Diebstahl in der Dämmerung - Marcel Naas - E-Book

Diebstahl in der Dämmerung E-Book

Marcel Naas

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Beschreibung

Der Ski-Weltcup ist zu Gast in Bad Lärchenberg. Die Abfahrt der Männer lässt auch die Herzen der MounTeens höherschlagen. Ist es bloß Zufall, dass ausgerechnet jetzt eine Reihe von Skidiebstählen die Vorfreude trübt? Oder steckt mehr dahinter? Nachdem Amélie erst um ein Haar selbst bestohlen und kurz darauf Opfer eines Angriffs wird, finden sich die MounTeens mitten in einem rätselhaften Fall wieder. Die Ereignisse überstürzen sich, als die Diebstähle plötzlich auch die Skiprofis betreffen und Sam sich auf eine äußerst riskante Verfolgungsjagd begibt ...

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Band 5

Mit freundlicher Unterstützung von Standortförderung Zürioberland

Impressum

Copyright © 2022 boox-verlag, Urnäsch

Alle Rechte vorbehalten

Coverillustration und Covergestaltung: Natalie Behle

Innenillustrationen: Kaja Reinki

Korrektorat: Beat Zaugg

ISBN

978-3-906037-70-7 (ebook)

Auch erhältlich als:

978-3-906037-69-1 (Hardcover)

MounTeens ist eine eingetragene Marke von Feigenwinter Strategy & Creation

www.boox-verlag.ch

(Mit 1% seiner Einnahmen unterstützt der Verlag eine Umweltschutzorganisation)

Marcel Naas

Diebstahl in der Dämmerung

Der fünfte Fall für die MounTeens

boox-verlag

Für Dario

Inhalt

DIE MOUNTEENS SIND …

HALTET DEN DIEB!

TRÄNEN IM HAUPTQUARTIER

KALTE HÄNDE

DER EINBRUCH

SCHARFE KANTEN

TIEFE WUNDEN

WER IST IM SKIKELLER?

VERDÄCHTIGE HANDSCHUHE

EIN BITTERER SIEG

DIE FALLE

DAS VERSTECK

FOLGENSCHWERE TRENNUNG

SKIFAHRT INS UNGEWISSE

DAS LAUERNDE UNGETÜM

EINE ZÜNDENDE IDEE

RÜCKBLICK MIT WEITSICHT

Die MounTeens sind …

Sam

Samuel Winter, von seinen Freunden Sam genannt, ist für seine dreizehn Jahre groß, kräftig und ein richtig guter Sportler. Er ist stets voller Tatendrang, wagemutig und besitzt einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Vielleicht liegt das ja daran, dass sein Vater, Wachtmeister Jan Winter, als leitender Polizist in Bad Lärchenberg arbeitet.

Seine Mutter Sarah ist Englischlehrerin im örtlichen Sportgymnasium und hofft insgeheim, dass sich Sam in der Schule noch etwas mehr anstrengt, um nicht nur im Eishockey erfolgreich zu sein. Sam hat wilde blonde Locken und blaue Augen. Die vereinzelten Sommersprossen und sein spitzbübisches Lächeln machen ihn unwiderstehlich sympathisch. Sam ist selbstbewusst, spontan und unbekümmert, sodass er sich oft ohne zu überlegen in neue Abenteuer stürzt.

Lena

Lena Sander ist blitzgescheit und gilt als Denkerin der MounTeens. Gemeinsam mit ihren Freunden besucht sie die siebte Klasse in Bad Lärchenberg, wobei sie den Schulstoff eher als lästige Pflicht sieht. Viel lieber stillt sie ihren großen Wissensdurst, indem sie in ihrer Freizeit das Internet nach allen möglichen Informationen durchsucht. Mit ihren schulterlangen roten Haaren, der frechen schwarzen Hornbrille und ihrem leicht spöttisch wirkenden Gesichtsausdruck gilt Lena als pfiffiger, kaum zu bändigender Wirbelwind. Was andere über sie denken, kümmert sie wenig. Das zeigt sich auch in ihrem ausgefallenen Kleidungsstil. Sie legt sich – zumindest mit Worten – mit jedem an und ist dabei nicht auf den Mund gefallen. Ihre Mutter, Anna Sander, ist alleinerziehend und als Tourismusdirektorin von Bad Lärchenberg zeitlich stark beansprucht, weshalb Lena viele Freiheiten genießt.

Matteo

Matteo Bertone, kurz »Berti«, ist ausgesprochen hartnäckig – und dies nicht nur beim Fußballspielen, wenn er dem Ball nachjagt. Auch bei den MounTeens kann er sich so richtig in einen Fall verbeißen. Besonders auffallend ist Matteos positive Ausstrahlung – sein allzeit spürbarer Optimismus und die ansteckend gute Laune, welche seine Freunde Matteos italienischen Wurzeln zuschreiben. Mit seinem wachen Blick, den dunkelbraunen Augen und seiner temperamentvollen Art versprüht Matteo jedenfalls viel Charme. Als Einziger der MounTeens wohnt Matteo nicht in Bad Lärchenberg, sondern mitten im Ski- und Wandergebiet, da seine Eltern Claudio und Monica Bertone das Hotel Regina auf der Lärchenalp führen. Matteos Bruder Diego ist bereits achtzehn, was ihn aber nicht daran hindert, seinen Bruder und die MounTeens immer wieder mal tatkräftig zu unterstützen.

Amélie

Amélie Richard ist humorvoll und unkompliziert. Ihr Lachen steckt an und macht sie gepaart mit ihrer herzlichen Art zur unverzichtbaren »Seele« der MounTeens. Amélie ist sehr sportlich, was wenig verwundert, da ihr Vater Tim Richard im Winter als Skilehrer und im Sommer als Bademeister in Bad Lärchenberg arbeitet.

Ihrer Mutter Lou Richard hilft sie manchmal im familieneigenen Friseurgeschäft, weshalb sie über Klatsch und Tratsch in der kleinen Bergstadt gut informiert ist. Amélie hat lange blonde Haare, blaue Augen und ist wie alle MounTeens dreizehn Jahre alt. Mit ihrer eher zurückhaltenden und bisweilen ängstlichen Art weckt sie den Beschützerinstinkt der Jungs – insbesondere jenen von Sam. Mit allen MounTeens verbindet sie eine enge Freundschaft, wobei sie sich selbst nicht sicher ist, ob der Begriff »Freundschaft« ihre Gefühle für Sam wirklich treffend beschreibt …

Haltet den Dieb!

»Da vorne!«, schrie Amélie, und ihre Stimme überschlug sich. Sie zeigte auf einen großen Mann mit schwarzer Wollmütze, der sich mit schnellen Schritten von ihr wegbewegte. »Er hat meine Ski geklaut!«

Sam zögerte keinen Augenblick und rannte los. »Doofe Skischuhe!«, presste er hervor. Sein Sprintversuch glich mehr einem Stolpern und Rutschen. Diese Schuhe waren definitiv nicht für solche Verfolgungsjagden gemacht. Er versuchte, etwas runder zu laufen, und hastete dem Fremden hinterher. Zum Glück waren Amélie und er schon vor dem Ende des Abfahrtstrainings von der Tribüne hinuntergestiegen, dachte er. Sonst wäre der Dieb längst über alle Berge gewesen. Sam bahnte sich seinen Weg durch die Zuschauer, die nun in Scharen zu den Ausgängen des Zielgeländes strömten. Den großen Mann ließ er dabei nicht aus den Augen.

Noch zehn Meter.

Hoffentlich trug der Kerl nicht seine eigenen Ski, hoffte Sam. Das wäre peinlich. Amélie schien aber ganz sicher gewesen zu sein, dass es ihre waren. Ungläubig hatte sie kurz zuvor den Skiständer betrachtet, wo neben Sams Ski ihre eigenen hätten stehen sollen. Nach einer ersten Schrecksekunde war sie gleich dazu übergegangen, die Menschenmenge systematisch nach Verdächtigen abzusuchen, bis sie den Mann mit der Wollmütze entdeckt hatte.

Sam blickte im Laufen zurück. Wo war Amélie? Jedenfalls nicht mehr beim Skiständer. Sie musste zum linken Ausgang des Zielraums geeilt sein, um dem Skidieb draußen den Weg abzuschneiden, vermutete Sam und schaute wieder nach vorne.

Das durfte doch nicht wahr sein! Er stoppte seinen Lauf. Wo war die schwarze Mütze? Der Mann musste sie ausgezogen haben. Sams Blick flog über die Menge vor ihm – erfolglos! Die Zuschauermassen hatten den Skidieb verschluckt.

»Mist!«, fluchte Sam und pflügte sich vorwärts, wobei er manche Leute eher unsanft zur Seite stieß. Irgendwie erinnerte ihn das Ganze fast schon ans Eishockeytraining, wenn sie Bandenchecks übten.

»Hey, was soll das, Junge?«, beschwerte sich ein Mann, dem Sam soeben seinen Ellbogen in den Rücken gerammt hatte. Er trug eine Jacke des deutschen Skiteams. Ein Servicemann, der den Athleten die Ski präparierte, wie Sam wusste. Er war ihm im Hotel Montana bereits einmal begegnet.

»Entschuldigen Sie, aber ich verfolge einen Skidieb!« Er deutete mit seinem Kinn Richtung Ausgang.

Der Servicemann zweifelte keinen Moment an Sams Aufrichtigkeit, drehte sich um und schrie: »Haltet den Dieb!«

Seine dröhnende Stimme verfehlte ihre Wirkung nicht. Verdutzt blieben die meisten Leute stehen und wandten sich um. Nur wenige gingen unbeirrt weiter. Einer aber beschleunigte – wenn auch betont unauffällig – seine Schritte, bis er fast rannte.

»Da ist er!«, stieß Sam hervor. »Der große Blonde mit den roten Ski!«

Der Servicemann hatte die Erklärung gar nicht mehr gebraucht und sich gleich auf die Verfolgung gemacht. Sam heftete sich an seine Fersen.

Der Dieb schaute sich nicht um, schien aber bemerkt zu haben, dass es brenzlig wurde. Sobald er den Ausgang des Zielraums passiert hatte, sprintete er los, wobei ihn die Ski, die er in der linken Hand hielt, stark behinderten und ihn beinahe aus dem Gleichgewicht brachten. Auf der Hauptstraße angekommen, wandte er sich nach rechts.

Amélie hatte falsch spekuliert, dachte Sam. Der Dieb hatte sich für die andere Seite entschieden und bewegte sich Richtung Stadtzentrum.

»Na warte, Bürschchen, dir zeige ich’s!«, hörte Sam den Servicemann wild entschlossen sagen, bevor dieser ihm mit einem kurzen Nicken versicherte: »Den kriegen wir schon.«

Sie hatten die Straße nun ebenfalls erreicht und sahen, wie sich der Dieb, der knapp dreißig Meter Vorsprung hatte, links in die Büsche schlug, um seinen Verfolgern zu entkommen.

Der wollte bestimmt zum Parkplatz. »Ich nehme einen anderen Weg!«, rief Sam dem Servicemann hinterher und ließ ihn die direkte Verfolgung aufnehmen, während er selbst die Straße überquerte und sich einige Meter durch den kniehohen Schnee zum geräumten Weg im Stadtpark kämpfte. »Wie ich diese Skischuhe hasse!«, fluchte Sam und spürte, dass seine Schien- und Wadenbeine später rote und blaue Flecken aufweisen würden. Er biss die Zähne zusammen und erhöhte das Tempo. Dann schaute er nach rechts und triumphierte innerlich.

Da stolperte der Dieb aus den Büschen, allerdings ohne die roten Ski. Er musste sie abgelegt oder verloren haben. Darum würde er sich später kümmern, dachte Sam. Nun galt es, den Mann zu stellen. Oder wenigstens sein Gesicht zu erkennen. Dieser Skidieb trieb schließlich schon länger sein Unwesen in Bad Lärchenberg, wie Sam von seinem Vater erfahren hatte.

Der Verfolgte sprintete auf dem vom Schnee befreiten Parkweg Richtung Fußgängerzone. Überraschenderweise änderte er dann aber abrupt die Richtung und verschwand zwischen den Bäumen. Er wollte doch nicht etwa zum öffentlichen Parkplatz drüben beim Kongresshaus?

»Da lang!«, rief Sam dem Servicemann zu, der soeben aus dem Busch gestürmt kam.

»Wo genau?« Der Servicemann hob die Schultern und wartete, bis Sam bei ihm war.

»Hier«, keuchte Sam und rannte voraus. Er duckte sich und zwängte sich durch die Nadelbäume, die hier so eng standen, dass kaum Tageslicht durchdrang. Er hoffte, den Dieb wieder vor sich zu sehen.

Fehlanzeige! Wo war er?

Sam blieb stehen und horchte. Irgendwo knackten Zweige.

»Es sind keine Fußspuren zu sehen«, ärgerte sich der Servicemann. »Der Schnee ist durch das dichte Geäst nicht bis auf den Boden gefallen!«

Sam wollte keine Zeit mit Spurensuchen verlieren. Er schob einige Äste zur Seite und hastete weiter.

Wenig später konnte er zwischen den Bäumen vor sich eine Bewegung ausmachen. »Der Dieb!«, schrie er über seine Schulter. »Ich sehe ihn wieder. Er will runter zur Straße.«

»Der Kerl hat uns abgehängt!«, schnaubte der Servicemann. »Er ist offenbar topfit.«

Sam hörte, wie ein Motor gestartet wurde. »Nein!«, rief er verzweifelt. »Der hat seinen Wagen da unten geparkt!«

Sie stürzten aus dem Dickicht und sprangen von der hüfthohen Mauer auf die darunterliegende Straße.

Keine gute Idee mit Skischuhen! Sam stöhnte auf vor Schmerz. Er sah sich hastig um. »Dort!«, schrie er. »Der Wagen bewegt sich!«

Zu spät! Ein weißer Lieferwagen mit offener Ladefläche beschleunigte mit durchdrehenden Rädern und schoss davon.

»Verdammt!«, fluchte der Servicemann. »Ich habe noch nicht einmal die Nummer sehen können.«

»Ich auch nicht«, japste Sam. Er schloss die Augen und lehnte sich an die Mauer.

Der Servicemann stützte sich mit den Händen auf seine Knie und atmete tief durch. »Schade, den hätte ich gerne erwischt!«

»Mit anderen Schuhen hätte es klappen können.« Sam öffnete die Schnallen seiner Skischuhe und rieb sich die schmerzenden Schienbeine. »Danke für Ihre Hilfe!«

»Keine Ursache!« Er streckte Sam die Hand hin. »Tobias Schiffer. Ich bin Servicemann im deutschen Skiteam. Du kannst mich duzen.«

»Freut mich, ich bin Sam.« Er schlug ein. »Ich habe dich im Hotel Montana oben auf der Lärchenalp schon mal gesehen.«

»Ah, ich erinnere mich an dich. Du hast im Hotel geholfen, oder?«

»Genau. Ein Job, um mein Taschengeld etwas aufzubessern.« Sam wusste, dass dies so nicht stimmte. Er dachte daran, wie viel ihm das Hotel und sein Pächter, Dirk Beermann – sein Eishockeytrainer und väterlicher Freund –, bedeuteten. Das war weit mehr als ein Job, schließlich stellte ihm Dirk sogar ein Angestelltenzimmer unter dem Dach zur Verfügung, welches die MounTeens auch als ihr »Hauptquartier« bezeichneten.

»Sind das deine Ski, die der Typ klauen wollte?«, fragte Tobias, während sie sich auf den Rückweg zum Zielgelände machten.

»Nein, sie gehören meiner … Freundin.« Sam hatte kurz gezögert, denn Amélie und er waren ja nicht wirklich zusammen, aber er fand es zu kompliziert, um es Tobias zu erklären.

»Er hat sie im Busch oben beim Zielgelände verloren.« Tobias grinste. »Ich glaube, er ist damit im Gestrüpp hängengeblieben. Und ich wäre fast darübergefallen.«

Amélie hatte neben dem Eingang zum Zielgelände gewartet. Sie entdeckte Tobias und Sam und strahlte, als sie beim Näherkommen sah, dass Sam ihre Ski trug. »Habt ihr ihn erwischt?«

»Leider nein.« Sam zwinkerte ihr zu. »Aber er musste sich immerhin von seiner Beute trennen, um uns zu entwischen. Hier sind deine Lieblinge wieder.«

Amélie fiel ihm um den Hals.

»Ihr seid ein hübsches Paar.« Tobias wandte sich an Amélie. »Dein Freund hat echt Mut und Power.«

Freund? Sie wurde rot und senkte ihren Blick. Was hatte Sam ihm bloß erzählt?

»Das ist übrigens Tobias«, versuchte Sam den peinlichen Moment zu retten. »Er ist Servicemann im deutschen Skiteam und hat mit mir den Dieb verfolgt.«

»Vielen Dank, Tobias!« Amélie hatte sich wieder gefangen und schenkte ihm ein Lächeln. »Meine Ski waren ein Weihnachtsgeschenk meiner Eltern. Ich wäre echt traurig gewesen, wenn sie jemand gestohlen hätte.«

»Das kann ich verstehen.« Tobias wurde ernst. »Ski sind meine Leidenschaft. Ich liebe sie wie Menschen, wisst ihr!«

»Das muss man wohl, wenn man als Servicemann arbeitet, oder?«, fragte Amélie.

»Oh ja.« Tobias lachte. »An manchen Tagen verbringe ich mehr Zeit mit den Rennski meiner Athleten als mit allen Menschen aus meinem Umfeld zusammen.«

»Wofür braucht es denn so viel Zeit?«, hakte Sam nach.

»Man muss Bindung, Platten, Schuhe und Ski aufeinander abstimmen, Kanten schleifen, verschiedene Wachse auftragen und den Belag danach wieder abziehen, Gleittests durchführen und Schlüsse daraus ziehen, bevor neu präpariert wird … das dauert, sage ich euch.«

Amélie deutete zu den inzwischen leeren Tribünen des Zielstadions. »Und wie lief es beim heutigen Training?«

Tobias schien plötzlich zerknirscht. »Es lief gar nicht. Es war, als hätten die von mir präparierten Ski Raclettekäse statt Wachs auf dem Belag.«

»Sagt man das so?« Sam grinste. »Das bedeutet aber … «

»Dass mich einige übellaunige Rennläufer erwarten und eine lange Nacht vor mir liegt«, seufzte Tobias. »Morgen darf das nicht so sein, schließlich geht es um alles. Alex muss Prandelli im Abfahrtsweltcup noch überholen!«

Sam und Amélie hatten sich zuhause umgezogen und anschließend in der Innenstadt wieder getroffen. Sie betraten das Café Mokka, wo sie sich mit Matteo und Lena verabredet hatten.

»Hast du verstanden, was Tobias mit Prandelli und dem Abfahrtsweltcup meinte?« Amélie sah sich um und entdeckte ihre Freunde an einem Tisch neben dem Fenster.

Sam nickte. »In allen Abfahrtsläufen der Saison sammeln die Athleten Punkte, und wer am Schluss am meisten hat, gewinnt den Abfahrtsweltcup. Luca Prandelli ist der italienische Spitzenläufer, der vor dem morgigen Rennen nur knapp vor Alexander Schmitt liegt.« Er ließ Amélie den Vortritt und folgte ihr durchs gut besetzte Lokal, bis sie am Tisch ihrer Freunde ankamen.

»Und Tobias kommt nun unter Druck, weil Alexanders Ski heute nicht liefen, ich verstehe.« Amélie zog die Jacke aus, hängte sie über den Stuhl und küsste Lena auf die Wange, während sie Matteo freundschaftlich umarmte. »Hallo zusammen!«

»Wovon sprecht ihr?«, fragte Matteo neugierig.

Sam und Amélie erzählten ihren Freunden von den turbulenten Ereignissen des Morgens.

»Wow, das klingt nach Action!« Matteos Augen leuchteten. »Und dass dieser Skidieb Amélie beklauen wollte, nehme ich persönlich. Da müssen wir etwas tun.« Er schlug mit der Handfläche auf den Tisch. »Kann ja nicht so schwierig sein, den zu finden.«

»Mach dir keine allzu großen Hoffnungen!«, warf Sam ein. Er studierte in der Speisekarte das riesige Angebot an heißen Schokoladen und entschied sich dann doch für seine Lieblingsvariante mit viel Sahne.

Matteo runzelte die Stirn. »Warum meinst du?«

Sam sah von der Karte auf und winkte den Kellner heran.

»Die Polizei von Bad Lärchenberg sucht diesen Dieb schon länger. Sie nennen ihn den Dämmerungsdieb.«

»Was darf’s denn sein?«, fragte der Kellner mit routiniert überspielter Unlust.

»Einen Cappuccino, bitte!«, sagte Amélie.

Seit wann trank Amélie denn Kaffee? Sam hob eine Augenbraue. »Für mich den ›Schoko Maestro‹.«

»Dämmerungsdieb …?«, nahm Matteo den Faden wieder auf.

»Ja, du weißt ja, wie wichtig für viele Wintersportler das Après-Ski-Erlebnis ist. Sie lassen ihre Ski vor einem Restaurant stehen und feiern in den Abend.«

»Und da schlägt der Dieb dann zu?«

»Genau, die meisten Diebstähle begeht er offenbar beim Eindunkeln, während die Betroffenen feiern und sowieso nicht auf die Ski draußen im Skiständer achten. Gerade jetzt im Februar, wo so viele Touristen hier ihre Winterferien verbringen, hat er besonders leichtes Spiel.«

»Eine simple, aber schlaue Masche«, bemerkte Lena trocken.

»Mein Vater sagt, der Kerl sei gerissen«, pflichtete ihr Sam bei. »Die Polizei tappt bisher jedenfalls im Dunkeln.«

»So clever wie der Dämmerungsdieb sind wir aber schon lange«, gab sich Matteo kämpferisch. »Zudem haben wir noch über eine Woche keine Schule. Ich glaube, das wird ein neuer Fall für die MounTeens.«

Tränen im Hauptquartier

Lena stieß die Tür auf. Sie mochte das kleine Zimmer unter dem Dach des Hotels Montana. »Nett von Sam, dass er uns das Hauptquartier überlässt!«

»Und es macht dir auch sicher nichts aus, nicht im Bett zu schlafen?« Amélie zeigte auf die Matratze, die Dirk Beermann, der Pächter des Hotels, extra herangeschleppt hatte.

»Nein, die ist doch superbequem! Hauptsache ist sowieso, dass wir vier die nächsten Tage hier oben auf der Lärchenalp verbringen können. So sind wir den Rennläufern echt nah und können das Weltcupwochenende richtig genießen.«

Amélie trat ans Fenster und schaute auf die tiefverschneite Lärchenalp mit ihren wenigen Ferienhäusern und Hotels, bevor ihr Blick ins Tal schweifte. Bad Lärchenberg, das sich knapp achthundert Meter tiefer auf einer Hochebene mit kleinem See an die Bergflanken schmiegte, wirkte wie eine Miniaturstadt in einer Modellanlage. Dennoch konnte sie das Thermalbad, das Eishockeystadion und die Fußgängerzone in der Innenstadt mit den vielen kleinen Läden und Restaurants zwischen Kongresszentrum, Kirche und Bahnhof gut ausmachen. »Ich freue mich darauf, mit euch über die Pisten zu flitzen – wenn auch nicht so schnell wie die Spitzenathleten, die vom Start in knapp zwei Minuten dort hinunter ins Ziel rasen.« Sie zeigte auf die speziell für dieses Rennwochenende aufgebauten und trotz der hereinbrechenden Dämmerung gut sichtbaren Zuschauertribünen unten im Tal, wo sie sich am Morgen mit Sam das Abfahrts-Training angeschaut hatte.

Lena schüttelte den Kopf. »Völlig verrückt, wie sie sich mit über hundert Kilometern pro Stunde in die Tiefe stürzen.«

Amélie öffnete das Fenster. »Etwas stickig hier drin, findest du nicht auch?«

»Ja, ist eben schon wieder eine Weile her, seit wir uns hier im Hauptquartier getroffen haben. Und Sam übernachtet ja auch nicht oft hier.«

Amélie nickte. Eigentlich war es ein Luxus, dass Dirk ihm ein Angestellten-Zimmer gegeben hatte, schließlich kam es nur selten vor, dass dieser am Wochenende im Service aushalf und es später als 22 Uhr wurde. Weil dann aber keine Gondel mehr ins Tal fuhr, brauchte Sam eben manchmal tatsächlich eine Übernachtungsmöglichkeit. Zudem war Dirk den MounTeens dankbar für ihre Hilfe, als er selbst Opfer von üblen Anschlägen auf sein Hotel Montana geworden war.