Die Schlange - Klaus-Peter Wolf - E-Book

Die Schlange E-Book

Klaus-Peter Wolf

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein geheimnisvoller Unbekannter schießt aus dem Hinterhalt mit vergifteten Pfeilen auf Passanten. Niemand weiß, wo die tödliche »Schlange« als Nächstes zuschlagen wird. Unter ihren Opfern: Tim Sommerfelds Großmutter. Während die Polizei im Dunkeln tappt, kommt Tim mit seinen Freunden der gefährlichen Wahrheit immer weiter auf die Spur. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 180

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Klaus-Peter Wolf

Die Schlange

Treffpunkt Tatort

FISCHER E-Books

Inhalt

Dies ist ein Roman. [...]+ + + kapitel 001 + + ++ + + kapitel 002 + + ++ + + kapitel 003 + + ++ + + kapitel 004 + + ++ + + kapitel 005 + + ++ + + kapitel 006 + + ++ + + kapitel 007 + + ++ + + kapitel 008 + + ++ + + kapitel 009 + + ++ + + kapitel 010 + + ++ + + kapitel 011 + + ++ + + kapitel 012 + + ++ + + kapitel 013 + + ++ + + kapitel 014 + + ++ + + kapitel 015 + + ++ + + kapitel 016 + + ++ + + kapitel 017 + + ++ + + kapitel 018 + + ++ + + kapitel 019 + + ++ + + kapitel 020 + + ++ + + kapitel 021 + + ++ + + kapitel 022 + + ++ + + kapitel 023 + + ++ + + kapitel 024 + + ++ + + kapitel 025 + + ++ + + kapitel 026 + + ++ + + kapitel 027 + + ++ + + kapitel 028 + + ++ + + kapitel 029 + + ++ + + kapitel 030 + + ++ + + kapitel 031 + + ++ + + kapitel 032 + + ++ + + kapitel 033 + + ++ + + kapitel 034 + + ++ + + kapitel 035 + + ++ + + kapitel 036 + + ++ + + kapitel 037 + + ++ + + kapitel 038 + + ++ + + kapitel 039 + + ++ + + kapitel 040 + + ++ + + kapitel 041 + + ++ + + kapitel 042 + + ++ + + kapitel 043 + + ++ + + kapitel 044 + + ++ + + kapitel 045 + + ++ + + kapitel 046 + + ++ + + kapitel 047 + + ++ + + kapitel 048 + + ++ + + kapitel 049 + + ++ + + kapitel 050 + + ++ + + kapitel 051 + + ++ + + kapitel 052 + + ++ + + kapitel 053 + + +

Dies ist ein Roman. Er spielt in Köln. In meinem Köln. Einige Orte, wie z.B. die Hans-Bödecker-Schule, habe ich erfunden. Andere Orte wiederum sind real. Ich war dort einkaufen, habe dort Eis gegessen und sie aus meiner Erinnerung wiedergegeben. Die handelnden Figuren dagegen entstammen alle meiner Fantasie. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen wären rein zufällig und sind nicht beabsichtigt.

 

Klaus-Peter Wolf

+ + + kapitel 001 + + +

Der Giftpfeil traf Tims Großmutter von hinten. Die Wucht warf sie um. Sie glaubte zunächst, ihr hätte jemand zu fest auf den Rücken geklopft und dass sie deshalb gestolpert sei.

Sie stand wieder auf und drehte sich um. Aber sie konnte niemanden sehen.

Sie war heute Abend allein hier im Park. Selbst das knutschende Liebespärchen, das gerade noch da hinten auf der Bank gesessen hatte, war verschwunden.

Hedwig Sommerfeld bekam schlecht Luft und an ihrer Wirbelsäule lief etwas Warmes herunter. Noch begriff sie nicht, was geschehen war. Sie griff nach hinten und stieß an ein Stück Holz. Dann wurde ihr schlecht. Es war eine Übelkeit, die sie traf wie ein Stromschlag.

Die Bäume bewegten sich plötzlich auf sie zu. Sie hörte ihr Herz pochen, als ob es sich dagegen auflehnen wollte, das Gift durch die Adern zu transportieren. In ihren Ohren erklang ein Brummen wie von Flugzeugmotoren, doch sie wusste, dass das keine Flugzeuge waren.

Sie lächelte, weil sie Tims Gesicht vor sich sah. Tim, der gute Junge. Ihr über alles geliebtes Enkelkind. Er hatte sie überredet, immer ein Handy bei sich zu tragen. Er hatte es ihr sogar geschenkt und ihr beigebracht, damit zu simsen. Jetzt konnte es lebensrettend werden.

Sie langte in ihre Tasche und fischte mühsam das Handy heraus. Es war ausgeschaltet. Sie wollte nicht jederzeit erreichbar sein.

Jetzt musste sie den PIN-Code eintippen. Sie wusste die Zahlen auswendig. Es war Tims Geburtstag. Wie hätte sie den je vergessen können?

Aber dann wurde sie ohnmächtig, bevor sie die letzte Ziffer eingetippt hatte. Ihr wurde nicht schwarz vor den Augen, sondern weiß, stellte sie mit einem letzten Erstaunen fest. Dann brach sie zusammen.

+ + + kapitel 002 + + +

Er hatte es getan. Er hatte es wirklich getan. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Wie oft hatte er an dieser Stelle gestanden und auf eine günstige Gelegenheit gewartet. Aber etwas hatte ihn immer zurückschrecken lassen.

Mal war das Opfer zu jung. Er wollte auf keinen Fall einen jungen Menschen töten. Einmal war es zu schnell gegangen.

Er hatte das Schießen auf bewegliche Ziele nicht richtig üben können. Auf sieben Meter Entfernung feuerte er elf von zwölf Pfeilen genau ins Schwarze. Das Schwarze auf seiner Zielscheibe aus Stroh war nur handflächengroß. Aber er hatte Probleme im Dunkeln und bei allem, was weiter weg als sieben Schritte war.

Sieben Meter lang war der Keller, in dem er übte. Ein Raum, sieben mal vier Meter, in dem er sich aufs Töten vorbereitet hatte. Es war zu riskant, draußen zu üben. Gern hätte er ein paar Schüsse über größere Distanzen ausprobiert. Fünfzig oder hundert Meter. Aber niemand durfte ihn beim Training sehen, das wäre viel zu gefährlich für ihn gewesen.

Vor zwei Tagen war er schon mal ganz nah an eine alte Dame herangekommen. Sie war mit ihrem Rollator nur wenige Schritte vor seinem Versteck im Gebüsch stehen geblieben und hatte eine Verschnaufpause gemacht. Er hatte den Bogen gespannt und auf ihren Rücken gezielt. Aber dann hatte sie sich plötzlich umgedreht. Ihr Gesicht wirkte krankhaft blass.

Er fand, dass sie komisch aussah, bestimmt schikanierte sie ihre Pfleger. Er stellte sich vor, sie hätte eine Putzfrau, an der sie ständig herumnörgelte. Aber er hatte den Pfeil trotzdem nicht abfeuern können. Irgendwie schaffte er es nicht. Etwas hinderte ihn daran. Vielleicht war es ihr Blick. Es war, als würde sie ihn ansehen, dabei hatte sie garantiert keine Ahnung, dass er im Gebüsch lauerte.

Es war einfacher, Menschen in den Rücken zu schießen, fand er. Da musste er ihnen nicht ins Gesicht sehen.

Er kümmerte sich nicht weiter um Frau Sommerfeld. Sie war ihm egal. Das Schlangengift würde sie schon bald töten.

Ab jetzt würde er Angst und Schrecken verbreiten. Er lächelte bei dem Gedanken in sich hinein. Angst und Schrecken. Spätestens nach dem zweiten Opfer würde es in der Presse kaum noch ein anderes Thema geben als ihn, den Giftpfeilmörder. Er schlug zu wie eine Giftschlange. Er war ein Künstler der Verwandlung und der Tarnung. Er hatte Zeit. Er war geduldig und er wartete auf eine günstige Gelegenheit. Er hetzte seine Opfer nicht zu Tode, wie es jagende Raubkatzen taten. Er wartete, still, bewegungslos, bis sein Opfer sich ihm näherte. Dann schlug er zu. Hart und gnadenlos.

Der Gedanke gefiel ihm.

Dann floh er mit seinem Bogen durch den Park. Das Ding konnte ihn verraten. Ein Mensch mit Pfeil und Bogen fiel in der S-Bahn genauso auf wie auf der Straße. Aber wer sollte in seinem Gitarrenkoffer einen Bogen mit vergifteten Pfeilen vermuten? Er sah aus wie ein Straßenmusikant, der von einem Konzert auf dem Domplatz mit prallvollen Hosentaschen grinsend in seine Unterkunft fuhr.

Es ist vollbracht, dachte er. Der Anfang vom Ende hat begonnen. Endlich!

+ + + kapitel 003 + + +

Genau in dem Moment, als Hedwig Sommerfelds Körper auf dem Boden aufschlug, durchrieselte ein warmer Schauer Kommissar Lohmann. Seine Exfreundin Gabi fragte ihn tatsächlich, ob er an diesem Wochenende Zeit für sie hätte. Wie lange hatte er davon geträumt, dass sie ihren doofen Typen verlassen würde, um zu ihm zurückzukommen.

Ohne es selbst zu merken, war er vom Sofa aufgesprungen und hatte sich gerade hingestellt. Er wischte sich Haarsträhnen aus der Stirn und ordnete seine Kleidung, ganz so, als könnte Gabi durch das staubige Fenster in die Wohnung gucken und ihn sehen.

»Ich … äh … ja klar, kann ich …«, sagte er, dabei hatte er keine Ahnung, wie der Dienstplan fürs Wochenende aussah. Mörder, Einbrecher, Erpresser, dieses ganze Ganovenvolk hielt sich selten an tariflich vereinbarte Arbeitszeiten. Die begingen Verbrechen ganz nach Lust und Laune, wie es ihnen in den Sinn kam. Keiner rief vorher im Kölner Polizeipräsidium an und fragte, ob es jetzt genehm sei oder ob damit die Urlaubspläne der Damen und Herren Kommissare gestört werden könnten.

Gabi schien sich über seine Antwort sehr zu freuen. Gleich überkam ihn Panik. Was, wenn sie jetzt vorbeikommen wollte? Wie sah seine Wohnung aus? Seit wie vielen Wochen hatte er nicht mehr aufgeräumt? Wie lange türmten sich in der Küche am Fenster bei der Heizung schon die Pizzaschachteln? Seit die Schulden ihm über den Kopf wuchsen und er manchmal nicht wusste, wie er die Miete bezahlen sollte oder die Versicherung für sein Schrottauto, hatte er die Putzfrau entlassen müssen. Er hatte damals geglaubt, das bisschen Saubermachen könnte er locker selbst erledigen.

Als er sich umsah, wurde ihm schlagartig klar, dass das ein Irrtum gewesen war. Er schaffte es nicht alleine. Aber bis spätestens Samstag musste die Wohnung wieder einen bewohnbaren Eindruck machen. Garantiert würde Gabi abends noch mit zu ihm kommen, und sei es nur, um zu sehen, wie er ohne sie klarkam.

Und den Triumph, seine Wohnung im Chaos zu sehen, gönnte er ihr nicht. Er wusste, wie schnell Gabi sich unentbehrlich fand. Den mitleidigen Blick und den verächtlichen Zug um den Mund sah er schon vor sich. »Na ja, Hausarbeit war nie so recht dein Ding, Hasi.«

Während er den sinnlosen Versuch unternahm, beim Telefonieren mit einer Hand aufzuräumen, und die ganze Zeit darüber nachdachte, was sie sagen könnte, wenn sie tatsächlich hier wäre, hörte er ihr nicht wirklich zu. Er verpasste, was sie sagte, und als es ihm bewusst wurde, waren wichtige Teile des Gesprächs bereits an ihm vorbeigegangen. Er beeilte sich, ihr recht zu geben. »Klar, Gabi. Was sagtest du noch so treffend?«

Er atmete tief durch. Es entstand eine kurze, eine von ihm als quälend empfundene Stille. Manchmal flötete sie die Worte mehr, als sie zu sprechen. Ihre Stimme bekam dann etwas Künstliches, eine Art Singsang für ihn. Er wusste dann nie, ob alles ernst gemeint war oder ein Scherz.

»Zieh lockere Kleidung an. Aber bitte nicht deinen alten Trainingsanzug aus Plastik.«

»Das ist Fallschirmseide …«, verteidigte er das gute Stück. Wie konnte sie glauben, dass er zu einem Date mit ihr im silberblauen Jogginganzug erscheinen würde? So lümmelte er sich zu Hause auf dem Sofa herum, aber damit ging er doch nicht in ein Lokal zum Abendessen. Scherzte sie mit ihm? Wollte sie ihm so durch die Blume sagen, wie blöd sie seinen Trainingsanzug fand? Er beschloss, das Teil einfach wegzuwerfen. Nie wieder sollte es zwischen ihm und Gabi stehen.

Glühend heiß wurde ihm bewusst, dass er den Jogginganzug im Moment trug. Auf der Hose waren Kaffee- und Ketchupflecken. Am liebsten hätte er sie sofort ausgezogen.

»Also …«, flötete Gabi, »das Massagewochenende für Paare beginnt am Freitagabend mit dem Kennenlernen. Und erzähl bloß nicht gleich jedem, dass du bei der Kripo bist. Die Leute kriegen dann immer gleich Angst. Also, tschüs dann!«

»Wieso kriegen die Angst?«, fragte er. »Sind das Verbrecher? Anständige Menschen sollten sich sicherer fühlen, wenn ein Kommissar dabei ist.«

Aber das hörte Gabi schon nicht mehr. Sie hatte ihm mitgeteilt, was ihr wichtig war, und dann aufgelegt.

Lohmann blieb verunsichert und ratlos zurück. Hatte die gerade Massagewochenende gesagt? Und von ihnen als Paar gesprochen? Wann wollten sie sich genau treffen? Und vor allen Dingen, wo? Er konnte sie jetzt unmöglich anrufen und sie fragen. Damit goss er nur Öl in ein altes Beziehungsfeuer. Wie oft hatte sie ihm vorgeworfen, er würde nie richtig zuhören?

Er räumte nicht weiter auf. Er setzte sich an seinen Laptop und versuchte, im Internet herauszubekommen, wann und wo Massagewochenenden in der Nähe von Köln stattfanden.

Eine ganz neue Welt tat sich ihm auf, und er ahnte, was er bisher im Leben versäumt hatte. Vielleicht hatte Gabi ihn deshalb verlassen, weil er sich ständig mit Verbrechern beschäftigte statt mit Ölen, Düften, Entspannungsmusik und Energielinien, die angeblich den Körper durchzogen wie Autobahnen das Ruhrgebiet.

+ + + kapitel 004 + + +

Doro Mayer holte noch eine Tüte Chips. Jan Silber rieb sich die braunen Augen und gähnte demonstrativ. Er tat, als ob er sehr müde wäre.

Lina Grün goss sich noch eine Cola ein, obwohl sie längst nervös genug war. »Du willst doch jetzt nicht gehen, Jan?!« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

Jan wollte auf keinen Fall die alten Geschichten von seinem strengen Vater auftischen. Damit konnte er alle nur noch langweilen. Aber er hatte diesen strengen Vater eben, und er musste pünktlich zu Hause sein, sonst bekam er Mega-Stress.

Tim Sommerfeld freute sich auf den nächsten Film. Er kniete auf Socken vor dem DVD-Player und suchte einen neuen Horrorstreifen: Die Rückkehr der lebenden Leichen fand er ganz vielversprechend.

Tim hat gut reden, dachte Jan. Seine Eltern sind mal wieder in London oder Paris oder sonst wo und machen gut gelaunt Geschäfte. Seine Oma lässt ihn an der langen Leine laufen. Lina braucht gar nicht nach Hause, weil sie bei Doro schlafen darf. Aber mein Alter hockt schlecht gelaunt bei uns auf dem Sofa und guckt garantiert alle paar Minuten auf die Uhr.

»Ich kenn den Film schon«, log Jan. »Aber guckt den ruhig. Ich bin hundemüde.«

Doro ließ die neue Chipstüte aufknallen, indem sie den Druck auf die Tüte mit beiden Händen erhöhte. Sie riss diese Tüten nie auf. Sie liebte den Knall, wenn sie platzten. Besonders jetzt, bei diesem Horrorvideoabend. Das erschreckte immer alle so schön. Diesmal ließ die Druckluft ein paar Chips rausfliegen und eine Staubwolke aus Salz, Paprika und Kartoffelkrümeln kam aus der Tüte. Das meiste davon verfing sich in Doros langen hennaroten Haaren.

Selbst mit den Chips in den Locken sah sie immer noch umwerfend aus, fand Lina. Sie beneidete Doro nicht nur um die Haarpracht, sondern vor allen Dingen um die strahlend weißen Zähne. Wie konnte ein Mensch, der Tee trank, Schokolade und Chips aß, nur solche Zähne haben? Das Schicksal war nicht gerecht, dachte Lina. So viel sie auch putzte oder Weißmittel ausprobierte, ihre Zähne wirkten immer, als läge ein schattiger Grauschleier auf ihnen.

»Wir haben doch erst einen Film geguckt«, sagte Doro ein bisschen beleidigt. Die Horrornacht hatte sie sich anders vorgestellt.

»Es ist Donnerstag! Wir haben morgen Schule! Mit ein bisschen Pech schreiben wir einen Test. Vielleicht sollten wir die Horrornacht lieber Samstag machen?«, schlug Jan vor.

Doro schüttelte energisch den Kopf. Die Chips rieselten aus ihren Haaren. »Samstag? Spinnst du? Dann hat mein Alter seinen einzigen freien Abend. Der hat zwar die größte Horrorvideosammlung der Stadt, aber er ist ganz entschieden dagegen, dass wir sie uns hier nachts reinziehen.«

Tim war mit der Filmesammlung beschäftigt. Er fand, was er suchte. Die neuen Horrorfilme interessierten ihn nicht so sehr. Die hatte er längst auf Premiere gesehen. Aber die alten Streifen aus den Achtzigerjahren, die mochte er. Als die Tricks noch gebaut und gespielt werden mussten, weil es noch keine digitale Bildbearbeitung gab. Er fand diese Filme witzig, die Tricks waren so offensichtlich. Er lachte dabei mehr, als sich zu gruseln.

»Der erste Zombiefilm von George A. Romero. Das ist ein Brüller!«

Jan stand auf. »Also Leute, dann viel Spaß noch …«

Tim legte Zombies ein. Er freute sich auf einen schönen Abend mit Lina und Doro. Aber Jan hatte das Haus der Familie Mayer in Bergisch Gladbach kaum verlassen, als das Telefon ging. Herr Mayer war dran. Er erzählte seiner Tochter Doro etwas von geplatzten Terminen und dass er und seine Frau mit ein paar Geschäftsfreunden auf dem Weg nach Hause seien. Sie solle doch bitte so gut sein und einen kleinen Imbiss vorbereiten.

Wenn Doros Vater sagte: »Bitte sei doch so gut …«, dann war das mehr als eine freundliche Bitte. Er erwartete es von ihr, und sie wusste, dass es besser war, seine Erwartungen nicht zu enttäuschen. In letzter Zeit wurde er manchmal jähzornig. Einerseits lag es vermutlich daran, dass die Geschäfte immer schlechter gingen. Er behauptete, für immer weniger Geld immer mehr arbeiten zu müssen. Mit dem Verkauf von Computern war kaum noch etwas zu verdienen, seit die Dinger immer billiger wurden. Wer ging heute noch in den Fachhandel, wenn jeder Kaffeeröster Computer zu Schleuderpreisen anbot? Aber Herr und Frau Mayer schulten Neulinge, vernetzten Firmen und boten den Menschen Lösungen für Probleme an, die sie ohne Computer gar nicht gehabt hätten.

Doro verzog die Lippen. »Tut mir echt leid, aber unsere Horrornacht ist beendet. Meine Eltern kommen gleich nach Hause.«

Tim räumte sofort die Gläser in die Spülmaschine und zog seine Turnschuhe wieder an.

»Kann ich denn bleiben?«, fragte Lina. Ihr Opa wusste ja, dass sie bei Doro übernachten wollte.

Doro nickte. »Klar, wenn du Lust hast, mit mir die Schnittchen für Papas und Mamas Geschäftsfreunde vorzubereiten, dann gerne …«

»Nö«, sagte Lina, »hab ich eigentlich nicht.«

Tim lud sie ein, mit zu ihm zu kommen. In der Villa der Sommerfelds war genug Platz für Gäste.

»Meine Oma hat garantiert nichts dagegen. Die ist voll cool drauf, das weißt du ja. Und sie macht ein saustarkes Frühstück.«

Lina war einverstanden. Doro war es ganz recht, dass die zwei gingen, denn sie wollte nicht, dass Lina mitbekam, wie schlecht ihr Vater im Moment drauf war. In letzter Zeit gab es nichts Wichtigeres für ihn als seine Geschäftspartner. Für sie tat er alles und alles andere musste sich dem unterordnen. Natürlich auch seine Frau und seine Tochter Doro.

»Wer nicht freundlich sein kann«, sagte er, »soll kein Geschäft eröffnen.«

Er lächelte selbst dem größten Schweinehund noch höflich ins Gesicht und erfüllte seine Wünsche. Und dem größten Spinner redete er noch nach dem Mund, bloß um einen Auftrag zu bekommen. Er schien gar keine eigene Meinung mehr zu haben. Und wo war sein Stolz geblieben?

Doro fand das peinlich. Aber er verlangte, dass seine Familie dabei mitmachte.

 

Jan fuhr mit dem Fahrrad nach Köln Mühlheim zurück. Tim nahm sich mit Lina ein Taxi. Seine Oma hatte es nicht gern, wenn er spät abends noch S-Bahn fuhr. Lina gefiel es, sich mit dem Taxi nach Marienburg kutschieren zu lassen. Man kann sich schnell daran gewöhnen, genügend Euro in der Tasche zu haben, dachte sie. Es macht das Leben leichter.

Ihr Opa, Kommissar außer Dienst Günter Grün, war ein sparsamer Mann. Er wäre wahrscheinlich wütend geworden, wenn er erfahren hätte, dass ein Junge in Tims Alter sich abends ganz selbstverständlich mit dem Taxi nach Hause bringen ließ.

+ + + kapitel 005 + + +

Tims Oma Hedwig zitterte. Sie wurde wach, weil etwas auf ihr herumspazierte. Eine Ratte oder eine Taube. Sie spürte deutlich die kleinen krallenförmigen Füßchen. Oder hatte sie Halluzinationen?

Sie wollte um Hilfe rufen, aber sie bekam keinen Ton heraus. Dann versuchte sie, sich aufzurichten.

Ich muss es wenigstens bis zur Straße schaffen, dachte sie. Doch ihre Muskeln gehorchten ihr nicht mehr. Ihr wurde wieder weiß vor den Augen.

+ + + kapitel 006 + + +

Doro belegte Brote mit Käse, Tomatenscheiben und Gürkchen. Jan wurde von seinem Vater angeschnauzt, weil er völlig abgehetzt zehn Minuten zu spät nach Hause kam, und Tim gab dem Taxifahrer zehn Euro Trinkgeld. Der Garten und die Villa beeindruckten Lina schon lange nicht mehr. Sie war zu oft hier gewesen.

Aber der Taxifahrer fragte fast ehrfürchtig: »Wohnst du da?«

Tim nickte. »Hm. Kann ich jetzt bitte die Quittung haben?«

+ + + kapitel 007 + + +

Das große Tor öffnete sich. Als Lina über den Kiesweg auf die Villa zuschritt, sprang automatisch die Gartenbeleuchtung an. Lina genoss diesen kurzen Fußweg. Sie ging dann anders als sonst. Irgendwie herrschaftlich. Wie eine Gräfin kam sie sich vor.

Als Tim endlich die Taxiquittung hatte, rannte er hinter Lina her. Er sah sofort, dass das Licht in Omas Zimmer gelöscht war. Normalerweise saß sie um diese Zeit in ihrem Lieblingsohrensessel und las dicke Romane. Vielleicht war sie ja im Kaminzimmer …

An der Tür wurden Tim und Lina von dem lebensgroßen Darth Vader begrüßt. Er röchelte: »Willkommen, Erhabener Tim. Ich erwarte deine Befehle.« Auch R2D2 war zur Stelle.

Tim beachtete seine Star-Wars-Figuren gar nicht. Er rief: »Omi! Ich habe noch jemanden mitgebracht!«

Aber es kam keine Antwort.

Er lief in die Bibliothek, in die Küche, in Omas Schlafzimmer. Nichts.

Tim hatte seine Ruhe verloren. So kannte Lina ihn gar nicht.

»He, komm runter! Du springst ja rum wie ein Flummiball. Mein Opa ist auch nicht immer zu Hause. Manchmal geht er in die Sauna, mit Freunden zum Skatspielen oder …«