Die Unverbesserlichen -  Die Revanche des Monsieur Lipaire - Volker Klüpfel - E-Book
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Die Unverbesserlichen - Die Revanche des Monsieur Lipaire E-Book

Volker Klüpfel

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Beschreibung

Willkommen auf der Tour de Fettnäpfchen - mit sechs gerissenen, aber ziemlich ungeschickten Gaunerfreunden Das Leben könnte nicht schöner sein in Port Grimaud an der Côte d'Azur: Die unverbesserliche Gaunertruppe um Monsieur Lipaire hat sich gerade erst von ihrem ersten Fall in der südlichen Sonne erholt, als ihr Lieblingsfeind, die Familie Vicomte, zum nächsten Schlag ausholt: Die Adelsdynastie will das idyllische Lagunenstädtchen komplett unter ihre Herrschaft bekommen. Selbst der Bürgermeister weiß erst einmal nicht, wie ihm geschieht. Die eingeschworene, wenn auch ziemlich ungleiche Ganoventruppe muss sich erneut zusammenraufen und der Sache annehmen. Lipaires charmante Dilettanten haben zwar von nichts wirklich Ahnung, doch sie sind mit allen Wassern gewaschen und werden die Vicomtes aufhalten. Oder müssen sie ihnen demnächst den Champagner servieren?

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Die Unverbesserlichen - Die Revanche des Monsieur Lipaire

Altusried hat einen prominenten Sohn: Kommissar Kluftinger. Volker Klüpfel, Jahrgang 1971, kommt wenigstens aus dem gleichen Ort. Nach dem Abitur zog es ihn in die weite Welt – nach Franken: In Bamberg studierte er Politikwissenschaft und Geschichte. Danach arbeitete er bei einer Zeitung in den USA und stellte beim Bayerischen Rundfunk fest, dass ihm doch eher das Schreiben liegt. Seine letzte Station vor dem Dasein als Schriftsteller war die Feuilletonredaktion der Augsburger Allgemeinen. Die knappe Freizeit verbringt er am liebsten mit seiner Familie, mit der er im Allgäu lebt. Sollte noch etwas Zeit übrig sein, treibt er Sport, fotografiert und spielt Theater. Auf der gleichen Bühne wie Kommissar Kluftinger.

Michael Kobr, geboren 1973 in Kempten im Allgäu, studierte in Erlangen ziemlich viele Fächer, aber nur zwei bis zum Schluss: Germanistik und Romanistik. Nach dem Staatsexamen arbeitete er als Realschullehrer. Momentan aber hat er schweren Herzens dem Klassenzimmer den Rücken gekehrt – die Schüler werden’s ihm danken –, um sich dem Schreiben, den ausgedehnten Lesetouren und natürlich seiner Familie widmen zu können. Kobr wohnt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern im Unterallgäu – und in einem kleinen Häuschen mitten in den Bergen, wo die Kobrs im Winter häufig auf der Skipiste, im Sommer auf Rad- und Bergtouren unterwegs sind. Wenn nicht gerade mal wieder eine gemeinsame Reise ansteht ...

Seit dem Ende des großen Coups genießen MONSIEUR LIPAIRE und seine fünf Gaunerfreunde die französische Sonne und das Leben. Doch die Vicomtes haben zwischenzeitlich das Fürstentum Port Grimaud ausgerufen. Pompöse Staatsbesuche und repräsentative Audienzen vor jubelnden Adelsfans inklusive. Als Erstes stellen sie die Wassertaxis ein, und KARIM wird arbeitslos. Dann soll auch noch DELPHINES Handyladen dichtgemacht werden, was ihre ganze Familie in finanzielle Schieflage bringt. Doch die Freunde halten zusammen und entwickeln einen Plan: Sie wollen die Urkunde, die die Vicomtes als Besitzer von Port Grimaud ausweist, wieder in ihren Besitz bringen. Dabei haben sie keine Ahnung, wie man einen solchen Coup überhaupt aufziehen könnte.

Volker Klüpfel und Michael Kobr

Die Unverbesserlichen - Die Revanche des Monsieur Lipaire

Ullstein

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© 2023 by Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinUmschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenUmschlagmotive: FinePic®, MünchenAutorenbilder: © Mamapost/WolffE-Book powered by pepyrusISBN: 978-3-8437-2928-4

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Inhalt

Titelei

Das Buch

Titelseite

Impressum

 

Prolog

Teil 1: Das Wiedersehen

1

2

3

4

5

Teil 2: Der Hund

6

7

8

9

Teil 3: Das Phantom

10

11

12

13

14

15

16

Teil 4: Die Täuschung

17

18

19

20

21

Teil 5: Der Einbruch

22

23

24

25

26

27

28

29

30

Teil 6: Der Plan

31

32

33

34

35

36

37

38

Teil 7: Der Clou

39

40

41

42

43

44

45

Epilog

Anhang

Glossar

Leseprobe: Affenhitze

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

Prolog

»Wenn Sie bitte mitkommen würden, mesdames et messieurs!«

Guillaume Lipaire erstarrte. Sie hatten sie erwischt. Er kniff die Augen zusammen und blickte in die Richtung, aus der die tiefe Männerstimme gekommen war. Doch er konnte kaum etwas erkennen, weil er direkt in die grellen Lichtkegel von drei mächtigen Taschenlampen schaute. Nur schemenhaft zeichneten sich dahinter Schatten ab, zwei von beängstigender Größe und Breite. Guillaume fühlte, wie das Blut aus seinem Kopf in die Beine sackte. Er hatte Mühe, zu atmen. Wahrscheinlich würde ihn gleich eine Ohnmacht übermannen.

Doch er durfte jetzt nicht bewusstlos werden, die anderen brauchten ihn. Er wandte langsam den Kopf und sah in die Gesichter seiner Komplizen: Die Augen weit aufgerissen, starrten sie in Richtung der Taschenlampen. In ihren Mienen spiegelte sich der Gedanke, der auch ihm durch den Kopf fuhr: Aus! Vorbei! Sie, die Unverbesserlichen, waren am Ende.

Paul Quenot, der muskelbepackte Ex-Legionär, stand vor der offenen, zerbeulten Tür des Geldschranks und hielt die Dynamitstangen fest in seiner Hand. Lipaire sah ihm an, dass er im Geiste alle möglichen Szenarien durchspielte, um sie aus dieser Situation zu befreien – und hoffte, dass diese weder mit Sprengstoff noch mit sonstigen Waffen zu tun hatten. Gewalt würde alles nur noch schlimmer machen. Lieber gingen sie alle für ein paar Jahre ins Gefängnis, als hier und jetzt den Heldentod zu sterben.

Neben Paul kauerte Delphine Berté. Ihr Mund stand offen, als wollte sie schreien, aber kein Laut kam heraus. Nur ihre Lippen bebten. Er mochte sich gar nicht ausmalen, was gerade in ihr vorging. Was würden die zwei kleinen Mädchen sagen, die zu Hause auf sie warteten, wenn ihre Mutter nicht zurückkam? Am liebsten wäre er jetzt zu ihr gegangen und hätte sie tröstend in den Arm genommen, hätte gesagt, dass das alles seine Schuld war, dass er für alles die Verantwortung übernehmen würde – doch neben den Taschenlampen waren sicher auch Waffen auf sie gerichtet, und niemand hatte etwas davon, wenn er gleich von Kugeln durchsiebt wurde.

Lizzy Schindler schien am wenigsten beeindruckt davon, dass sie aufgeflogen waren. Sie blickte fragend in die Runde, als warte sie darauf, dass sich die ganze Situation von selbst löste. So war es in den fünfundachtzig Lebensjahren der Österreicherin wohl immer gewesen. Irgendwie war es weitergegangen. Bis heute jedenfalls.

Guillaumes Aufmerksamkeit wurde von einem leisen Schluchzen abgelenkt. Es kam von Jacqueline Venturino. Die Tochter des Bürgermeisters war sonst lebensfroh und nie um einen Spruch verlegen, doch nun hatte es auch ihr die Sprache verschlagen. Karim Petitbon legte ihr den Arm um die Schulter. Die beiden hatten, ganz im Gegensatz zur betagten Österreicherin, ihr Leben noch vor sich. Vielleicht sogar ein gemeinsames, wenn es nach Karim ging. Lipaire seufzte. Es schmerzte ihn, dass er als Ziehvater für den Jungen derart versagt hatte.

»Na los, wird’s bald?«, polterte die Männerstimme jetzt.

Lipaire schloss die Augen. Wo würde die Sache nur für sie enden? Im Hafengefängnis von Marseille, inmitten von Ratten, Kakerlaken und brutalen Drogenhändlern? Oder als Leichen in irgendeinem Steinbruch im Hinterland von Port Grimaud? Oder drohte ihm gar die Abschiebung nach Deutschland, seine alte Heimat? Ein Schauder lief ihm über den Rücken. Zurück nach Deutschland, das war vielleicht der schrecklichste Gedanke von allen.

»Und für dich, Jacqueline, gibt es eine Sonderbehandlung«, hörte er da eine weitere Stimme brummen. »Du bist das?« Jacky wimmerte verzweifelt.

Lipaire ballte die Fäuste. Nein. Er würde nicht zulassen, dass dem Mädchen etwas angetan wurde. Und wenn es das Letzte war, was er in seinem Leben tat. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen, hob drohend die Fäuste und zischte: »Ach ja? Das glaube ich nicht!« Damit wollte er die Aufmerksamkeit auf sich lenken, vielleicht konnte er den anderen so eine Chance zur Flucht bieten.

Die Schatten hinter den Lichtkegeln bewegten sich. Wirkte seine Drohung bereits? Oder würde er gleich das Mündungsfeuer einer Pistole sehen?

Schweiß rann ihm übers Gesicht. Wie hatten sie nur in diese ausweglose Situation geraten können? Vor seinem inneren Auge zogen die letzten Tage vorbei. Alles hatte angefangen an diesem strahlenden Morgen, als er in seinem goldfarbenen Speedster saß, das Verdeck offen, den Wind in seinen Haaren und in seinem Kopf der feste Vorsatz, sich auf keinen Fall unterkriegen zu lassen …

Teil 1: Das Wiedersehen

1

Wenige Tage zuvor …

»Ein Guillaume Lipaire lässt sich nicht unterkriegen!« Erschrocken blickte er sich um: Hatte er das wirklich laut gesagt? Glücklicherweise war niemand in der Nähe, der es hätte hören können. Auch ein Kontrollblick in den Rückspiegel seines Oldtimers, ein schnittiger Porsche 356 Speedster mit offenem Verdeck, zeigte ihm, dass er allein war. Lipaire entspannte sich etwas und beugte sich nach rechts, bis sein Konterfei im kleinen Rückspiegel erschien. Ähnlich wie der Sportwagen, in dem er saß, war auch er kein ganz neues Modell mehr. Und trotzdem noch immer ein Hingucker, und mit seinem dichten silbergrauen Haar, dem sonnengebräunten Gesicht und diesem unwiderstehlichen Lächeln hatte er – wie das Auto – mit den Jahren sogar an Attraktivität zugelegt. Manchmal war ihm seine Aura ein bisschen unheimlich, aber seine Wirkung auf andere, vor allem natürlich auf Frauen, war nun einmal geradezu legendär …

»Was gibt’s zu grinsen, Alter?«

Eine spöttische Stimme durchbrach seine Gedanken. Irritiert hob er den Kopf und blickte in die Augen zweier Mädchen, die auf Elektrorollern an ihm vorbeisurrten.

»Die dürft ihr doch noch nicht mal fahren!«, rief er ihnen hinterher, zornig darüber, bei diesem kurzen Moment der Selbstzufriedenheit ertappt worden zu sein. Die Mädchen schien das nicht zu kümmern, sie waren schon um die nächste Ecke verschwunden. Kopfschüttelnd steckte Guillaume Lipaire den Schlüssel ins Zündschloss. Vielleicht überschätzte er seine Wirkung inzwischen ja auch ein bisschen. Aber wie würde dann seine Zukunft aussehen? Um gar nicht erst düstere Gedanken aufkommen zu lassen, startete er den Motor und fuhr los.

Sobald ihm der Wind durch die Haare fuhr, kehrten sein Lächeln und mit ihm die Leichtigkeit zurück. Es war ein wundervoller Tag – wie beinahe jeder um diese Jahreszeit: Der Himmel leuchtete blau, und die Luft war jetzt, am Anfang der Sommersaison, noch frisch und unverbraucht. Die bunten, niedrigen Reihenhäuschen der Stadt säumten einträchtig die Kanäle, auf denen Motorboote und Segeljachten im sanften Rhythmus der Wellen schaukelten. Er liebte diesen besonderen Ort, und all die Jahre hatte diese Liebe nicht nachgelassen, auch wenn ihm das Schicksal bisweilen übel mitgespielt hatte. Doch dafür konnte ja dieses malerische Fleckchen Erde nichts.

Zufrieden ließ er sich ein bisschen tiefer in die Ledersessel des Wagens sinken, genoss den kernigen Klang des Boxermotors und lenkte den Porsche über die Brücke der Rue de l’Octogone direkt auf den Marktplatz des Örtchens Port Grimaud. Gern ließ er sich dort die neidvollen Blicke der Menschen, die auf das Wassertaxi warteten, gefallen. Er ging etwas vom Gas, winkte huldvoll der Bedienung im Café Fringale zu, die irritiert zurückblickte, fuhr über die große Brücke und wollte gerade durchs Stadttor steuern, als seine Fahrt unsanft beendet wurde.

Einer der Sicherheitsmänner, die die Zufahrtswege zu diesem gänzlich privat verwalteten Ort kontrollierten, stand mit erhobener Hand vor einer rot-weiß gestreiften Absperrung. Mit tuckerndem Motor blieb Guillaume Lipaire vor ihm stehen und wartete darauf, dass man ihn durchlassen würde. Die Abgasschwaden, die dabei zu ihm auf den Fahrersitz zogen, störten ihn nicht im Geringsten. Das gehörte dazu, wenn man einen solchen Klassiker fuhr. Doch der Aufpasser machte keinerlei Anstalten, die Absperrung beiseitezuräumen. Lipaire drückte einmal kurz aufs Gas, denn das Motorengeräusch des Boxers reichte normalerweise aus, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Die Miene des bulligen Mannes verfinsterte sich dadurch aber noch mehr.

»Verschwinde mit deiner klapprigen Karre! Hier geht’s nicht weiter, siehst du doch«, brummte er.

»Aber wieso denn nicht?«, rief ihm Lipaire über das Knattern des Motors zu.

Der Mann zuckte nur mit den Schultern. Ob er nicht wusste, weshalb der Weg gesperrt war, oder schlicht keine Lust hatte, es ihm zu erklären, vermochte Guillaume nicht zu sagen. Da fuhr auf der anderen Seite des Tors ein Reisebus vor, die Türen öffneten sich, und eine ganze Horde Kinder stürmte brüllend und lachend heraus. Als Letztes kam eine streng dreinblickende Frau die Treppe herunter, offenbar die Lehrerin der Schreihälse. Sie drückte jedem ein buntes Fähnchen in die Hand, auf dem ein Wappen prangte: grün-weiße Rauten mit einer stilisierten Burg. Lipaire kannte dieses Emblem nur zu gut. »Kann man diesen Vicomtes denn nirgends mehr entkommen?«, seufzte er.

»Guck mal, Herbert, da fahren vielleicht gleich die Fürsten vorbei!«

Guillaume musterte eine Frau, die vor dem Absperrgitter stand und aufgeregt auf die Kinder deutete, die sich inzwischen links und rechts der Straße postiert hatten. Neben ihr stand ein älterer Mann.

»Ist das nicht toll? Vielleicht sehen wir Ihre Hoheit Marie. Oder Isabelle Vicomte de Grimaud!«

Lipaires Bedürfnis, diesen beiden »Hoheiten« zu begegnen, hielt sich in Grenzen, nachdem sich ihre Wege vor einem Jahr auf ziemlich unangenehme Weise gekreuzt hatten. Doch Herberts Frau, die offensichtlich aus Lipaires alter Heimat kam – er meinte, einen Kölner Akzent zu erkennen –, schien das ganz anders zu sehen. Sie zuppelte ihre Kleider zurecht und machte immer wieder Fotos mit dem Handy, obwohl außer den Kindern mit den Fähnchen noch nichts zu sehen war.

Wenigstens war Guillaume nicht der Einzige, den dieses Verhalten befremdete. An der Absperrung kamen eben zwei ältere Männer mit Baskenmütze an. Sie gehörten zur Boulegruppe, die sich für einen kleinen Obolus engagieren ließ, um auf dem Marktplatz klassische Frankreich-Atmosphäre zu verbreiten. Auch die beiden schienen wenig erfreut darüber, dass ihr Weg hier zu Ende sein sollte.

»Soll ich jetzt einen Kilometer mehr laufen, nur weil ich rauswill?«, fragte der eine und warf empört seine Zigarette weg.

»Dein Problem«, knurrte der Sicherheitsmann. »Und die Kippe sammelst du ganz schnell wieder ein, sonst gibt’s Ärger.«

Widerwillig bückte sich der Alte und hob den Zigarettenstummel auf.

»Ihr könnt gern hierbleiben, sind eh noch nicht genügend Claqueure da für den Staatsbesuch nachher. Nur die Kinder, ein paar Touristen und der Deutsche da.« Er zeigte auf Guillaume, der sich noch mehr darüber ärgerte, trotz seines quasi akzentfreien Französisch als Deutscher identifiziert worden zu sein, als über die Tatsache, dass er den vermeintlichen Hoheiten Applaus spenden sollte.

»Staatsbesuch, dass ich nicht lache«, brummte der andere Boulespieler und spuckte aus. »Wird alles nur komplizierter, seit die Vicomtes sich hier breitgemacht haben.«

»Und teurer«, ergänzte sein Freund.

Lipaire musste ihnen recht geben. Das neue Auftreten der Adeligen hatte das Leben im Ort verändert. Und seiner Ansicht nach nicht zum Guten. Allerdings war es auch nicht ganz so schlimm gekommen, wie er befürchtet hatte, nachdem er letztes Jahr mit der Familie aneinandergeraten war. Es gab sogar ein paar positive Entwicklungen zu verzeichnen: Der Tourismus beispielsweise brummte. Denn seit sich die Vicomtes mit Verweis auf ein lange verschollenes, historisches Dokument, an dessen Auffinden Guillaume nicht ganz unbeteiligt gewesen war, zu Fürsten erklärt hatten, stürzte sich die Presse auf sie. Schließlich hatte man endlich nicht nur die langweilig gewordenen Grimaldis im nahen Monaco zum Ablichten. Die Menschen strömten inzwischen aus aller Welt herbei, um etwas von diesem »Glanz« zu erhaschen.

Wobei niemand dieses Brimborium so richtig ernst nahm, schließlich hatte kein vernünftiges Land das neue Fürstentum anerkannt. Sogar von offizieller Seite aus ließ man sie gewähren, sah das Ganze als eine Art Disneyland-Dynastie an, die belächelt statt ernst genommen wurde. Im Ort gab es hingegen einige, die davon profitierten: Die Immobilienpreise stiegen, die Restaurants brummten. Bei Lipaire lief es immerhin noch ganz passabel. Natürlich hatten die Vicomtes dafür gesorgt, dass er nicht mehr als offiziell angestellter gardien der Eigentümergemeinschaft tätig sein durfte. Aber das hatte sich sogar als nützlich erwiesen, denn nun kümmerte er sich als selbstständiger Wächter um die Ferienhäuser anderer Bewohner Port Grimauds und war niemandem mehr Rechenschaft schuldig. Auch wenn seine inoffiziellen Vermietungen der Häuser, deren Besitzer gerade nicht da waren, dadurch komplizierter geworden waren – anderes Klientel, kürzere Mietabstände, Objekte von minderer Qualität. Aber ein Guillaume Lipaire wusste eben jede Lage zu meistern.

Bis auf diese hier, denn die lächerlichen Staatsbesuche, für die das neu gegründete Postamt sogar Sonderbriefmarken herausgab, sorgten jedes Mal für unerwartete Sackgassen und Chaos im Ort.

»Ich weiß gar nicht, was ihr habt«, raunzte der Sicherheitsmann die Alten an. »Seit wir Fürstentum sind, ist in diesem Nest wenigstens was los.«

»Ach, dieser Zirkus?« Abfällig zeigte der Boulespieler auf die Menschen, die nun immer zahlreicher herbeiströmten.

»Was kümmert’s dich?«

Kopfschüttelnd suchten die Männer das Weite. Das war auch für Guillaume das Signal zum Aufbruch, schließlich wollte er keinesfalls noch hier sein, wenn die Möchtegern-Monarchen Hof hielten. Womöglich müsste er ihnen noch winken – und würde schmerzlich daran erinnert werden, dass er und seine Freunde nicht unschuldig an dieser Entwicklung waren. Streng genommen waren sie sogar die Hauptverantwortlichen, denn ohne sie wären die Vicomtes niemals in den Besitz des Dokuments gekommen, das ihren Anspruch auf den Ort legitimierte.

Schnell legte er den Rückwärtsgang ein, wendete und fuhr davon, als könne er dadurch auch dem Gedanken an seine Mitschuld entkommen. Außerdem hatte er einen Termin, den er nicht verpassen durfte. Doch wohin er auch fuhr, immer landete er wieder vor einer Absperrung, die ihn am Verlassen des Lagunenstädtchens hinderte.

»Putain!« Er stellte den Motor ab und zündete sich einen Zigarillo an. Als er den Rauch ausblies, fiel sein Blick auf ein Plakat an einer Hauswand. Es zeigte Marie Vicomte und ihren Vater, den alten Chevalier. Er trug eine Art Uniformjacke mit Dutzenden Abzeichen – Fantasieorden, da war sich Guillaume sicher. In den Haaren der Tochter steckte ein Diadem wie eine Krone. Lipaire wollte sich schon angewidert abwenden, da schlich sich ein Gedanke in seinen Kopf. Sicher, das war kindisch, und wenn er erwischt wurde, hätte er ein Problem.

»Egal«, knurrte er, öffnete das Handschuhfach, zog einen dicken Filzstift heraus und ging zu dem Poster. Verschwörerisch schaute er sich um: Niemand nahm Notiz von ihm, die Menschenmenge am Kanal blickte erwartungsvoll in die Richtung, aus der der Konvoi kommen würde. Also machte sich Guil­laume an die Arbeit.

Als er fertig war, trat er einen Schritt zurück und betrachtete sein Werk. Vielleicht sollte er in Zukunft als Künstler sein Glück versuchen. Das Plakat der selbst ernannten Hoheiten war jetzt, mit den Teufelshörnern, die aus Maries Stirn sprossen, und dem Hitlerbärtchen auf Chevaliers Oberlippe, viel aussagekräftiger. Zufrieden verstaute er den Stift wieder und wollte sich gerade auf den Weg machen, um nicht doch noch erwischt zu werden, da entdeckte er in der Menschenschlange, die den Weg entlang des Kanals säumte, Madame Lizzy. Er hatte die alte Dame schon monatelang nicht mehr gesehen, und sofort überkam ihn ein schlechtes Gewissen. Hätte er sich bei ihr melden sollen? Sie fragen, ob sie etwas brauchte? Irgendwie hatten sich auch die restlichen Mitglieder ihrer bunten Truppe etwas aus den Augen verloren. Nach ihrem missglückten Coup letzten Sommer hatte es zwar noch ein paar Treffen gegeben, irgendwann aber waren auch die eingeschlafen. Das war schade, doch jeder hatte eben seine eigenen Probleme, auch wenn sie sich eigentlich fest vorgenommen hatten, regelmäßig zusammenzukommen.

Er überlegte, ob er Lizzy rufen sollte, doch sie schien derart in ihrem Element, dass er sie nicht stören wollte. Mit ihren dünnen Beinchen in den Leoparden-Leggings und dem paillettenbesetzten T-Shirt stakste die Österreicherin, inzwischen weit in den Achtzigern, resolut durch die Reihen. Ihren Pudel Louis Quatorze im Schlepptau erzählte sie allen, dass sie die Fürsten persönlich kenne – ob die das nun wissen wollten oder nicht. Vor allem in jüngster Vergangenheit habe sie viel mit den Adligen zu tun gehabt, brüstete sie sich.

Das war nicht einmal gelogen, und Lipaire grinste über die Art, wie sie die Wahrheit zu ihren Gunsten zurechtbog – ganz nach seinem Geschmack. Doch es machte ihn auch ein bisschen traurig zu sehen, wie die alte Dame noch immer dem Glamour vergangener Tage nachjagte.

Als er mit dem Vorsatz zurücksetzte, sich in den nächsten Tagen bei ihr zu melden, kreuzte Paul Quenot mit einer Schubkarre seinen Weg. Lipaire hupte, weil der Belgier ihn nicht gleich sah, worauf der Hüne drohend die Hand hob, sie aber schnell sinken ließ, als er ihn erkannte.

»Guillaume?«, kiekste er mit seiner viel zu hohen Stimme, die so gar nicht zu dem muskelbepackten Ex-Legionär passen wollte. »Auch ein bisschen den Hoheiten zujubeln?«

»Nicht mal, wenn sie mich dafür bezahlen würden. Und du? In diesem Viertel hast du doch gar keine Gärten zu pflegen, oder, mon ami?« Lipaire freute sich jedes Mal, dass er diesen Zusatz im Zusammenhang mit Paul wieder benutzen konnte. Viele Jahre hatten sie nicht miteinander gesprochen, doch ihre gemeinsame Unternehmung letztes Jahr hatte sie wieder zusammengebracht.

»Man kommt ja nirgends durch. Und über den Marktplatz darf ich nicht mehr.«

»Wegen dem Staatsempfang heute?«, wollte Lipaire wissen.

»Nein, sonst auch.«

»Sonst auch nicht?«

Paul nickte. »Beschluss des Verwaltungsrates. Keine Leute in Arbeitskleidung mehr im Zentrum nach neun Uhr. Stört das Gesamtbild.«

Guillaume schüttelte den Kopf und blickte sich um. Für ihn hatte es immer den Reiz des Örtchens ausgemacht, dass zwischen all diesen pittoresken Fischerhäuschen nicht nur Touristen flanierten, sondern auch diejenigen, die hier arbeiteten. »Das haben sich doch bestimmt wieder diese Aushilfsfürsten ausgedacht«, schimpfte er.

Quenot zuckte nur die Achseln. »Kann aber sonst nicht klagen. Die Résidents haben harte Auflagen für ihre Gärten gekriegt. Alles muss tipptopp sein – auf ihre Kosten. Da hab ich viel zu tun.«

Noch einer, der sich nicht von ein paar kleinen Veränderungen unterkriegen lässt, dachte Lipaire.

»Ein guter Zeitpunkt für eine eigene Gärtnerei.«

Lipaire wusste, dass das der große Lebenstraum seines Freundes war. Und mit dem Geld, das sie letztes Jahr bei ihrem gemeinsamen Coup »erwirtschaftet« hatten, war er diesem ein schönes Stück näher gekommen. »Hast du schon was Bestimmtes im Auge?«

Der Belgier nickte.

»Schön für dich.«

»Dir geht’s doch auch gut.« Paul Quenot zeigte auf den Oldtimer.

»Ach, der … jaja«, gab Guillaume zähneknirschend zurück und senkte den Blick.

»Ist er kaputt?«

»Nein, mit dem Wagen ist alles in Ordnung.«

»Und sonst?«

»Ach Paul, das ist eine längere Geschichte. Erzähle ich dir ein andermal. Wie komme ich denn jetzt hier raus?«

Der Belgier blickte sich um und kratzte seinen kahl rasierten Schädel. »Im Moment gar nicht, wenn du mich fragst. Musst wohl warten.«

»Merde. Na dann, à bientôt, mon ami!«, rief Guillaume und blickte auf die Uhr. Die Zeit wurde knapp. Nun konnte nur noch einer helfen. Er zog sein Handy heraus und drückte die Schnellwahltaste. Schon nach dem zweiten Klingeln wurde abgenommen.

»Oui, j’écoute?«

»Karim, ich brauch dich.«

»Ich weiß.«

»Ich meine, sofort.«

»Auch das hab ich schon mal gehört.«

»Junge, es eilt. Hier ist kein Durchkommen. Mal wieder ein Staatsbesuch.« Das letzte Wort betonte er, als spreche er von einer schlimmen Krankheit.

»Wird dich nicht umbringen, wenn du mal nicht mit dem Auto fährst. Früher bist du sowieso viel mehr gelaufen!«

»Darum geht es nicht. Besser gesagt: Genau darum geht es. Kommst du jetzt endlich? Ich steh am Kai. Und bring das Transportboot mit, hörst du?« Ohne eine Antwort abzuwarten, legte er auf.

2

»Junge, Junge, das hat ja mal wieder gedauert! Pünktlichkeit ist dir wirklich nicht in die Wiege gelegt.« Lipaire hatte den Porsche bereits rückwärts am Rand des Kais an der Capitainerie, der Hafenmeisterei, geparkt und erwartete ungeduldig seinen fast vierzig Jahre jüngeren Freund, der eben den unförmigen Lastenkahn mit dem kleinen Kranausleger zur Anlegestelle bugsierte.

»Reg dich nicht schon wieder auf«, rief Karim Petitbon von seinem offenen Führerstand aus. »Ist schlecht für dein Herz. Und das hier ist nicht gerade ein Rennboot. Wie du, Wilhelm!«

»Ich heiße Guillaume.«

»Aber du benimmst dich gerade mal wieder wie ein Wilhelm.«

»Weil ich in Eile bin.«

Für Lipaires Zwecke war das Boot, mit dem sonst Baumaterialien oder Maschinen zum Unterhalt der Kanäle transportiert wurden, zwar etwas langsam, aber ansonsten genau richtig: Es bot die momentan einzige Möglichkeit, den Sportwagen aus den Gässchen der Stadt zu bekommen. Karim warf ihm ein dickes Tau zu, das er zwar fing, dann aber skeptisch in seiner Hand wiegte, als habe er keine Ahnung, was er damit anstellen solle.

»Du musst uns schon festmachen, nicht dass es mich wegtreibt, während du dein Schmuckstück aufs Boot fährst.«

»Fahren? Kannst du den Porsche nicht mit dem Kran draufheben?«

Karim schüttelte den Kopf. »Dazu ist der viel zu schwach. Ich hab zwei Rampen, über die fährst du drauf. Und jetzt mach das Tau fest, Matrose.«

Lipaire kratzte sich am Kopf und schlang das Seil umständlich um einen Metallpoller.

Karim grinste spöttisch. »Ein Seemann wird nicht mehr aus dir.«

»Das hatte ich auch nie vor«, gab Guillaume zurück. »Obwohl, wenn man dich mit deiner schnieken Matrosentracht so anschaut …«

»Hör mir bloß damit auf!« Karim schaute an seiner blauen Fantasieuniform herab, die zusammen mit der lächerlichen Seemannsmütze ein wenig an das Outfit von Donald Duck erinnerte. Nur die rote Fliege fehlte. »Haben sich die Vicomtes so gewünscht, damit wir schicker aussehen, auf unseren Wassertaxis.«

»Wir müssen wohl alle Opfer bringen, Kleiner.«

»Vor allem du.« Karim blickte demonstrativ auf den Porsche. Dann stellte er den Motor auf Leerlauf und schob unter Guillaumes skeptischen Blicken zwei schmale Metallrampen über den Spalt zwischen Kai und Ladefläche. Allein der Höhenunterschied betrug gut und gern einen halben Meter. Wie um alles in der Welt sollte man über diese wackligen Planken den Oldtimer heil an Bord bekommen? Ein paar Zentimeter daneben, und der Bolide landete im Wasser oder blieb zwischen Betonwand und Boot hängen.

»Karim, wir müssen das woanders machen. Hier ist es viel zu gefährlich, die Mauer ist zu hoch.«

»Wo denn dann?«

Lipaire blickte auf den betonierten Platz, in dessen Zentrum ein Denkmal für die Landung der Alliierten am Strand von Grimaud stand. Daneben wehte die Trikolore. Der Abstand zum Wasser war tatsächlich überall gleich. Und hinter dem flachen, lang gezogenen Gebäude der Hafenverwaltung begann bereits der Sandstrand. Der Junge hatte wohl recht, es gab keine vernünftige Alternative.

»Also, los geht’s. Ich dirigiere dich auf die Rampen«, vermeldete Karim Petitbon, nachdem er die Auffahrhilfen mit dem Fuß geprüft hatte. »Du musst nur tun, was ich sage. Auch wenn’s dir schwerfällt.«

»Das sagt sich so leicht.« Lipaire ließ den Motor an und setzte zurück. Zentimeterweise und stets mit dem Fuß über dem Bremspedal, um im Notfall sofort stoppen zu können. Dabei achtete er peinlich genau auf Karims Anweisungen, was wirklich eine ungewohnte Rolle für ihn war.

Nach zehn Minuten hatten sie es tatsächlich geschafft: Der goldmetallic glänzende Porsche stand wie eine überdimensionierte Galionsfigur auf der Ladefläche des Kahns.

Karim löste die Leine am Poller. »Und, wohin geht’s jetzt?«

Lipaire, dem der Angstschweiß noch auf der Stirn stand, hatte sich erst einmal einen Zigarillo angezündet und sah seinen jugendlichen Freund mit großen Augen an. »Na, diese Frage solltest du mir eigentlich beantworten. Du weißt ja wohl am besten, wo wir den Wagen außerhalb des Städtchens wieder entladen können.«

»Ich?« Karim zog erstaunt die Brauen hoch.

»Du hast mir ja deine Dienste als Fährmann angeboten, also dachte ich auch, du hättest einen Plan.«

»Angeboten? Du hast mich herzitiert, ohne dass ich überhaupt wusste, warum.«

»Also, weißt du irgendwas oder nicht?«

»Jetzt lass mich doch mal überlegen. Wenn wir Richtung Marines de Cogolin rüberfahren würden, hätten wir keine allzu lange Strecke übers offene Meer. Ansonsten bliebe uns höchstens die alte Mole auf halbem Weg nach Sainte Maxime. Aber ob wir da mit dem Oldie sauber draufkommen, weiß ich nicht. Und es könnte sein, dass die eine oder andere Welle über deine Chromfelgen schwappt, wenn wir so weit in den Golf rausfahren. Dieser Pott hier ist nicht für Seegang gebaut.«

»Dann lieber Variante eins. Auf geht’s, ich hab nicht ewig Zeit.«

Sichtlich entnervt setzte Karim das Boot zurück, drehte bei und fuhr auf die Hafenausfahrt zu. »Und dieser ganze Aufwand nur, weil Monsieur Lipaire mit dem historischen Porsche eine kleine Ausfahrt machen will! Wo geht denn deine Spritztour heute hin? Doch nicht schon wieder ins Casino, oder?«

»Die Casinos der Gegend müssen die nächste Zeit wohl oder übel ohne mich auskommen. Aber sie sind trotzdem der Grund für unsere Fahrt.«

Karim sah ihn fragend an.

»Es könnte sein, dass es mir durch die eine oder andere Verkettung ungünstiger Zufälle während der Spiele in besagten Etablissements inzwischen am nötigen Kapital für weitere Besuche dort mangelt.«

»Du meinst, du bist pleite.«

»Pleite? Was für ein grässliches Wort. Ich bevorzuge den Ausdruck vorübergehender finanzieller Engpass.«

Karim schüttelte lachend den Kopf. »Du bist einfach unverbesserlich! Aber was hat das alles jetzt mit dem Wagen zu tun?«

»Der ist so was wie mein Sparbüchlein, das ich heute schweren Herzens auflösen werde.«

Karim fiel die Kinnlade nach unten. »Du willst den Speedster verkaufen?«

»Ich will nicht, ich muss. Ich habe mir unvorsichtigerweise ein wenig Geld geliehen, weil ich fest davon überzeugt war, vor einer Glückssträhne im Blackjack zu stehen. Aber mein Gefühl hat mich wider Erwarten getäuscht. Und jetzt sitzen mir die verdammten Gläubiger im Nacken. Mir bleibt keine andere Wahl, man setzt mir bereits das Messer auf die Brust.«

Inzwischen hatten sie das offene Meer erreicht, was Lipaire zu einem besorgten Blick auf die Wellen veranlasste, die unaufhörlich gegen das flache Deck schlugen.

»Das Messer? Mit wem hast du dich denn da eingelassen?«

»Nur so eine deutsche Redensart. Keine Sorge. Diese Leute sind ganz …«, Lipaire hüstelte, »… umgänglich, eigentlich.« Er merkte, dass ihm der Junge kein Wort glaubte. »Nur der Aufkäufer für den Wagen ist ein bisschen ungeduldig.« Hastig schaute er auf die japanische Quartzuhr an seinem Handgelenk. Die schöne Rolex Oyster, die für ein paar Monate an ihrer Stelle geprangt hatte, befand sich seit mittlerweile zehn Tagen im Besitz eines Antiquitätenhändlers aus Saint-Tropez. »Aber wenn du ein bisschen draufdrückst, könnten wir es gerade noch schaffen.«

»Mann, Guillaume, ich hab dir doch immer gesagt, du sollst vorsichtig sein mit deiner Zockerei.« Karim klang in Lipaires Ohren ein wenig altklug. War es nicht an ihm, dem väterlichen Freund, weise Ratschläge zu geben? Gut, schränkte er ein, in Sachen Sparen und Vermögensverwaltung war er wohl kein Vorbild.

»Ich zum Beispiel hab meiner Mama zwei, drei kleinere Wünsche erfüllt und das restliche Geld aus unserem Coup letztes Jahr gespart. Gib’s zu, das war viel vernünftiger.«

Lipaire zuckte die Achseln. »Das vielleicht. Macht aber längst nicht so viel Spaß.«

»Bist du nicht traurig wegen dem Auto?«

Guillaume schnippte die Kippe seines Zigarillos ins Meer und blies den letzten Rauch aus seinen Lungen. Dann seufzte er. »Letztlich bin ich sogar froh, wenn das Ding wieder weg ist. Ökologisch ist der nicht mehr zeitgemäß, für meine Fitness sind Fußmärsche besser, Tanken ist teuer, und ich bin obendrein alle Parkplatzprobleme los. Hätte ich’s besser erwischen können?«

»Deine Gelassenheit möchte ich haben.«

»Dazu braucht es über sechzig Jährchen Übung in der harten Schule des Lebens. Dir fehlt also noch eine ganze Menge. Aber ich glaube, du bist auf einem guten Weg. Achtung, Gegenverkehr!«

»Heilige Scheiße!«, schrie Karim. Ganz offensichtlich hatte er nicht bemerkt, dass die Gipsy IX, das grün-weiße Linienboot zwischen Port Grimaud und Saint-Tropez, mit voller Fahrt auf sie zuhielt. Er drehte wild am Steuerrad, doch der träge Lastkahn machte keine merklichen Anstalten, seinen Kurs zu ändern. Schon ertönte das Signalhorn der Gipsy, und das gesamte Schiff neigte sich nach links, um eine Kollision zu vermeiden. Die Touristen an Bord liefen neugierig an die Reling und sahen mit offenen Mündern dabei zu, wie die beiden Boote mit nur einer Handbreit Abstand aneinander vorbeiglitten. Lipaire konnte erkennen, wie der Kapitän des Linienschiffs mit der Faust aus seinem Seitenfenster drohte, dann traf sie die Bugwelle mit voller Wucht. Wie eine Nussschale wurde der Transportkahn hochgehoben und bekam gefährlich Schlagseite. Lipaires Blick flog zum Porsche, der bereits ein bedrohliches Stück zur Seite gerutscht war. Nicht auszudenken, wenn sie ihn hier, direkt in der Fahrrinne vor dem Hafen, versenken würden. Kurz erwog er, die Karosse festzuhalten, dann jedoch wurde ihm klar, dass er dabei mit seinen knapp achtzig Kilo nicht den Hauch einer Chance hätte. Nun half nur noch Beten, denn eine weitere Welle rollte bereits über Deck und ergoss sich über Lipaires lederne Mokassins.

»Merde!«, schimpfte er und sah zu Karim. Der stand blass am Ruder und bewegte mit weit aufgerissenen Augen stumm die Lippen. Offenbar betete er tatsächlich, und zwar mit Erfolg, denn die Wellen wurden wieder niedriger. Der Porsche stand zwar noch immer etwas schräg, aber stabil auf der Ladefläche des Metallkahns.

»Ich … wir … pardon, Guillaume. Ich war so in unser Gespräch vertieft, dass ich Rémy mit seiner Gipsy gar nicht habe kommen sehen.«

»Ist ja noch mal gut gegangen. Um das Salz auf den Chromteilen muss sich von nun an sowieso jemand anderes kümmern. Ist eh nur passiert, weil unsere Aushilfsfürsten mal wieder einen ihrer Staatsbesuche angesetzt haben.«

»Den Leuten scheint’s zu gefallen.«

»Ja, denen, die von woanders herkommen, vielleicht.«

Karim nickte. »Stimmt. Wer kümmert sich noch drum, wie es uns geht? Wir müssen schließlich jeden Tag hier leben.«

»Dürfen, Karim. Dürfen«, korrigierte Lipaire mit erhobenem Zeigefinger. »Auch wenn die Zeiten rauer geworden sind: Wir sind noch immer privilegiert, Junge. Andere wohnen in irgendwelchen Hochhaussiedlungen und sehen nichts als Beton von ihrem Fenster aus.«

»Ich weiß schon. Immer das Positive sehen«, seufzte Karim. »Aber heute Morgen musste ich zum Beispiel über eine halbe Stunde früher anfangen, um das Wassertaxi mit diesen grün-weißen Fantasiefahnen zu beflaggen. Das nervt. Und die Uniform …«

»… kommt doch bei den Mädels sicher an, oder?«

Karim grinste. »Touché! Trotzdem komme ich mir übelst verkleidet vor damit.«

»Apropos Mädels: Wie läuft es denn mit Jacky?« Lipaire wusste, dass Karim sich bei ihrem großen Coup im vergangenen Sommer über beide Ohren in Jacqueline Venturino, die Tochter des Bürgermeisters von Grimaud, verknallt hatte – auch wenn sie nie explizit darüber geredet hatten.

Karim schnaubte genervt. »Gar nichts läuft. Man hört und sieht nichts von ihr, weil Mademoiselle ja in New York weilen.«

»Immer noch an dieser Schauspielakademie?«

»Anscheinend. Na ja, kann man nix machen«, seufzte Karim.

»Ihren Vater sieht man dafür ja ziemlich oft in letzter Zeit.«

»Absolut. Und meistens hat er diese affige Schärpe mit den Landesfarben an. Man könnte meinen, er hält sich für Miss Frankreich oder den Président de la République.«

Lipaire lächelte. »Stimmt. Wie hat er das neulich im Zeitungsinterview gesagt: Er möchte seine Rolle als Repräsentant der französischen Nation im Fürstentum Port Grimaud ernst nehmen. Dafür nimmt ihn kaum noch jemand ernst. Der ist doch nur eine Puppe im Kasperltheater der Vicomtes.«

»Was für ein Theater?« Karim lenkte nach links, weil sie sich allmählich der Anlegestelle im Hafen von Cogolin näherten. Während in Saint-Tropez mächtige Jachten dominierten, dümpelten hier vor allem einfache Segeljollen. Guillaume liebte diese schlichteren Boote. Die Gischt spritzte auf und erfüllte die Luft mit glitzernden Tropfen. Für einen Augenblick vergaß er den Grund ihrer Fahrt, atmete tief ein und genoss einfach den Moment. »Nicht so wichtig. Ich habe mich ja auch noch nicht endgültig entschieden, in welche Kategorie ich das, was die Vicomtes aufführen, einordnen soll: Tragödie, Komödie oder Farce.«

Der Junge warf ihm einen fragenden Blick zu.

»Die grundlegenden Dramenformen sind dir doch ein Begriff, oder?«

»Die … was?«

»Warst du nie im Theater?«

»Doch, klar! Zweimal sogar. Das erste Mal bei einer Schulaufführung von Le Petit Prince, da hatte sich dann allerdings der Junge, der den Fuchs gespielt hat, auf der Bühne den Arm gebrochen, und deshalb ging es nach der Pause nicht mehr weiter. Und das zweite Mal war eine englische Gruppe bei uns am Collège.«

»Und was gab’s? Shakespeare?«

»Keine Ahnung. Ich weiß aber noch, dass ich mir damals ein geniales Blasrohr gebaut hab, mit dem ich Papierkügelchen bis zur Bühne spucken konnte.«

Lipaire schüttelte den Kopf. »O tempora, o mores!«

»Nee, so hieß das Stück nicht.«

»Lassen wir das lieber.«

»Viel sieht man die Vicomtes ja nicht mehr«, sagte Karim, offenbar froh, das Thema zu wechseln.

»Ja, sie machen sich rar. Aber untätig sind sie nicht. Wie man hört, kaufen sie so ziemlich alle Häuser auf, die auf den Markt kommen.«

»Würde mich mal interessieren, woher sie das Geld haben.«

»Na ja, es gibt viele Investoren, die sich für Grundbesitz in Port Grimaud interessieren. Und seitdem die Vicomtes ins Immobiliengeschäft eingestiegen sind, werden die Banken ihnen das Geld geradezu aufdrängen, könnte ich mir denken. Schließlich hätten sie bei einer Pleite guten Gegenwert für ausgefallene Kredite.«

»Hm. Kann sein, mit so was kenn ich mich nicht aus. Aber vielleicht läuft ja auch der Briefmarken- und Fahnenverkauf so gut.«

Lipaire stieß verächtlich die Luft aus. »Lächerlich!«

»Wo sie die schon überall gehisst haben: auf dem Turm ihres Hauses, an sämtlichen Plätzen, nicht mal mehr ihre Comtesse fährt unter französischer Flagge.«

Lipaire nickte. Auch er hatte das grün-weiße Rautenfähnchen mit der stilisierten Burg am Heck der stattlichen Mahagoni-Segeljacht Comtesse wehen sehen.

Ansonsten bekam man im täglichen Leben nicht mehr viel von den Vicomtes mit: Zu ihrem Anwesen, dem markantesten Haus, das einst dem Gründer von Port Grimaud, dem Architekten Gilbert Roudeau gehört hatte, hatten sie noch einige angrenzende Gebäude gekauft. Das ganze Ensemble war inzwischen von einem hohen Zaun umgeben. Die Fenster, in die man früher vom Kanal aus hineinsehen konnte, waren verspiegelt, das gesamte Grundstück wurde mit Kameras überwacht, im Garten und an den Eingängen patrouillierten Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsunternehmens. Hätten Lipaire und die anderen sich unter solchen Umständen Zugang zum Haus verschaffen müssen, sie wären an diesen Hürden kläglich gescheitert.

Ob ihre Gruppe sich noch einmal zusammenfinden würde? Die Unverbesserlichen hatten sie sich genannt, waren mit der Zeit eine eingeschworene Gemeinschaft geworden und hatten einem vermeintlichen Schatz hinterhergejagt. Dabei waren sie allerdings nur auf ein verschollenes historisches Dokument gestoßen, das den Vicomtes ihrer Ansicht nach die Unabhängigkeit vom französischen Staat zusicherte – die Grundlage für das Ausrufen des Fürstentums nach dem Vorbild von Kleinststaaten wie Monaco. Nur, dass eben niemand ihre Quasi-Staatsgründung ernst nahm. Zum Glück.

»Was überlegst du?«, riss ihn Karim aus seinen Gedanken.

»Ach, dies und das. Letztlich nichts.«

»Sehr philosophisch.«

Lipaire zuckte die Achseln. Sein Blick fiel auf den Porsche. Nun fühlte er doch einen Anflug von Melancholie in sich aufsteigen. Eigentlich hängte er sein Herz längst nicht mehr an materielle Werte. Zu oft hatte es dabei schon Narben davongetragen. Er versuchte, die aufkeimende Sentimentalität sofort wieder niederzukämpfen. Aber dieses goldene Cabriolet machte es ihm schwer. Es war so etwas wie das Symbol seines Wiederaufstiegs, nachdem er, wie die anderen der Gruppe auch, durch den Coup zu einer hübschen Summe Geld gekommen war. Kein ganzes Jahr hatte es gedauert, dass er nun mit noch weniger dastand als zuvor.

»Mir kannst du nix vormachen: Es wurmt dich, dass du dich von deinem Goldstück verabschieden musst. Stimmt’s?«

Guillaume seufzte.

»Kopf hoch, alter Mann! Das Ding hat nie wirklich zu dir gepasst.«

»So, worin wäre ich denn dann deiner Meinung nach passender unterwegs gewesen?«

Karim dachte nach. »Hm, in einem Méhari vielleicht? Oder einem Renault 4?«

»Sehr schmeichelhaft.«

»He, das war als Kompliment gemeint. Du bist schließlich kein Poser. Oder jedenfalls nicht so einer.«

Lipaire schmunzelte. Er hätte, ohne lange zu überlegen, zwei Dutzend Leute aufzählen können, die in dieser Frage gänzlich anderer Meinung waren. Aber es freute ihn dennoch, dass Karim ihn so einschätzte. Richtig einschätzte, vervollständigte er im Geiste.

Als sie den Sportwagen nach einer ähnlich waghalsigen Aktion wie beim Aufladen ohne Schrammen und sonstige Schäden wieder an Land hatten, verabschiedeten sich die beiden. Lipaire versprach, dem Jungen eine Stunde Extralohn zu bezahlen, wenn er wieder liquide war, was der mit einem »Ich werde dich dran erinnern!« quittierte.

Bevor er einstieg, holte Guillaume noch einen Kamm aus der Hosentasche, drehte den winzigen verchromten Außenspiegel nach oben und begann, seine durch den Ausflug aufs Meer derangierten grauen Locken wieder in Form zu bringen.

»Ah, ist also eine Frau, die dein Auto kauft«, rief Karim ihm mit verschmitzter Miene zu.

»Das nicht. Aber man soll doch nicht den Eindruck bekommen, ich müsse verkaufen«, erklärte Guillaume, steckte den Kamm weg und ließ sich mit generösem Winken ein letztes Mal in den bequemen ledernen Fahrersitz fallen.

3

»Nicht gerade ein Schmuckstück.«

Guillaume Lipaire fuhr herum. Er hatte die Tür nicht gehört, so sehr war er damit beschäftigt gewesen, die Wohnung, in der er sich gerade befand, in ein gutes Licht zu rücken. Wenn man heutzutage als Vermieter erfolgreich sein wollte, musste man auch virtuos auf der digitalen Klaviatur spielen, und das hieß: Schöne Fotos vom Objekt machen und diese ein bisschen nachbearbeiten, damit die Leute Lust bekamen, dort ein paar entspannte Tage zu verbringen. Früher war das einfacher gewesen, da hatte der Nimbus des Ortes in direkter Nachbarschaft zu Saint-Tropez locker ausgereicht, um die Wohnungen im fliegenden Wechsel auszulasten. Aber heutzutage wollten die Leute immer erst »Beweisfotos« sehen – und am besten auch noch Dutzende von Bewertungen über die Vermieter und deren Objekte lesen. Als ob das in seinem Fall überhaupt möglich gewesen wäre. Sollte er die Besitzer vielleicht bitten, ein paar schöne Zeilen zu verfassen, damit er ihr Hab und Gut hinter ihrem Rücken leichter vermieten konnte?

»Gut, dass du da bist, Paul«, sagte er, erleichtert, dass Quenot endlich aufgetaucht war. Denn was gab es Besseres, um den Eindruck einer gepflegten Wohnung zu erwecken, als diese mit ein paar schönen Pflanzen aufzuhübschen?

»Das Gefühl hab ich auch. Ich hab ein paar meiner Lieblinge dabei.« Der Belgier blickte auf die Blüten der Pflanzen, die er in einer Kunststoffbox vor sich hertrug. »Hast du Übertöpfe?«

»Übertöpfe?«

»Na, in diesen Plastikdingern willst du sie ja wohl nicht auf dem Foto haben, oder?«

»Hm, stimmt, das würde nicht so gut aussehen.« Guillaume schaute sich suchend um. »Die Goosens werden doch ein paar verdammte Übertöpfe haben, immerhin sind sie …«

»Holländer?«

»Belgier.« Guillaume zwinkerte seinem Freund zu. »Das mit den Pflanzen liegt doch in eurer Natur, oder ist das ein Geburtsfehler bei dir?«

»Halt die Klappe, und hilf mir lieber.« Der Ex-Legionär stellte die Blumen auf dem runden Esstisch ab. »Wo sollen die hin?«

Lipaire ließ den Blick durch die Wohnung schweifen. So schlimm, wie vom Belgier vermutet, sah sie gar nicht aus. Da hatte er schon ganz andere gesehen. Sie war auch nicht so vollgestopft wie einige seiner Objekte. Er hasste das, denn das unbestreitbare Schmuckstück jeder Wohnung in Port Grimaud waren die großen verglasten Terrassen- oder Balkontüren auf den Kanal hinaus. Mit dem Blick aufs Wasser, in dem sich der Himmel spiegelte, wenn nicht gerade eine Segeljacht oder ein Motorboot vorbeiglitt, konnte keine noch so gut ausgesuchte Einrichtung konkurrieren.

»Fangen wir doch hier an«, sagte der Belgier und deutete auf das Beistelltischchen neben dem Sofa.

»Gute Idee, wollte ich auch gerade vorschlagen.«

»Hast du jetzt Übertöpfe oder nicht?«

»Genau, die Übertöpfe!« Während Guillaume die Einbauschränke durchsuchte und froh war, dass es hier in den Häusern wegen des allgegenwärtigen Wassers nicht auch noch Keller gab, in denen er auch hätte nachschauen müssen, kümmerte sich Paul um die harmonische Verteilung der Blumendekoration. Er hatte ein Händchen dafür, das wusste Lipaire, weswegen er sich nicht einmischte.

»Wie kommt’s eigentlich, dass du immer noch in der gardien-Wohnung haust?«, fragte Quenot.

Guillaume grinste. »Das haben die Vicomtes wohl nicht auf dem Schirm gehabt. Ich bin zwar meine Anstellung los, aber dass ich eins der Dienstapartments belege, haben sie nicht bedacht. Der Vertrag läuft also erst mal weiter. Na ja, die kümmern sich ja jetzt um Wichtigeres. Bilaterale Staatstreffen und so. Ah, da sind ja die Übertöpfe.« In einem der zahlreichen Schränke war Lipaire endlich fündig geworden. Er nahm sie heraus und setzte die Pflanzen, die Quenot bereits drapiert hatte, in jeweils einen der bunten Töpfe. »Hast du eigentlich was vom Staatsempfang heute mitbekommen?«

Paul schüttelte den Kopf. »Hat mich auch nicht interessiert.«

»Ach komm, du hast doch ein Faible für Prinzessinnen, oder? Na ja, vielleicht eher für Prinzen.«

Quenot ignorierte die Bemerkung. »Es war sogar eine echte da, heute. Die Prinzessin von Seborga.«

»Seborga? Nie gehört.«

»Ich auch nicht. Das ist wohl auch so ein selbst ernanntes Fürstentum.«

»Die nehmen hier allmählich überhand.«

»Nicht hier. In Italien.«

»Ja dann …«

»Jedenfalls haben sie die Seborgerin … oder Seborghese, oder was weiß ich, wie man das sagt, im offenen Cabrio durch den Ort kutschiert, und die Leute mussten ihr zuwinken.«