Die kürzeste Geschichte der Erde - Andrew H. Knoll - E-Book

Die kürzeste Geschichte der Erde E-Book

Andrew H. Knoll

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Beschreibung

4 Milliarden Jahre in 8 Kapiteln Wie gut kennen Sie den Boden unter Ihren Füßen? Es ist gut möglich, dass die Erde, auf der Sie stehen, einst aus einem brodelnden Lavameer oder gewaltigen Eisdecken bestand, dass Meteoriteneinschläge sie erschütterten oder giftige Gase sie erstickten. In über vier Milliarden Jahren hat unsere Erde als Schauplatz faszinierender Naturgewalten so einiges erlebt – der renommierte Geowissenschaftler und Harvard-Professor Andrew H. Knoll unternimmt nun den waghalsigen Versuch, ihre wahrlich epische Geschichte in der denkbar kürzesten Form zu erzählen. Die Naturgeschichte unseres Planeten und der Organismen, die ihn zu allen Zeiten bevölkerten, nimmt unter Knolls überaus gelehrter Feder die Form eines spektakulären und unterhaltsamen Thrillers an. Gleichsam liegt nun erstmals eine zeitgemäße Biografie von Mutter Erde vor, die auf rigorose Weise Mut zur kundigen Lücke erweist – und zudem für ein tieferes Verständnis des gegenwärtigen Klimawandels sorgen wird.

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Seitenzahl: 222

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Andrew H. Knoll

Die kürzeste Geschichte der Erde

Andrew H. Knoll

Die kürzeste Geschichte der Erde

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

1. Auflage 2023

© 2023 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2021 bei Custom House unter dem Titel A Brief History of Earth. © Andrew H. Knoll 2021. All rights reserved. Published by arrangement with Custom House, an imprint of HarperCollins Publishers LLC.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Tanja Ohlsen

Redaktion: Silke Panten

Umschlaggestaltung: Manuela Amode

Umschlagabbildung: Shutterstock.com/Tongsai

Satz: Satzwerk Huber, Germering

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7423-2334-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-2122-7

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-2123-4

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Für Marsha.

Für alles.

Inhalt

Vorwort Eine Einladung

1 Chemie

Wie man einen Planeten macht

2 Physik

Die Gestaltung des Planeten

3 Biologie

Auf der Erde entsteht Leben

4 Sauerstoff

Die Entstehung der Atemluft

5 Tierreich

Das Leben wächst

6 Der grüne Planet

Pflanzen und Tiere besiedeln das Land

7 Katastrophen

Aussterben erneuert das Leben

8 Der Mensch

Eine Spezies verändert die Erde

Danksagung

Bildnachweis

Bibliografie

Vorwort

Eine Einladung

Unser Leben lang bindet uns die Schwerkraft an die Erde. Bei jedem Schritt haben wir Kontakt zum Erdboden, auch wenn er unter einer Schicht Asphalt oder Dielen verborgen liegt. Manchmal glauben wir, der Schwerkraft entkommen zu können, wenn wir in ein Flugzeug steigen, doch dieses Hochgefühl ist flüchtig, denn nach ein paar Stunden wird die Schwerkraft siegen und wir landen wieder auf der Terra Firma.

Unsere Verbindung mit der Erde geht weit über die Schwerkraft hinaus. Die Nahrung, die wir zu uns nehmen, besteht aus dem Kohlendioxid in der Atmosphäre oder den Ozeanen sowie aus Wasser und Nährstoffen aus dem Boden oder aus dem Meer. Bei jedem Atemzug saugen wir sauerstoffhaltige Luft in unsere Lunge, was uns dabei hilft, unsere Mahlzeiten in Energie umzuwandeln. Gleichzeitig verhindert das Kohlendioxid in der Atmosphäre, dass wir erfrieren. Darüber hinaus kommen der Stahl der Kühlschranktür, das Aluminium in den Blechdosen, das Kupfer im Kleingeld und die seltenen Erdmetalle im Smartphone aus der Erde. Es ist erstaunlich, wie wenig Menschen sich angesichts all dessen für diese großartige Kugel interessieren, die uns ernährt und – bei Erdbeben oder Wirbelstürmen – auch in große Gefahr bringt.

Wie können wir das Verhältnis der Erde zum Universum verstehen? Wie entstanden die Felsen, die Luft und das Wasser, die unsere Existenz definieren? Wie erklären wir unsere Kontinente, Berge und Täler, die Erdbeben und Vulkane? Was bestimmt die Zusammensetzung der Atmosphäre oder des Meereswassers? Und was führte zu der immensen Vielfalt an Leben überall um uns herum? Die wichtigste Frage ist vielleicht die, wie unsere eigenen Handlungen die Erde und das Leben an sich beeinflussen. Diese Fragen betreffen teilweise einen laufenden Prozess, aber es sind auch geschichtliche Untersuchungen. Diese sollen den Rahmen dieses Buches bilden.

Es ist die Geschichte unserer Heimat, der Erde, und der Organismen, die sich auf ihrer Oberfläche befinden. Alles an der Erde ist dynamisch und ständig in Veränderung, trotz des allgemeinen, aber falschen Eindrucks von Beständigkeit. In Boston in den USA herrscht zum Beispiel ein gemäßigtes Klima mit warmen Sommern und kalten Wintern sowie moderaten Niederschlagsmengen, die sich mehr oder weniger gleichmäßig über das Jahr verteilen. Die Jahreszeiten sind vorhersehbar, und wenn man wie ich schon seit ein paar Jahrzehnten dabei ist, bekommt man das Gefühl, alles schon einmal gesehen zu haben. Die Meteorologen werden einem hingegen erzählen, dass die jährliche mittlere Temperatur in Boston während der Lebensspanne der älteren Bewohner um über 0,6 Grad Celsius angestiegen ist. Wir wissen auch, dass die Menge an Kohlendioxid in der Atmosphäre – die maßgeblich zur Regulierung der Oberflächentemperatur beiträgt – seit den 1950er-Jahren um etwa ein Drittel gestiegen ist. Außerdem weisen Messungen nach, dass der Meeresspiegel weltweit ansteigt und dass der Sauerstoffgehalt der Meere seit dem kometenhaften Aufstieg der Beatles um etwa 3 Prozent gesunken ist.

Mit der Zeit summieren sich die kleinen Veränderungen. Ein Flug von Boston nach London wird jedes Jahr um 2,5 Zentimeter länger, da ein neuer Meeresboden Nordamerika und Europa langsam auseinandertreibt. Könnten wir das Band rückwärts abspielen, würden wir sehen, dass Neuengland im Nordosten der USA und Großbritannien vor 200 Millionen Jahren Teile eines einzigen Kontinents waren, der von tiefen tektonischen Tälern durchzogen war, wie man sie jetzt im östlichen Afrika sieht, wo sie ein Meeresbecken zu bilden beginnen. Auf der längsten Zeitschiene gemessen, sind die Veränderungen auf der Erde wirklich massiv. Hätte man sich zum Beispiel auf der frühen Erde herumgetrieben, wäre man in der sauerstofffreien Atmosphäre unseres Planeten schnell erstickt.

Die Geschichte der Erde und ihrer Organismen ist weitaus großartiger als jeder Hollywood-Blockbuster. Die Wendungen in ihrem Plot haben das Potenzial zu einem Bestseller-Thriller. Vor mehr als vier Milliarden Jahren bildete sich aus den felsigen Trümmern, die einen bescheidenen jungen Stern umkreisten, ein kleiner Planet. In ihren frühen Jahren stand die Erde ständig am Rande der Katastrophe, da sie permanent von Kometen und Meteoriten bombardiert wurde, während die Oberfläche von brodelnden Magmameeren bedeckt war und die Atmosphäre aus toxischen Gasen bestand. Kontinente entstanden, nur um gleich wieder auseinandergerissen zu werden und später zu kollidieren, wodurch sich spektakuläre Gebirge bildeten, von denen die meisten wieder verschwunden sind. Es gab Vulkane, die eine Million Mal größer waren als alles, was wir Menschen je gesehen haben. Es gab Kreisläufe globaler Eiszeiten. Zahllose Welten, die wir gerade erst zu entdecken versuchen, gingen unter. Und irgendwann während dieser dynamischen Phase fasste das Leben hier Fuß und veränderte schließlich die Oberfläche unseres Planeten, um den Weg zu bereiten für Trilobiten, Dinosaurier und eine Spezies, die sprechen, reflektieren, Werkzeuge herstellen und letztendlich die Welt erneut verändern kann.

Wenn wir die Geschichte der Erde verstehen, dann können wir erfassen, wie die Berge, Meere, Bäume und Tiere um uns herum entstehen konnten, ganz zu schweigen von Gold, Diamanten, Kohle, Öl und der Luft, die wir atmen. Dabei bietet uns die Geschichte unserer Erde den Kontext, um zu verstehen, wie die menschlichen Handlungen die Welt im 21. Jahrhundert verändern. Während des größten Teils seiner Geschichte war unser Heimatplanet für Menschen unbewohnbar, und eine der nachhaltigsten Lektionen in Geologie ist die Erkenntnis, wie flüchtig, wie fragil und wie kostbar unser kurzer Augenblick hier ist.

Heutzutage scheinen Schlagzeilen gerne aus dem Buch der Offenbarung entlehnt zu sein: nie da gewesene Waldbrände in Kalifornien, der Amazonas in Flammen, Hitzerekorde in Alaska und immer schneller schmelzende Gletscher in Grönland, heftige Hurrikans, die die karibische und die Golfküste heimsuchen, während Jahrhundertfluten den amerikanischen Mittleren Westen mit steigender Regelmäßigkeit unter Wasser setzen. Chennai, die sechstgrößte Stadt Indiens, leidet unter Wassermangel, gefolgt von Kapstadt und São Paulo. Die Biologie hat keine besseren Nachrichten zu vermelden: Seit 1970 ist die Vogelpopulation in Nordamerika um 30 Prozent zurückgegangen, die Insektenpopulation hat sich halbiert, das Great Barrier Reef leidet unter massiver Korallensterblichkeit, der Bestand an Elefanten und Rhinozerossen schrumpft und weltweit ist der kommerzielle Fischfang bedroht. Ein Rückgang der Population ist zwar noch nicht gleichbedeutend mit Aussterben, aber es ist eine Abwärtsspirale, auf der sich die Spezies auf ihrem Weg zum biologischen Endspiel befinden.

Läuft die Welt Amok? Kurz gesagt: Ja. Und wir wissen auch, warum. Wir selbst sind die Schuldigen. Es sind die Menschen, die Treibhausgase in die Atmosphäre blasen und die Erde so nicht nur aufheizen, sondern sowohl Frequenz als auch Ausmaß der Hitzewellen, Dürren und Stürme erhöhen. Und es sind die Menschen, die andere Spezies durch die veränderte Nutzung des Landes, übermäßige Ausbeutung und den zunehmenden Klimawandel an den Rand des Aussterbens bringen. Angesichts dessen ist die deprimierendste Meldung von allen die Reaktion darauf, die weitgehend aus Ignoranz besteht, vielleicht besonders in meinem Heimatland, den Vereinigten Staaten.

Warum tun so viele Menschen so wenig angesichts der Veränderungen unseres Planeten, die das Leben unserer Enkel betreffen werden? 1968 fand Baba Dioum, ein senegalesischer Ranger, eine recht passende Antwort darauf. »Letztendlich«, sagte er, »werden wir nur das bewahren, was wir lieben, und wir werden nur das lieben, was wir verstehen. Und wir verstehen nur das, was man uns beibringt.«

Dieses Buch soll den Versuch darstellen, zu verstehen. Es ist eine Einladung, die lange Geschichte kennenzulernen, die unseren Planeten dorthin gebracht hat, wo er jetzt ist. Es ist eine Aufforderung, einzusehen, wie sehr die menschlichen Aktivitäten eine Welt verändern, die im Laufe von vier Milliarden Jahren entstanden ist. Und eine Herausforderung, etwas dagegen zu unternehmen.

1

Chemie

Wie man einen Planeten macht

Am Anfang war … nun ja … ein Punkt, ein Fleck, unglaublich klein, aber auch unglaublich dicht. Es war keine konzentrierte Masse in der unendlichen Weite des Universums. Es war das Universum. Wie es dorthin gekommen ist, weiß keiner.

Was zuvor kam, wenn es da überhaupt je etwas gegeben hat, ist ebenso mysteriös, aber vor ungefähr 13,8 Milliarden Jahren begann sich dieser anfängliche Kern des Universums schnell auszudehnen – es kam zu einem »Urknall«, der eine ungeheure Welle von Energie und Materie nach außen verströmte. Es waren nicht die Steine und Mineralien, die wir in unserem Leben kennen, nicht einmal die Atome, aus denen Steine, Luft und Wasser zusammengesetzt sind. Am Beginn des Universums bestand Materie aus Quarks, Leptonen und Gluonen, einer seltsamen Mischung von subatomaren Partikeln, die sich schließlich zu Atomen zusammenschließen sollten.

Unser Verständnis des Universums und seiner Geschichte stammt hauptsächlich aus der flüchtigsten aller Quellen: dem Licht. Die Leuchtpünktchen am Himmel, die den Nachthimmel bilden, scheinen als Geschichtsbücher ungeeignet, aber zwei Eigenschaften des Lichts können uns helfen, zu verstehen, wie das Universum entstanden ist. Zum einen deutet die Intensität der verschiedenen Wellenlängen bei der ankommenden Strahlung auf die Zusammensetzung der Lichtquelle hin. Unsere Augen können nur einen kleinen Bereich der Wellenlängen erfassen, doch Sterne und andere Himmelskörper verbreiten oder absorbieren ein breites Spektrum an Strahlung, von Funk- und Mikrowellen bis zu Röntgen- und Gammastrahlen, von denen jede eine Geschichte zu erzählen hat. Und was noch wichtiger ist: Für das Licht gilt eine strikte Geschwindigkeitsbeschränkung: 299 792 458 Meter pro Sekunde oder 1 079 252 849 Stundenkilometer. Sonnenlicht wird acht Minuten und zwanzig Sekunden bevor wir es sehen, ausgestrahlt, und von Sternen und weiter entfernten Himmelskörpern ging das Licht, das wir hier aufzeichnen, noch viel früher aus – sehr viel früher bei den entferntesten Objekten. Das macht unseren Sternenhimmel zu einem himmlischen Geschichtsbuch.

Gleichmäßig über den Himmel verteilte Mikrowellen sprechen vom Urknall und seinen direkten Folgen. Die Strahlung der ersten Generation von Sternen, die sich ein paar Hunderttausend Jahre nach Beginn der Zeit bildeten, erreicht uns gerade erst. Wie entstanden diese ersten Sterne? Es hat alles mit der Schwerkraft zu tun, der Architektin des Universums. Die Schwerkraft beschreibt die Anziehungskraft zwischen unterschiedlichen Objekten, wobei die Stärke der Anziehung von der Masse der Objekte und ihrer Entfernung voneinander abhängt. Als sich in der ersten frühen Ausdehnungsphase des Universums Atome bildeten, wurden sie durch die Schwerkraft zueinandergezogen. Kleine Ansammlungen wuchsen und verstärkten die Anziehungskraft. Gelegentlich fielen sie in kleine, heiße, dichte Bälle zusammen, so heiß und so dicht, dass Wasserstoffkerne verschmolzen und Helium bildeten, das Licht und Hitze ausstrahlte. Wenn das passiert, entsteht ein Stern. Diese anfänglichen Sterne waren groß, heiß und kurzlebig, aber sie setzten den Kurs für alles, was später kam, einschließlich uns.

Die vom Urknall generierte Masse bestand hauptsächlich aus Wasserstoffatomen, dem einfachsten Element, sowie etwas Deuterium (Wasserstoff mit einem zusätzlichen Neutron) und Helium. Auch ein winziges bisschen Lithium entstand sowie kleinere Mengen anderer leichter Elemente. Aber sonst gab es nicht viel. Ehrlich gesagt gab es doch noch etwas, aber wir wissen nicht genau, was das ist. In den 1950er-Jahren begannen Astronomen die Bewegungen von Sternen und Galaxien (Ansammlungen von Sternen, Gas und Staub, die wiederum durch die Schwerkraft zusammengehalten werden) zu nutzen, um die Massenanziehungskraft im fernen Weltraum zu berechnen. Doch als sie die Masse aller bekannten Objekte am Himmel zusammengezählt hatten, stellten sie fest, dass die Summe nicht mit ihren Beobachtungen übereinstimmte. Es musste da draußen noch etwas geben, etwas, das mit normaler Materie durch Schwerkraft interagiert, aber nicht mit Licht. Die Astronomen nannten es Dunkle Materie. Sie vermuten zwar, was es sein könnte, aber niemand ist sich ganz sicher. Noch mysteriöser ist Dunkle Energie, die man ebenfalls für die Vorgänge im Universum für notwendig hält. Man glaubt, dass Dunkle Materie und Dunkle Energie gemeinsam etwa 95 Prozent all dessen ausmachen, was existiert, rätselhafte Komponenten, die wir nicht ausmachen können, die aber wohl einen entscheidenden Anteil an der Entstehung des Universums hatten. Wir haben noch viel zu lernen.

Kehren wir zurück zur konventionellen Materie. Als das Zeitalter des Sternenlichts begann, war das Universum ein kalter, diffuser Cocktail aus (hauptsächlich) Wasserstoffatomen. Frühe Sterne erzeugten mehr Helium, aber es gab nichts, aus dem man die Erde hätte machen können (siehe Tabelle auf der nächsten Seite). Woher kamen das Eisen, das Silizium und der Sauerstoff, aus dem unser Planet zusammengesetzt ist? Und was ist mit Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor und anderen Elementen, aus denen unser Körper besteht? Diese und alle anderen Elemente stammen aus aufeinanderfolgenden Generationen von Sternen, den Geburtsstätten der Atome, die eines Tages unseren Planeten bilden sollten. Bei den hohen Temperaturen und dem Druck in großen Sternen verschmolzen die leichten Elemente zu Kohlenstoff, Sauerstoff, Silizium und Kalzium, während Eisen, Gold, Uran und andere schwere Elemente bei den gigantischen Sternenexplosionen entstanden, die man Supernova nennt. Das Gesicht, das man im Spiegel sieht, ist vielleicht nur ein paar Jahrzehnte alt, aber es besteht aus Elementen, die sich vor Milliarden von Jahren in alten Sternen bildeten.

Im Laufe unendlich langer Zeit bildeten sich Sterne und starben wieder, und bei jedem Zyklus kamen neue Elemente zu dem Inventar hinzu, das heute die Erde und das Leben ausmacht. Galaxien verschmolzen, und schwarze Löcher (Gebiete von so hoher Dichte, dass kein Licht daraus hervorkommen kann) entstanden und bildeten langsam, aber sicher das Universum, wie wir es heute kennen.

Die elementare Zusammensetzung der Erde und des Lebens(in Prozent, nach Gewicht)

Erde

Eisen

33

Sauerstoff

31

Silizium

19

Magnesium

13

Nickel

1,9

Kalzium

0,9

Aluminium

0,9

Sonstiges

0,3

Zellen im menschlichen Körper

Sauerstoff

65

Kohlenstoff

18

Wasserstoff

10

Stickstoff

3

Kalzium

1,5

Phosphor

1

Sonstiges

1,5

Wir beginnen mit unserer Geschichte vor etwa 4,6 Milliarden Jahren und konzentrieren uns auf eine bescheidene Wolke von Wasserstoffatomen mit einem kleinen Anteil von Gas, Eis und Mineralkörnchen in einem spiralförmigen Arm einer unscheinbaren Galaxie namens Milchstraße. Zuerst war die Wolke groß, diffus und kalt (richtig kalt, mit Temperaturen von -270 bis -250 Grad Celsius. Diese Wolke begann, wahrscheinlich infolge einer Supernova in der Nähe, in sich zusammenzufallen und sich zu einem weit kleineren und heißeren Nebel zu verdichten. Wie schon Milliarden Mal zuvor im Universum sammelte sich durch die Schwerkraft der größte Teil der Wolke in einer heißen, dichten, zentralen Masse – unserer Sonne. Der meiste Wasserstoff des Nebels sammelte sich in der Sonne, doch Eis und Mineralpartikel sonderten sich ab und rotierten als Scheibe um den jungen Stern, entfernt ähnlich wie die Ringe kleiner Partikel, die heute den Saturn umgeben (siehe Abbildung 1). Zunächst war diese Scheibe so heiß, dass die Mineralien und das Eis verdampften. Doch im Laufe von ein paar Millionen Jahren kühlte sie sich ab, am äußeren Rand schneller und näher an der Sonne langsamer.

Aus unserer täglichen Erfahrung wissen wir, dass unterschiedliche Substanzen bei unterschiedlichen Temperaturen schmelzen oder kristallisieren. So wird Wasser zum Beispiel auf der Erdoberfläche bei 0 Grad Celsius zu Eis, während erst bei wesentlich tieferen Temperaturen (-78,5 Grad Celsius) aus Kohlendioxid Trockeneis wird. Auf dieselbe Weise kristallisieren auch die Mineralien im Gestein aus ihren flüssigen Vorläufern bei Temperaturen, die sich um bis zu 1000 Grad Celsius unterscheiden. Aus diesem Grund kristallisierten die unterschiedlichen Materialien bei der Abkühlung der Planetenscheibe zu unterschiedlichen Zeiten und an bestimmten Orten, abhängig von ihrer Entfernung zur Sonne, zu festen Körpern. Zuerst bildeten sich Oxide von Kalzium, Aluminium und Titan, dann metallisches Eisen, Nickel und Kobalt, und erst später, hinter der sogenannten Frostlinie, einem bestimmten Abstand von der Sonne, kamen die Eisformen von Wasser, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Methan und Ammonium dazu – die Materialien von Wasser, Luft und Leben. Mineral- und Eisstücke prallten aufeinander und bildeten größere Partikel, die sich wiederum zu noch größeren Einheiten zusammenschlossen. Nur ein paar Millionen Jahre später war von der ursprünglichen rotierenden Scheibe nur noch eine Handvoll großer sphärischer Strukturen übrig. Der »dritte Felsen von der Sonne« war die Erde, eine steinige Masse, die die Sonne in einer Entfernung von etwa 150 Millionen Kilometern umkreiste.

Abb. 1 Dieses außergewöhnliche Bild, aufgenommen vom Teleskop-Observatorium Atacama Large Millimeter Array, zeigt HL Tauri, einen sonnenartigen jungen Stern, und seine protoplanetarische Scheibe. Die Ringe und Lücken auf dem Bild zeigen entstehende Planeten, wenn sie ihren Orbit von Staub und Gas reinigen. Vor etwa 4,54 Milliarden Jahren sah unser eigenes Sonnensystem wahrscheinlich ganz ähnlich aus.

Wie genau nahm die Erde Gestalt an und was wissen wir über ihre frühe Kindheit? So wie das Licht die Geschichte des Universums aufzeichnet, so erzählt das Gestein die Geschichte unserer Erde. Sieht man in den Grand Canyon oder bewundert die Gipfel um den Lake Louise herum, so betrachtet man die Bibliothek der Natur, in der die Bände der Erdgeschichte präsentiert stehen, in Stein gemeißelt. Sedimente – Steine, Sand oder Schlamm aus der Erosion früheren Gesteins oder ausgeschwemmter Sandstein – lagern sich auf Überflutungsgebieten oder auf dem Meeresboden ab und zeichnen Schicht für Schicht die physikalischen, chemischen und biologischen Merkmale der Planetenoberfläche zur Zeit ihrer Ablagerung auf. Magmagestein – aus dem geschmolzenen Material im Inneren der Erde – erzählt uns ebenso etwas vom dynamischen Innenleben des Planeten wie die metamorphen Gesteine, die bei hohen Temperaturen und unter dem Druck tief im Inneren der Erde aus Sedimenten oder vulkanischen Vorläufern gebildet wurden. Gemeinsam liefern diese Gesteine die große Erzählung der Entwicklung der Erde von ihrer Jugend bis zur Reife oder der Evolution des Lebens vom Bakterium zum Menschen und – vielleicht die größte Geschichte von allen – davon, wie die physikalische und die biologische Erde einander im Laufe der Zeit beeinflusst haben. Nach vierzig Jahren als Geologe staune ich noch immer darüber, dass die Klippen an der Küste von Dorset in Südengland ein Bild der Erde zeichnen, wie sie vor 180 Millionen Jahren ausgesehen hat. Und wie wir sehen werden, ist das Gestein, das von der Erde und dem Leben vor Milliarden von Jahren erzählt, noch interessanter.

Sieht man sich die imposanten Gipfel in den Rocky Mountains oder in den Alpen an, gerät ein weiterer Aspekt der Erdgeschichte ins Blickfeld. Die zahnartigen Gebilde spiegeln nicht Ablagerungen wider, sondern entstanden ganz im Gegenteil durch Erosion, durch physikalische und chemische Prozesse, die Felsen abtragen und ihre Geschichte ausradieren. Die Erde schreibt ihre Geschichte mit einer Hand und radiert sie mit der anderen wieder aus, und je weiter wir in der Zeit zurückgehen, desto mehr wurde wegradiert. Unser Planet entstand vor ungefähr 4,54 Milliarden Jahren, aber die ältesten bekannten Gesteine sind erst 4 Milliarden Jahre alt. Es muss noch älteres Gestein gegeben haben, aber entweder wurde es aufgerieben oder es wurde begraben und durchlief Metamorphoseprozesse, die es unkenntlich machten. Vielleicht gibt es noch einiges in den entlegensten Gebieten von Kanada oder Sibirien, das darauf wartet, entdeckt zu werden, aber im Großen und Ganzen sind die ersten 600 Millionen Jahre unserer Erdgeschichte das dunkle Zeitalter des Planeten.

Wie können wir ohne historische Aufzeichnungen die Kindheit der Erde rekonstruieren? Wie sich zeigt, gibt es Back-up-Kopien, die sozusagen außerhalb gelagert werden. Bei diesen fraglichen Felsen handelt es sich um Meteoriten, steinerne Überbleibsel des frühen Solarsystems, die gelegentlich auf die Erde fallen. Die Gewissheit, dass die Erde und weitere Planeten vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden, stammt aus den geologischen »Uhren«, die in den Mineralien dieser besonderen Steine enthalten sind. (Auf die Datierung der Erdgeschichte wird später noch eingegangen.) Manche Meteoriten, die man auch Chondriten nennt, bestehen aus runden, millimetergroßen Granulaten namens Chondren, in denen angeblich die winzigen Partikel enthalten sind, die beim Zusammenprall während der frühesten Phase der Planetenbildung größere Einheiten bildeten (siehe Abbildung 2). Diese Ansicht wird durch das sorgfältige Studium der Chondren-Zusammensetzung aus Kalzium-, Aluminium- und Titanmineralien unterstützt, die als Erste kondensierten, als sich die Sonnenscheibe abzukühlen begann, sowie aus seltenen Körnchen, die von einer Supernova in der Nähe ausgestoßen und bei der Bildung des Sonnensystems später aufgenommen wurden. Chondrische Meteoriten bewahren nicht nur direkte Aufzeichnungen des frühen Sonnensystems, ihre chemische Zusammensetzung lässt auch vermuten, dass sie die grundlegenden Materien enthalten, aus denen sich die Erde selbst bildete.

Abb. 2 Der Allende-Meteorit, ein kohlenstoffhaltiger Chondrit, der 1969 auf die Erde traf. Die runden Körner darin sind Chondren, Steinkugeln, die sich früh in der Geschichte unseres Sonnensystems bildeten und sich zu größeren Körpern zusammenschlossen, bis sie letztendlich die inneren Planeten des Sonnensystems bildeten, einschließlich der Erde. Kohlenstoffhaltige Chondriten enthalten sowohl Wasser als auch organische Moleküle, die Materien, die schließlich in unserer Atmosphäre, in den Meeren und im Leben endeten. Der Block daneben hat eine Kantenlänge von 1 Zentimeter.

Nach ein paar Millionen Jahren hatten sich die meisten Gesteins- und Eisklumpen um unsere Sonne herum zu Planeten zusammengesammelt. Der herkömmlichen Ansicht nach vereinigten sich Staubkörner zu größeren Steinchen, die sich zu noch größeren Klumpen zusammentaten und schließlich Planetesimale bildeten, Gesteinsformationen mit mehreren Kilometern Durchmesser, wie die Asteroiden, die man heute in den Orbits von Mars und Jupiter findet. Eine andere Hypothese geht davon aus, dass sich kieselgroße Partikel gleich zu planetenartigen Gebilden zusammenfanden. Auf jeden Fall blieben zum Ende der Verschmelzungsphase nur etwa einhundert Brocken übrig, die in der Größe zwischen dem Mond und dem Mars lagen. Aus der Verschmelzung dieser Körper entstanden schließlich die Planeten unseres Sonnensystems. Ein derartiger Zusammenstoß hatte große Auswirkungen auf unsere zukünftige Heimat. Ein paar Dutzend Millionen Jahre nachdem die Erde fast fertig war, rammte ein etwa marsgroßer Himmelskörper unseren jungen Planeten und schoss Gestein und Gas in den Weltraum. Ein Großteil des abgesprengten Materials sammelte sich schließlich in einem relativ kleinen felsigen Ball, der in einer permanenten Umlaufbahn um die Erde kreist. So poetisch der Vollmond auch sein mag, er ging aus Gewalt hervor und seine Geheimnisse wurden durch sorgfältige Untersuchungen von Mondgestein entschlüsselt.

Die Erde ist ein Gesteinsbrocken mit einem Durchmesser von 12 746 Kilometern auf Höhe des Äquators. (Genau genommen ist unser Planet nicht ganz eine Kugel, sondern wölbt sich durch die Fliehkraft der Rotation am Äquator etwas nach außen und ist an den Polen abgeflacht.) Wenn man die Erde halbiert (was in der Praxis eher nicht empfehlenswert ist), stellt man fest, dass sie nicht homogen, sondern in konzentrischen Schichten angelegt ist, wie ein hart gekochtes Ei (siehe Abbildung 3). Dabei stellt der Kern das Eigelb dar, ein heißer, dichter innerer Körper, der etwa ein Drittel der Masse unseres Planeten ausmacht. Er besteht hauptsächlich aus Eisen, etwas Nickel und etwa 10 Prozent leichteren Elementen wie wahrscheinlich Wasserstoff, Sauerstoff, Schwefel und/oder Stickstoff. »Wahrscheinlich« deshalb, weil, bei allem Respekt für Jules Verne, bislang noch nie jemand zum Mittelpunkt der Erde gereist ist, um Proben zu entnehmen. Die von Erdbeben ausgelösten Energiewellen fungieren in etwa wie CT-Scanner in einem Krankenhaus, und die Art, wie diese Wellen im Inneren des Planeten übertragen, reflektiert, gebrochen oder absorbiert werden, sagt etwas über die Dimension und die Dichte des Kerns aus. Letztere fordert, dass der Kern hauptsächlich, aber nicht ausschließlich aus Eisen besteht. Laborversuche und Berechnungen deuten auf eine Mischung von leichten Elementen wie den oben genannten hin, die zur beobachteten Dichte passt, doch die genaue Zusammensetzung bleibt unbekannt, da keine Komposition eine eindeutige Lösung des Problems bietet. Der innere Kern – ein Ball mit 1226 Kilometern im Radius – ist solide, während der äußere Kern (etwa 2260 Kilometer dick) flüssig ist und sich in einer langsamen Konvektionsströmung bewegt, wobei dichtes Material sich am Grunde erhitzt und aufsteigt, um schließlich wieder abzukühlen und nach unten zu sinken. Diese Bewegung im äußeren Kern bildet einen elektrischen Dynamo, der das Magnetfeld der Erde erzeugt. Vielleicht denkt man nicht täglich an das Magnetfeld, aber man sollte für seine Existenz dankbar sein. Es verhindert, dass Sonnenwinde (ein Energiestrom von aufgeladenen Sonnenpartikeln) unsere Atmosphäre zerstören, und lässt nützlicherweise Kompassnadeln in (ungefähr) nördliche Richtung zeigen.

Der Erdmantel – das Weiß unseres planetarischen Eis – umgibt den Kern. Er macht etwa zwei Drittel der Masse unseres Planeten aus und besteht hauptsächlich aus Silikatmineralien – Mineralien, die reich an Siliziumdioxid sind (SiO2 – Quarz in seiner kristallinen Reinform), sowie aus Magnesium und geringeren Mengen von Eisen, Kalzium und Aluminium. Auch hier stammt unser Wissen von den Energiewellen der Erdbeben, unterstützt von Laborversuchen. Allerdings tut uns die Erde gelegentlich den Gefallen, Teile des Erdmantels an die Oberfläche zu bringen. Diamanten sind dabei besonders geschätzte Boten aus der Tiefe. Die harten Klumpen aus reinem Kohlenstoff bildeten sich 160 Kilometer unter der Erdoberfläche und werden mit dem Magma, der flüssigen Quelle von Lava, und anderem Vulkangestein an die Oberfläche transportiert. Lorelei Lee behauptet zwar, Diamanten seien die besten Freunde eines Mädchens, aber sie sind auch die Freunde der Geologen, da sie normalerweise winzige Einsprengsel des Erdmantelmaterials enthalten, das man im Labor untersuchen kann.

Der Erdmantel ist solide, doch über lange Zeit gesehen befindet er sich in einem steten Umwälzungsprozess. Wie genau das dreidimensionale Muster der Zirkulation im Mantel aussieht, wird noch diskutiert, ebenso wie die Frage, ob alle Teile des Mantels Vulkangestein produzieren, das an die Oberfläche steigt. Einig sind sich die Geologen jedoch darüber, dass die teilweise Verflüssigung des Mantelgesteins die am besten zugängliche Schicht der Erde, die Kruste, entstehen ließ.

Die Kruste macht weniger als 1 Prozent der Erdmasse aus – in unserer Ei-Analogie ist sie die Schale. Sie ist die einzige Schicht, in die wir Einblick haben und von der wir Proben nehmen können, die uns einen ungeheuren Schatz an Wissen liefern. Die Kontinente bestehen aus Kruste mit Quarz (SiO2