Die Wupper - Lasker-Schüler, Else - kostenlos E-Book

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Lasker-Schüler, Else

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The Project Gutenberg EBook of Die Wupper, by Else Lasker-SchülerThis eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and mostother parts of the world at no cost and with almost no restrictionswhatsoever.  You may copy it, give it away or re-use it under the terms ofthe Project Gutenberg License included with this eBook or online atwww.gutenberg.org.  If you are not located in the United States, you'll haveto check the laws of the country where you are located before using this ebook.Title: Die WupperAuthor: Else Lasker-SchülerRelease Date: November 22, 2015 [EBook #50530]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE WUPPER ***Produced by Peter Becker, Jens Sadowski, and the OnlineDistributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net

DIE WUPPER

SCHAUSPIEL IN 5 AUFZÜGEN VON ELSE LASKER-SCHÜLER

OESTERHELD & CO · BERLIN 1909

DER LIEBLICHEN PRINZESSIN HELLE v. L. SCHENKE ICH DIESES BUCH

DAS AUFFÜHRUNGSRECHT FÜR SÄMTLICHE BÜHNEN IST DURCH DIE VERLAGSFIRMA OESTERHELD & CO., BERLIN W. 15 ZU BEZIEHEN

PERSONEN

FRAU CHARLOTTE SONNTAG (Fabrikbesitzerin)HEINRICH}ihre KinderEDUARDMARTADR. JUR. BRUNO VON SIMONGROSSVATTER WALLBRECKERAMANDA PIUS, seine TochterCARL PIUS, sein EnkelMUTTER PIUS (Carls Großmutter väterlicherseits)DER PENDELFREDERECH}Drei HerumtreiberLANGE ANNADER GLÄSERNE AMADEUSAUGUST PUDERBACH, FärberLIESCHEN, sein SchwesterchenGRETE STOMMS, Lieschens FreundinWILLEM, Zuhälter, ehemaliger WeberROSA, die RiesendameDIE HERREN MIT DEN GRAUEN CYLINDERNAUGUSTE}Dienstboten im Hause SonntagBERTA

Fabrikarbeiter, Fabrikarbeiterinnen, Herumtreiber, Kroatenjungen, Jahrmarktleute, Kinder etc.

Der erste und vierte Aufzug spielen im Arbeiterviertel, der zweite im Garten vor einer Villa, der dritte auf dem Jahrmarkt, der fünfte in einer Art Gartenzimmer derselben Villa. Die Schlußverwandlung des fünften Aufzuges spielt im Arbeiterviertel.

ERSTER AKT

Arbeiterviertel einer Fabrikstadt im Wuppertale.

Hintergrund bergiger Wald. Links im Tal fließt ein schmaler Wupperarm nach hinten in einer Biegung auslaufend. Über den Fluß führt eine Brücke zu einem Weg, an dem Pius zerfallenes, einstöckiges Häuschen liegt. Rechts hinten ein Gäßchen mit hohen, alten, schmutzigen Arbeitermietshäuschen. Im ersten, nur noch halb sichtbaren Hause, wohnen im obersten Stockwerk Puderbachs.

Links von der Wupper eine Wiese — in der Ferne sieht man dampfende Schornsteine von Fabriken und andere Häuser etc.

Vor Pius’ Häuschen steht eine Bank, neben dieser ein breiter Strauch. Vor einem Steg, der im Hintergrund in den Wald führt, brennt eine alte Laterne, die während des ersten Aufzuges langsam erbleicht.

Großvatter Wallbrecker, Carl Pius, Frau Amanda Pius, Mutter Pius, Lieschen Puderbach, August Puderbach, der Pendelfrederech, Lange Anna, der gläserne Amadeus, zwei Helfershelfer, Kroatenjungen.

Großvatter WALLBRECKER: Hör auf Dein alten Großvatter, Carl, schmeiß den Gelehrtenkrams beis Gerömpel. Du bist man so recht was für’n Meister, Gesellen müßt De unter Dein Kommando hab’n.

CARL: Laß mich man erst Pastor sein, Großvatter, dann werden die Meisters meine Gesellen.

Gr. W.: Und das Liesken drüben sollst Du doch frein.

CARL (Überlegen wie zu einem Kind): Die heirat’ mich um so lieber.

Gr. W.: Fünfundzwanzig Jahr hab ich mit dem Liesken sein Großvatter am Webstuhl gesessen, und doch war das Leichentuch zu klein für uns zwei. (Pause). Es nimmt en Pastor schon, aber, zum gelehrten Mann gehört en feines Weib un zum Pastor eine Pastorin — un der alte Großvatter gehört auch nicht rein in’s Treibhaus!

CARL: ’N en bequemen Sorgenstuhl kauf ich Dir, Großvatter, auf einem weichen Polster sitzt Du und tust den ganzen Tag niks andres wie schlafen, spazierengehen und schmöken. Was sagst De dazu, Vatter Wallbrecker?

Gr. W.: Mit die Kaplans komm ich in Kollektion, daß Vatter Wallbreckers Enkelsohn Pastor is, sie haben mich schon das Haus eingelaufen wegen Dein Vater sein lutherschen Glaubens.

CARL: An was Du alles denken tust.

Gr. W.: Tum Tingelingeling, Carl, die alte Truthenne hat auch Dein Vater immer in die Ohren gelegen. Ein fleißiger Färber wars; (zeigt auf das Wasser der Wupper) da rinnt sein Blut. — Fällt dem mit einmal ein, er taucht für die Arbeit nich mehr, un giftig is er geworden auf sein Herrn und seine Gemahlin. Aufgeblasen war se ja man mit die seidene Röck, aber en Hochmut darf sie ja hab’n bei so viel Geld. Am hellen Tag auf dem Marktplatz hat er ihren adeligen Blossen verhauen.

CARL: Das hat Dir wol großen Kummer gemacht, Großvatter, weil Du es nich vergessen kannst.

Gr. W.: Tum Tingelingeling, ein Jahr hab’n sie ihm für seine Missetat ins Loch gesteckt.

CARL: (Beileid bezeugend).

Gr. W.: Er war ja sonst ein ehrlicher Arbeiter gewesen.

CARL: (Nickt).

Gr. W.: Un die alte Truthenne hat ihm bald besucht. Mit ihre Quacksalben hat sie eine feine Madame den Brand an de Waden geschmiert. Siehst De, Carl, un nu meint Amanda, Dir steckt man auch mal rein wie Dein überdrüssiger Vatter und Deine studierte Großmutter.

CARL: Die Zeiten hab’n sich geändert, Großvatter.

Gr. W.: Siehst De, da hab’n wir’s, bald denkst De auch an Dein alten Großvatter Taback nich mehr. (Kindlich schlau).

CARL: Laß man gut sein.

Gr. W.: Wie alt bist De nu, Jung! Puderbachs Aujust bringt schon zehn Taler nach Haus. Da läuft er mit seine Schwester, wie mit sein Schatz.

(Man sieht beide geschwisterlich vom Wald heimwärts kommen.)

CARL: Und ich werd’ das Dreifache verdienen, laß mich man Zeit, bin ich erst Pastor, tust De alle Tage Dein Leibgericht knappern.

Gr. W.: (bedenklich) Wenn es de alte Truthenne mich nich auffressen tut.

CARL: Die bleibt hier an der Wupper in ihr Haus wohnen.

Gr. W.: Und Du willst in de fremde Residenz predigen? Tum Tingelingeling, in die luthersche Lutherkirche hier mußt De von de Kanzel herunter auf all die reichen Muckerköppe brüllen: (kleine Pause) Und ich werd auch auf meine alten Tag en Ketzer werden, wenn es not tut — Dich zu Lieb, Carl. Ich hab das (schlägt ein Kreuz) doch verlernt (weinerlich), wenn man so immer dran hängen tut.

CARL: Es ist schon spät, Großvatter, ich bring Dich in de Klappe.

Gr. W.: Jung, Jung, Jung, wenn ich es erleben tu.

(Sie schreiten ihrem kleinen Häuschen zu, im Begriff einzutreten, umhalst hinterrücks den Großvater Lieschen Puderbach, die ihrem Bruder vorangesprungen ist. Arbeiter sieht man in der Ferne und hört ihre rauhen Stimmen.)

Gr. W.: Was willst De vom Großvatter, kleines, leckeres Dier? Seh Se Dich mal an, Carl, die meint es mit dem alten Großvatter gut.

LIESCHEN: (vergnügt) Kriegst morgen zu Dein Geburtstag ’ne neue Piepe von mich, ich hab dem Aujust seine kleine im blauen Sametetui weggekläut un sie Herr Stomms gebracht heut. Ich kann mich für sie eine lange aussuchen wie Deine is, eine nagelneue, Großvatter, (ganz hoch zu sprechen) mit en Hirschkopf drauf.

Gr. W.: (freut sich wie ein Kind) Die meint es gut mit dem alten Großvatter, Carl. (Er kitzelt Lieschen am nackten Hälschen) Ich klopf’ ihm auch immer, wenn der junge Herr Eduard kommen tut, was Liesken?

LIESCHEN: (schämt sich).

Gr. W.: (Blinzelt Lieschen vertraulich an) Er fragt mir immer nach es.

LIESCHEN: (altklug zu Carl) Herr Eduard sagt, ich wär seine Königsbraut.

CARL: (sagt, um etwas zu erwidern) Un mich willst De also nich heiraten.

Gr. W.: Tum Tingelingeling, er ist molz ein reichen Herr, was Liesken?

LIESCHEN: Zwei große Bilder aus England hat er gesagt, bringt er mich mit hier — siehst De! siehst De! Ich glaub, er kömmt gleich Dir besuchen, Carl.

CARL: (schiebt das Kind ungeduldig zur Seite) Dein Bruder sucht Dich, Liesken.

Gr. W.: Ein blaues Maul hat das Luder von’n Beerenfressen.

LIESCHEN: Kuck mal seine Nas an, Großvatter!!

Gr. W.: Die is man wie’n Affe seine gemalen.

LIESCHEN: Aujust, Aujust, wie siehst De aus!!!!

AUGUST: (blickt neidisch auf Carl) Ich bin man blos ein einfacher Färber, ich schäm mir nich, von Gottes Waldes Natur zu fressen; Du, Großvatter Wallbrecker?

Gr. W.: (Schüttelt mit dem Kopf) Nä.

AUGUST: Du Liesken? (Carl stellt sich an einen Seitenbalken des Häuschens, die Arme verschränkt).

LIESCHEN: Wenn De de Mutter fragen tust, August, ob ich die Tante noch ein bischen waschen helfen darf, dann sag ich Dich auch, wo Deine kleine Piepe im blauen Sametetui is.

AUGUST: Sag!!

Gr. W.: (Schüttelt heftig Lieschen mit dem Kopf zu).

LIESCHEN: (Lacht).

AUGUST: Sag es doch, dummes Weib!!

LIESCHEN: Molz! Ich weiß es doch nicht.

Gr. W. und LIESCHEN: (Lachen August aus, der in komischen Wendungen im Begriffe ist, umzukehren, Lieschen verhindert es aber).

LIESCHEN: Aujust, lieber Aujust, frag die Mutter, ja? Ich geb Dich auch en Dicken.

AUGUST: Steck den Schmatz man in de Kiste, wenn de heiraten tust.

LIESCHEN: Meine Klümken un de Stange Süßholz kannst De Dich nehmen aus Mutter ihre Kommode, Aujust.

Frau AMANDA PIUS: (tritt ans offene Fenster, sie hat die letzten Worte Lieschens gehört) So en süßen Kater bist De, Aujust? Warum kömmst De eigentlich nich mehr beim Carl herüber?

(Mutter Pius tritt hinter Amanda ans Fenster).

AUGUST: Bei so’n feinen Herr, — nä, Frau Pius?

Mutter PIUS: Was soll auch unser Carl mit so einen gemeinen Baumwollenfärber anfangen?

AUGUST: (Verzieht sich furchtbar komisch mit einem Katzenbuckel).

Mutter PIUS: (zu Lieschen) Und Du müßt’ schon in de Klappe liegen.

LIESCHEN: (etwas schüchtern auf Frau Amanda blickend) Ich will die Tante noch waschen helfen, daß se morgen dem Großvatter sein Leibgericht kochen kann.

Mutter PIUS: Und hat kein Zahn im Maul.

LIESCHEN: Ich kann doch nich schlafen bei so’n Mond, der guckt so rot wie Pendelfrederech sein ausgelaufen Aug.

Frau AMANDA: (geheimnisvoll) Hast De das schon gesehen, Liesken?

LIESCHEN: Einmal hat er es mich und Gretchen Stomms gezeigt.

Mutter PIUS: (zynisch) Un hast De sonst niks andres in sein Keller gesehn, Liesken?

LIESCHEN: Ich hab immer blos in sein runden, roten Mond geguckt.

Mutter PIUS: Aber en wacker Mädchen bist De geworden: Amanda guck mal, Brüst hat es schon, wie junge Salatköppe. (Carl tritt aus seinem Winkel auf den Großvater zu).

Gr. W.: Carl, ich komm jetz.

(Mutter Pius tritt in die Stube zurück; Lieschen klettert durchs Fenster, Frau Amanda ist ihr dabei behilflich. Dann schließt sie das Fenster. Der Großvater und Carl schlendern langsam ins Haus.)

Gr. W.: Nä, wie mich das alles aufregen tut ....

CARL: Was denn?

Gr. W.: Mit Deine Carliäre, Carl.

CARL: Schlaf man ruhig, Großvatter. (Sie treten beide ins Häuschen. August schleicht aus seiner Gasse, umlauert das kleine Häuschen von Pius und versteckt sich vorsichtig zwischen Strauch und Bank. Unterdessen wird das Dachkämmerchen von einem matten Öllämpchen erleuchtet, das kleine Fenster ist halb geöffnet. Betrunkene Arbeiter passieren den Weg, fluchen, lachen, etc. August gebärdet sich, da er durch den Lärm nicht zu hören glaubt, wie ein wütender Clown. Die Arbeiter biegen rechts in die Gasse ein. Man hört von oben Amandas Stimme).

Frau AMANDA: Vatter ....

Gr. W.: Jjo ....

Frau AMANDA: So eilig hast De’s ja sonst nich, wach auf!!

Gr. W.: Was soll ich um Mitternacht, meine Tochter?

Frau AMANDA: Was hat Carl gesagt?

Gr. W.: Was?

Frau AMANDA: Was er gesagt hat. Du hast doch gesprochen mit ihm.

Gr. W.: Jjo, es is mich man so am Maul vorbeigeschlichen, was fürn schönen Posten der Aujust hat.

Frau AMANDA: Un was sagt er drauf?

Gr. W.: Nä, er will nich; de Pastor spuckt ihm in Kopf herum.

Während dessen setzt oben das Gespräch fort.

Drei Männer kommen langsam schweigend über die Brücke, der eine murrt unheimlich, es ist der Pendelfrederech, sein linkes, ausgelaufenes Auge bedeckt eine schwarze Klappe. Der zweite ist lange Anna, der trägt eine Handharmonika in einem verschossenen Band um die Schulter. Der dritte ist der gläserne Amadeus, der nimmt vorsichtig Platz auf der Stufe, die von der Brücke zum Weg führt. Die beiden anderen setzen sich auf das Geländer der Brücke. August bückt sich tiefer unter den Strauch.

Frau AMANDA: Du kannst nich kallen! Ich hab auch keine Lust mehr, den ganz Stall zu füttern.

Gr. W.: Gered’ hab ich, ihr Weiber denkt wol, ihr habt allein en Schnabel, was? (Frau Amanda heult.) Laß das Heulen. (Sie gluckst.) Freuen tu ich mir doch auf Carl in Ornaments (schlau kindlich). Noch ein paar Jährkes, Amanda, meine liebe Tochter, dann kömmt der Lohn. Glaub Dein alten Vatter. (Er kräht noch einmal und schläfert.)

Frau AMANDA: Die Pius hat an alles Schuld, hat se de Finger an mein Mann gehabt, soll se mein Jung zufrieden lassen.

Gr. W.: (Aus dem Schlaf triumphierend) Er wird se auch nich einladen zu sich in sein Filla neben Kaiser Wilhelm Schloßkirche.

Frau AMANDA: Du träumst wohl? (Sie schüttelt ihn ärgerlich, man hört das Bett krachen.)