Flammende Liebe - Lisa Lamp - E-Book

Flammende Liebe E-Book

Lisa Lamp

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Beschreibung

»Sie ist ein verwöhntes Biest!« Das ist alles, was Adrian von der Schwester der Königin hält, doch als bester Freund des Königs und Mitglied der königlichen Leibwache ist es seine Aufgabe auf die Prinzessin aufzupassen, als eine Serie Mordanschläge ihr Leben bedroht. Es gibt nur ein Problem: Lilly ist von ihrem neuen Bodyguard ebenfalls nicht begeistert, immerhin verbindet die beiden ein Geheimnis, das niemals herauskommen darf. Kein Wunder also, dass ein Konflikt den nächsten jagt und sie nicht mehr aus dem Streiten herauskommen. Als Lilly dann auch noch zwangsverheiratet werden soll, um den Schutz der Monarchie zu gewährleisten, beginnt die Fassade zu bröckeln und Adrian muss sich entscheiden, was ihm wichtiger ist. Sein Pflichtgefühl, oder die Liebe. Sein Leben oder Lilly.

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Seitenzahl: 304

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Prolog Adrian
Kapitel 1: Lodernder Hass Lilly
Kapitel 2: Eisiges Verhältnis
Kapitel 3: Schmelzende Eiswürfel
Kapitel 4: Eis und Feuer
Kapitel 5: Feurige Liebschaft
Kapitel 6: Kalter Verrat
Kapitel 7: Flammende Angst
Kapitel 8: Frostiger Schmerz
Kapitel 9: Brennende Schuld
Kapitel 10: Eisiges Gefecht
Kapitel 11: Feuriger Kampf
Epilog 1 Jahr später

Eiskalte Liebe 2

Flammende Liebe

Ein Roman von
Lisa Lamp
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Eiskalte Liebe 2 – Flammende Liebe
Lisa Lamp
Erstausgabe
2022
© 2022 DerFuchs-Verlag D-74889 [email protected] DerFuchs-Verlag.de
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk, einschließlich aller Teile, ist urheberrechtlich geschützt.
Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, Verbreitung, Übersetzung und Verfilmung liegen beim Verlag. Eine Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ohne Genehmigung des Verlags ist strafbar.
ISBN 978-3-96713-024-9 (Taschenbuch)
ISBN 978-3-96713-025-6 (ePub)

Für meine Schlumpfine, meine Rauschkugel, die empathischste Bücherfreundin der Welt, unseren Sonnenschein und die beste Barkeeperin. Ohne euch hätte ich mich vieles nicht getraut und einiges niemals geschafft. Danke für alles. Aber am meisten für eure Freundschaft und die Zeiten, die wir hinter uns haben. Ich liebe euch.

Prolog Adrian

Sie ist ein verwöhntes Biest!« Mein Schrei hallte an den Wänden des Saals wider, während ich vor dem Thron kniete.

Der raue Untergrund drückte gegen meine Kniescheibe, die langsam zu schmerzen begann, doch ich ignorierte sie und konzentrierte mich auf König Nikolai. Er saß mit verschränkten Armen auf dem pompösen Stuhl und seufzte unentwegt. Sein aufgesetztes Lächeln passte nicht zu der Sorge, die man in seiner Miene ablesen konnte. Wo war die Unbeschwertheit von früher geblieben?

Ich verstand allerdings, wie wichtig ihm diese Sache war. Schließlich ging es um SIE. Aber ich durfte nicht klein beigeben. Nicht diesmal. Trotz unserer Freundschaft war seine Bitte inakzeptabel. Sie würde mein ruhiges Leben ruinieren. Merkte er das nicht? Ihm musste doch klar sein, dass ich niemand anderem zugeteilt werden wollte. Meine Aufgabe war es, auf ihn aufzupassen. Nicht auf die Prinzessin.

»Sie ist die Schwester meiner Frau, vergiss das nicht, Adrian«, ermahnte er mich und gab mir ein Handzeichen, damit ich mich erhob. Die Beine unter mir zitterten leicht. Ich musste dringend Schlaf nachholen. Langsam machten sich die langen Nächte bemerkbar. Für das Fernstudium lernen und gleichzeitig als Soldat für die Königsfamilie tätig sein, war wohl doch nicht die beste Idee gewesen. Ich fühlte mich müde und war die Diskussion allmählich leid. Konnte Nik nicht verstehen, dass es einfach nicht ging? Nicht, dass ich seine Wahl missbilligte. Leandra war eine großartige Königin. Besser, als es Nikolais Mutter je gewesen war. Ihre Schwester hatte jedoch nichts Königliches an sich. Sie wehrte sich gegen diese Art zu leben und tat alles, um ihren Ruf zu schaden. Die Konsequenzen kümmerten sie dabei nicht, weil ihr das immer noch lieber war, als zu allem ja und amen zu sagen. Sie wirkte vulgär und abgebrüht, interessierte sich nicht für den Frieden und schien die Hoffnung auf Glück aufgegeben zu haben. Und nun sollte ich sie die nächsten Monate begleiten, damit die Monarchie erhalten blieb?

»Das ändert nichts an der Tatsache, dass sie ein verzogenes Miststück ist!«

Ich ging ein Stück auf Nik zu und stellte mich breitbeinig vor ihn. Ich sah Rafael in der Ecke zucken, aber er bewegte sich nicht. Trotzdem spürte ich seinen Blick auf mir. Er war gut! Obwohl ich sein Freund war, sah er in mir dennoch eine Bedrohung. Objektiv entschied er, dass ich aggressiv und dem König zu nah war. Eine falsche Bewegung und er wäre sofort zur Stelle, um Nik aus der Gefahrenzone zu holen. Er hatte noch nicht lange die Stelle in der Garde inne, aber mit dieser Eigenschaft könnte er es sicherlich weit bringen. Ich nickte ihm unauffällig zu und trat einen Schritt zurück. Seine Muskeln entspannten sich kaum merklich und der wachsame Blick schweifte erneut durch den Saal, statt bei mir zu verharren.

»Doch!« Nik zog meine Aufmerksamkeit wieder auf sich.

Er stand vom Thron auf und schüttelte den Kopf. Seine Augen glühten rot und zeigten, dass deutlich mehr in ihm steckte als politisches Geschick, obwohl die Zeit der Kämpfe vorüber war.

»Sie kann sich benehmen, wie sie will. Sie ist alles, was zwischen uns und einem Krieg steht. Ihre Sicherheit hat oberste Priorität. Wir müssen sie beschützen! Nicht nur für Leandra, sondern für das Volk.« Seine Stimme hatte auf einmal einen liebevollen Unterton angenommen, während er den Namen seiner Frau erwähnte, aber auch Lilly lag ihm ganz offensichtlich am Herzen. Nicht nur einmal war es vorgekommen, dass er die Schwester seiner Gattin kotzend aus einem Club geholt hatte, bevor ihr jemand etwas hätte antun können. Sie gehörte zu seiner Familie. Die beiden und seine Tochter waren alles, was er noch hatte, seit seine Mutter vor wenigen Wochen gestorben war. Und trotz allem wurde Lilly langsam zu einem Problem für die Krone. Nik wusste das, auch wenn er versuchte, es schön zu reden. Sie hatten Lilly zerstört und mussten jetzt mit den Konsequenzen leben.

»Aber wieso ich?« Ich hörte mich verzweifelt an – bettelnd – das war mir bewusst, doch hatte ich eine andere Wahl? Bei den wenigen Begegnungen mit Lilly hatten wir uns nur angeschwiegen. Na ja, bis auf das eine Mal und an das wollte ich lieber nicht erinnert werden. Spätestens, wenn Nik das herausfand, war ich ein toter Mann. »Jeder andere wäre besser für diesen Job geeignet. Ich bin die denkbar schlechteste Wahl hierfür.«

Innerlich flehte ich, dass er mir zustimmen und lieber Rafael zu Lilly schicken würde, aber irgendwas in seinem Gesicht sagte mir, es würde nicht passieren. Nik hatte entschieden. Das hatte er schon, bevor er mich in den Thronsaal rufen ließ. Für ihn war es beschlossene Sache und wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ er sich nicht mehr davon abbringen. Das machte ihn zu einem guten Freund und zu einem noch besseren König. Diesmal wünschte ich allerdings, es wäre anders.

»Du bist der Beste, Adrian«, begann er und abermals verließ ein Seufzen seinen Mund. »Dein Vater hat alles getan, um meine Mutter zu beschützen, und du hast dasselbe bei mir gemacht, sobald du laufen konntest. Niemanden sonst würde ich darum bitten.«

Und da war es, das Argument, das meinen Entschluss bröckeln ließ. Ich war immer Niks erste Wahl gewesen. Bei allem. Sein erster Spielgefährte, sein Beschützer und mit den Jahren sein Bodyguard. Schon als Kleinkind wurde mir eingebläut, dass ich ihn unterstützen und im Notfall mein Leben für seines geben musste. Und ich wollte das. Es war eine ehrenvolle Aufgabe und dafür wurde ich geboren. Also wie sollte ich ihm sagen, dass ich das nicht tun konnte?

Richtig! Gar nicht.

»Ich hasse sie. Das ist dir klar, oder?«, flüsterte ich und unterdrückte die aufsteigenden Tränen. Ich würde nicht weinen. Diener der Krone heulten nicht wie Schoßhunde, nur weil ihnen etwas nicht in den Kram passte und sie verzweifelten. Egal, wie schlimm es war. Und es würde schlimm werden! Entsetzlich. Das wusste ich. Und ich war mir nicht sicher, ob mein Herz das aushalten würde.

Die Lüge kam mir viel zu einfach über die Lippen. Wie ein Gebet, das ich auswendig gelernt hatte. Auf gewisse Weise schämte ich mich dafür. Wann hatte ich angefangen, Nikolai nicht mehr alles zu sagen? Hatte ich den Moment verpasst, an dem wir von Freunden zu Fremden geworden waren?

»Du kennst sie gar nicht. Zumindest nicht richtig. Du weißt nur das über sie, was sie alle sehen lässt.«

Was sie alle sehen lässt. Ja, er hatte es treffend formuliert. Lilly war eine Perfektionistin darin geworden, ihren wahren Charakter zu verschleiern. Oder das, was davon noch nicht gestorben war. Aber wenn der König das wusste, wieso unternahm er nichts dagegen?

Nik legte eine Hand auf meine Schulter und lächelte mir ermutigend zu. Leider konnte ich seine Zuversicht nicht erwidern. Schuld fraß sich durch meine Eingeweide. Sie brannte durch meine Adern und erinnerte mich an das, was ich getan hatte. Ich kannte Lilly. Viel zu gut, obgleich er es nicht wusste.

Ich erinnerte mich genau an ihre strahlenden Augen, die mich an den Himmel kurz nach Sonnenaufgang denken ließen. In ihnen wechselten sich die Blautöne ab und vermischten sich mit sanftem Rot, das in Violett überging. Und ich wusste noch, dass sie nach Apfel roch, weil sie immer dasselbe Shampoo benutzte, das ihre weißen Strähnen glänzen ließ. Sie liebte Früchte. Auch das war etwas, das ich wohl niemals vergessen würde. Ihre Lippen, die vom Saft einer Weintraube benetzt gewesen waren, während sie mich angelächelt hatte.

»Lern sie kennen!«, wies Nik mich an und die Lachfalten um seinen Mund wurden tiefer. Er klopfte mir freundschaftlich gegen das Schulterblatt. »Ich habe das Gefühl, sie könnte dir guttun.«

Seine Stimme klang heiter, aber ich sah das verdächtige Glimmen in seinen Augen. Er war verzweifelt und hatte Angst. Der wievielte Angriff auf Lilly war es diesen Monat gewesen? Der Vierte oder doch schon der Fünfte? Ich hatte den Überblick verloren.

Seitdem im Volk die Neuigkeit kursierte, dass Leandra ihren Sitz als Königin abgeben musste, wenn sie keine rechtmäßige Thronfolgerin hatte, versuchte jeder, der gegen den Frieden war, Lilly umzubringen. Dann hätte Lea niemanden mehr, der alt genug war, ihre Position einzunehmen, sollte ihr etwas zustoßen. Aber wer würde das schon wollen?

Es war mir unverständlich. Ich konnte nicht glauben, dass es wirklich Feuerteufel oder Eisblumen gab, die sich die alten Tage des Krieges zurücksehnten. Es war grauenvoll gewesen! Das Leid und die Toten. Ich dachte, nach der Hochzeit zwischen der Königin der Eisblumen und dem König der Feuerteufel hätten wir das endlich hinter uns gelassen. Aber noch immer schrien wenige nach einer Schlacht und stifteten Chaos. Ich hatte angenommen, die Stimmen würden irgendwann einfach verstummen, wenn das Kind von Lea und Nik auf die Welt käme. Das war aber nicht der Fall gewesen. Lissa wurde nicht mit offenen Armen von der Gesellschaft empfangen. Sie war ein Mischwesen. Zur Hälfte je eine Eisblume und ein Feuerteufel. Etwas, das es davor noch nie gegeben hatte. Sie war fremd. Und unerwünscht.

Der Aufschrei war enorm gewesen und das Königspaar hatte alles versucht, das Volk zu besänftigen. Schlussendlich hatten sie eine Möglichkeit gefunden, die mein Blut vor Wut zum Brodeln gebracht hatte. Meiner Meinung nach konnte das nicht die Lösung sein. Aber es war das Einfachste und die Gesellschaft scherte sich nicht darum, wie es Lilly dabei ging.

»Bitte? Wie darf ich das verstehen?« Irritiert zog ich die Augenbrauen zusammen und ging einen Schritt zurück, um ihn besser mustern zu können.

Nikolai war alt geworden. Er hatte keine Falten und auch keine grauen Haare, aber der ewige Kampf um den Frieden und die Furcht, seiner Familie könnte etwas zustoßen, ließen ihn verbraucht aussehen. Müde. Er war es leid und ich konnte ihn verstehen.

Vor wenigen Wochen war er Vater geworden und statt es genießen zu können, musste er Verstärkung in den Palast holen, da ein Irrer es geschafft hatte, ein totes Tier auf das Bett der Prinzessin zu legen.

Nik zögerte.

»Du hast dich verändert. Ich weiß nicht genau wann, aber ich kann es deutlich sehen. Du warst nie der Typ, der viel gelacht hat, aber jetzt ...« Er brach ab und ließ die Schultern sinken. »Das Leben kann schön sein, Adrian. Versuch, es zu genießen.«

Ein freudloser Ton kam über meine Lippen. Ironisch, das ausgerechnet von ihm zu hören. Auch er war nicht mehr derselbe. Von dem Kindskopf, der jeden Tag eine andere Frau abgeschleppt hatte und Eisblumen als minderwertig bezeichnet hat, war nichts mehr zu sehen. Er war nun ein Mann und ein großartiger König. Und es war meine Aufgabe, für seine Sicherheit zu sorgen. Wie sollte ich mir nebenbei noch ein Leben aufbauen, wenn ich tagtäglich Gefahr lief, für ihn zu sterben und alles hinter mir zu lassen? Keiner Frau würde ich es zumuten wollen, nachts im Bett auf mich zu warten in der ständigen Angst, heute könnte es soweit sein, dass ich nicht mehr zurückkehrte.

»Das tue ich, aber ...«, begann ich, kam jedoch nicht weit.

Er schüttelte den Kopf und unterbrach mich lautstark. Seine Stimme echote im Thronsaal, doch er schien sich nicht darum zu kümmern.

»Nein! Das tust du nicht. Wann warst du das letzte Mal auf einer Party? Und ich meine nicht, dass du mit mir in einem Club warst, um auf mich aufzupassen, sondern privat.« Er stoppte, verschränkte die Arme vor der Brust und studierte eingehend meine Miene.

Was er wohl sah? Zeigte mein Zusammenzucken ihm, dass er mit seiner Annahme Recht hatte? Natürlich war ich auf keinen Partys mehr gewesen, außer es musste unbedingt sein. Ich wollte einfach nicht in irgendeiner Ecke stehen und so tun, als würde ich mich amüsieren. Das wäre bestimmt nicht der Fall. Ich hasste Feste. Am meisten die, für die es keinen Grund gab. Ich war keine Stimmungskanone und blieb lieber im Bett, wenn ich nicht meine Pflicht erfüllte. Glaubte Nik, er würde mir helfen, indem er mich zwang, etwas zu sein, das ich nicht war?

Doch mir blieb keine Zeit, um ihn zu fragen. Er sprach einfach weiter, während sich mein Innerstes zusammenzog.

»Du trinkst keinen Tropfen Alkohol, trägst immer dieselben schwarzen Klamotten und bemühst dich nicht einmal neue Freunde zu finden, geschweige denn mit denen etwas zu machen, die dir noch geblieben sind.«

Ein Stich zog sich durch mein Herz und ich vergrub die Zähne in meiner Zunge, bis es wehtat. Der Schmerz halfen mir, die Tränen zu unterdrücken und langsam zu nicken, obwohl alles in mir schrie, einfach zu gehen. Am liebsten hätte ich ihn stehen gelassen und wäre nicht mehr zurückgekommen. Aber ich zwang meine Beine zur Ruhe und bemühte mich, eine ausdruckslose Miene zur Schau zu stellen. Viel hätte ich von Nikolai erwartet, aber nicht das. Mir war klar, dass er Sorgen hatte und mich für Lilly brauchte, aber ich dachte nicht, er würde so weit gehen und mein Leben zum Anlass nehmen, mir seine Schwägerin aufs Auge zu drücken.

»Deine letzte Beziehung ist auch schon ewig her. Vielleicht findest du ja unter Lils Freundinnen jemand, der zu dir passt«, fügte er hinzu, als ich nicht antwortete, und versetzte mir damit den Todesstoß.

Jedes Wort entsprach der Wahrheit, aber mir wurde klar, dass Nik keine Ahnung hatte. Nicht mehr. Obwohl ich jeden Aspekt seines Lebens kannte, wusste er kaum etwas über mich. Er ahnte nicht, dass ich mit Melissa Schluss machen musste, weil ich mich unsterblich in eine andere Frau verliebt hatte. Und er dachte, ich würde mich nicht mehr mit meinen Freunden treffen. Dass sie alle im letzten Jahr in seinem Dienst gestorben waren, zog er nicht in Betracht. Die Krönung war jedoch, dass er mich an eine von Lils Freundinnen verschachern wollte, während ich zusehen musste, wie die Liebe meines Lebens jemand anderen heiratete.

»Bist du fertig?«, fragte ich leise.

Meine Stimme klang kalt, fast schneidend. Es schickte sich nicht, so mit dem König zu sprechen. Ich wusste das, doch ich konnte nicht anders. Meine Gefühle fuhren Achterbahn, seit er angefangen hatte, von Lilly zu sprechen, und nun führte er mir wieder einmal vor Augen, dass ich das Einzige, was ich je gewollt hatte, nicht haben konnte.

Lilly.

Niks Mundwinkel verzogen sich zu einer Fratze. Entschuldigend sah er mich an und fuhr sich durchs Haar.

»Adrian, ich ...«, murmelte er und brach ab, als wüsste er nicht, was er sagen sollte. Er leckte sich über die Lippen. »Ich will nur dein Bestes, Adrian. Das weißt du, oder?«, fragte er und rang sich ein Lächeln ab. »Lilly mag ein Partymäuschen sein, aber sie genießt das Leben in vollen Zügen. Vielleicht färbt sie ein bisschen auf dich ab.«

Er zwinkerte mir zu, aber ich sah ihn schlucken. Er ahnte, dass es für mich alles andere als in Ordnung war, die kleine Schwester der Königin zu hüten. Und seine Ansprache hatte meinen Willen nicht verstärkt. Aber gab es eine andere Wahl? Er war der König. Ich war für den Schutz der Krone zuständig. Und wenn Lilly sterben und Lea den Thron verlieren sollte, hätte das auch Auswirkungen auf sein Leben.

Trotzdem war es eine Erleichterung zu hören, dass er sich nicht nur in mir irrte. Auch bei Lilly schloss er die falschen Schlüsse. Sie war kein Partymäuschen. Sie ertränkte ihren Kummer nur in Alkohol, weil sie sonst nicht wusste, was sie tun sollte.

»Ist das dein letztes Wort?« Ich drückte den Rücken durch und hob den Kopf ein Stück.

Stärke zeigen. Das oberste Gebot der Leibgarde. Ich durfte mich nicht von meinen Gefühlen leiten lassen. Nicht einmal, wenn es um Lilly ging.

»Sicher«, murmelte er und atmete schwer aus. Der Blick seiner schwarzen Augen schien mich zu durchbohren. Er fand allerdings nicht, was er suchte und gab auf. »Du kannst gehen, wenn du willst.«

»Es geht nicht darum, was ich will«, antwortete ich und stellte mich an die Wand hinter den Thron.

Mein Dienst würde erst in zwei Stunden enden. Solange musste ich hierbleiben und meine Pflicht erfüllen, auch wenn ich mich nach nichts mehr sehnte, als zu verschwinden.

Kapitel 1: Lodernder Hass Lilly

Das kannst du nicht bestimmen!«

Ich schrie und schrie und schreie. Solange, bis ich kaum noch Luft bekam. Aber ich durfte nicht aufhören. Diesen Kampf wollte ich auf keinen Fall verlieren. Ich durfte es nicht. Wie konnte sie mir so etwas antun?

Alles hatte so gut angefangen. Der Clubbesuch mit Monique war bombastisch gewesen. Ein Glas und noch eins. Dann einen Shot hinterher. Und dann von vorne, bis ich das Gefühl hatte, jemand hätte Watte in mein Gehirn gestopft. Ich dachte nicht mehr nach und bewegte mich zum Klang der Musik, der wie durch Nebel zu mir ans Ohr drang. Ein Knall ertönte, Geschrei folgte und ich wurde zu Boden gerissen. Es ging wahnsinnig schnell. Erneut hatte jemand versucht, mein Leben zu beenden und kläglich versagt. Und nun durfte ich nicht einmal mehr allein das Haus verlassen.

»Doch, Lilly. Es tut mir leid, aber es geht nicht anders. Du hast dir zu viel geleistet.«

Lea setzte sich neben mich aufs Bett und wollte nach meiner Hand greifen, doch ich zog sie so schnell wie möglich weg. Ich wollte nicht, dass sie mich anfasste. Nicht, wenn sie so war wie jetzt. Königlich. Nicht wie eine – meine – Schwester.

Ich lachte, ohne es wirklich lustig zu finden. Die Situation hatte jegliche Freude verloren, genau wie mein Leben. Was half es, wenn alle versuchten, mich zu beschützen, ich es aber gar nicht wollte? Niemand kümmerte sich darum, was ich für richtig oder falsch hielt, oder ob das Leben für mich lebenswert war. Ich war nur noch die Schwester der Königin. Die Verwandte, die sie brauchte, um auf dem Thron zu bleiben, weil ihr Mischlingsbalg nicht als Back-up zählte.

»Ich habe mir zu viel geleistet? Das ist ein Scherz, oder?«

Lea strich sich eine Strähne hinters Ohr, die sich aus ihrem Dutt befreit hatte. Die Frisur ließ sie älter aussehen, als sie war. Strenger. Sie erinnerte mich an die Erzieher aus dem Heim, in dem wir gewohnt hatten, nachdem Tante Kata gestorben war. Das war gar nicht so lange her und trotzdem fühlte es sich an, als wären seither Jahrzehnte ins Land gezogen. In der Zwischenzeit war so viel passiert. Ich hatte nicht geglaubt, den Krieg zu überstehen, aber wir hatten überlebt. Doch wofür? Frei waren wir jedenfalls nicht.

»Mir ist klar, warum du das machst, doch so kann es nicht weitergehen.« Ihre Stimme nahm einen einfühlsamen Unterton an und sie streichelte mir über den Oberarm, den ich ihr in meiner jetzigen Position nicht entziehen konnte. »Du musst aufhören.«

Eindringlich sah sie mich an und lächelte sanft.

»Du weißt gar nichts!«, zischte ich zurück und sprang vom Bett auf. »Oder interessiert es dich plötzlich, wie es mir geht? Das glaube ich nicht! Wenn es nichts mit deinem Mann oder deinem Kind zu tun hat, hast du keine Ahnung.«

Die hatte sie wirklich nicht. Wie konnte sie sich einbilden, sie würde verstehen, was in mir vorging? Ich konnte mich nicht einmal mehr an das letzte Gespräch mit ihr erinnern, in dem es nicht um das Volk oder um Politik ging. Wir waren nur noch Herrscherinnen. Der Mensch hinter der Krone war anscheinend bedeutungslos.

»Du hast die Liebe deines Lebens geheiratet und mich verkaufst du für den Frieden an irgendjemanden«, schrie ich.

Tränen stiegen in mir auf und der Gedanke daran, Immanuel beim morgigen Abendessen zu sehen, ließ mich würgen. Es würde das erste Mal sein, seit ... damals. Und auch wenn alle sagten, die lange Zeit im Gefängnis hätte ihn verändert, glaubte ich ihnen nicht. Menschen änderten sich nicht. Psychopathen schon gar nicht. Und er gehörte definitiv zur letzten Sorte.

»Er ist nicht irgendjemand«, beharrte Lea und mich wunderte, dass ihr vom falschen Grinsen noch nicht die Kiefermuskulatur schmerzte.

Glaubte sie etwa selbst, was sie sagte? Hatte sie die schrecklichen Dinge vergessen, die Immanuel getan hatte? Nein! Ich konnte in ihren Augen sehen, dass sie an dieselben Ereignisse zurückdachte wie ich, wenn der Name von Nikolais Cousin fiel. An einen abgesperrten Kerker, in dem wir auf die Hinrichtung von Lea gewartet hatten. An Nik, der meiner Schwester seine Liebe gestanden und ihr Leben gerettet hatte. Und an das Blut, das plötzlich über Nikolais Körper gelaufen war, nachdem Immanuel ihn niedergestochen hatte.

An diesem Tag hätte sie ihren Liebsten beinahe an dieses Monster verloren. Und nun sollte ich dessen Frau werden?

»Stimmt! Er ist der Typ, der versucht hat, deinen Mann zu killen«, erwiderte ich und grinste zurück.

Lea schluckte. Sie sah sich um, suchte nach Unterstützung, aber wir waren allein. Hier würde niemand für sie Partei ergreifen und sie unterstützen. Diesmal musste sich meine Schwester den Vorwürfen allein stellen.

»Der Frieden ist so zerbrechlich wie nie, Lilly. Das ist die einzige Möglichkeit, alle sehen zu lassen, dass das Leben weitergeht und wir frühere Taten verzeihen.«

Sie hörte sich überzeugt an, aber ich wusste es besser. Ich kannte meine Schwester und sie war eine der intelligentesten Menschen, die mir je begegnet waren. Sie wusste, dass es nicht so einfach sein würde. Auch wenn einige die Rückkehr von Immanuel versöhnlich stimmen würde, hieß es nicht, dass die Mordanschläge der Vergangenheit angehörten. Gegenteiliges war vermutlich der Fall. Dann mussten wir auch noch vor den Menschen im Palast Angst haben. Wer konnte schon mit Gewissheit sagen, dass Immanuel nicht noch einmal versuchen würde seinen Cousin zu töten, um die Herrschaft an sich zu reißen?

»Rede dir bloß ein, dass der Zweck die Mittel heiligt, aber lass mich die letzten Wochen in Freiheit gefälligst so verbringen, wie ich es für richtig halte.« Ich wandte Lea den Rücken zu, um sie nicht mehr ansehen zu müssen. Bedauerlicherweise konnte ich sie durch den Spiegel meines Schminktischs noch erkennen.

Sie erhob sich von der Matratze, fischte eine Unterhose unter der Decke hervor und warf sie in meine Richtung. Der Stoff flog gegen die Wand und blieb auf dem Boden liegen. Er war grün und verwaschen. Keiner meiner Schlüpfer sah so aus. Gut so!

»Ach wie denn? Halbnackt und saufend in irgendwelchen Nachtclubs? Jeden Tag landet ein anderer in deinem Bett. Weißt du eigentlich wie die Leute hinter deinem Rücken reden?«

Ja, natürlich wusste ich das. Dem Tratsch am Hof konnte sich niemand entziehen. Kinderhure. Schlampenblume. Eisige Matratze. Ich hatte in den letzten Monaten viele Namen angehäuft, aber niemand wusste, wovon er sprach, wenn er mich so nannte. Viele brüsteten sich mit meiner Besteigung, aber geschafft hatte es bis jetzt nur einer, das Eine von mir zu bekommen. Der Rest durfte sich mein Gemach von innen ansehen und genauso schnell wieder verschwinden. Der Letzte hatte es sogar gewagt, sich zu entkleiden. Es war ein lustiger Anblick gewesen, ihn nackt vor die Tür zu setzen. Das würde er jedoch nicht zugeben, genauso wie alle anderen und ich stritt die Liebhaber nicht ab. Mein Ruf ermöglichte es mir, die Wahrheit zu verbiegen und ihn damit zu beschützen. Vor dem Gesetz, dem Volk und meiner eigenen Schwester.

»Darum geht es hier also. Du schämst dich für mich und deshalb soll ich aufhören, Probleme zu machen. Schade ich deinem Ruf? Das tut mir aber leid.«

Gespielt bedauernd strich ich mit dem Handrücken meine Wange entlang, als würde ich mir eine Träne vom Gesicht wischen. Währenddessen zierte ein eisiges Lächeln meine Mundwinkel. Ich war gemein, das wusste ich, doch sie war nicht besser. Ich versuchte nur, mich gegen ihre Vorwürfe zu verteidigen und mich nicht entmutigen zu lassen, mein Leben trotz des strengen Korsetts der königlichen Traditionen nach meinen ungefähren Vorstellungen zu leben, während sie unermüdlich an unserem Image arbeitete. Dabei wusste ich genau wie sie, was auf dem Spiel stand. Ich war dabei gewesen, als sie Königin geworden war. Hatte sie das vergessen? Und ich hatte schon genug geopfert. Irgendwann musste es doch ein Ende haben, richtig?

Leandra legte mir eine Hand auf die Schulter.

»Lilly, bitte, versteh mich doch! Ich will nur das Beste für uns alle.«

Ihre Fingernägel waren perfekt gefeilt und anschließend lackiert worden. Kleine Glitzersteinchen verschönerten das Gesamtbild zusätzlich. Noch etwas, das sich verändert hatte. Früher wusste Lea nicht einmal, wie man Maniküre schrieb. Von ihren eingerissenen, fast blutigen Nagelbetten war mittlerweile nichts mehr übrig.

Missmutig sah ich auf meine eigenen Hände hinab. An meinen blassen Fingern fehlten die Farbtupfer von damals. Stattdessen trug ich Netzhandschuhe, um von den abgekauten Nägeln abzulenken. Wann hatte ich das letzte Mal einen Pinsel in der Hand gehabt? Oder auch nur einen Bleistift?

Wut explodierte in meinem Inneren. Ich wollte nicht auf diese Weise leben. So hatte ich es mir nicht vorgestellt, als ich die Prinzessin der Eisblumen wurde. Ich hatte nicht geahnt, dass ich mit meiner Menschlichkeit auch mein Leben aufgeben musste. Dann hätte ich lieber auf meine Fähigkeit, Wasser zu manipulieren, verzichtet. Das Malen fehlte mir, doch wann immer ich eine Leinwand anstarrte, war da nur ein Motiv, das mir in den Sinn kam: Adrian. Und das durfte ich nicht zeichnen. Es würde zu viele Fragen aufwerfen, wenn jemand hunderte Gemälde von ihm in meinem Zimmer fand.

»Nein, Eure Königliche Hoheit«, begann ich, schüttelte ihre Hand ab und drehte mich zu ihr um. »Sie wollen nur das Beste für sich selbst und wenn das bedeutet, die eigene kleine Schwester an einen Perversen zu verheiraten, ist das eben so.«

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und registrierte genüsslich, dass Lea unter meiner formalen Anrede zusammengezuckt war. Meine Stimme ähnelte einem Zischen, aber ich hielt es nicht mehr aus. Ihre Nähe drohte mich zu erdrücken. Es war, als würde ihr Gesicht für alles stehen, was in den letzten Jahren bei mir schiefgelaufen war. Und ich wollte nicht daran denken. Am liebsten hätte ich mich in meinem Bett verkrochen, bis die Sonne unterging und ich den Alkohol nutzen konnte, um mich zu betäuben.

Es klopfte an der Tür. Einmal, zweimal, doch ich ignorierte es.

»Du widerst mich an«, schrie ich und griff nach hinten auf den Schminktisch, um das erstbeste in Richtung Leandra zu werfen, das ich erwischen konnte: Meine Bürste.

Sie flog durch die Luft und landete mit einem Knall an der Wand. Ich verfehle Leandra nur knapp und es reichte, um ihr einen Schrecken einzujagen. Die Augen meiner Schwester weiteten sich und sie sah panisch zu mir, als hätte sie Angst, ich würde noch etwas in ihre Richtung schleudern. Das wollte ich allerdings nicht. Wenn ich sie verletzte, würde es nur unnötig Ärger geben. Das konnte ich mir ersparen.

Mit ausgestrecktem Finger deutete ich auf die Tür, die sich in diesem Moment öffnete, obwohl niemand den Eindringling hineingebeten hatte. Eines musste man demjenigen jedoch lassen: Er hatte Mumm. Der Letzte, der unerwünscht mein Zimmer betreten hatte, war den restlichen Tag als menschliche Frostbeule herumgelaufen.

»Raus hier! Ich will dich nicht sehen. Nie wieder am besten«, fuhr ich leiser fort und wandte mich danach dem Neuankömmling zu.

Mir stockte der Atem und ich hielt in der Bewegung inne. Meine Wut löste sich spontan in Rauch auf. Nein! Das konnte nicht sein. Was wollte ER hier? Er sollte am anderen Ende des Gebäudes auf Nik aufpassen! Oder nicht? Mein Herz zog sich zusammen und jagte schmerzende Impulse durch meinen Körper. Am liebsten wäre ich weggerannt, wusste aber nicht wohin. Und wie sollte ich das Leandra erklären?

»Eure Majestät«, sagte er und verneigte sich zuerst vor meiner Schwester, dann vor mir. »Stimmt etwas nicht?«

Er sah misstrauisch auf die Haarbürste, bevor sein Blick über den Körper Leas glitt, als würde er sie auf Verletzungen untersuchen. Seine schwarzen Haare hatte er im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, aus dem sich durch die ruckartigen Bewegungen eine Strähne gelöst hatte.

»Komm rein, Adrian! Wir sind hier sowieso fertig.«

Leandra seufzte und setzte eine professionelle Miene auf. Ihre geröteten Wangen wurden blasser, bis sie nur noch einen rosigen Schimmer hatten, und ihre Augen leuchteten im Schein des Kronleuchters. Sie sah hübsch aus. Wunderschön. Perfekt. Nichts ließ mehr darauf schließen, dass wir gerade gestritten hatten. Sie verschloss ihre Gefühlswelt und zeigte nur das, was alle von ihr sehen durften: Die Königin der Eisblumen.

Und ich? Ich stand mit unfrisierten Haaren in Unterwäsche da und musste aufpassen, nicht auch noch zu sabbern. Wie lange hatte ich Adrian nicht mehr gesehen? Er wirkte verändert. Seine Haare waren länger, eine Spur dunkler und er trug einen Dreitagebart, der einen starken Kontrast zu seinen rot glühenden Augen bildete. Außerdem war er breiter geworden. Im Krieg war er schon ein Schrank gewesen, aber jetzt hatte er anscheinend noch an Muskelmasse zugelegt, sodass Leandra neben ihm geradezu kindlich aussah. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie ich erst neben ihm wirken würde. Ein Stich zog sich durch meine Eingeweide. Ich passte nicht zu ihm.

»Was willst du hier?«, fragte ich flüsternd und hoffte ein wenig, dass er sich nur im Zimmer geirrt hätte.

Das konnte aber nicht sein. Adrian kannte dieses Schloss besser als jeder andere. Als Sicherheitschef musste er das. Ja, er war der Sicherheitschef, dabei war er noch keine Dreißig. Erst vor wenigen Wochen hatte Nik ihn befördert, nachdem der letzte bei einem Überfall auf mich gestorben war. Trotzdem machte sich Adrian gut in diesem Job. Er war kompetent und jeder vertraute ihm. Niemand würde erwarten, dass gerade er das oberste Gesetz gebrochen hatte.

»Ich ...«, setzte er zu einer Erklärung an und unsere Blicke trafen sich.

Er brach ab und schluckte. Der Zug um sein Kinn verhärtete sich, doch er schaffte es nicht, wegzusehen, obwohl er es hätte tun sollen. Ich kannte diesen Blick. Es musste der gleiche sein, der auch mein Gesicht zierte. Sehnsucht. Bedauern. Schmerz.

Leandra räusperte sich. Sie kräuselte die Lippen.

»Deshalb wollte ich eigentlich mit dir sprechen«, verkündete sie emotionslos und nickte Adrian dankbar zu. »Nach dem letzten Anschlag auf dein Leben haben Nik und ich entschieden, dass dich Adrian bis zur Hochzeit begleiten und für deinen Schutz sorgen wird, Lilly.«

Als wäre damit alles gesagt, ging sie an Adrian vorbei und verließ das Zimmer. Ich blinzelte, bis ich den Blick von Adrian abwenden konnte. Es dauerte einen weiteren Moment, bis ich ihre Worte begriff. Was? Adrian sollte meinen Personenschutz übernehmen? Das konnte sie nicht ernst meinen!

Ich kämpfte gegen meine innere Starre an, bis mir meine Beine wieder gehorchten und rannte meiner Schwester nach. Adrian ließ ich einfach stehen. Vielleicht würde er von allein verschwinden, wenn ich tat, als wäre er gar nicht da.

»Ist das ein Witz?«, schrie ich und ignorierte die Hitze, die mich befiel, sobald ich mein Zimmer verließ.

Die Sonne schien durch die Fenster und brannte sich in meine ungeschützte Haut. Nur die Klimaanlage, die rund um die Uhr auf der höchsten Stufe lief, machte es erträglich.

»Leandra! Warte!«

Am Treppenabsatz blieb Leandra stehen und drehte sich zu mir um. Sie hatte das Kinn kämpferisch erhoben. Purer Trotz war in ihrer Miene abzulesen. Sie war verletzt, aber das erwartete Mitleid blieb aus. Ich fühlte gar nichts außer Angst. Er sollte nicht bei mir bleiben. Selbst das andere Ende des Schlosses war mir nicht weit genug entfernt. Konnte sie ihn nicht an die Grenze des Landes schicken?

»Was ist noch, Lilly? Ich glaube, es wurde alles gesagt.«

Leandra hob eine Augenbraue und sah mich abwartend an. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Ob wegen mir oder der Wärme, wusste ich nicht. Es war auch völlig egal.

»Nein! Ich will ihn nicht bei mir haben. Schick jemand anderen!«, verlangte ich und hatte keine Kontrolle über den jammernden Unterton in meiner Stimme.

Sie musste auf mich hören, wenigstens das eine Mal. Verstand sie das nicht? Sah sie nicht, wie schlecht es mir mit ihren Entscheidungen ging? Die bevorstehende Hochzeit mit Immanuel hatte mein eisernes Herz gebrochen, aber meine Zeit mit Adrian verbringen zu müssen, würde es in tausend Teilchen zerbersten lassen, sodass es nie wieder heilen konnte. Doch Leandra schien es egal zu sein, oder sie bemerkte es einfach nicht.

»Ich habe keine Ahnung, woher eure Abneigung gegeneinander stammt, doch die Sache ist beschlossen. Er wird auf dich aufpassen und Ende«, antwortete sie und verlagerte das Gewicht von einem Bein auf das andere. »Ich erkenne dich nicht wieder, Lilly. Ich vermisse meine Schwester. Aber ich habe immer mehr das Gefühl, von ihr ist nichts mehr übrig.«

Ihre Stimme wurde traurig. Das aufgesetzte Lächeln verblasste und machte dem Kummer Platz. Ihr Kinn zitterte verräterisch. Sie hielt die Tränen zurück, die ebenfalls in meinen Augen schwammen. Sie vermisste mich? Hatte sie in letzter Zeit in den Spiegel gesehen? Nichts war mehr wie zuvor und statt mich bei sich zu behalten, mich miteinzubeziehen und an unserer Beziehung zu arbeiten, stieß sie mich von sich und beauftragte Fremde, mir die Etikette beizubringen, damit sie mich ans Volk verkaufen konnte.

»Da könntest du Recht haben. Sie ist bei einem der vielen Mordanschläge gestorben.«

Ich schniefte und erntete von ihr einen tadelnden Blick. Das schickte sich nicht, aber es war mir egal. Jeder hatte Gefühle und ich war es leid, sie nicht zeigen zu dürfen, weil unsere Mutter eine Königin war. Verflucht, ich hatte diese Frau nie kennengelernt! Und Vater auch nicht. Warum sollte es mich kümmern, was sie für uns gewollt hätten? In Zeiten wie diesen vermisste ich Tante Kata. Sie hatte sich immer um uns gekümmert, als wären wir völlig normal. Weit weg von Eisblumen und Feuerteufeln.

Katalina war jedoch gestorben, um Lea zu beschützen. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie hätte Leandra einfach sterben lassen. Wie mein Leben dann wohl verlaufen wäre?

Ich wimmerte und leckte mir über die Lippen, während ich mir die nächsten Worte zurechtlegte. Sie würden Lea treffen. Hoffentlich wäre sie nur halb so verletzt, wie ich es war. Ich wollte Immanuel nicht heiraten, nicht in Adrians Nähe sein, in dem Wissen, dass ich nie haben könnte, was ich mir wünschte. Und ich wollte keine Prinzessin sein. Nicht mehr. Jedes kleine Mädchen träumte davon, sogar ich früher. Aber jetzt würde ich mit jeder anderen Frau tauschen.

»Wenigstens haben wir eins gemeinsam«, wisperte ich in die Stille und atmete ein letztes Mal durch. »Wir beide haben keine Schwester mehr«, schoss ich hinterher und konnte die Träne nicht mehr zurückhalten, die meine Wange hinab lief.

Leandra zog scharf die Luft ein.

»Wir sehen uns beim Abendessen«, verabschiedete sich meine Schwester und wandte sich um. Dennoch sah ich das Beben ihrer Unterlippe. »Komm nicht zu spät!«, befahl sie, aber die Hälfte des Satzes ging in einem Schluchzen unter.

Sie eilte die Treppen hinab und stolperte auf einer Stufe, konnte sich jedoch gerade noch so abfangen, um nicht hinzufallen. Danach rannte sie weiter, als wäre nichts gewesen. Leandra wollte weg von hier. Von mir. Und ich konnte es ihr nicht verdenken.

Zur ersten Träne gesellten sich schnell mehr, bis Sturzbäche mein Gesicht entlangliefen, die zu Eis erstarrten, bevor sie das Kinn erreichen konnten. Ich wischte die frostige Schicht mit meinem Handrücken fort und starrte noch eine Weile an die Stelle, an der Leandra gestanden hatte.

»Little Princess? Sie sollten nicht so lange hier draußen bleiben. Die Hitze schädigt ihrer Haut«, murmelte Adrian leise hinter mir, als hätte er Angst mich zu verschrecken.

Schritte waren zu hören, bevor er in mein Blickfeld kam und sich so vor das Fenster stellte, dass er mich vor den Sonnenstrahlen abschirmte. Im Leuchten der Sonne wirkte er noch umwerfender als im Schein der Zimmerlampen. Er trug einen schwarzen Mantel, den er an den Ärmeln nach oben gekrempelt hatte, dazu eine gleichfarbige Hose, die eng am Körper anlag. Das Shirt hatte er sich gespart, sodass ich die Tätowierungen auf seiner Haut bewundern konnte. Dunkle Verzierungen, die sich über seine Brust bis zur Schulter zogen und den Rücken entlang, soweit ich wusste. Er war stark und stolz. Trotzdem wirkte er in diesem Augenblick genauso verloren, wie ich mich fühlte. Er wollte auch nicht bei mir sein.