Lauernde Angst - Marcel Naas - E-Book

Lauernde Angst E-Book

Marcel Naas

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Beschreibung

Der Wolf ist da! Und mit ihm die Angst, dass er Menschen und Tieren in Bad Lärchenberg gefährlich werden kann. Sind die Schafe auf den Weiden nicht mehr sicher? Muss man sogar um den Tourismus bangen? Was als faszinierende Begegnung der MounTeens mit einem Wolf beginnt, entwickelt sich deshalb schnell zu einer atemlosen Jagd auf das Raubtier. Als die MounTeens auf eine Spur stoßen, die zu einem alten, längst abgeschlossenen Fall führt, geraten sie plötzlich ins Fadenkreuz des Bösen und werden selbst zu Gejagten.

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Mit freundlicher Unterstützung von Standortförderung Zürioberland

Impressum

Copyright © 2023 boox-verlag, Urnäsch

Alle Rechte vorbehalten

Coverillustration und Covergestaltung: Natalie Behle

Innenillustrationen: Kaja Reinki

Korrektorat: Beat Zaugg

ISBN

978-3-906037-79-0 (ebook)

Auch erhältlich als:

978-3-906037-78-3 (Hardcover)

978-3-906037-80-6 (Taschenbuch)

MounTeens ist eine eingetragene Marke von Feigenwinter Strategy & Creation

www.boox-verlag.ch

(Mit 1% seiner Einnahmen unterstützt der Verlag eine Umweltschutzorganisation)

Marcel Naas

Lauernde Angst

Der sechste Fall für die MounTeens

boox-verlag

Für Thomas

Inhalt

DIE MOUNTEENS SIND …

EINE UNHEIMLICHE BEGEGNUNG

BARSCHE ANTWORTEN

LUPO UND URS

TREIBJAGD

ZWEIFELHAFTER UNFALL

FOTO MIT URS

DIE JAGD BEGINNT

GIFTIGE STIMMUNG

DAS ERFUNDENE REFERAT

TATORT TUNNEL

DIE DROHUNG

IM FADENKREUZ

SCHLAFENDE GEFAHR

ENDSPIEL MIT BAUER

IN DIE ENGE GETRIEBEN

WAS LIEGT IN DER LUFT?

Die MounTeens sind …

Sam

Samuel Winter, von seinen Freunden Sam genannt, ist für seine dreizehn Jahre groß, kräftig und ein richtig guter Sportler. Er ist stets voller Tatendrang, wagemutig und besitzt einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Vielleicht liegt das ja daran, dass sein Vater, Wachtmeister Jan Winter, als leitender Polizist in Bad Lärchenberg arbeitet.

Seine Mutter Sarah ist Englischlehrerin im örtlichen Sportgymnasium und hofft insgeheim, dass sich Sam in der Schule noch etwas mehr anstrengt, um nicht nur im Eishockey erfolgreich zu sein. Sam hat wilde blonde Locken und blaue Augen. Die vereinzelten Sommersprossen und sein spitzbübisches Lächeln machen ihn unwiderstehlich sympathisch. Sam ist selbstbewusst, spontan und unbekümmert, sodass er sich oft ohne zu überlegen in neue Abenteuer stürzt.

Lena

Lena Sander ist blitzgescheit und gilt als Denkerin der MounTeens. Gemeinsam mit ihren Freunden besucht sie die siebte Klasse in Bad Lärchenberg, wobei sie den Schulstoff eher als lästige Pflicht sieht. Viel lieber stillt sie ihren großen Wissensdurst, indem sie in ihrer Freizeit das Internet nach allen möglichen Informationen durchsucht. Mit ihren schulterlangen, roten Haaren, der frechen schwarzen Hornbrille und ihrem leicht spöttisch wirkenden Gesichtsausdruck gilt Lena als pfiffiger, kaum zu bändigender Wirbelwind. Was andere über sie denken, kümmert sie wenig. Das zeigt sich auch in ihrem ausgefallenen Kleidungsstil. Sie legt sich – zumindest mit Worten – mit jedem an und ist dabei nicht auf den Mund gefallen. Ihre Mutter, Anna Sander, ist alleinerziehend und als Tourismusdirektorin von Bad Lärchenberg zeitlich stark beansprucht, weshalb Lena viele Freiheiten genießt.

Matteo

Matteo Bertone, kurz »Berti«, ist ausgesprochen hartnäckig – und dies nicht nur beim Fußballspielen, wenn er dem Ball nachjagt. Auch bei den MounTeens kann er sich so richtig in einen Fall verbeißen. Besonders auffallend ist Matteos positive Ausstrahlung – sein allzeit spürbarer Optimismus und die ansteckend gute Laune, welche seine Freunde Matteos italienischen Wurzeln zuschreiben. Mit seinem wachen Blick, den dunkelbraunen Augen und seiner temperamentvollen Art versprüht Matteo jedenfalls viel Charme. Als Einziger der MounTeens wohnt Matteo nicht in Bad Lärchenberg, sondern mitten im Ski- und Wandergebiet, da seine Eltern Claudio und Monica Bertone das Hotel Regina auf der Lärchenalp führen. Matteos Bruder Diego ist bereits achtzehn, was ihn aber nicht daran hindert, seinen Bruder und die MounTeens immer wieder mal tatkräftig zu unterstützen.

Amélie

Amélie Richard ist humorvoll und unkompliziert. Ihr Lachen steckt an und macht sie, gepaart mit ihrer herzlichen Art, zur unverzichtbaren »Seele« der MounTeens. Amélie ist sehr sportlich, was wenig verwundert, da ihr Vater Tim Richard im Winter als Skilehrer und im Sommer als Bademeister in Bad Lärchenberg arbeitet.

Ihrer Mutter Lou Richard hilft sie manchmal im familieneigenen Friseurgeschäft, weshalb sie über Klatsch und Tratsch in der kleinen Bergstadt gut informiert ist. Amélie hat lange blonde Haare, blaue Augen und ist wie alle MounTeens dreizehn Jahre alt. Mit ihrer eher zurückhaltenden und bisweilen ängstlichen Art weckt sie den Beschützerinstinkt der Jungs – insbesondere jenen von Sam. Mit allen MounTeens verbindet sie eine enge Freundschaft, wobei sie sich selbst nicht sicher ist, ob der Begriff »Freundschaft« ihre Gefühle für Sam wirklich treffend beschreibt …

Eine unheimliche Begegnung

»Wandern ist langweilig«, stöhnte Sam. »Und an meiner Motivation würden übrigens auch diese Lamas nichts ändern.«

»Alpakas, Sam!«, korrigierte ihn Lena. »Wir kundschaften hier den Weg aus für zukünftige Alpaka-Trekkings.«

»Meinetwegen.« Sam machte eine wegwerfende Handbewegung. »Jedenfalls ein Tier aus Südamerika.«

Die MounTeens waren eine Stunde zuvor aufgebrochen, um bei herrlichem Frühlingswetter den Höhenweg oberhalb von Bad Lärchenberg zu erkunden.

»Banause!«, erwiderte Amélie und sah Sam herausfordernd an. »Ich bin sicher, du weißt auch nicht, wie diese Blumen hier heißen.« Sie zeigte auf das Meer aus weißen und violetten Blumen, die nach der Schneeschmelze auf den Bergwiesen blühten. Jedes Jahr im April reisten unzählige Touristen von weit her an, um sich die Farbenpracht anzusehen.

»Vergissmeinnicht?«, versuchte es Sam zögerlich.

Als Amélie zu lachen begann, eilte Matteo seinem Freund zu Hilfe: »Sam meinte bloß, du solltest ihn trotz der vielen schönen Blumen nicht vergessen.«

Lena lachte laut heraus, während Sam und Amélie verlegen zu Boden blickten.

»Natürlich weiß Sam, dass diese Blumen Veilchen sind«, fügte Matteo grinsend an.

Die MounTeens prusteten los.

»Sag doch gleich Tulpen, du Blödmann.« Lena hielt sich den Bauch vor Lachen.

»Jetzt mal ernsthaft«, meldete sich Sam augenzwinkernd. »Ich habe noch eine weitere Theorie. Da diese weiße Blume äußerst edel ist, tippe ich auf … Edelweiß.«

»Bingo!«, rief Amélie ironisch und klatschte. »Hundert Punkte, auch wenn es natürlich Krokusse sind«, sagte sie dann verächtlich.

»Wusste ich schon«, behauptete Sam nun. »Wollte euch bloß ein wenig auf den Arm nehmen.« Er schaute triumphierend in die Runde, erntete aber nur zweifelnde Blicke. »Doch kommen wir zurück zu den Vikunjas.«

»Alpakas!«, schallte es Sam aus drei Mündern entgegen.

»Genau die meine ich.« Sam gluckste. »Ihr fallt heute aber auch auf alles herein. Wo sind sie eigentlich?«

Lena hielt an, drehte sich um und zeigte Richtung Bad Lärchenberg. »Seht ihr den Bauernhof dort unten gleich oberhalb des Sees?«

Die MounTeens folgten mit ihren Blicken Lenas ausgestrecktem Arm.

Wie schön es doch hier ist, dachte Amélie und betrachtete Bad Lärchenberg, die kleine Alpenstadt, die auf einer Hochebene lag und sich an die bewaldeten Bergflanken schmiegte. Amélie atmete die frische Frühlingsluft ein und lächelte. Kein Wunder, dass hier im Sommer so viele Gäste zum Wandern und im Winter zum Skifahren herkamen. Zudem waren auch die schmucke Innenstadt mit ihren Läden in der Fußgängerzone und das weitherum bekannte Thermalbad einen Besuch wert.

»Auf dem Feld seht ihr weiße Punkte, oder?«, fuhr Lena fort. »Das sind die Schafe von Bauer Huber. Die Alpakas stehen auf derselben Weide, aber sie sind von hier aus nur schwer von den Schafen zu unterscheiden.«

»Wäre es nicht sinnvoller gewesen, sie gleich mitzunehmen?«, wandte Sam ein.

»Nein, die Tiere sind sehr schreckhaft. Da ist es besser, den Weg erst abzugehen.«

Lenas Mutter, Anna Sander, hatte die Alpakas vor einigen Wochen auf einem Spaziergang per Zufall entdeckt. Da sie in ihrer Funktion als Tourismusdirektorin ständig auf der Suche nach Attraktionen war, hatte sie sich darauf bei Lukas Huber gemeldet und ihm die Frage gestellt, ob er in den Sommermonaten nicht Alpaka-Trekkings anbieten wolle. Als dieser meinte, ihm würde hierzu das Personal fehlen, hatte Anna Sander kurzerhand Amélie und Lena gefragt, ob sie sich an Wochenenden und in den Sommerferien nicht ein kleines Taschengeld mit den geführten Wanderungen verdienen wollten. Die Mädchen waren begeistert, nachdem sie die lustigen Felltiere bei einem Besuch selbst hatten streicheln und füttern können. Bauer Huber hatte erst noch Zweifel daran gehabt, zwei dreizehnjährige Mädchen allein mit Gästen auf eine Trekking-Tour gehen zu lassen, aber als er Lena und Amélie kennengelernt hatte, war er sofort einverstanden gewesen. Außerdem würde er damit ja auch ein wenig Geld verdienen. Und das konnte wahrlich jeder Bergbauer in der Gegend dringend brauchen.

»Schreckhaft?«, spottete Sam. »Die spucken doch, wenn ihnen etwas nicht passt, die frechen Viecher!«

»Ach, Sam«, bemerkte Lena leicht genervt. »Alpakas spucken nur, wenn sie sich bedroht fühlen oder bei Rangkämpfen. Das sind ganz friedliche und sehr scheue Tiere. Huber sagt, er sei noch nie angespuckt worden. Und er hat schließlich jeden Tag mit ihnen zu tun.«

»Okay, verstehe«, gab Sam nach. »Wir suchen heute also nur den geeigneten Weg, wo sich die Alpakas zukünftig nicht erschrecken.«

»Genau.«

Sam hatte eine Idee. Er wühlte in seiner Jackentasche und hielt eine Hundeleine in der Hand. »Die habe ich wohl noch vom letzten Spaziergang mit Dali dabei.« Er hakte das eine Ende der Leine beim Reißverschluss seiner Jacke ein und legte Amélie das andere Ende in die Hand. »Ich bin nun dein Alpaka.«

Amélie schaute ihn belustigt an. »Du bist vor allem ein Kindskopf.«

»So eine Alpakaführerin braucht Training«, insistierte Sam. »In vielen Berufen wird mit Rollenspielen der Ernstfall simuliert. Das weiß ich von meinem Vater.«

Unsicher, ob Sam das vielleicht nicht doch ernst meinte, umfasste Amélie die Leine. »Meinetwegen«, gab sie lachend nach und zog sachte daran. »Dann komm, Alpaka!«

Die MounTeens folgten dem Höhenweg, der nun in den Wald führte. Lena und Amélie diskutierten, wie ausgedehnt die Wanderung werden sollte, und beschlossen, dass sie verschieden lange Touren planen wollten, um sich den Alpakas anzupassen. Sie hatten nämlich gelesen, dass die Tiere je nach Hunger oder auch je nach Temperatur nicht gerne weit wanderten.

Als Sam das hörte, blieb er wie angewurzelt stehen.

»Was ist los, Sam?«, fragte Amélie ärgerlich, da ihr Arm ruckartig nach hinten gerissen worden war.

»Ich bin nicht Sam, sondern ein Alpaka, das nun hungrig ist und keine Lust mehr hat weiterzugehen.« Er streckte seinen Kopf in Richtung Busch. »Ich will jetzt hier fressen. Was würdest du nun tun?«

»Natürlich würden wir das Alpaka fressen lassen«, antwortete Lena. »Die Tiere bestimmen den Rhythmus.«

Amélie reichte Sam ein Stück Schokolade aus ihrem Rucksack. »So, hier hast du etwas. Und nun komm wieder.«

Sam blieb störrisch stehen.

»Was noch?« Amélie wurde ungeduldig.

»Das musst du selbst herausfinden. Sonst ist es kein wirkliches Training«, sagte Sam grinsend. »Eure echten tierischen Freunde werden dann auch nicht sprechen.«

Lena reichte Sam die Wasserflasche. »Ist das Alpaka vielleicht durstig?«

Sam schüttelte den Kopf.

»Braucht es eine Pause zum Wiederkäuen?«

Sam imitierte die Wiederkaubewegung, bewegte sich aber nicht vom Fleck, als Amélie etwas stärker an der Leine zog.

Matteo hatte seinen Freund durchschaut. »Versuche es doch mal mit gutem Zureden und ein wenig Kraulen.«

Amélie rollte mit den Augen. »Echt jetzt, Sam?« Sie wuschelte ihm durch die gelockten blonden Haare. »So, liebes Alpaka. Magst du das?« Sam schien die Streicheleinheit sichtlich zu genießen und Amélies Gereiztheit verflog so schnell, wie sie gekommen war. »Würdest du nun bitte weitergehen?«, fragte sie lachend, worauf Sam sofort gehorchte und ihr brav hinterhertrottete.

Kurz darauf erklärte Sam das Rollenspiel für beendet, nahm sich die Leine vom Hals und streckte Amélie die Hand hin. »Gratuliere, Frau Richard, Sie haben die Prüfung zur anerkannten Alpaka-Führerin mit Auszeichnung bestanden«, säuselte er und ahmte dabei den Tonfall des schrulligen Mathematiklehrers der MounTeens nach.

»Danke, Herr Experte«, erwiderte Amélie kichernd.

»Ich darf Ihnen noch ein Feedback zu den gestellten Prüfungsaufgaben geben, Frau Richard.«

Alle lachten. Sam war manchmal einfach urkomisch. Und heute schien er besonders lustig drauf zu sein.

»Leinenführung: gut. Ernährung der Alpakas: genügend. Die sollen nämlich keine Schokolade essen. Und schließlich Ihre beste Teilnote, Frau Richard. Kraulen: ausgezeichnet!«

»Spannende Rückmeldung, Herr Experte«, sagte Amélie und ihre Augen glänzten listig. »Es war aber auch wirklich einfach. Mein Prüfungs-Alpaka war offenbar ein sehr einfältiges Tier.«

»Ganz und gar nicht, Frau Richard«, widersprach Sam ernsthaft. »Sie täuschen sich gewaltig. Unser Prüfungs-Alpaka ist ein besonders schönes und liebes Tier, das sich dem Niveau der Person anpasst, die geprüft wird.«

Lena und Matteo wieherten vor Lachen. »Euch zwei sollte man echt filmen. Zu komisch!«

Amélie lachte mit. So ausgelassen war die Stimmung bei den MounTeens schon lange nicht mehr gewesen! Irgendwie musste es am Frühling liegen, dass so manches plötzlich ein wenig leichter und fröhlicher wirkte. In den letzten Wochen hatte bei den MounTeens oft Frust geherrscht, weil es keine Fälle gab. Bei den selten gewordenen Treffen hatte Amélie der Spass und die Harmonie gefehlt. Und am schlimmsten fand sie, dass es auch zwischen Sam und ihr so seltsam ruhig geworden war.

Eine Weile lang gingen die MounTeens schweigend nebeneinanderher. Sam genoss das Gefühl, wieder einmal ganz unbeschwert Zeit mit seinen Freunden zu verbringen. Insbesondere das Zusammensein mit Amélie hatte ihm gefehlt. In der Schule war es oft schwierig, ihre Nähe zu suchen. Das würde viel zu sehr auffallen. Und wenn sie nicht gerade einen Fall hatten, waren die Begegnungen in der Freizeit deutlich seltener. In den vergangenen Wochen hatten sie sich deshalb kaum gesehen, was den heutigen Ausflug für ihn umso wichtiger und schöner machte. Er liebte es, Amélie ein wenig zu necken. Matteo nannte es »flirten«, aber das war wohl Ansichtssache. Jedenfalls schien Amélie diesen Späßen weiterhin nicht abgeneigt zu sein, was Sam neuen Mut gab, sie eines Tages doch noch zu fragen, ob sie seine Freundin sein möchte. Und zwar eine andere Art Freundin, als sie es bereits jetzt war …

Der Weg wurde schmaler, das Gelände steiler. Die MounTeens bogen um einen kleinen Felsvorsprung, bevor sie wie vom Donner gerührt mitten in der Bewegung innehielten.

Da stand ein Wolf.

»Nicht weitergehen«, zischte Matteo und stellte sich mit ausgebreiteten Armen vor die anderen. »Und nun ziehen wir uns ganz langsam zurück. Möglichst ohne Hektik, sondern mit ganz kleinen Schritten.«

Der Wolf rührte sich nicht von der Stelle, beobachtete die Bewegungen der MounTeens aber aufmerksam.

»Ein einzelner Wolf ist für uns nicht gefährlich«, flüsterte Lena. Sie musterte das Raubtier aufmerksam.

»Wer weiß, ob da links im Wald nicht sein ganzes Rudel wartet«, entgegnete Sam, der sich weiterhin vorsichtig vom Wolf wegbewegte.

Als ob der Wolf Sams Worte verstanden hätte, hob er schnuppernd seine Schnauze in die Luft und wandte seinen Kopf in Richtung der kleinen Tannen.

Amélie klammerte sich an Sams Arm. »Das gefällt mir gar nicht«, wisperte sie mit zitternder Stimme. »Dort könnten tatsächlich weitere Wölfe lauern!« Sie deutete mit dem Kinn zum Unterholz, das plötzlich dunkel und bedrohlich wirkte.

Sam stellte sich ein wenig vor Amélie. Sein Beschützerinstinkt war stärker als seine Angst. Eigentlich war ihm aber ziemlich mulmig zumute.

»Keine Angst, Wölfe sind scheue Tiere!«, sagte Lena nun leise. »Sie tun uns Menschen nichts. Es gibt jedenfalls fast keine nachgewiesenen Angriffe auf Menschen.« Sie betrachtete den Wolf lächelnd. »Ist er nicht wunderschön? Seht nur, wie majestätisch er dort steht!«

»Ja«, antwortete Matteo fasziniert. »Ich habe noch nie einen in freier Wildbahn gesehen!«

»Was für ein Glück!« Lena griff in ihre Hosentasche, um ihr Handy herauszufischen.

Irritiert von der Bewegung zuckte der Wolf leicht zusammen, um dann den Kopf zu senken und in entgegengesetzter Richtung auf dem Weg davonzutraben.

Lena beeilte sich, ihr Bild zu schießen, öffnete ungeduldig die Foto-App und stellte zufrieden fest, dass sie das Tier gerade noch erwischt hatte.

Als sie losgehen wollte, um zu sehen, wohin der Wolf verschwunden war, fiel ihr auf, dass die anderen MounTeens einige Meter hinter ihr standen und offenbar nicht vorhatten, dem Raubtier nachzuspüren.

»Was ist?«, fragte Lena aufgeregt. »Wollen wir ihm nicht hinterhergehen?« In ihrem Gesicht spiegelten sich Ehrfurcht und Neugierde. »Wer weiß, wann wir wieder das Glück haben, einen Wolf zu sehen!«

»Glück nennst du das?«, entgegnete Amélie mit gerunzelter Stirn. »Ich hatte echt Angst!« Noch immer klammerte sie sich an Sams Arm. Als sie es bemerkte, löste sie ihren Griff mit einem verlegenen Lächeln. Dann wurde sie ernst und sprach aus, was alle dachten: »Was bedeutet das nun für unsere Alpaka-Tour?«

Barsche Antworten

»Alpakas stehen wohl nicht auf dem natürlichen Speiseplan von Wölfen«, sagte Bauer Huber kraftlos, »aber meine Schafe sind in großer Gefahr – und wer Schafe frisst …« Er brach mitten im Satz ab und schloss die Augen.

»Der wird bestimmt auch vor größeren Nutztieren nicht Halt machen«, ergänzte Lena.

»Ganz genau«, seufzte Huber.

Die MounTeens hatten sich nach der Begegnung mit dem Wolf darauf geeinigt, dem Raubtier nicht mehr zu folgen, sondern auf schnellstem Weg zu Bauer Huber zu gehen und ihn zu informieren. Ungläubig hatte er erst zugehört, bevor er auf dem Stuhl zunehmend in sich zusammengesunken war.

»Meine armen Tiere!«, jammerte er nun.

»Es ist ja noch gar nichts passiert, Herr Huber«, meinte Amélie tröstend.

»Vielleicht trollt sich der Wolf auch wieder und verschwindet so schnell, wie er gekommen ist«, fuhr Matteo fort.

»Das ist nett gemeint von euch«, erwiderte Huber leise. Sein versuchtes Lächeln erreichte nicht einmal seine Mundwinkel. »Tatsächlich mache ich mir aber echt Sorgen und muss dringend handeln.« Er setzte sich ein wenig auf und straffte seine Schultern. »Nun braucht es halt Schutz.«

»Wovon sprichst du, Lukas?«, sagte jemand mit rauer Stimme.

Die MounTeens wandten sich erschrocken um und musterten den kräftigen Mann, der soeben ins Wohnzimmer getreten war. Sam rümpfte die Nase. Die schmutzige Arbeitskleidung dieses mürrisch dreinblickenden, etwa vierzigjährigen Mannes konnte man auch aus drei Metern Entfernung riechen.

»Ach, willkommen Stefan!«, begrüßte ihn Huber, ohne sich umzudrehen. Keine Spur von Überraschung, dass dieser Mann einfach so ein- und ausging, merkte Lena. »Ich habe ganz vergessen, dass du noch vorbeischauen wolltest. Nimm Platz!« Huber stellte den Mann als seinen Nachbarn Stefan Lampert vor. »Das hier sind die beiden Mädchen, von denen ich dir erzählt habe. Lena und Amélie würden die Alpaka-Touren begleiten, du erinnerst dich?«

Lampert nickte.

»Und das sind ihre Freunde Sam und Matteo.«

Nach einer knappen Begrüßung wandte sich Lampert an Huber. »Du sagtest etwas von Schutz und sprichst bei den Alpaka-Touren nur noch in der Möglichkeitsform …?«

Dieser Nachbar war nicht auf den Kopf gefallen, dachte Lena. Er hatte zwei und zwei schnell zusammengezählt und den Kern des vorangegangenen Gesprächs sofort erfasst. Oder hatte er vor dem Eintreten ins Wohnzimmer gelauscht?

»Ja, ich sagte, sie würden die Alpaka-Touren durchführen, aber es gibt ein Problem.« Huber sah die MounTeens auffordernd an. »Mögt ihr es Stefan nochmals erzählen?«

Mit zunehmend grimmigem Blick hörte Lampert Matteo zu, der die Begegnung mit dem Wolf zusammenfasste. Dann schlug er mit der Faust so heftig auf den Tisch, dass die Fensterscheiben zitterten. »Verdammt, das hat uns gerade noch gefehlt!«, fluchte er. »Lukas, weißt du, was das bedeutet?« Lamperts Farbe im Gesicht wechselte zu Rot.

»Natürlich weiß ich das, ab…«

»Kein aber, Lukas«, unterbrach Lampert seinen Nachbarn unwirsch. »Der Wolf muss sofort zum Abschuss freigegeben werden, bevor er auf unsere Herden losgeht!«

»Beruhige dich, Stefan!« Huber ließ sich nicht so schnell einschüchtern. »Informieren wir erst einmal Max!«

Die MounTeens sahen sich verwirrt an. Amélie räusperte sich. »Entschuldigen Sie, Herr Huber. Wer ist Max?«

Eine halbe Stunde später saßen sie zu siebt um den rustikalen Esstisch von Bauer Huber. Wildhüter Max Barsch war zu ihnen gestoßen und hatte ruhig zugehört, als die MounTeens die Wolfsgeschichte zum dritten Mal erzählten. Ihn schien das Raubtier deutlich weniger aufzuregen als die beiden Bauern.

»Seid ihr auch ganz sicher, dass es kein streunender Hund gewesen ist?«, fragte er freundlich.

Lena zückte ihr Handy und zeigte dem Wildhüter das Foto des Wolfes.

»Kein Zweifel!«, murmelte er. »Nun ist es also Tatsache!«

»Wie meinen Sie das?« Sam versuchte, Barschs Gesichtsausdruck zu deuten. War da ein Leuchten in seinen Augen oder eher ein Funke von Sorge?

»Es war schon lange klar, dass irgendwann auch hier in Bad Lärchenberg Wölfe auftauchen würden«, begann der Wildhüter. »Die meisten fürchteten diesen Tag, aber manche Einheimische haben sich auch darauf gefreut, dass dieses wunderschöne Tier wieder bei uns in den Bergen lebt.«