Dreimal Mord in Ostfriesland: 3 Krimis - Alfred Bekker - E-Book

Dreimal Mord in Ostfriesland: 3 Krimis E-Book

Alfred Bekker

0,0

Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: (449) Ein Killer in Ostfriesland Ein Fall für den Norden EINE KUGEL FÜR LORANT Kommissar Ubbo Norden ermittelt mit seinem Kollegen Jan Slieter in einem Fall von illegaler Giftmüllentsorgung. Ein Schiff, dass den Emder Hafen verlässt, wird aufgebracht. Aber an Bord befinden sich nicht nur Fässer mit Giftmüll, sondern auch die sterblichen Überreste einer seit langem vermissten Frau. Nun nimmt der Fall eine überraschende Wende, denn die Jagd nach dem Mörder ist ein Wettlauf gegen die Zeit.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 452

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Alfred Bekker

Dreimal Mord in Ostfriesland: 3 Krimis

UUID: 0d60f8d8-f98d-48bf-af08-fc630d8d43c0
Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Dreimal Mord in Ostfriesland: 3 Krimis

Copyright

​Ein Killer in Ostfriesland

​Ein Fall für den Norden

EINE KUGEL FÜR LORANT

Dreimal Mord in Ostfriesland: 3 Krimis

von Alfred Bekker

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Ein Killer in Ostfriesland

Ein Fall für den Norden

EINE KUGEL FÜR LORANT

Kommissar Ubbo Norden ermittelt mit seinem Kollegen Jan Slieter in einem Fall von illegaler Giftmüllentsorgung. Ein Schiff, dass den Emder Hafen verlässt, wird aufgebracht. Aber an Bord befinden sich nicht nur Fässer mit Giftmüll, sondern auch die sterblichen Überreste einer seit langem vermissten Frau. Nun nimmt der Fall eine überraschende Wende, denn die Jagd nach dem Mörder ist ein Wettlauf gegen die Zeit.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Facebook:

https://www.facebook.com/alfred.bekker.758/

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

Erfahre Neuigkeiten hier:

https://alfred-bekker-autor.business.site/

Zum Blog des Verlags!

Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

https://cassiopeia.press

Alles rund um Belletristik!

​Ein Killer in Ostfriesland

von Alfred Bekker

Ein Killer in Ostfriesland

von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Buchs entspricht 110 Taschenbuchseiten.
Eine Serie von Attentatsversuchen und Morden erschüttert Norddeutschland. Aber die Opfer scheinen nichts gemeinsam zu haben. Privatdetektiv Björn Kilian aus Emden übernimmt den Fall, aber plötzlich will sein Auftraggeberin nicht mehr, dass er ihn auch tatsächlich aufklärt ...
Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
Personen
Björn Kilian - Privatdetektiv
Eltje Dirksen - seine Assistentin
Tammo Remmers - der Chef der Kripo Emden
Herr Cornelius - ein Ermittler
Undine Lübbert - will, dass der Mord an ihrem Vater aufgeklärt wird
1
Als Ihno Lübbert sich an diesem Morgen von seinem Chauffeur ins Büro fahren ließ, war seine Laune nicht gerade besonders gut.
Es gab Ärger in seiner Firma und wie es schien, würde er mit dem eisernen Besen fegen müssen, um da wieder aufzuräumen. Aber im Augenblick schienen seine Gedanken ganz woanders zu sein. Er blickte nachdenklich aus dem Fenster, während der Chauffeur die schwarze Limousine durch den Emder Morgenverkehr lenkte.
Es gab einen Punkt, an dem man sich fragte: Wozu das alles?
Und vielleicht war Ihno Lübbert an diesem Punkt. Zwischendurch schaute er kurz auf die Uhr.
Er war spät dran. Wenn man hinaus in den Regen sah und auf die baustellenbedingte Blechlawine schaute, die sich durch die Straßen quälte, konnte man auf die Idee kommen, dass es damit zu tun hatte, dass Ihno Lübbert heute zum ersten Mal seit Jahren nicht pünktlich war.
Aber daran lag es nicht.
Lübbert hatte seinem Notar noch einen kurzen Besuch abgestattet. Auch eine Sache, die ihm nicht angenehm gewesen war und die er lange vor sich hergeschoben hatte. Was soll's!, dachte er. Jetzt habe ich wenigstens das hinter mir!
Und die Firma lief ihm schließlich nicht davon.
Wenn es sich einer leisten konnte, spät dran zu sein, dann er, denn er war der Boss.
Es dauerte nicht mehr lange und der Wagen hielt vor dem mächtigen Gebäude, in dessen Mauern die Lübbert Holding ihre Büros hatte.
Der Wagen hielt; der Chauffeur stieg als Erster aus, um seinem Boss die Tür zu öffnen.
Die Tür ging Sekunden später auf.
"Vielleicht brauche ich Sie in einer halben Stunde wieder!", meinte Lübbert zum Chauffeur. "Halten Sie sich also bereit."
"Jawohl, Herr Lübbert!"
Lübbert stieg mit umständlichen, etwas ungeschickt wirkenden Bewegungen aus.
Er hatte mindestens ein Dutzend Kilo Übergewicht und das machte ihn langsam. Er keuchte erbärmlich und sein Gesicht war puterrot angelaufen, als er schließlich neben seinem Chauffeur stand.
Dann geschah es.
Lübbert hörte quietschende Reifen und das Heranbrausen eines anderen Wagens.
Er drehte sich unwillkürlich dorthin um. Es war ein zweisitziger Sportwagen mit verdunkelten Scheiben, so viel sah er noch.
Alles Weitere dauerte nur Sekunden!
Eine der Scheiben ging ein Stück hinunter, etwas Längliches schob sich einige Zentimeter hindurch und dann blitzte es auf einmal.
Es war ein Mündungsfeuer ohne Schussgeräusch. Nur ein Klacken des Abzugs, das durch die Geräusche der Umgebung fast völlig verschluckt wurde.
Und trotzdem war es ein Geräusch, das Ihno Lübbert das Blut in den Adern gefrieren ließ, denn er kannte es nur zu gut ... Es war ein verdammt hässliches Geräusch, auch wenn es kaum zu hören war.
Ihno Lübbert sah eine Kugel am Lack der Limousine kratzen, direkt vor seinen Augen, oben auf dem Dach.
Und noch ehe er wirklich begriffen hatte, was vor sich ging, und dass der Fahrer des fremden Wagens es ganz offensichtlich auf sein Leben abgesehen hatte, wurde ein zweiter Schuss abgefeuert. Und ein Dritter und dann noch ein Vierter. Lübbert sah den Chauffeur mit einem kleinen, runden Loch im Kopf auf dem Pflaster liegen.
Die Augen starrten weit aufgerissen in den bewölkten Himmel. Er war tot.
Lübbert war wie gelähmt.
Dann fühlte er einen höllischen Schmerz in der linken Schulter. Die Wucht des ersten Treffers riss ihn herum. Die zweite Kugel fuhr ihm seitlich in den Brustkorb.
Das Letzte, was er fühlte, war Schwindel.
Alles begann sich drehen.
Und dann kam die Schwäche.
Seine Beine knickten ihm unter dem Körper weg, und er sackte zu Boden. Er hörte noch wie Leute zusammenliefen und aufgeregt durcheinanderredeten.
Irgendjemand schrie hysterisch.
Und dann hörte Lübbert die quietschenden Reifen des Sportwagens mit den verdunkelten Scheiben, der offensichtlich davonraste.
Soon Schiet!
Das war sein letzter Gedanke.
Dann wurde es auf einmal stumm in seiner Umgebung und dunkel vor seinen Augen.
Sehr, sehr dunkel ...
2
Die Tür flog auf und Björn Kilian kam schwungvoll herein. Er hatte den Mantel bereits ausgezogen, knöpfte sich nun den obersten Hemdknopf auf und lockerte dann seine Krawatte etwas.
"Guten Morgen, Eltje!", grüßte er gut gelaunt Eltje Dirksen, seine Assistentin.
"Moin, Björn!"
"Moin, Moin. Ich weiß, ich bin etwas spät dran. Aber dieser verdammte Verkehr!"
"Emden wird umgebaut."
"So kann man es auch ausdrücken."
Eltje erhob sich von ihrem Platz und trat zu Kilian heran, der unterdessen seinen Mantel irgendwo abgelegt hatte.
"Du hast Glück, Björn!"
"Inwiefern?"
"Die Klientin, die seit fast einer Stunde in deinem Büro wartet und der ich bereits die dritte Tasse Kaffee aufgebrüht habe, sieht dermaßen verzweifelt aus, dass sie wahrscheinlich auch noch ein paar weitere Stunden auf sich genommen hätte!" Björn zuckte mit den Schultern.
"Leute, die ein sorgloses Leben führen und keinerlei Probleme haben sind ja auch nicht gerade die typische Kundschaft eines Privatdetektivs, oder?"
Als Björn Kilian einen Moment später sein Büro betrat, wusste er, was Eltje gemeint hatte.
Da saß eine junge Frau vor ihm im Sessel, die wirklich alles andere, als ein glückliches Gesicht machte. Sie hatte ausdrucksstarke, grüngraue Augen, ein fein geschnittenes Gesicht und das lange blonde Haar fiel ihr auf die Schultern herab.
Sie gefiel Björn.
Aber es war ihrem Gesicht anzusehen, dass sie große Sorgen haben musste.
Björn grüßte höflich.
"Moin, Frau ..."
"Undine Lübbert", sagte sie.
Björn gab ihr die Hand und versuchte zu lächeln.
"Angenehm."
"Sie sind Björn Kilian, der Privatdetektiv?"
"Richtig."
"Eigentlich eine dumme Frage. Ich habe Ihr Bild nämlich vor ein paar Tagen in der Zeitung gesehen ... Sie sollen der Beste sein, Herr Kilian."
"Man tut was man kann", erwiderte Björn bescheiden und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. "Aber nennen Sie mich Björn! Und dann sagen Sie mir bitte, was Sie auf dem Herzen haben."
"Waren Sie ein Hippie?"
"Wieso?"
"Weil Sie sich Björn nennen lassen. Eigentlich sind Sie nicht ganz der richtige Jahrgang, um diese Zeiten noch erlebt zu haben. Oder biedern Sie sich an diesen amerikanischen Business-Umgang an, der auch die inflationäre Benutzung des Vornamens vorsieht."
Björn atmete tief durch.
"Wie gesagt, nennen Sie mich Björn, wenn Sie wollen", sagte er dann. Eine komplizierte Frau, dachte er. Vielleicht auch ein komplizierter Fall. Mal sehen.
Sie sagte: "Vielleicht haben Sie schon einmal den Namen meines Vaters gehört - Ihno Lübbert."
Björn überlegte kurz, aber dann schüttelte er den Kopf.
"Nein, tut mir leid. Jedenfalls fällt es mir im Moment nicht ein."
"Ihno Lübbert von der Ihno Lübbert Holding."
"Ich lese zwar nicht regelmäßig den Wirtschaftsteil in der Zeitung, aber den Namen der Firma habe ich schon gehört. Was ist mit Ihrem Vater?"
"Auf ihn wurde gestern ein Mordanschlag verübt. Es steht heute in den Zeitungen."
Björn sah das zusammengefaltete Exemplar der Emder Nachrichten auf seinem Tisch liegen.
"Ich bin heute noch nicht dazu gekommen, die Zeitung zu lesen oder ins Internet zu sehen!", gab er zu. "Und abgesehen davon war ich eine Woche in Holland. Zum Segeln. Darum bin ich vielleicht nicht so ganz im Bilde, was sich hier in Emden so ereignet hat."
"Das hiesige ‘Große Meer’ ist zu klein für einen Mann von Welt - wie Sie?"
Björn Kilian hob die Augenbrauen.
"Manchmal ja."
"Wechseln Sie nur die Segelreviere oder sind Sie auch sonst ein wechselhafter Charakter?"
"Jedenfalls kann sich jeder, der mir einen Ermittlungsauftrag gibt, darauf verlassen, dass ich ihn auch so weit wie irgend möglich zu Ende führe."
"Das freut mich zu hören."
"Das dachte ich mir."
"Nun …"
"Erzählen Sie mir, was passiert ist und ich werde Ihnen dann sagen, ob ich etwas für Sie tun kann."
Sie nickte.
"In Ordnung."
Björn Kilian lehnte sich etwas zurück und schlug die Beine übereinander.
"Ich höre."
"Ein Wagen kam vorbei. Mit verdunkelten Scheiben. Und dann wurde geschossen. Der Chauffeur ist dabei ums Leben gekommen, aber es sieht wohl ganz so aus, als hätte man es eigentlich auf Pa abgesehen gehabt ... Mein Vater liegt jetzt noch immer auf der Intensivstation. Er ist noch nicht über den Berg."
"Hat die Polizei schon ...?"
"Die können nicht viel machen."
"Aber ..."
"Es ist nicht der erste Versuch, Papa umzubringen, Herr Kilian - ich meine: Björn!"
"Ach, nein?"
"Nein. Einmal hat jemand seinen Wagen in die Luft gesprengt. Das ist drei Wochen her. Er hatte Glück, denn er ist noch mal ausgestiegen, weil er etwas vergessen hatte. Da ist der Wagen in die Luft gegangen."
"Stimmt - davon habe ich gelesen."
"Selbst das Fernsehen hat darüber berichtet. War leider nicht zu verhindern."
"Das sieht nach der Arbeit von Profis aus", meinte Kilian. Undine Lübbert nickte.
"Ja, das haben die Leute von der Polizei auch gesagt."
"Haben Sie eine Ahnung, wer dahinterstecken könnte?"
"Ja. Die Sache ist ziemlich eindeutig." Björn runzelte die Stirn.
So etwas hatte man selten. Eindeutig, dachte der Privatdetektiv, ist ein großes Wort und sie spricht es sehr gelassen aus.
Björn fragte: "Und wer?"
"Darko Markovic. Ich denke, dass er hinter den Killern steckt."
Björn pfiff durch die Zähne.
"Markovic?" Er atmete tief durch. "Wenn das der Markovic ist, den ich im Auge habe, dann hat Ihr Pa aber keinen besonders guten Umgang!"
"Ich weiß, Björn."
"Haben Sie Polizeischutz für Ihren Vater gefordert?"
"Nein."
"Warum nicht?"
"Er hat seine eigenen Bewacher und Sicherheitsleute!"
"Die kann Markovic mit seiner Portokasse kaufen!"
"Das könnte er auch bei einem Polizisten, oder etwa nicht?" Da musste Björn ihr Recht geben.
"Stimmt. Aber er ist in Gefahr. Und Sie auch."
"Ich bin nicht ängstlich!"
"Das sollten Sie in diesem Fall aber. Markovic war mutmaßlich schon eine große Nummer im organisierten Verbrechen Norddeutschlands, als ich noch bei der Polizei war. Man konnte ihm allerdings nie etwas nachweisen, obwohl jedem klar war, dass seine Geschäfte faul waren. Waffen, Drogen, Geldwäsche, Schutzgelderpressung - der hat seine Finger überall, wo es viel zu verdienen gibt." Björn beugte sich etwas vor. "Was hatte Ihr Vater mit Darko Markovic zu tun? Wie kommt es, dass Markovic ihn tot sehen will? Vorausgesetzt es stimmt, was Sie mir da erzählt haben."
Undine schwieg.
Björn lehnte sich zurück und legte etwas die Stirn in Falten. Etwas war faul an der Sache. Etwas stimmte hier nicht, vielleicht betraf das nicht die junge Frau, die vor ihm saß, aber bestimmt ihren Vater.
"Dazu möchte ich nichts sagen", meinte sie. "Und ich denke, Sie müssen das auch nicht wissen! Ich möchte einfach nur, dass Sie dafür sorgen, dass mein Vater am Leben bleibt. Mehr nicht!"
"Warum können das nicht die Sicherheitsleute Ihrer Firma?"
"Sie können das schon, aber ich traue ihnen nicht."
"Aber mir trauen Sie?"
Sie zuckte mit den Schultern.
"Vielleicht. Irgendetwas muss man ja unternehmen!" Björn sah sie einen Moment lang nachdenklich an. Dann sagte er: "Sie sollten mir sagen, was zwischen Ihrem Vater und Markovic war und wodurch er ihm auf die Füße getreten hat!"
Einen Moment lang schien sie unschlüssig zu sein. Dann schüttelte sie mit Entschiedenheit den Kopf.
"Nein", sagte sie. "Das kommt nicht infrage!"
"Dann kann ich leider nichts für Sie tun!"
"Aber ..."
"Ich muss wissen, worum es geht, wenn ich Ihren Vater schützen soll! Jedenfalls ungefähr! Ansonsten sollten Sie sich jemand anderen suchen!"
Björn hatte sich erhoben.
"So war das nicht gemeint", beeilte sich Undine. "Kann ich mich auf Ihre Diskretion verlassen?"
"So, als wenn Sie zur Beichte gehen würden."
Sie schluckte.
"In Ordnung."
"Gut."
"Dann hören Sie mir jetzt zu …"
3
Als Undine gegangen war und nachdem sie bei Eltje Dirksen ihre Adresse sowie die Adresse des Krankenhauses, in dem sich ihr Vater befand, hinterlassen hatte, wusste Björn Kilian, dass sie ihm nicht alles gesagt hatte, was sie wusste.
Fest stand wohl, dass Ihno Lübbert nicht immer jener seriöse Geschäftsmann gewesen war, als der er heute auftrat. Die Tatsache allein, dass Lübbert mit einem Mann wie Darko Markovic in Beziehung stand, belegte das noch nicht, denn Markovics Unternehmen teilten sich in einen legalen und einen kriminellen Zweig - sowie alles was dazwischen denkbar war. Undine hatte gesagt, es sei vor vielen Jahren um ein illegales Geldwäschegeschäft gegangen, bei dem Lübbert dann ausgestiegen sei.
Und das hätte Markovic ihm nicht verzeihen können. Aus seinem Syndikat stieg man nicht so einfach aus. Lübbert - er hatte damals diesen Namen noch nicht getragen - war untergetaucht und hatte unter neuer Identität von vorne angefangen. Aber jetzt - nach all den Jahren - schien Markovic auf ihn aufmerksam geworden zu sein ...
Der Instinkt sagte Kilian, dass da noch mehr war ... Er konnte das nicht begründen, jedenfalls nicht logisch. Es war einfach so ein Gedanke, der ihn angeflogen hatte und sich nun hartnäckig in seinem Gehirn festsetzte.
Wie beiläufig griff Björn zum Telefon und wählte eine Nummer - eine Nummer, die er im Schlaf kannte.
"Moin", kam es zwischen seinen Lippen hindurch, als auf der anderen Seite jemand den Hörer abnahm.
"Wer spricht dort?"
Es war eine unfreundliche, gestresste Männerstimme, die er da auf der anderen Seite hörte. Aber sie gehörte nicht dem Mann, den er jetzt sprechen wollte.
"Hier ist Björn Kilian. Ist Hauptkommissar Remmers zu sprechen?"
"Nein. Ist nicht da. Vielleicht kann ich Ihnen helfen!"
"Wann kommt Remmers zurück?"
"Keine Ahnung. Könnte länger dauern. Vielleicht am Nachmittag."
Kilian verzog ärgerlich das Gesicht.
"Tschüss", brummte er und legte auf. Dann erhob er sich ging hinaus zu Eltje.
"Du kannst etwas für mich tun", meinte er. Eltje lächelte von einem Ohr zum anderen.
"Aber immer, Björn!"
"Bring alles in Erfahrung, was sich über Ihno Lübbert herausbekommen lässt! Das dürfte nicht allzu schwierig sein, schließlich ist er relativ bekannt!"
"Okay, Björn. Und wohin gehst du?"
"Kleiner Ausflug", meinte er nur und grinste. Und dabei hatte er schon den Mantel gegriffen. Draußen regnete es Bindfäden.
4
Es war eine ziemlich heruntergekommene Bar. Dicke Rauchschwaden hingen über den einfachen Tischen. An der Theke saßen ein paar Damen des horizontalen Gewerbes herum und tranken mit verkaterten Gesichtern Kaffee. Es war noch zu früh am Tag. Zu früh, um zu arbeiten, zu früh für Kundschaft. Ein Stockwerk höher war das, was sich offiziell ein Hotel nannte. Dort hatten die Frauen ihre Zimmer.
Der dicke Barkeeper hinter dem Schanktisch, der höchstwahrscheinlich auch sein eigener Rausschmeißer war, hatte sein Lokal durchgehend geöffnet. Er konnte es sich nicht leisten, auch nur einen Cent zu verschenken, den irgendein Zecher hier vertrinken wollte.
Als Björn Kilian den Laden betrat, glitt sein Blick schnell durch den Raum. Dann, als er zum Billardtisch sah, hatte er gefunden, wen er suchte.
Ein kleiner, fast kahlköpfiger Mann versuchte sich dort in verschiedenen Kunststößen.
Er spielte allein.
Das war der Mann, den Kilian gesucht hatte!
"Tag, Bradenbach!", meinte der Privatdetektiv knapp, als er zu ihm an den Billardtisch trat.
Bradenbach blickte auf und runzelte zunächst die Stirn. Dann entspannte sich sein Gesichtsausdruck ein wenig. Schließlich grinste er von einem Ohr bis zum anderen.
"Tag, Kilian. Wie geht's?"
"Ich kann nicht klagen. Und Ihnen?"
"Die Zeiten sind hart für Leute wie mich!"
"Für Leute wie Sie gibt's doch immer ein paar Schleichwege oder irre ich mich da etwa?"
Kilian hatte damit gerechnet, Bradenbach um diese Zeit hier anzutreffen. Er war ein Hehler, der Geschäfte mit allem machte, was sich zu Geld machen ließ.
Roy Bradenbach war fünf Nummern kleiner als Leute vom Schlage eines Darko Markovic, aber mit diesen hatte er gemein, dass die eine Hälfte seiner Geschäfte diesseits, die andere Hälfte jenseits der Grenze lag, die das Gesetz zog.
Bradenbach handelte mit allem.
Auch mit Informationen und genau das war der Grund, weshalb Björn Kilian ihn ab und zu aufsuchte.
Björn blickte sich nach den Mädchen an der Theke um, aber die kümmerten sich nicht um ihn oder Bradenbach.
Und auch der Barkeeper machte sich - nach ein paar anfänglichen misstrauischen Blicken - an seinen Gläsern zu schaffen. Er spülte ab und schepperte dabei so laut herum, dass das allein schon einen guten Schutz gegen unliebsame Zuhörer bedeutete.
"Ich schätze, Sie sind nicht gekommen, um mir beim Billard zuzusehen!", meinte Bradenbach.
"Nein, das ist richtig."
"Kommen Sie! Es ist langweilig, allein zu spielen!"
"Nein, danke. Ich habe es ziemlich eilig." Bradenbach ließ die Kugeln über den Tisch sausen, dann richtete er sich auf und stützte den Queue auf den Boden.
"Also ... Zur Sache, Kilian! Was wollen Sie wissen?" Anrede mit Nachnamen und ohne ein höfliches ‘Herr’ davor - das war ostfriesisch.
Sich dabei zu siezen, allerdings nicht. Das war hochdeutsch - und wirkte in dieser speziellen Mischung dann auch immer etwas angestrengt.
Der Privatdetektiv sah Roy Bradenbach gerade an.
"Darko Markovic ...", murmelte Björn.
Bradenbach pfiff durch die Zähne.
"Wie kommen Sie denn an den?"
"Meine Sache."
"Gut, aber Auskünfte über Markovic sind nicht billig, Kilian!"
"Ich verstehe ..."
Björn Kilian griff in seine Manteltasche und holte ein paar Scheine heraus, von denen er Bradenbach einige auf den Billardtisch legte.
Bradenbach zählte nach und steckte das Geld weg. Aber sein hungriger Blick blieb bei den Scheinen, die Björn noch in den Händen hielt.
"Was wollen Sie über Markovic wissen?"
"Alles. Was macht er im Moment so?"
"Sie sind doch mal bei der Polizei gewesen, oder?"
"Ja ..."
"Hm …"
"Ist schon länger her …"
"Trotzdem …"
"Was trotzdem?"
"Dann dürfte Ihnen der Name Markovic doch geläufig sein, Herr Kilian!"
"Ist er mir auch."
"Ach, nee!?"
"Ich möchte aber wissen, was er jetzt so treibt."
"Dasselbe wie eh und je."
"Hätte ich mir denken können."
"Aber er bemüht sich nun sehr darum, saubere Finger zu behalten. An seinen Händen klebt kein Blut, nicht einmal Dreck. Da achtet er sehr drauf. Wollen Sie genau wissen, in welchen Geschäften er im Moment drinhängt?"
"Ja, das kann nicht schaden. Hören Sie sich in der Szene um!"
"Gut, ich rufe Sie dann an, Kilian. War's das?"
"Nein. Da ist noch etwas Spezielles ..." Bradenbach zog die Augenbrauen hoch.
"Raus damit, Kilian!"
"Irgendjemand hat es auf Ihno Lübbert von der Ihno Lübbert Holding abgesehen. Gestern ist auf ihn geschossen worden, jetzt liegt er in der Intensivstation ..."
"Und Sie denken, dass Markovic dahintersteckt."
"Ja."
"Das ist 'ne heikle Sache!"
"Ich weiß."
"Wenn Markovic tatsächlich dahintersteckt, macht er das so, dass niemand die Sache mit ihm in Verbindung bringen kann. Profis, Sie verstehen?"
"Natürlich. Versuchen Sie trotzdem, etwas aufzuschnappen."
"Dafür reicht das aber nicht, was Sie mir gerade gegeben haben!"
Björn Kilian lachte und legte Bradenbach die restlichen Scheine hin, die er noch in der Hand hielt. Dann drehte Björn sich um und ging.
5
Draußen war das Wetter immer noch hundsmiserabel. Aber immerhin war der Platzregen von einem beständigen Nieseln abgelöst worden.
Es roch nach Salz.
Salz und Meer.
Der Wind blies vom Dollart her.
Björn Kilian schlug sich den Mantelkragen hoch und beeilte sich damit, hinter das Steuer seines Wagens zu kommen. Eine halbe Stunde später war Björn Kilian auf der Intensivstation jener Klinik, die Undine ihm angegeben hatte. Als er das rot geweinte Gesicht der jungen Frau sah, wusste er, dass etwas geschehen war. Es war nicht schwer zu erraten, was. Björn legte ihr den Arm um die Schulter und gab ihr sein Taschentuch.
"Er ist tot", murmelte sie. "Pa ist tot! Er ist seinen Verletzungen erlegen, hat der Arzt gesagt. Sie konnten nichts mehr machen ..."
"Es tut mir leid für Sie, Undine!"
Sie blickte auf und Björn Kilian geradewegs in die Augen.
"Jetzt ist ein Mordfall daraus geworden, nicht wahr?"
Björn nickte. "Ja."
"Ich möchte, dass Sie den finden, der meinen Vater umgebracht hat. Geld spielt dabei keine Rolle!"
"Ich werde tun, was ich kann!"
"Tun Sie das!"
"Sind Sie mit dem Taxi gekommen, das da draußen wartet?"
"Ja."
"Soll ich Sie nach Hause bringen?"
Zwei Sekunden lang schien sie unschlüssig zu sein und zu überlegen.
Aber dann nickte sie schließlich.
"Ja."
Es machte den Eindruck, als wären ihre Gedanken weit weg. Sehr weit ...
6
Sie fuhren durch den dichten Stadtverkehr und den Regen. Beide schienen innerhalb der letzten halben Stunde wieder zugenommen zu haben.
Sie sprachen kaum mehr als das Nötigste.
Undine wohnte in der Villa ihres Vaters, draußen in Suurhusen.
Und genau dorthin ging es jetzt.
Vielleicht würde es etwas bringen, sich dort etwas umzusehen, irgendetwas - und wenn es nur eine Kleinigkeit war ... Wenn es wirklich Markovic war, der hinter diesem Mord steckte, dann würde die Schwierigkeit darin bestehen, es ihm zu beweisen. Zumindest, dass er den Auftrag gegeben hatte. Den Mann, der den Abzug der Schalldämpfer-Pistole betätigt hatte, würde man wahrscheinlich in hundert Jahren nicht in die Hände bekommen.
Der hatte sich wahrscheinlich längst abgesetzt und war über alle Berge. Und irgendwann würde er dann wieder aus dem Nichts heraus auftauchen, um einen anderen Menschen umzubringen, für einen anderen Auftraggeber ...
Aber vielleicht hatten sie Glück und es handelte sich um einen Killer, der öfter für Markovic arbeitete, einen aus seinem eigenen Stall.
In dem Fall gab es vielleicht eine Fährte, die nicht schon völlig kalt war.
Und vielleicht war in Ihno Lübberts Haus, in seinen Unterlagen, privaten Aufzeichnungen, irgendwo etwas zu finden, das auf Markovic hindeutete.
Während der Wagen über die Straße glitt, blickte Björn kurz zu Undine hinüber, die mit in sich gekehrtem Gesicht neben ihm auf dem Beifahrersitz saß und hinaus aus dem Fenster blickte.
Direkt in den trostlosen Regen hinein.
Und genauso sah es auch wohl in ihrem Inneren aus. Björn hatte Verständnis dafür. Aber vielleicht war es an der Zeit, sie ein wenig abzulenken.
"Hat die Polizei Sie eigentlich schon vernommen?", fragte er plötzlich und unterbrach damit das Schweigen.
"Ja, kurz. Gerade eben im Krankenhaus. Der Mann ist gegangen, bevor Sie kamen ..."
"Und?"
"Der Ermittler hat mir, ehrlich gesagt, wenig Hoffnung auf eine schnelle Aufklärung gemacht. Er hat mir alles Mögliche erzählt ..."
"Wie hieß der Mann?"
"Ich glaube Cornelius. Kennen Sie ihn, Björn?"
"Nein."
"Einen sehr aufgeweckten Eindruck machte der jedenfalls nicht."
"So?"
"Und würde mich auch nicht wundern, wenn diese ostfriesischen Dorfpolizisten nicht gerade einen übermäßigen Ermittlungseifer an den Tag legen werden."
"Wieso?"
"Pa hatte Feinde. Mächtige Feinde. Auch in der Politik, im Rathaus und bei den Behörden. Das ist doch alles ein einziger Klüngel, wenn Sie verstehen, was ich meine."
"Nein, ich fürchte, ich weiß nicht genau, was Sie meinen."
"Nicht?"
"Können Sie mir irgendetwas Konkretes sagen? Namen ...?"
Sie hob die Augenbrauen.
"Wenn ich die so genau wüsste, dann bräuchte ich Sie nicht zu engagieren, oder?"
"Auch wieder wahr."
"Pa hat nicht viel über diese Dinge geredet. Geschäftliches war kein Gesprächsthema. Und diese … unangenehmen Dinge … auch nicht. Aber so manches Projekt der Lübbert Holding hatte mächtige Gegner."
"Zum Beispiel?"
"Zum Beispiel weiß ich, dass sich die Lübbert Holding an einer Supermarktkette beteiligt hat, die in Emden zwei Filialen aufmachen will. Klar, dass Sie dann für den Einzelhandel der Todfeind sind und auch entsprechend nett formulierte und natürlich anonyme Drohbriefe bekommen."
"Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich in den Sachen Ihres Vaters herumstöbern würde?"
"Nein. Was hoffen Sie denn zu finden?"
Er zuckte mit den Schultern. "Vorher weiß man das nie so genau!"
7
Die Villa der Lübberts war gut gesichert, das fiel Björn sofort auf. Es war das Haus eines Mannes, der in ständiger Angst davor gelebt haben musste, dass er eines Tages unliebsamen Besuch bekommen würde.
Jedenfalls machte es ganz den Anschein.
Eine hohe Mauer umgab das Anwesen und ein Wachmann öffnete für Björn Kilians Wagen das Tor, nachdem Undine sich an einem Sprechgerät zu erkennen gegeben hatte. Ein massives, gusseisernes Tor ging zur Seite und Björn fuhr den Wagen bis vor das Haus, das von einem weiträumigen Garten umgeben war.
Björn blickte sich kurz um und bemerkte die Video-Anlage, die das Grundstück überwachte. Irgendwo bellte ein Hund. Es war ein aggressives Geräusch und klang ganz und gar nicht nach einem Schoßhund.
Vielleicht ein Dobermann, überlegte Björn. Irgend so etwas in der Art musste es sein!
"Kommen Sie, Björn!", meinte Undine und öffnete die Tür. Sie stiegen beide aus, die Türen klappten zu.
Ein paar Stufen führten zu einem großen Portal und wenig später waren sie dann drinnen.
Ein Hausmädchen empfing sie bei der Tür.
Als sie dann in das große Wohnzimmer kamen, erstarrte Undine plötzlich.
Auf dem Sofa lag ein Mann.
Er lag ausgestreckt da, hatte die Schuhe ausgezogen und über den Teppich verstreut. Auf dem Tisch standen ein paar Flaschen, alles Spirituosen und ein Tropfen edler als der andere.
"Hinnerk!", entfuhr es Undine Lübbert völlig überrascht. Björn Kilian hob die Augenbrauen und wartete ab. Undine ging auf Hinnerk zu, der sich - offenbar mit einiger Mühe - aufsetzte. In der Rechten hatte er ein Glas. Er rülpste ungeniert. Anscheinend hatte er ein paar Gläser zu viel zu sich genommen.
"Moin, Undine", murmelte er. "Wie geht's dir?" Sie schien alles andere, als erfreut zu sein.
"Seit wann bist du hier, Hinnerk?", erkundigte sie sich dann in einem ziemlich reservierten Tonfall.
"Ein paar Stunden schon ..."
"Was willst du hier? Geld?"
"Ich habe das mit Pa gehört und da ..."
"Im Krankenhaus bist du jedenfalls noch nicht gewesen!" Ihr Gesicht war eisig geworden und ihr Gegenüber musste ihre letzten Worte wie ein Schlag ins Gesicht empfinden. Aber Hinnerk zuckte nur mit den Achseln, als wäre es nichts.
"Na, und? Ich dachte mir, ich komme erst einmal hierher!"
"Vater ist inzwischen gestorben!"
Zunächst verursachte diese Nachricht bei Hinnerk keine sichtbare Reaktion.
Dann zuckte er erneut mit den Schultern.
Undine wandte sich zu Björn herum.
"Das ist Hinnerk Lübbert - mein ehrenwerter Herr Bruder!" Björn nickte ihm zu und Hinnerk hob sein Glas.
"Angenehm!", rief er und stand dann auf. Er war sichtlich unsicher auf seinen Füßen. "Vielleicht sagst du mir mal, wen du da mitgebracht hast, Schwesterherz! Ein Geliebter vielleicht?"
"Du bist geschmacklos, Hinnerk!"
"War ja nur eine Frage!"
"Das ist Björn Kilian. Er ist Privatdetektiv und soll herausfinden, wer Vater umgebracht hat!"
Hinnerk Lübbert verzog das Gesicht.
Dann brummte er: "Das liegt doch auf der Hand! Markovic hat ihn endlich erwischt! War ja letztlich auch nur eine Frage der Zeit!" Er rülpste erneut.
"Das ist eine Vermutung", erklärte Björn Kilian. "Mehr nicht."
"Klar, ich verstehe!", meinte Hinnerk. "Sie wollen auch Ihr Geld verdienen. Habe ich Verständnis für! Bestimmt! Und unser alter Herr war ja auch kein armer Mann! Da können Sie gesalzene Honorare einfordern!" Er wandte sich an Undine. "Du musst wissen, was du tust, Schwester!"
"Ich weiß sehr genau, was ich tue!", versetzte Undine bissig. Hinnerk wandte sich ab, nahm eine der Flaschen vom Tisch und verließ den Raum. Irgendwo hörte man ihn eine Treppe hochschlurfen.
"Ihren Bruder haben Sie mir bisher verschwiegen!", meinte Björn.
"Sie haben mich bisher auch nicht danach gefragt!"
"Eins zu null für Sie! Ihr Verhältnis scheint nicht das Beste zu sein, habe ich recht?"
Sie atmete tief durch.
"Hinnerk hat ein paar Probleme." Sie deutete auf die Flaschen und Björn verstand, was sie meinte.
"Das ist nicht zu übersehen", meinte er.
"Er trinkt unmäßig, ist über dreißig und hat bisher immer nur von dem gelebt, was Pa ihm geschickt hat."
"Er lebt nicht in Emden, nicht wahr?"
"Nein, in Berlin. Dort hat er studiert - oder besser gesagt: Er hat dort das getrieben, was er so zu nennen pflegt! Es wundert mich, dass er offensichtlich genug Geld zur Hand gehabt haben muss, um sich eine Bahnkarte leisten zu können."
"Wir sollten uns jetzt beeilen!", meinte Björn.
"Beeilen?"
"Ja, mit der Durchsicht der Sachen Ihres Vaters. Wenn die Polizei erst einmal alles in Unordnung gebracht hat ..."
"Sie meinen, dass die noch kommen?"
"Es ist ein Wunder, dass sie noch nicht da waren! Wahrscheinlich sehen die sich erst einmal die Büroräume der Ihno Lübbert Holding an!"
8
Die Durchsicht der Privatsachen von Ihno Lübbert brachte kaum neue Erkenntnisse.
Sie wollten es schon aufgeben, da tauchte ein merkwürdiger Brief auf. Undine fand ihn in einem der Jacketts ihres Vaters. Die Buchstaben waren aus Zeitungen und Magazinen herausgeschnitten und auf ein weißes Blatt Papier geklebt worden: DU RATTE! DEIN LEBEN IST ZU ENDE!
Undine gab Björn das Papier und dieser las mit nachdenklichem Gesicht die zwei Zeilen.
"Könnte Markovic sein, nicht wahr?", meinte Undine.
Björn Kilian nickte. "Ja, es passt alles zusammen ..."
Als Björn und Undine wieder ins Wohnzimmer zurückkehrten, klingelte es an der Tür.
Wenig später brachte das Hausmädchen zwei Männer ins Wohnzimmer.
Einer von ihnen trug eine Polizeiuniform, der andere war in Zivil.
Aber in was für einem Zivil!
Björn Kilian musste unwillkürlich etwas Schmunzeln. Der Mann trug einen riesigen Stetson auf dem Kopf und eine kurze braune Jacke, dazu Blue Jeans und Cowboystiefel. Er sah aus, als wäre er einem Wildwest-Film entstiegen. Lediglich die Rolex an seinem Arm störte diesen Eindruck ein wenig.
Er zog seine Marke hervor und hielt sie Björn und Undine entgegen.
"Cornelius, Kriminalpolizei. Wir kennen uns ja schon", raunte er. Er hatte einen typisch ostfriesischen Akzent und sprach sehr langsam und überdeutlich. Wie ein Ostfriese, der hochdeutsch zu sprechen versucht und dabei sehr genau darauf achtet, auch ja jede grammatische Endung richtig zu bilden.
Dabei hätte er das gar nicht nötig gehabt. Schließlich gab ihm der Cowboy-Hut eigentlich doch schon genug weltmännische Aura.
Cornelius holte ein Papier aus der Tasche und hielt es Undine unter die Nase.
Björn brauchte gar nicht erst hinzusehen. Er wusste auch so, worum es sich handelte. Solche Blätter hatte er oft genug gesehen!
Björn lächelte dünn, während Cornelius eine überaus wichtige Miene aufsetzte und sich breitbeinig aufbaute. Er wandte sich an Undine.
"Wir haben einen Durchsuchungsbefehl, Frau Lübbert. Ich denke, Sie machen uns keine Schwierigkeiten!" Sein Tonfall war ziemlich scharf und Undine Lübbert machte einen teils überrumpelten, teils verwirrten Eindruck.
"Nein, natürlich nicht! Warum sollte ich?", meinte sie und hob dabei die Augenbrauen.
Cornelius zuckte mit den Schultern.
"Hätte ja sein können." Dann wandte er sich an Björn. "Darf ich fragen, wer Sie sind und was Sie hier zu suchen haben?" Die burschikose Art seines Gegenübers sagte Björn nicht allzu sehr zu. Aber er sagte sich, dass dahinter vermutlich eine große Unsicherheit verborgen lag.
Björn hoffte nur, dass sich mit diesem Cowboy zusammenarbeiten ließ, denn schließlich waren sie beide hinter demjenigen her, der Ihno Lübbert auf dem Gewissen hatte. Björn stellte sich vor.
"Mein Name ist Björn Kilian", sagte er. "Ich bin Privatdetektiv."
"Zeigen Sie mal Ihren Ausweis!"
Björn holte ihn hervor und hielt ihn Cornelius hin. Dieser nahm ihn mit einer nachlässigen Geste an sich. Cornelius warf einen Blick auf das Dokument, nickte dann und gab es seinem Besitzer zurück.
"Okay. Und was tun Sie hier?"
"Frau Lübbert hat mich engagiert, um den Mörder ihres Vaters zur Rechenschaft zu ziehen!"
Cornelius schob sich den riesigen Stetson in den Nacken und verzog das Gesicht.
Die Anwesenheit des Privatdetektivs schien ihm nicht so recht zu schmecken.
"Sie vertrauen der Arbeit der Polizei nicht?", brummte er. "Ist ja reizend ..."
"Nehmen Sie es nicht persönlich", meinte Björn und lächelte dünn.
Cornelius machte eine großspurige Geste.
"Wie käme ich dazu", meinte er sarkastisch. Er nahm es sehr wohl persönlich, das war ihm deutlich anzusehen.
"Dann ist ja alles in Ordnung", murmelte Björn und dabei dachte er: Der Mann hat etwas von einem bissigen Terrier, der um jeden Preis sein Revier verteidigt!
"Ich glaube, Hauptkommissar Remmers hat Ihren Namen mal erwähnt, Herr Kilian ..."
"Grüßen Sie ihn von mir, wenn Sie ihn sehen!"
"Täglich!" Er atmete tief durch. "Ich schätze, Sie haben hier schon alles durchgewühlt."
"So ist das nun einmal, wenn man zu spät dran ist, Herr Cornelius!"
"Wir waren in den Büroräumen."
"Habe ich mir gedacht."
"Haben Sie irgendetwas gefunden, dass für den Fall von Interesse sein könnte? Sie wissen, dass das Zurückhalten von Beweismaterial strafbar ist, nicht wahr?"
"Herr Cornelius, ich schlage vor, dass wir zusammenarbeiten!"
Cornelius lachte rau.
"Wie stellen Sie sich das konkret vor?"
"Ein Deal, Herr Cornelius! Sie sagen mir, was in den Büroräumen gefunden wurde, und ich sehe dann, was ich für Sie tun kann!"
"Oh, nein, Herr Kilian! So nicht!"
"Bitte, wie Sie wollen! Aber Sie könnten vielleicht eine Menge Zeit sparen!"
Cornelius schien unsicher.
Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Dann nickte er.
"Gut. Erst Sie, Herr Kilian!"
"Nein, umgekehrt!"
"Sie sind eine harte Nuss, Herr Kilian!"
"Wollen Sie weiter lamentieren oder Ihre Pflicht tun und etwas unternehmen, damit ein Mörder gefasst wird?"
Cornelius bleckte die Zähne. Dann seufzte er hörbar.
"Sie haben gewonnen, Herr Kilian! Aber wehe, wenn Sie dann am Ende nichts vorzuweisen haben!"
"Schießen Sie los!"
"Wir haben die Leute in der Firma vernommen und die Büroräume durchsucht. Die Lübbert Holding hat nicht mehr als zwei Dutzend Angestellte, obwohl sie einen Umsatz von mehreren hundert Millionen im Jahr hat. Diese Firma besitzt ihrerseits wiederum erhebliche Beteiligungen an verschiedenen Firmen und bestimmt zum Teil auch deren Firmenpolitik."
"Was für Firmen?"
"Quer durch den Garten. Von der Seifenfabrik bis zur Elektronik. Offensichtlich gab es Ärger in der Firma. Ihno Lübbert war mit einigen Angestellten nicht zufrieden und hat offenbar daran gedacht, sie zu feuern. Und dann hat es den Anschein, dass einer der Angestellten in die eigene Tasche gewirtschaftet hat ... Ein gewisser Arthur Petersen."
"Ja", meinte Undine plötzlich. "Das stimmt! Pa hat herausbekommen, dass er mit Firmengeldern spekuliert hat."
"Und warum hat Ihr Vater diesen Petersen nicht entlassen?"
"Um einen Skandal zu vermeiden. Die Lübbert-Aktien wären sofort in den Keller gegangen, wenn etwas durchgesickert wäre. Pa wollte mit ihm ein Arrangement treffen ..." Cornelius machte eine unbestimmte Geste mit der Hand.
"So, Herr Kilian! Jetzt sind Sie dran!"
"Ein bisschen dünn, was Sie da geboten haben, finden Sie nicht auch?" Er holte den zusammengeklebten Brief aus der Tasche und reichte ihn dem Kriminalbeamten. "Hier!"
"Was ist das?"
"Sehen Sie es sich erst einmal genau an, bevor Sie fragen. Frau Lübbert hat es in einem Jackett ihres Vaters gefunden!" Björn wandte sich an Undine. "Sie sollten dem Herrn jetzt sagen, was Sie wissen, Undine. Auch von ihrem Verdacht gegen Markovic ..."
"Aber ..."
"Ihr Pa ist tot und selbst wenn er sich in einem früheren Leben die Hände schmutzig gemacht hat - es kann ihm nun nicht mehr schaden, wenn es irgendjemand erfährt."
Cornelius runzelte die Stirn.
"Habe ich da eben 'Markovic' gehört?"
"Haben Sie", nickte Björn.
"Ich bin nach meinem Austauschjahr beim New York Police Department und einem Zwischenspiel beim BKA in Berlin noch nicht lange hier in Emden, aber selbst in der kurzen Zeit ist mir dieser verdammte Name schon ein paarmal zu Ohren gekommen!"
Angeber!, dachte der Privatdetektiv. Eine ganze Karriere in einem Nebensatz untergebracht! So was lernt man eigentlich nur bei einem Coach für Bewerbungsgespräche ...
Björn zuckte mit den Schultern.
"Das wäre kein Wunder!", meinte er.
Und dann machte Undine ihre Aussage und Cornelius anschließend ein langes Gesicht.
"Üble Sache!", meinte er. Er hob den Brief in die Höhe und fuhr dann fort: "Scheint wirklich alles darauf hinzudeuten, dass Markovic dahintersteckt ... Welchen Namen trug Ihr Vater, bevor er seine Identität wechselte?"
Sie errötete und musste schlucken. Aber sie behielt die Fassung.
"Paul Thorrell", sagte sie dann.
"Wie alt waren Sie damals?", fragte Björn.
"Ich war in der Grundschule. Mein Bruder auch. Da sind wir von Hamburg hierher nach Ostfriesland gezogen und er hat seine Firma gegründet, die dann kometenhaft aufgestiegen ist. Wir hießen jetzt Lübbert und durften den alten Namen nicht mehr erwähnen. Ich dachte immer, dass hing mit unserer Mutter zusammen."
"Wieso?"
"Weil sie versucht hat, meinen Bruder, mich und sich selbst umzubringen, indem sie uns etwas ins Essen mischte. Sie kam nicht ins Gefängnis, weil sie angeblich psychisch krank war. Aber wir hatten ständig Angst, dass sie eines Tages aus der Psychiatrie entlassen werden würde … Zuerst dachte ich, dass wir deswegen neue Namen bekommen haben und umgezogen sind … Ihno Lübbert - klingt ja auch sehr passend."
"Und wann haben Sie erfahren, dass es nicht so war?"
Sie blickte auf, sah von Cornelius kurz zu Björn Kilian und fuhr dann fort: "Pa hat es mir gesagt, als ich älter war und die Widersprüche zu offensichtlich wurden."
9
Wenig später brachte Undine Björn Kilian zur Tür.
"Was werden Sie jetzt unternehmen, Björn?" Aber Björn gab ihr keine Antwort, sondern stellte seinerseits eine Frage.
"Wo wohnt Herr Petersen?"
Undine hob die Augenbrauen.
"Wollen Sie seine Adresse?"
"Ja, ganz richtig ..."
"Er hat eine Wohnung hier in Emden. Aber im Moment dürften sie ihn in seinem Büro antreffen. Sie wissen ja, wo das ist ..."
"Ja."
"Was wollen Sie von Herrn Petersen?"
"Mit ihm reden!", gab Björn lakonisch zurück.
"Markovic ist der Mann, den Sie sich vorknöpfen müssen!", gab sie ihrer Überzeugung Ausdruck. "Ich glaube nicht, dass Petersen etwas mit Pas Tod zu tun hat!"
"Er hatte aber ein Motiv!"
"Sie meinen die Veruntreuung? Ich sagte doch, dass Pa ein Übereinkommen mit ihm treffen wollte. Sein Tod konnte ihm höchstens Nachteile bringen!"
"Ich möchte mich trotzdem mit ihm unterhalten. Wer weiß, was dabei herauskommt ..."
"Und ich sage Ihnen, Sie irren sich!"
Björn lächelte.
"Versuchen Sie nicht, mir vorzuschreiben, wie ich meine Arbeit zu machen habe!"
"Die Sache ist doch klar! Kümmern Sie sich um Markovic!"
"Soll ich vielleicht in Markovics Büro spazieren - vorausgesetzt ich komme so weit - und ihn fragen, ob er zufällig der Mörder Ihres Vaters ist? Nein, so einfach geht das nicht! Das fängt man anders an ..."
"Und wie?"
"Jedenfalls nicht, indem man vorzeitig sämtliche Pferde scheu macht!"
Sie atmete tief durch. Dann begegneten sich ihre Blicke. Sie sah ihn einen Augenblick lang ruhig an und meinte dann: "Vielleicht haben Sie recht! Vielleicht sollte ich Ihnen mehr vertrauen!"
Das war auch Björns Meinung und so nickte er.
"Ja, das sollten Sie! Ich verstehe meinen Job!"
"So war das nicht gemeint!"
"Das weiß ich!"
"Sie sind ein toller Kerl, Björn!"
Und dann schlang sie plötzlich ihre schlanken Arme um seinen Hals und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss. Alles ging viel zu schnell.
Bevor Björn so recht gemerkt hatte, was hier gespielt wurde und den Zungenschlag erwidern konnte, war es auch schon vorbei.
Sie hatte sich von ihm gelöst und war etwas zurückgetreten.
"Machen Sie Ihre Sache gut, Björn!"
"Das verspreche ich Ihnen hiermit", murmelte Björn der noch immer ein wenig verwirrt war.
10
Björn Kilian traf Arthur Petersen nicht in seinem Büro an, sondern in einem Restaurant in der Umgebung.
Ein kleiner, dicker Mann saß vor einem riesigen Steak und Björn dachte sich, dass dieser Mann Arthur Petersen sein musste.
"Herr Petersen?"
Der Mann blickte auf, kaute seinen Bissen zu Ende und murmelte dann: "Was wollen Sie? Ich kenne Sie nicht!" Björn setzte sich zu ihm an den Tisch.
"Ich Sie auch nicht, aber die Beschreibung Ihrer Sekretärin passt auf Sie ..."
Petersen verzog das Gesicht.
"So?"
"Mein Name ist Björn Kilian. Ich bin Privatdetektiv. Frau Undine Lübbert hat mich engagiert wegen der Sache mit ihrem Vater." Petersen blickte auf und nahm einen Schluck aus dem Glas Rotwein, das neben seinem Teller stand. Dann wischte er sich mit der Hand den Mund ab und schob den halb leeren Teller ein Stück von sich weg.
Aus irgendeinem Grund schien ihm der Appetit mit einem Mal vergangen zu sein.
"Was wollen Sie von mir, Herr Kilian? Ich bin ein vielbeschäftigter Mann, und wenn Sie mir schon meine Mittagspause stehlen, dann haben Sie dafür hoffentlich einen guten Grund!"
"Ich habe ein paar Fragen", erklärte Björn sachlich. "Und diese Fragen halte ich für einen guten Grund!" Petersen machte ein zweifelndes Gesicht.
"Ich habe eigentlich keine Lust, mich mit Ihnen zu unterhalten!"
"Sie haben Gelder der Ihno Lübbert Holding veruntreut, nicht wahr?"
Der Angesprochene runzelte die Stirn, dann löste er den obersten Hemdknopf, so dass sein Doppelkinn etwas mehr Platz bekam. Petersen schien sich sichtlich unwohl in seiner Haut zu fühlen und Björn konnte das durchaus nachvollziehen.
"Sie können es ruhig zugeben, Herr Petersen. Ich weiß es, die Polizei weiß es."
"Es hat mich niemand angeklagt."
"Weil niemand einen Skandal wollte."
"Sehr richtig. Herr Lübbert und ich waren uns einig, dass ..."
"Was, wenn Lübbert und Sie sich doch nicht so einig gewesen sind, wie Sie es allgemein glauben machen wollen und er Sie auf irgendeine Art und Weise ans Messer liefern wollte?"
"Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen, Herr Kilian. Ich habe aber nicht die Absicht, dieses Spiel mitzumachen!"
"Es ist kein Spiel, Herr Petersen!"
Der dicke Mann zuckte mit den Schultern.
"Wie dem auch sei." Dann verengte er die Augen und fixierte Björn Kilian mit einem ärgerlichen Blick. "Sie wollen doch nicht behaupten, dass ich in dem Wagen gesessen habe, von dem aus auf Herrn Lübbert geschossen wurde!"
"Sie hätten vielleicht ein Motiv!"
"Aber ich habe ein handfestes Alibi! Ich war auf einer Konferenz, als es passierte! Dafür gibt es ein halbes Dutzend Zeugen!"
"Sie könnten die Tat in Auftrag gegeben haben, Herr Petersen!"
Er wurde noch bleicher, als er ohnehin schon war. Dann bleckte er wütend die Zähne.
"Guten Tag, Herr Kilian! Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen!"
Kilian erhob sich.
"Ich schätze, dass ich nicht der Einzige bleiben werde, der Ihnen diese Fragen stellt!"
Petersens Gelassenheit machte auf Kilian einen gespielten Eindruck.
"Abwarten, Herr Kilian!"
"Auf Wiedersehen, Herr Petersen. Es würde mich nicht wundern, wenn wir uns in nächster Zeit noch öfter über den Weg laufen!"
Während Kilian schon in Richtung Tür unterwegs war, knurrte Arthur Petersen noch etwas Unverständliches vor sich hin. Aber es hörte sich alles andere als freundlich an.
11
Tammo Remmers war nicht gerade gut gelaunt, als Björn ihn auf dem Flur abpasste.
"Ah, Björn! Du hast mir heute noch gefehlt!" Er keuchte und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Du solltest langsam mal ans Abnehmen denken, Tammo, dachte Björn bei sich, aber er hütete sich davor, es auch laut auszusprechen.
"Moin, Tammo! Was soll denn das heißen? Ich dachte, wir sind Freunde!"
"Klar, sind wir auch! Aber wenn du hier auftauchst, dann gibt das garantiert Arbeit für mich! Und ich stecke schon bis über beide Ohren drin! Bis über beide Ohren, hörst du, Björn?" Remmers stemmte die Arme in die Hüften und baute sich breitbeinig auf.
Björn wollte nicht wissen, auf welche Werte der Blutdruck des Polizei-Hauptkommissars in den letzten zwanzig Sekunden gestiegen war.
Remmers atmete tief durch und quetschte dann zwischen den Lippen hindurch: "Also schieß los! Worum geht's?"
"Es geht um den Mordfall Lübbert."
"Ihno Lübbert?"
"Ja, welcher Lübbert wohl sonst!"
"Ein Mann aus meiner Dienststelle bearbeitet den Fall. Er heißt Cornelius. Sieht ein bisschen merkwürdig aus, aber er soll ein ganz toller Hecht sein. So viele Belobigungen in einer Personalakte habe ich selten gesehen ..."
"War in Amerika und beim BKA in Berlin."
"Woher weißt du das denn?"
"Ich kann neuerdings hellsehen, Tammo."
"Ah, ja …"
"Ich habe mit Cornelius bereits gesprochen. Die Sache ist die: Hinter dem Mord steckt wahrscheinlich Darko Markovic. Und ich möchte wissen, was der im Augenblick so treibt."
Remmers pustete wie ein Walross.
"Komm mit!", meinte er. "Wozu habe ich schließlich so ein gastliches Büro?"
Wenig später saßen sie sich dann in Remmers' Büro gegenüber.
Der Hauptkommissar lehnte sich zurück und kratzte sich im Genick.
"Der Name Markovic dürfte dir doch noch von früher her geläufig sein, Björn", meinte er.
Kilian nickte.
"Ist er auch. Aber das ist schließlich schon eine ganze Weile her!"
"Aber einer wie Markovic ändert sich nicht. Der steigt entweder auf oder endet vorher als Wasserleiche im Knockster Tief - mit einem schönen, runden Loch in der Stirn!"
Björn Kilian zog die Augenbrauen in die Höhe.
"Nach allem, was man hört, ist Markovic aufgestiegen!"
"Kann man wohl sagen! Früher haben wir ja immer vermutet, dass er illegal Elektronik in den Iran exportiert hat. Aber das ist lange her. Heute vermutet man ihn hinter Waffenschieber- und Drogenringen. Aber wir konnten dem verflixten Hund bisher nichts nachweisen. Er ist einfach zu geschickt! Strohmänner machen die Drecksarbeit für ihn und die schweigen eisern, denn jeder von ihnen weiß, dass er ein toter Mann ist, sobald er singt. Sein Arm reicht bis in die Gefängnisse hinein - vielleicht sogar bis in die Polizei und die Staatsanwaltschaft."
"Dann gibt es also im Grunde genommen nichts Neues!"
"Nein. Was Markovic angeht, nicht. Es ist alles nur ein paar Nummern größer geworden."
"Nichts Konkretes?"
"Björn, wenn ich etwas Konkretes hätte, würde er nicht mehr frei herumlaufen und seine unsauberen Geschäfte machen!"
"Verstehe ..."
"Dann ist da allerdings noch etwas, das dich interessieren könnte."
In Björns Augen blitzte es.
"Heraus damit, Tammo!"
"In den letzten Wochen gibt es eine Art Mord-Serie. Alle begangen in der Art von professionellen Killern - so, wie es auch bei Ihno Lübbert der Fall zu sein scheint. Alle Opfer hatten etwas gemeinsam: Sie machten Geschäfte mit Darko Markovic!"
"Eine Säuberungsaktion?"
"Ja, so etwas in der Art muss es wohl sein."
"Ich möchte eine Liste der Opfer."
"Kannst du haben!"
Tammo Remmers stand auf, holte eine Akte aus dem Schrank und knallte sie vor Kilian auf den Tisch. "Schreib dir die Namen heraus, wenn es dir Spaß macht!"
"Danke!"
Björn Kilian nahm sein Handy und fotografierte den Ausdruck ab.
"Du hättest mir auch eine Mail schicken können", sagte der Privatdetektiv.
"Nein, das hätte ich nicht, Björn."
"Wieso nicht?"
"Dann wäre es offiziell, dass ich dir etwas weitergegeben habe."
"Und jetzt?"
"Hat es klick gemacht, als ich dir gerade einen Kaffee von nebenan geholt habe."
"Habt ihr Kaffee?"
"Ist alle, wir müssen sparen." Tammo Remmers deutete auf den Ausdruck. "Was willst du damit, Björn?"
Kilian zuckte mit den Schultern.
"Mal sehen. Ich weiß es noch nicht."
12
Es war bereits ziemlich dunkel und es regnete wieder, als Roy Bradenbach ins Freie trat und sich nach rechts und links umdrehte. Er schlug sich den Mantelkragen hoch und schlang sich den Schal vor den Mund.
Es war hundekalt und dennoch stand Bradenbach der Schweiß auf der Stirn, als er die Straße überquerte. Es war kalter Angstschweiß und sein Gesicht war von nackter Furcht gezeichnet.
"Oh, mein Gott", flüsterte er kaum hörbar in seinen Schal hinein, obwohl er eine Kirche zum letzten Mal von innen gesehen hatte, als seine Mutter ihn zur Taufe getragen hatte.
Er schluckte.
Ich hätte mich nie auf diese Dinge einlassen sollen, durchfuhr es ihn.
Aber nun war es zu spät.
Einfach zu spät.
Bis zum Hals steckte er im Sumpf und er sah nicht die geringste Chance, sich selbst wieder herauszuziehen.
Bradenbach fühlte seinen Puls bis zum Hals schlagen.
Überall konnte er auf ihn lauern.
Er musste auf der Hut sein und aufpassen.
Er musste hinüber zur Telefonzelle auf der anderen Straßenseite.
Er wollte auf jeden Fall ungestört sein, wenn er den Hörer abnahm.
Bradenbach atmete schwer.
Er war derart nervös, dass ihn beinahe ein Auto erwischte, das dann hupend weiterfuhr.
Oh, verdammt!, schoss es ihm durch den Kopf. Ich beginne bereits die Nerven zu verlieren!
Jetzt hieß es, kühlen Kopf zu bewahren. Nur dann hatte er noch eine Chance. Kühlen Kopf und stahlharte Nerven. Aber wie es schien, hatte er weder das eine noch das andere. Schließlich hatte er die andere Straßenseite erreicht. Noch einmal blickte er sich nach allen Seiten um. Er sah einen Stadtstreicher mit speckigem Parka, vor Dreck starrenden Jeans und einer schmuddeligen Wollmütze, die er tief ins Gesicht gezogen hatte.
Der Mann hob eine Zeitung vom Boden auf, die irgendjemand achtlos weggeworfen hatte und blätterte darin.
Keine Gefahr, dachte Bradenbach bei diesem Anblick oder besser: Er versuchte, es sich einzureden. Immer wieder: Keine Gefahr!
Außer dem Stadtstreicher sah er niemanden in der Nähe. Er öffnete die Tür des Telefonhäuschens, ließ sie dann hinter sich zuschlagen und fingerte mit zitternden Händen ein paar Münzen aus der Manteltasche heraus. Es war einer der letzten Münzfernsprecher in ganz Ostfriesland. Wahrscheinlich in ganz Deutschland. Das Relikt einer vergangenen Zeit. Und eine Möglichkeit, mit jemandem zu kommunizieren, ohne dass man es später zurückverfolgen konnte.
Roy Bradenbach schluckte.
Dann begann er eine Nummer zu wählen.
Mach schon!, rief es in ihm. Verdammt noch mal, nun nimm doch endlich ab!
Sein Stoßgebet wurde im nächsten Moment erhört. Eine weibliche Stimme meldete sich.
"Ist da das Büro von Björn Kilian?"
"Ja. Wer spricht dort, bitte?"
"Hier ist Roy Bradenbach. Ich habe Herrn Kilian etwas Wichtiges mitzuteilen. Ich ..."
"Kann ich Herrn Kilian etwas ausrichten, Herr Bradenbach? Hallo ... Sind sie noch dran?"
Bradenbach war noch dran, aber ihm waren die Worte vor Entsetzen buchstäblich im Halse stecken geblieben, als er sich umgewandt und in das Gesicht des Stadtstreichers geblickt hatte, der urplötzlich vor der Telefonzelle aufgetaucht war. Alles, was dann geschah, dauerte kaum länger als eine Sekunde.
Plötzlich war Bradenbach klar, dass dieser Mann gar kein Stadtstreicher war, sondern sich nur so aufgemacht hatte. Der Kerl hatte hier auf ihn gewartet, ihn wahrscheinlich schon längere Zeit beobachtet und nun war seine Chance gekommen!
Der Mann hatte ein kalt glitzerndes Augenpaar, das ihn geschäftsmäßig musterte.
Eine hässliche Narbe, die vermutlich von einer Messerstecherei herrührte, zog sich von der Stirn über das Auge und fast die gesamte rechte Wange.
Der Mann verzog das Gesicht und bleckte die Zähne. Bradenbach sah die Zeitung seines Gegenübers, jene Zeitung, die dieser vom Boden aufgesammelt hatte.
Die Zeitung glitt zur Seite und die Mündung einer Pistole mit Schalldämpfer wurde für den Bruchteil eines Augenblicks sichtbar.
Bradenbachs Augen waren vor Schreck weit aufgerissen.
"Nein", flüsterte er fast tonlos, aber da hatte sein Gegenüber bereits abgedrückt.
Am Ausgang des Schalldämpfers blitzte ein Mündungsfeuer. Es gab ein hässliches, dumpfes Geräusch.
Das Projektil durchschlug die Scheibe der Telefonzelle, ließ das Glas splittern und fuhr Bradenbach dann direkt in die linke Brust. Bradenbach wurde durch die Wucht des Geschosses nach hinten gerissen, ließ den Hörer fallen und ächzte noch einmal unterdrückt.
Der Killer wollte sichergehen.
Ein zweiter Schuss traf Bradenbach mitten in der Stirn, bevor er dann mit starren, weit aufgerissenen Augen zu Boden rutschte. Der Killer steckte die Waffe in die weite Seitentasche seiner Parka, beugte sich nieder, hob den Hörer auf und hängte ihn die Gabel.
13
Das Handy klingelte und Björn nahm das Gespräch über die Freisprechanlage entgegen.
Es war Eltje.
"Was gibt es?", fragte Björn.
"Ein Mann namens Roy Bradenbach hat angerufen. Er ist ein Informant, nicht wahr?"
"Ja, was hat er gesagt?"
"Er ist nicht mehr dazu gekommen, etwas auszupacken. Es sei sehr wichtig hat er gesagt, und dann gab es ein merkwürdiges Geräusch - wie aus einer Schalldämpferpistole. Ich fürchte, er lebt nicht mehr, Björn."
Björn atmete tief durch.
"Das fürchte ich auch, Eltje."
"Er hat aus einer Zelle angerufen."
"So was gibt es noch?"
"Selten."
"Offenbar wollte er sichergehen, nicht abgehört oder zurückverfolgt zu werden."
"So sehe ich das auch."
"Du hast den Anruf getracked?"
"Ja. GPS-Koordinaten habe ich dir geschickt."
"Ich kann mir denken, wo das ist", flüsterte Björn, mehr zu sich selbst als zu seiner Gesprächspartnerin. "Hast du die Polizei schon benachrichtigt?"
"Nein. Ich dachte mir, ich sage erst dir Bescheid."
"Okay, dann werde ich das von hier aus erledigen ..." Zwei Sekunden später hatte Björn Kilian aufgelegt. Er suchte eine Seitenstraße, in der er seinen Wagen drehen konnte.
Bradenbach war umgelegt worden und es gab sicher ein paar Dutzend Leute, die dafür infrage kamen. Aber einer von ihnen war Darko Markovic!
Björn Kilian dachte an die Liste, die Hauptkommissar Remmers ihm gegeben hatte. Bradenbach passte vorzüglich in diese Liste von Leuten hinein, die zwei Dinge gemeinsam hatten: Sie hatten mit Markovic zu tun und sie waren mausetot.
So viele Zufälle kann es nicht geben, dachte Kilian. Bradenbach hatte ihm etwas Wichtiges zu sagen gehabt, was nur heißen konnte, dass er etwas über Markovic herausgefunden haben musste. Eine andere Möglichkeit gab es kaum.
Endlich hatte Björn eine Möglichkeit zum Drehen gefunden. Es dauerte ein bisschen, bis er sich wieder in den Verkehr - diesmal in entgegengesetzte Richtung - einfädeln konnte. Dann wählte er über die Spracheingabe seines Handys die Nummer der Polizei.
14
Es war ganz so, wie Björn Kilian gedacht hatte. Bradenbach war in der Telefonzelle ermordet worden, die der Kaschemme gegenüber lag, in der man ihn sonst immer antreffen konnte.
Wahrscheinlich hat er ungestört mit mir sprechen wollen, kam es Björn in den Sinn, als er seinen Wagen an der Seite abstellte, die Tür öffnete und die zerschossene Zelle sah.
Bradenbach lag mit seltsam verrenkten Armen und Beinen in der Zelle. Seine Augen blickten Björn starr an, während sich mitten auf seiner Stirn ein kleines, rotes Loch befand. Björn schluckte.
Er kannte Bradenbach schon einige Jahre und der kleine Hehler hatte ihn immer mit wertvollen Informationen versorgt.
Er war einer, der buchstäblich das Gras wachsen hörte.
Gras - und auch andere Dinge.
Nicht alles, was Bradenbach getan hatte, war legal, aber im Grunde war er nur ein ganz kleiner Fisch. Und ein solches Ende hatte er in keinem Fall verdient.
Niemand hatte das.
Björn Kilian ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten und fühlte Grimm in sich hochsteigen.
Wer immer hier dahintersteckte und die Fäden zog: Es musste sich um jemanden handeln, der buchstäblich über Leichen ging. Björn blickte sich dann etwas nach Spuren um.
Aber da war auf den ersten Blick nichts zu sehen, dass irgendeinen Hinweis geben konnte. Mit was für einer Waffe Bradenbach erschossen worden war, dass würde später die Polizei feststellen. Doch viel würde dabei vermutlich auch nicht herauskommen. Nichts, was einem den Täter auf dem Silbertablett servierte, denn es war nicht anzunehmen, dass der Killer so dumm gewesen war, eine Waffe zu benutzen, die bereits polizeibekannt war.
Jedenfalls nicht, wenn es sich um einen Profi handelte.
Und davon ging Björn mittlerweile stillschweigend aus.
Man konnte Bradenbachs Augen noch ansehen, wie überrascht er gewesen sein musste.
Björn beugte sich nieder und drückte ihm die Lider zu. Mehr konnte er nicht mehr für ihn tun - außer vielleicht denjenigen zu finden, der dafür verantwortlich war.
Ganz korrekt war das natürlich kriminaltechnisch gesehen nicht. Die Erkennungsdienstler der Polizei mochten es natürlich nicht, wenn man die Leiche eines Mordopfers noch anfasste - ganz egal wo. Und in diesem Fall würden sie sich vermutlich über die geschlossenen Augen wundern. Ich werde es ihnen sagen, nahm sich Björn Kilian vor. Zumindest, wenn ich sie noch antreffe …
Die Polizei würde sicher bald eintreffen.
Aber der Erkennungsdienst? Das konnte etwas dauern. Schließlich kamen die vermutlich aus Oldenburg, wenn es um anspruchsvollere Aufgaben ging, die der Kripo-Normalbeamte aus Emden nicht allein hinbekommen konnte.
Eine Weile verharrte Björn Kilian so bei dem Toten, dann nahm er mit den Augenwinkeln plötzlich eine Bewegung in der Nähe war.
Blitzartig war seine Rechte unter den offenen Mantel und das Jackett gefahren und hatte mit unwahrscheinlicher Schnelligkeit die Pistole aus dem Schulterholster gerissen und in Anschlag gebracht.
"Nicht schießen!"
Der Mann, der da zitternd vor Björn Kilian stand, wirkte wie eine Jammergestalt. Er hatte die Hände gehoben, in der Rechten hielt er eine Bierflasche.
Björn blickte in ein stoppelbärtiges Gesicht mit einer roten Trinkernase.
"Bitte, nicht schießen!", wiederholte er noch einmal. Ihm schlotterten vor Angst schier die Knie und Björn ließ die Waffe sinken.
"Keine Angst!", meinte er. "Ich schieße nicht." Der Mann drehte sich und wollte sich wohl davonmachen. Aber Björn hatte noch ein paar Fragen an ihn.
"Hey, stehen bleiben!"
Der Kerl zuckte zusammen und drehte sich vorsichtig herum. Erleichtert stellte er fest, dass Björn seine Waffe inzwischen wieder eingesteckt hatte.
"Erstmal Moin", sagte Björn Kilian.
"Moin", sagte der Mann.
"Ich tue Ihnen nichts", versicherte Björn noch einmal, denn er sah deutliches Misstrauen in den Augen seines Gegenübers. Björn kam ein paar Schritte heran.
"Was ist noch? Was wollen Sie?"
"Nur ein paar Fragen!"
"Wer sind Sie?"
Björn kam noch näher heran und hielt ihm seinen Ausweis unter die Nase. "Privatdetektiv", fügte er noch als Erklärung hinzu.
Der Mann atmete auf. "Gott sei Dank. Ich dachte schon, Sie gehörten zu ihm."
Björn runzelte die Stirn. "Zu wem soll ich gehören?"
"Schließlich tragen Sie auch eine Waffe ..."
"Von wem, zum Teufel, haben Sie gerade gesprochen?"
Der Mann mit der Bierflasche in der Hand, deutete auf die Telefonzelle. "Sie haben doch gesehen, was hier passiert ist."
"Allerdings!"
"Ich spreche von dem Mann, der das getan hat!"
"Sie haben ihn gesehen?", fragte Björn.
"Ich habe alles beobachtet!"
"Raus mit der Sprache!"
Björn hatte selbst gemerkt, dass in seiner Stimme ein Quäntchen zu viel Ungeduld mitgeschwungen hatte. Und das hatte sein Gegenüber genauestens registriert.
Der Mann zögerte mit seiner Antwort, rieb sich mit der Linken die rote Nase und trank dann seine Bierdose leer. Die Büchse warf er auf den Bürgersteig und meinte: "Ich habe nichts zu trinken mehr, Herr ..."
Björn begriff, worauf er hinauswollte.
Er gab ihm einen Geldschein.
Und noch einen.
"So!", meinte der Privatdetektiv. "Jetzt will ich aber auch eine überzeugende Story hören! Sonst hole ich mir die Mäuse zurück!"
"Ich habe alles gesehen!"
"Das sagten Sie bereits!"
"Der Kerl ist seinem Opfer bis zur Telefonzelle gefolgt und hat geschossen."
"Haben Sie den Schuss gehört?"
"Nein. Man konnte nichts hören. Aber ich habe die Waffe gesehen und ich sah es in der Dunkelheit aufblitzen ..."
"Wie sah der Mann aus?"
"Er hatte eine Narbe quer über das Gesicht ..." Und dabei zog er mit dem Finger eine Linie von der Stirn über das Auge und die rechte Wange.
Björn runzelte die Stirn.
"Von wo aus haben Sie das alles beobachtet?"
"Von der anderen Straßenseite aus. Als es dann passiert war, bin ich schließlich hergekommen, um ..."