise in die Kritik geraten. Offenbar hatte ein übereifriger Besucher das bartlose Antlitz ‚korrigiert‘, indem er dem Komponisten heimlich einen Rauschebart aus dem Kostümbedarf ans Kinn geschnallt hatte.

Der weißhaarige Bildhauer, selbst ein Bartträger – seiner war im Gegensatz zu seiner Kopfbehaarung schwarz –, blickte von seiner Zeitung auf. Sein Blick fiel auf die Bilder an der Wand seines Wohnzimmers: großformatige, gerahmte Fotografien des jung wirkenden Brahms ohne Bart. Das glattrasierte, junge Gesicht des Komponisten wirkte wunderschön und sensibel auf Intagliatore und genau das wollte er in seiner neuen Büste des großen Komponisten ganz besonders zum Ausdruck bringen. Seltsam, dachte er, wie unwillig die Menschen ihre vorgefassten Haltungen aufgaben, auch wenn sie falsch waren, und lieber ihrem Ärger freien Lauf ließen.

Vielleicht würde er Gelegenheit haben, dieses Thema am kommenden Mittwoch beim Brahms-Symposium an der Universität Hamburg anzusprechen. Er würde dort seine neueste Gipsbüste von Brahms als Leihgabe präsentieren. Es wäre interessant, die Meinung einer ganz bestimmten Co-Referentin zu dem jüngsten Vandalismus an seinem Werk in Walhalla zu erfahren. Der Vortrag der amerikanischen Kunst- und Musikhistorikerin mit dem faszinierenden Titel „Der visuelle Brahms: Idole und Bilder“ würde doch wohl hoffentlich auch sein Werk positiv berücksichtigen. Außerdem hatte sie eine interessante Ikonografie über den Wandel des Beethoven-Bildes im Laufe eines Jahrhunderts geschrieben und auch darin war ein bemerkenswertes Kapitel Brahms gewidmet. Interessant, dass eine Amerikanerin italienischer Abstammung eine derartige Kenntnis der deutschen Kunst und Kultur besaß, dachte er. Ja, er würde sie ganz bestimmt ansprechen.

Aber jetzt war es an der Zeit, seine neueste Erwerbung, eine ganz erstaunliche pneumatische Punktiermaschine, in sein Kellerstudio zu bringen. Er hatte sie bei seiner Reise in Carrara gekauft und gleich mitgebracht. Mit seinen vierundsechzig Jahren war er ein schlanker und sportlich trainierter Junggeselle geblieben, der stets an die traditionelle manuelle Steinbearbeitung geglaubt hatte. Und obwohl er sich vierzig erfolgreiche Arbeitsjahre lang gegen die Pneumatik gesträubt hatte, war ihm das neue Gerät in dem kleinen italienischen Städtchen, das für seinen hochwertigen Marmor und seine engagierten Steinmetze berühmt war, beim erstmaligen Probieren vor Ort so sympathisch und handlich erschienen, dass er es sofort spontan gekauft hatte. Die Präzision, die Geschwindigkeit und auch das geringe Gewicht der kompakten Hochleistungsmaschine hatten ihn augenblicklich überzeugt.

Seit jeher war es Intagliatores Arbeitsmethode gewesen, den jeweiligen Marmorblock zuerst von seinen Steinmetzen mit Hammer und Meißel vorbereiten zu lassen und dabei die Dimensionen mit einem Messschieber zu bestimmen. Aber nach diesem ersten Schritt war er es immer selbst, der nach der mechanischen Punktiermaschine griff, die jede seiner Markierungen von einem zuvor sorgfältig hergestellten Tonmodell auf die Konturen der Gipsbüste des Dargestellten übertrug. Im nächsten Schritt wurden die Linien und Dimensionen am Gipsmodell Punkt für Punkt abgearbeitet und dann auf die entsprechenden Positionen des Marmorblocks übertragen. Hunderte Male musste der Vorgang wiederholt werden, bis die Gesamtform präzise vorlag und Intagliatore die Details von Hand ausarbeiten konnte. Doch die erstaunliche neue Maschine mit pneumatischem Antrieb konnte alle Markierungen gleichzeitig übertragen!

Intagliatore konnte es kaum erwarten, es auszuprobieren. Der Marmorblock, den er in Carrara bestellt hatte, würde zwar erst in zwei Wochen eintreffen. Aber in seinem geräumigen Kelleratelier wartete schon das bereits fertiggestellte Gipsmodell. Die neue Brahms-Büste war von einem geheimnisvollen anonymen Kunden in Auftrag gegeben worden, der das ganze Geschäft mitsamt allen Details online über einen Mittelsmann abwickeln wollte, und das war Intagliatore nur recht gewesen. Das Werk wurde bereits in bar und im Voraus bezahlt, einschließlich des Marmors und der Spedition. Nach Eintreffen des Betrags auf seinem Konto hatte Intagliatore mit dem Entwurf nach Porträtfotografien begonnen. Es waren Fotografien, die denen von Johannes Brahms in seinem Frühstückszimmer frappierend ähnelten. Mit einem gravierenden Unterschied: Es war ein Brahms mit Bart, den der geheimnisvolle Kunde haben wollte.

6

Zur Jahrhundertwende vom 19. zum 20.Jahrhundert zählte die Familie Wittgenstein zu den Repräsentanten des assimilierten jüdischen Bürgertums und galt als eine der wohlhabendsten in Europa, was bedeutete, dass sie mit Vorurteilen zu kämpfen hatte. Der Patriarch Karl Wittgenstein war ein Stahlmagnat, der sich hochgearbeitet hatte und auch als Kunstmäzen erfolgreich war. Seine Frau Leopoldine schenkte ihm neun Kinder. Die beiden jüngsten errangen Weltruhm. Der Zweitjüngste, Paul Wittgenstein, verlor im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm und wurde trotzdem ein gefeierter Konzertpianist. Die größten Komponisten seiner Zeit schrieben für ihn Klavierkonzerte für die linke Hand, darunter Maurice Ravel, Richard Strauss, Sergej Prokofjew, Paul Hindemith, Erich Korngold, Benjamin Britten.

Der jüngste Sohn, Ludwig Wittgenstein, wurde Professor für Philosophie in Cambridge, der vor allem für seinen Tractatus Logico-Philosophicus, den er teilweise in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs verfasste, weltweit bekannt und bewundert, wenn auch nicht verstanden wurde. Dieser Tractatus und seine späteren philosophischen Abhandlungen veranlassten viele, ihn für den größten Philosophen des 20.Jahrhunderts zu halten.

Das Palais Wittgenstein in der Alleegasse, der heutigen Argentinierstraße, war nur wenige hundert Schritte von der berühmten Wiener Karlskirche. Ebenfalls nur ein paar hundert Schritte weiter, befand sich das ehemalige Eckhaus Karlsgasse Nr.4. Hier wohnte Johannes Brahms die letzten vierundzwanzig Jahre seines Lebens, zuerst in einer etwas engen Zweizimmerwohnung im zweiten, dann in einer geräumigen Dreizimmer-Mietwohnung im dritten Stock. Der Blick aus seinem Musik- und Wohnzimmer bot ihm ein herrliches Panorama auf den Karlsplatz und die Karlskirche. Der Weg von Brahms’ Wohnung zum Palais Wittgenstein mit seinem legendären Musiksalon war kurz und Brahms war dort stets ein gern gesehener Gast.

Im dunkel tapezierten Musiksalon der Wittgensteins zierten Minnesänger und Ritter die beeindruckenden Wandteppiche zwischen dekorativen Paneelen aus dunklem Holz, davor stand ein Modell von Max Klingers berühmter Beethoven-Skulptur: ein weißer Marmortorso des tief in Gedanken versunkenen Komponisten, die gekreuzten Hände zu Fäusten geballt, auf den Schenkeln ruhend. Zwei Bösendorfer-Imperial-Flügel und eine zweimanualige Pedalorgel standen auf der anderen Seite. Im Laufe der Jahrzehnte besuchten zahlreiche Größen der Musikwelt den Musiksalon oder traten dort auf: Clara Schumann, Joseph Joachim, Gustav Mahler, Richard Strauss, Maurice Ravel, Arnold Schönberg, Alexander von Zemlinsky, Bruno Walter. Und natürlich Johannes Brahms, für den ein spezieller Stuhl in der Nähe des Ausgangs reserviert war, damit er unbemerkt kommen und gehen konnte, wann immer er wollte. Hier, im legendären Salon Wittgenstein, wurde auch sein Klarinettenquintett uraufgeführt.

Und von hier entkam der leidgeprüfte erstgeborene Sohn des tyrannischen Patriarchen Karl Wittgenstein. Der musikalisch-mathematisch inselbegabte Johannes „Hans“ Wittgenstein floh nach Amerika, wo sich seine Spuren im Jahre 1902 verloren, als er gerade mal vierundzwanzig Jahre alt war.

7

„Aber, Megan, warum gehört Brahms eigentlich zu den drei Bs der Musik?“, fragte Tina, als die Skyline von Dallas am Horizont auftauchte. „Zählt er dazu, weil er genauso gut war wie Bach oder Beethoven?“

„Hm. Das ist eine kolossal schwierige Frage. Wie soll ich dir das erklären … es geht nicht so sehr um das ‚genauso gut wie‘, sondern darum, dass er schon zu Lebzeiten ein überragender Meister seiner Kunst war und einzigartige Werke geschaffen hat, die über seinen Tod hinaus Bestand hatten und andere nach ihm beeinflussten. Das gilt für die drei Bs, Bach, Beethoven und Brahms. Aber es gilt genauso für einige andere große Komponisten, nur dass deren Nachnamen nicht mit „B“ beginnen und nicht alle aus Deutschland kommen“, erklärte Megan mit nachdenklicher Miene.

Tina lachte laut heraus: „Na, das ist ja kompliziert. Ich für meinen Teil weiß nur, dass Brahms ein berühmtes Wiegenlied geschrieben hat.“

„Mich beschäftigt gerade etwas anderes“, sagte Megan, die ihre Schwester nicht weiter mit tiefschürfenden musikwissenschaftlichen Überlegungen in Verlegenheit bringen wollte. „Es wäre möglich, dass unsere Brahms-Büste ursprünglich dem Ney-Museum gehörte und von dort irgendwie in das Antiquitätengeschäft in Austin kam.“

„Ach ja, und im Museum fand irgendjemand die Büste wertlos, weil sie beschädigt war, also wurde sie einfach entsorgt? Ach, komm!“ Tina kicherte.

„Nein, nein, das sicher nicht“, sagte Megan. „Aber in der Biografie las ich, dass Ney, nachdem sie schon einige Jahre in Texas lebte und in ihr Atelier in Austin übersiedelte, sich einige ihrer prominenten Werke aus ihrem Schwabinger Atelier nachschicken ließ, und es könnte doch sein, dass die Brahms-Büste eines dieser Stücke war. Die Büste könnte beim Transport beschädigt worden sein. Es wäre denkbar, dass sie sie deshalb separat aufbewahrt hat, um sie später zu reparieren und dann wurde sie vielleicht in irgendeinem Schrank einfach vergessen. Andererseits wäre es den Biografen und Kunsthistorikern nicht entgangen, wenn Ney die Büste eines so berühmten Mannes in Bronze gegossen hätte. Genauso gut könnte es sein, dass nur die Gipsvorlage verschickt wurde, und dass sie sie erst später in Texas in Bronze gegossen hat.“

„Ruf doch einfach Jacquelyn an und frag sie“, sagte Tina, praktisch veranlagt, wie sie nun mal war.

„Genau das werde ich tun.“ Megan zog ihr rotes iPhone hervor und wählte die Nummer des Ney-Museums.

„Aber wahrscheinlich ist sie montags nicht im Büro“, sagte Tina. Doch es war Jacquelyn selbst, die gleich abnahm. Megan tippte auf die Lautsprechertaste auf dem Display, damit Tina das Gespräch mithören konnte.

„Frau Professor Crespi! Was kann ich für Sie tun? Es war gestern ein Riesenvergnügen, mit Ihnen und Ihrer Schwester durch das Museum zu gehen.“

„Danke, uns hat es auch sehr gefallen. Aber nennen Sie mich doch bitte Megan. Ich bin so froh, dass ich Sie gleich erreicht habe, denn ich habe eine wichtige Frage, bei der Sie mir helfen können.“

„Gern, nur zu.“

„Es ist so, wir waren heute Vormittag noch in Austin unterwegs und kamen zufällig an einen Antiquitätenladen in der Innenstadt vorbei. Ich habe dort eine ganz außergewöhnliche Entdeckung gemacht, wie ich meine, und gleich zugeschlagen. Sie werden es mir kaum glauben, aber es handelt sich mit größter Wahrscheinlichkeit um eine Büste von Johannes Brahms! Und wir haben einen alten Schlüssel darin gefunden. Die Büste stammt offensichtlich aus seinen frühen Jahren und ist arg ramponiert, aber die Gesichtszüge sind für mich eindeutig zu erkennen. Nämlich genau so, wie wir sie von Fotos aus seinen Jugendjahren kennen, als er noch keinen Bart trug.“

„Das ist ja unglaublich!“, rief Jacquelyn.

„Ich habe sofort recherchiert und etwas herausgefunden, was noch verrückter ist. Joseph Joachim, Johannes Brahms und Elisabet Ney waren alle zur gleichen Zeit in Hannover, nämlich 1959. Das war doch jenes Jahr, als Ney in königlichem Auftrag die Büste des Hofkomponisten Joachim schuf, die sie dann im folgenden Jahr fertigstellte. Zur gleichen Zeit begann sie im Auftrag von Joachim mit der Arbeit an einer Marmorbüste seiner Frau, der Altistin Amalie Weiss, deren Fertigstellung dann allerdings noch acht Jahre dauerte. Aber Joachim könnte damals auch eine Büste von seinem bestem Freund Johannes Brahms bei Ney in Auftrag gegeben haben.“

„Ja, Joachim und Amalie. Ihr habt die beiden Büsten gestern bei unserem Museumsrundgang gesehen. Amalie muss eine beeindruckende Frau gewesen sein, sechs Kinder und ihre Karriere als Sängerin unter einen Hut zu bringen, keine einfache Sache.“

„Das sehe ich auch so. Und wussten Sie, dass Joachim sich nach einundzwanzig Jahren Ehe plötzlich von ihr scheiden ließ? Zu Brahms’ Empörung, wohlgemerkt. Und trotz allem hat sie ihre Karriere fortgesetzt. Sie tourte sogar durch Amerika.“

„Oh, das wusste ich nicht, danke für die Information! Das muss ich in die Biografie zu Amalies Büste aufnehmen.“

„Gute Idee. Aber was ich Sie eigentlich fragen wollte: Wissen Sie von einem solchen Exponat – einer Bronzebüste von Johannes Brahms – in Neys Atelier, in ihrem Haus, das nach ihrem Tod oder vielleicht später, nach dem Tod ihres Mannes, verkauft oder anderweitig weitergegeben wurde? Wäre es denkbar, dass es je ein solches Werk gegeben hat?“

„Ich bezweifle sehr, dass so etwas verloren gegangen sein könnte. Elisabeth Neys jahrzehntelang treue Haushälterin, Cenci, überwachte alles mit Argusaugen. Und Sie wissen ja, dass Neys beste Freundin Ella Dibrell und ihr Mann das Haus 1907 mit dem ausdrücklichen Ziel gekauft haben, es intakt zu erhalten. Sie hätten wohl kaum ein Werk weggegeben, egal in welchem Zustand. Sie hätten nichts verkauft. Und wenn es sich um die Darstellung einer so bedeutenden Persönlichkeit wie Johannes Brahms handelte, hätte Ney es wohl mindestens einmal im Lauf der Zeit erwähnt.“ Tina, die mit dem Blick auf die Straße aufmerksam zugehört hatte, nickte bekräftigend.

„Nun, sagen Sie mir eins, Jacquelyn“, beharrte Megan. „Welche Kunstwerke ließ sie sich aus München nachschicken?“

„Warten Sie. Ich sehe gleich in unseren Unterlagen dazu nach.“

„Großartig. Vielen Dank für Ihre Mühe!“ Es folgte eine lange Pause.

„Da haben wir es ja! Die Inventarliste von damals“, meldete Jacquelyn sich zurück. „Ich sehe hier, es waren ziemlich viele Objekte. Mit Ausnahme der Marmorbüsten von Ney und ihrem Mann Edmund waren sämtliche Büsten, die sie von Deutschland nach Texas verschiffen ließ, aus Gips. Mal sehen. Ich lese Ihnen ein paar der bekannteren Namen vor. Da haben wir Jacob Grimm, König Georg V. von Hannover, den Italiener Giuseppi Garibaldi, den deutschen Kanzler Bismarck, den verrückten König Ludwig von Bayern, die Altistin Amalie Weiss, also Joachims Frau und … Moment mal! Ich lese hier: Joachims Büste ist nicht aus Gips, sondern aus Selenit.“

„Was ist denn Selenit?“, fragte Tina konsterniert.

„Edler als Gips, aber nicht so edel wie Marmor“, antwortete Jacquelyn leichthin.

„Jacquelyn, steht in Ihrer Liste eine nicht näher definierte Bronzebüste?“, fragte Megan ungeduldig.

„Tut mir leid, nein, nicht wirklich. Aber ich weiß von einem Brief, den Ney im Jahr 1897 an die Houston & Texas Central Railroad schrieb. Darin beschwerte sie sich über die ‚irreparablen‘ Transportschäden an zwei Büsten, die ihr aus München zugesandt wurden. Nur eine davon ist namentlich genannt: ein Graf von Werthern.“

„Aha. Nun, das könnte eine Spur sein. Vielleicht könnten Sie noch mehr über die zweite, nicht namentlich genannte Büste herausfinden?“ Aus Megans Stimme klang die Zuversicht, dass ihre Entdeckung eine Sensation sein könnte. „Denn die Tatsache, dass sie beschädigt war, ist sicherlich ein passender Hinweis. Danke, dass Sie für mich nachgesehen haben!“

„Sehr gerne. Ich werde noch weiter nachforschen und dich auf dem Laufenden halten. Jetzt wünsche ich dir erst einmal einen guten Flug.“ Megan hatte Jacquelyn tags zuvor erzählt, dass sie für zwei Vorträge nach Deutschland und Österreich reisen würde.

Nachdem sich die beiden Kunsthistorikerinnen voneinander verabschiedet hatten, verstaute Megan das iPhone wieder in ihrer Umhängetasche und wandte sich an ihre Schwester.

„Tina, ich werde diese Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen. Diese Brahms-Büste muss irgendwie von Deutschland aus nach Texas und in die Hauptstadt Austin gelangt sein, wo Ney lebte. Und das Schlüsselchen, das darin versteckt war, gehört zu dem Schloss für ein bestimmtes Behältnis. Und das ist vielleicht in Austin oder in Österreich oder vielleicht in Deutschland. Wo immer es ist, ich möchte es wissen.“

8

Ist ja merkwürdig, dachte Intagliatore, als er am späten Nachmittag die Treppen hinunterstieg, um sein Kelleratelier aufzuschließen. Die Tür stand offen. Das Licht war an und schien auf die Tonmodelle und die etwa zwei Dutzend Gipsbüsten in den Regalen.

„Was ist denn hier los? Ich lasse doch nie das Licht an“, sagte er verärgert zu sich. Ganz sicher hatte er es vor seiner Abreise von Hamburg nach Carrara ausgeschaltet. Wahrscheinlich hatte Frau Salem hier unten irgendetwas gesucht, überlegte er. Aber wie unachtsam von ihr, das Licht brennen zu lassen und die Tür nicht abzusperren! Das sah ihr gar nicht ähnlich.

Er begab sich in die Mitte des weitläufigen Raumes. Alles schien unversehrt zu sein. Doch dann bemerkte er in der hintersten Ecke, dass etwas fehlte. Die mit großer Sorgfalt modellierte Gipsbüste des bärtigen Brahms war nicht mehr dort, wo er sie zuletzt auf seinem Arbeitstisch abgestellt hatte. Diavolo! Wo konnte sie nur sein? Er lief durch das Atelier und betrachtete jedes Exponat, suchte in jedem Winkel. Nichts, rein Garnichts. Sie war fort. Er wollte es nicht glauben und suchte erneut. Die vier Fotografien des bärtigen Brahms hingen an der Wand über dem Arbeitstisch wie zuvor, aber die Büste fehlte. Wie war das möglich? Warum war die Tür zum Atelier nicht versperrt gewesen? Seine Ratlosigkeit verwandelte sich in Zorn. Intagliatore löschte das Licht, versperrte die Tür zum Atelier und stieg im Eiltempo die Treppe hoch. Hoffentlich hatte Frau Salem eine gute Erklärung für all das.

Er fand sie in der Küche, lachend und plaudernd mit ihrer Freundin Felizitas, der jungen Haushälterin von nebenan. Die beiden tranken oft um diese Tageszeit gemeinsam eine Tasse Tee, und nachdem Herr Intagliatore nach Italien abgereist war, hatte Frau Salem ihrer jungen Freundin stolz den aufregenden Grund seiner Reise erzählt – er besorgte italienischen Marmor für eine neue Büste des Komponisten Johannes Brahms!