Herzstücke in Oberbayern - Christine Metzger - E-Book

Herzstücke in Oberbayern E-Book

Christine Metzger

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Beschreibung

Lederhosen, Blasmusik und Weißwurscht: Oberbayerische Klischees sind über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Wer aber denkt, dass Oberbayern nicht mehr zu bieten hat, wird bei diesem Buch staunen. Abseits bekannter Wege warten kleine und große Highlights und Geheimnisse, die Touristen und Einheimischen einen neuen Blick auf die Region ermöglichen. Fangen Sie Meisterdiebe, essen Sie sich durch eine Wiese oder machen Sie eine Kameltour.

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CHRISTINE METZGER, FRANZ MARC FREI

HERZSTÜCKE

IN OBERBAYERN

BESONDERES ABSEITS DERBEKANNTEN WEGE ENTDECKEN

LIEBE LESERIN,LIEBER LESER,

Sie wollen Oberbayern erkunden und fragen sich, ob es in dieser Region überhaupt noch weiße Flecken gibt. Bier, Berge, barocke Bauten – so kennen Sie Oberbayern, so wird es in unzähligen Reiseführern beschrieben. Und da soll es noch »Besonderes abseits der bekannten Wege« zu finden geben?

Ja, gibt es. Denn Oberbayern bietet so viele Superlative, dass manches, was in kulturell und landschaftlich weniger reichen Gegenden mit drei Sternen im Reiseführer ausgezeichnet würde, hier nicht mal einen erhält.

Diese verborgenen Schätze zu finden, war mir ein Vergnügen. Und ich lade Sie ein, mit mir auf die Reise zu gehen. Glauben Sie mir: Es gibt noch Land zu entdecken. Auch im 21. Jahrhundert.

Dabei wünsche ich Ihnen viel Spaß.

Inhalt

IMMER: EINE SÜNDE WERT! MEINE LIEBLINGSLÄDEN ZUM ESSEN, TRINKEN UND EINKAUFEN

1 Vom Forsthaus zum Wirtshaus

2 Rückschüttmühlenromantik

3 Planegg: Schlemmeregg

4 Ismaning: Obatzt is!

5 Kraut für den Bischof

6 Dießen: Töpfer mit Tradition

7 Herrsching: Top Secret

8 Berg: Bücher statt Brote

9 Kochel: Birnen mit Schlagrahm

10 Brauneck, Stie-Alm: Alles Käse

11 Nur wer gegessen wird, überlebt

12 Gotzing: Kleinbonum in Bayern

13 Lufttürme statt Almhütten

14 Rosenheim: vom Korn zur Bohne

15 Aschau: Werkzeug und Kunstobjekt

16 Schönau am Königssee: Brand vom Berg

17 »Die kleidsame Volkstracht«

18 Mariabrunn: heilendes Wasser, süffiges Bier

DA WILL: ICH HIN TRADITION, ÜBERRASCHENDES, MODERNES LEBEN

19 München: Oberbayern ist eine Schäferin

20 Neuried: eintreten oder austreten?

21 Neuhausen: kein Killer, kein Opfer

22 Wie der Masskrug seinen Deckel verlor

23 Kirchseeon: das Fürchten lernen

24 Ein großer kleiner Finger

25 Schöngeising: Licht in allen Straßen

26 Unterbrunn: Wo die Meisterdiebe wohnen

27 Zugspitze: cool und kalt

28 Schachen: oben, »weit, in der Türkei«

29 Die Storchenwürde ist unantastbar

30 Lenggries: Steine gab’s und wenig Brot

31 Gmund: Papier für die Welt

32 Hausham: Kunst und Kohle

33 Bad Aibling: Historismus und Jugendstil

34 Schloss Amerang: offen für alle

35 Wasserburg: Sommerfrische fürs Bier

36 Freilassing: Karussell für Lokomotiven

37 Mühldorf: Skurriles für Jäger und Gejagte

38 Wolnzach: Bier und Schokolade

39 Hochfelln: in memoriam Loriot

40 Hinterkaifeck: blutige Provinz

41 Eine urbayerische Maschine

42 Möckenlohe: der Bauer als Historiker

43 Altmühltal: Lammabtrieb

MAL WIEDER: ZEIT FÜR KULTUR!

44 Ebersberg: die Botschaft der Bäume

45 Dachau: kein Haus, ein Ort

46 Altomünster: das Erbe des Alto

47 Jesenwang: Sterne, Blüten, Hufgetrappel

48 Vilgertshofen: ohne Worte

49 Pestenacker: ab in die Steinzeit

50 Utting: Jugendstil-Juwel

51 Andechs: Carl, Carmina und der Klerus

52 Die Wasserspiele der Wittelsbacher

53 Landsberg am Lech: der Herkomerturm

54 Polling: vergessene Künstlerkolonie

55 Murnau: der Millionenkeller

56 Oberammergau: Welten hinter Glas

57 Partenkirchen: Raetia und Rasso

58 Penzberg: die Vorzeigegemeinde

59 Bad Tölz: Giebe-Gabi und wie er die Welt sah

60 Auf den Spuren von Quirin Roth

61 Altenstadt: strumpfsockert

62 Obersalzberg: delikates Erbe

63 Das Werk lobt den Meister

64 Garching an der Alz: Blick in die Wohnküche

65 Altötting: Reise nach Jerusalem

66 Die Kleine Wies

67 Platzproblem grandios gelöst

68 Alles für unsere Wittelsbacher

69 Der Sohn des Stadtmaurers

70 Manching: Gottes Zeltmacher

71 Die Nestbeschmutzerin

72 Große und kleine Kostbarkeiten

73 Großes Theater mit kleinen Mitteln

74 Eichstätt: Kriegserinnerungen

75 Urschalling: die heilige Geistin

76 Von jungen Künstlern und alten Pferden

HEUTE: WILL ICH RAUS!

77 Unterweikertshofen: Hecken und Bäume

78 Pullach: freie Fahrt für Flöße

79 Schäftlarn: in Gottes Garten

80 Glonn: erfrischend nostalgisch

81 Baumwollbällchen und Purpurteppich

82 Hohenpeißenberg: alle Wetter

83 Die Welt unter einem Dach

84 Magie der Bäume

85 Auf den Spuren der Rindviecher

86 Urfeld: ihr Haus, sein See

87 Grub: »gutes Wasser« für München

88 Sie säen nicht und sie ernten doch

89 Technik und Natur im Einklang

90 Großfamilientauglich

91 Höhenflug am Schloss

92 Haßlberg: Kalkstein spielt Marmor

93 »Hackl nehma und in Holzschlag geh’n«

94 Von Staffelei zu Staffelei

95 Im Palast der Schneekönigin

96 Oberschroffen: vom Eise befreit

97 Mühldorf: Fährmann, hol’ über!

98 Haager Land: wo Weiher Kessel sind

99 Freising: von Bären und Rosen

100 Jetzendorf: In allen Wipfeln ist Unruh’

IMMER

EINE SÜNDE WERT!

MEINE LIEBLINGSLÄDEN ZUM ESSEN, TRINKEN UND EINKAUFEN

1 Vom Forsthaus zum Wirtshaus

2 Rückschüttmühlenromantik

3 Planegg: Schlemmeregg

4 Ismaning: Obatzt is!

5 Kraut für den Bischof

6 Dießen: Töpfer mit Tradition

7 Herrsching: Top Secret

8 Berg: Bücher statt Brote

9 Kochel: Birnen mit Schlagrahm

10 Brauneck, Stie-Alm: Alles Käse

11 Nur wer gegessen wird, überlebt

12 Gotzing: Kleinbonum in Bayern

13 Lufttürme statt Almhütten

14 Rosenheim: vom Korn zur Bohne

15 Aschau: Werkzeug und Kunstobjekt

16 Schönau am Königssee: Brand vom Berg

17 »Die kleidsame Volkstracht«

18 Mariabrunn: heilendes Wasser, süffiges Bier

01

VOM FORSTHAUS ZUM WIRTSHAUS

Von vielen unbemerkt ist die Welt im Dezember 2013 wieder ein Stückchen härter und herzloser geworden: Am 27. des Monats strahlte das ZDF die letzte Folge von Forsthaus Falkenau aus. Nach 25 Jahren und 321 Episoden kam das Aus. Die jungen Leute, so hieß es, sähen lieber Krimis.

Das ist es dann wohl, das Ende des romantischen Bilds vom Förster, das schon in den 50er-Jahren etabliert wurde. Der Förster vom Silberwald zählt zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Filmen und lockte rund 28 Millionen Besucher ins Kino. Zugegeben, der Berufsstand bietet nicht mehr viel Romantik. Das Ökosystem Wald wird heute von Fachleuten gemanagt, die als Forstingenieure oder Forstwissenschaftler ein Studium mit breiter Fächerkombination absolviert haben. Das Bild vom edlen Naturburschen im grünen Loden, der mit seinem Hund durch den Wald streift, Wilderern und Holzdieben Paroli bietet und mit Bäumen und Tieren spricht, passt nicht mehr. Der Förster von heute verbringt 80 Prozent seiner Zeit am Schreibtisch, und seine Dienstwohnung ist längst nicht mehr das Forsthaus.

Dass sich diese Häuser anders nutzen ließen, erkannte man früh – Waldspaziergänge machen bekanntlich durstig. So erhielt das um 1880 erbaute Forsthaus Hubertus im Ebersberger Forst bereits 1955 die »Belieferungszusage« einer Brauerei. Die heutigen Wirtsleute haben es mit viel Deko geschmückt, die bestimmt kein Förster in Wohnung oder Garten hatte, aber drinnen wie im Biergarten sitzen Sie gemütlich, die Küche bietet regionale und Bio-Produkte, Service und Preis stimmen. Das mitten im Wald gelegene Wirtshaus ist ein ideales Ausflugsziel für Familien: Sie können die Kinder getrost aus den Augen lassen, hier toben sie ungefährdet. Entsprechend familienorientiert ist auch das Veranstaltungsprogramm. Im Sommer findet das Waldfest statt und in der Adventszeit kommt der Nikolaus mit Rauschebart und Engelein in seiner Kutsche angefahren. Wenn Petrus dann noch mitspielt und den »Silberwald« liefert, können Sie über mangelnde Romantik nicht klagen.

Forsthaus St. Hubertus · Mitte März–Mitte Jan. Do–Sa ab 17.30, So 11–18 Uhr St. Hubertus 1 · 85560 Ebersberg · Tel. 08092/857 99 96 · www.forsthaushubertus.de

02

RÜCKSCHÜTTMÜHLENROMANTIK

Die Kinder, sagt man gerne, wenn Gespräche mal wieder in Richtung Kulturpessimismus driften, wüssten nicht mehr, wie unsere Lebensmittel entstehen. Aber wissen’s die Eltern? Haben die eine Ahnung, was eine Rückschüttmühle ist? Dann wird’s höchste Zeit für einen Familienausflug nach Forstinning. Die Wolfmühle gehört zu den wenigen noch aktiven Getreidemühlen, und die Besitzer, die das Unternehmen schon in der vierten Generation betreiben, haben sie zu einem Ziel für naturferne Städter gemacht. Auf der Terrasse am Bach sitzt man wunderschön, es finden Mühlenführungen statt, einmal im Jahr wird das Mühlenfest gefeiert. Und was auf den Tisch kommt oder im Laden verkauft wird, ist alles bio.

Wolfmühle 1 · 85661 Forstinning · Gartencafé März–Okt. So 12–18 Uhr, Laden Di–Fr 9–18, Sa 8–13 Uhr · jeden Pfingstmontag Mühlenfest · www.wolfmuehle.de

03

PLANEGG: SCHLEMMEREGG

Wenn die Einheimischen behaupten, sie hätten die beste Eisdiele und die Schnitzel beim »Kottmeier« seien einfach sensationell, ebenso exquisit wie die Kreationen des lokalen Konditors, müssen Sie ihnen nicht glauben. Lokalpatriotismus treibt oft bunte Blüten.

Entdecken Sie aber Autokennzeichen, die beweisen, dass Genießer auch aus anderen Landkreisen zum Pe.Es. Kottmeier pilgern, oder sehen die Schlangen, die sich vor dem Café Richter oder dem Purogelato stauen, weicht die Skepsis. Wirklich beurteilen, ob die Planegger angeben oder nicht, kann jeder nur selbst. Auf einer Skala von 1 bis 10, wie schneidet Planegg kulinarisch ab? Lokalpatriotismus oder Schlemmeregg?

Pe.Es. Kottmeier · Bräuhausstr. 18 · Garten an der Würm · pe-es.de · Café Richter · Bahnhofstr. 47 Kuchen, Torten · cafe-richter.de · Purogelato · Poststr. 4 · hausgemachtes Eis

04

ISMANING: OBATZT IS!

Wo bleibt Brüssel? Wie kann es angehen, dass ein wildes Volk im Süden Deutschlands macht, was es will, und niemand herbeieilt, um eine regionale Käsespezialität ins Raster der EU-Normen zu pressen? Agieren in Brüssel bayerische Obatzder-Lobbyisten, fließen Bestechungsgelder zum Erhalt der Vielfalt?

Die einen schwören auf Kümmel, was andere zurückweisen – sie würzen nur mit mildem Paprikapulver. Camembert oder Brie? Vermengt mit einem Stich Butter oder Frischkäse? Auch bei den Zwiebeln scheiden sich die Geister: gar nicht, fein gewürfelt beigemischt oder als Ringe drapiert. Gleich wie er zubereitet wird, ob er mild schmeckt oder kräftig – die Wirte dürfen ihr Produkt Obatzder nennen und miteinander in Wettstreit treten, wer den besten kreiert. Dabei schneidet der Gasthof zur Mühle in Ismaning besonders gut ab. Ein Bier, eine Brezn zum Obatzdn, Kastanien und das Rauschen des Bachs, der früher die Jungmüllersche Mühle antrieb – der Gasthof mit dem schönen Biergarten ist seit vier Generationen im Besitz der Familie Seidl.

In dem hübschen Schloss-park von Ismaning blieb ein Pavillon erhalten, der als Galerie dient. Dort finden wechselnde interessante Ausstellungen statt.

»Wo Wasser ist, dreht sich immer was«, war das Motto von Johann, der das Anwesen erwarb. Sohn Anton erbaute 1894 die Gastwirtschaft, die – denkmalgeschützt – noch heute erhalten ist. Was seine Nachfahren mit Wasser machen würden, ahnte Johann nicht: Das Hotel bietet Pool und Sauna, in den Konferenzräumen steht Wasser bereit für die Geschäftsleute, die hier tagen. Die Verkehrsanbindung ist ideal. Seit 1992 der neue Münchner Flughafen eröffnet wurde, lautet das Motto: »Wo Flugzeuge sind, dreht sich immer was.« In puncto Geschäftsessen bietet die Küche Feinstes auf internationalem Niveau. Die Tradition kommt dabei nicht zu kurz: Im Biergarten dürfen Sie noch immer die eigene Brotzeit mitbringen. Auch den Obatzdn, wenn Sie meinen, dass Sie ihn besser machen als der Koch der Mühle.

Gasthof und Hotel zur Mühle · Kirchplatz · 85737 Ismaning · Tel. 089/96 09 30 www.hotel-muehle.de

05

KRAUT FÜR DEN BISCHOF

Gibt es Steigerungsformen von Kraut? Im Bairischen schon: »krauterer, krautest«. »Dees krauteste Kraut werd z’ Ismaning baut«, lautet ein alter Spruch. Ein anderer reicht ebenfalls weit zurück, ein Seufzer, der erstmals 1509 erklang: »Oh mei, oh mei: Uns hams ghaut. Hätt man bloß koa Bischofskraut!«

Ghaut. Auf Hochdeutsch klingt das dramatischer: vom Schicksal geschlagen. Ein hartes Los trugen sie also, die Ismaninger. Und das fast 300 Jahre lang. Bis zur Säkularisation band der Pakt die Bauern, den sie 1509 mit Bischof Philipp von Freising geschlossen hatten. Der überließ ihnen die Krautäcker als Gemeineigentum und forderte als Gegenleistung, »jährlich zu der Hofhaltung zu Freising 2500 zeitige Krautköpf zu liefern«. Und zwar das »schenst und sauberst ausklaubte« Kraut. Die kirchlichen Herren wussten schon immer, was gut war, und das Kraut aus Ismaning war nun mal das »krauteste«. Das lag einerseits am Boden (Kalktuff), andererseits an der Sorte, die die Bauern über Jahrhunderte gezüchtet hatten. Das »Ismaninger Weißkraut« ist hell, flachköpfig und besonders mild. 1890 erhielt es auf der Weltausstellung in Paris eine Goldmedaille und wurde damit zum Exportartikel. Damals aber war die große Zeit des Kohls als Hauptnahrungsmittel, Vitaminlieferant und vor allem als Gemüse, das sich in Form von Sauerkraut konservieren ließ, schon vorbei. 1810 wurde die Konservendose erfunden, und in die wanderte nun auch das Sauerkraut – mit entsprechendem Qualitätsverlust.

Der Anbau der alten Kultursorte ist arbeitsintensiv und nicht sehr ertragreich. Und so gibt es nur noch wenige Bauern, die das Ismaninger Kraut anbieten. Einer von ihnen ist der junge Gärtnermeister und durch eine Facharbeit ausgewiesene Sauerkrautexperte Adolf Sieber vom Holzerhof. Als zweites Standbein haben sich Vater und Sohn dem Obstanbau zugewandt. Die Idee, aus dem Obst Marmeladen zu machen und Brände zu destillieren, ist naheliegend. Aber einen Krautschnaps brennen und Sauerkrautschokolade kreieren, das kann nur einer: ein echter Sauerkrautexperte.

Holzers Hofladen · Mo–Fr 8.30–12.30, 14–18.30, Mi 8.30–12.30, Sa 8.30–13.30 Uhr Holzerhof · Münchner Str. 70 · 85737 Ismaning · Tel. 089/96 64 02 · www.holzerhof.eu

06

DIESSEN: TÖPFER MIT TRADITION

Für Keramiker ist die Erde eine Scheibe. Und in deren Zentrum hat Dießen als einer der Top-Ten-Töpfermärkte in Europa seinen festen Platz. Diese Position verdankt der Ort dem Keramiker Ernst Lösche. Der wollte 1962 einen Baum pflanzen und stieß auf Keramikbruch. Ein Fund, der belegte, dass hier schon andere Töpfer vor Lösche tätig waren. Er forschte weiter und konnte belegen, was längst in Vergessenheit geraten war: Dießen war vom 11. bis zum 18. Jahrhundert ein bedeutendes Zentrum der Keramikmanufaktur. Das kleine Museum gibt einen historischen Überblick, besonders schön ist der Park, in dem Keramikobjekte zauberhafte Akzente setzen.

Loesche Keramik · Am Kirchsteig 19 · 86911 Dießen · Tel. 08807/18 77 Töpfermarkt · Christi Himmelfahrt vier Tage · Museum: Markttage 10–18 Uhr, sonst n. Vereinb.

07

HERRSCHING: TOP SECRET

Egoismus ist kein schöner Charakterzug. Aber manchmal ist er notwendig. Zum Beispiel, wenn Sie ein Hotel entdeckt haben, in dem es nur neun Zimmer gibt. Also stapeln Sie tief, wenn Freunde fragen, wo Sie in Herrsching absteigen: »Altes Bauernhaus, nein, liegt nicht am Wasser. Aber ruhig.«

Kein Wort über das grandiose Design der Hotelzimmer, die kuscheligen Bademäntel und die Sauna. Und bloß nichts über das Restaurant, den Küchenchef und seine fantastischen Kreationen. Sonst buchen Ihnen die Freunde die Zimmer vor der Nase weg, und Sie gehen leer aus, wenn Sie wieder mal ein paar Tage ins Fünfseenland fahren und im Romantik Hotel Chalet am Kiental abschalten wollen.

Romantik Hotel Chalet am Kiental · Andechsstr. 4 · 82211 Herrsching am Ammersee Tel. 08152/98 25 70 · www.gourmetchalet.de

08

BERG: BÜCHER STATT BROTE

Was haben Lübeck an der Ostsee und Berg am Starnberger See gemein? Beide haben Söhne hervorgebracht, die ihre Geburtsorte literarisch porträtierten und lange als Nestbeschmutzer galten. Und: Sie haben sich mit den Söhnen versöhnt und sind heute stolz auf ihren Thomas Mann und ihren Oskar Maria Graf.

In Berg trägt eine Straße seinen Namen, in Aufkirchen steht ein Denkmal, das den Schriftsteller zeigt. In der kurzen Lederhose und mit Janker natürlich. So ist er auch an der Fassade vom Oskar Maria Graf Stüberl dargestellt, im Inneren erinnern Fotos an den Bäckersohn, der 1894 hier geboren wurde. Die Familie seiner Mutter bewirtschaftete seit Jahrhunderten einen einsamen Hof in Aufkirchen, und Graf nützt den Roman Das Leben meiner Mutter, um die Geschichte des Starnberger Sees weit zurückzuverfolgen. Mit den Augen der Bauern beschreibt er die gravierenden Veränderungen, die im ausgehenden 19. Jahrhundert auch das Leben der kleinen Leute betrafen.

Informativ und interessant: der Berger Kulturspaziergang. Er führt auch zu dem Holzkreuz im See, das den Fundort der Leiche Ludwigs II. markiert.

Grafs Lebensweg schien vorgezeichnet: Dorfschule und Bäckerlehre. Doch der Junge entdeckte früh seine Liebe zur Literatur, und ihm die auszuprügeln, wie es der Bruder Max versuchte, misslang. Der 17-Jährige floh nach München, nahm Kontakt zu anarchistischen Kreisen auf und beteiligte sich an der Revolution 1918. Graf war zeitlebens Pazifist und aufrechter Linker. So erregte es ihn zu Recht, dass seine Werke bei der Bücherverbrennung 1933 fehlten. »Verbrennt mich«, schrieb er in der Wiener Arbeiter Zeitung, und sein Freund Bertolt Brecht dichtete: »Tut mir das nicht an! Lasst mich nicht übrig! Habe ich nicht / Immer die Wahrheit berichtet in meinen Büchern? Und jetzt / Werd ich von euch wie ein Lügner behandelt! Ich befehle euch: / Verbrennt mich!« Graf erhielt Satisfaktion: Die Deutsche Studentenschaft organisierte für ihn eine Verbrennung seiner Bücher.

Oskar Maria Graf Stüberl · Mo, Mi–So 10–23 Uhr · Grafstr. 9 · 82335 Berg am Starnberger See · Tel. 08151/516 88

09

KOCHEL: BIRNEN MIT SCHLAGRAHM

Vorbei die Zeiten, als Sie im Museumscafé trockene Sandwiches und Kaffee bekamen, der nach stundenlangem Intimkontakt zwischen Glaskanne und Wärmeplatte jegliches Aroma verloren hatte. Heute bespielen Spitzengastronomen die Musentempel, und was sie kreieren, ist mehr als nur Knochenbeigabe zum Kunstgenuss.

Warme Holztöne, viel Weiß – das Restaurant & Café Blauer Reiter präsentiert sich modern und schnörkellos. Terrasse, Blick auf Kochelsee und Berge, erlesene Weinkarte, innovative Küche – kein Wunder, dass hier nicht nur Museumsgäste speisen, sondern viele extra zum Essen kommen. Der Wirt muss dem Gast, der nur eine Kleinigkeit will, ebenso gerecht werden wie jenen, die ein Menü wünschen. Wenn Gruppen durchs Museum strömen, wird‘s hektisch, aber das Personal hat das gut im Griff.

In einem verwunschenen Bauerngarten sitzen und Kuchen essen, der schmeckt, als hätte ihn die Oma gemacht – solche Wonnen bietet das Café Giggerer, Kalmbachstr. 13.

Nur der Gast, der nach dem Mahl in die Museumsräume tritt, mag Schwierigkeiten bekommen. So aufs Kulinarische gepolt, kann es passieren, dass man vor einem Bild von Franz Marc aus dem Jahr 1911 steht und denkt: Stillleben. Birnen mit Schlagrahm. Stimmt nicht, es sind Hocken im Schnee. Hocken sehen aus wie Heuhaufen, in deren Mitte Stangen stecken, aber sie bestehen aus Riedgras. Marc hat dieses Motiv immer wieder gemalt, 1910 naturalistisch, 1911 in Rot, Gelb, Grün, den Grundfarben, die er nach langem Ringen als die der »Wesensform« (»ich male überhaupt nur mehr das Allereinfachste«) angemessenen »Wesensfarben« gefunden hatte. Mit diesen Grundfarben arbeiteten auch die Mitglieder der Künstlergruppe »Brücke«, von denen das Museum ebenfalls Werke zeigt.

Farbenlehre, Bilder vergleichen, Parallelen finden – ein bisschen viel für ein Hirn, das nach dem Essen nicht optimal mit Blut versorgt wird. Vielleicht ist es besser, erst ins Museum und dann ins Restaurant zu gehen.

Restaurant & Café Blauer Reiter · Di–So 10–17 Uhr · Franz-Marc-Park 8–10 82431 Kochel am See · Tel. 08851/929 28 60 · www.restaurant-blauerreiter.de

10

BRAUNECK, STIE-ALM: ALLES KÄSE

»Wo kommen die Löcher im Käse her?« Mit dieser Frage provoziert ein kleiner Junge in Kurt Tucholskys gleichnamiger Erzählung ein Familiendrama. Keiner kennt die Antwort, die Erwachsenen zerstreiten sich heillos, das Ganze endet mit Privatbeleidigungsklagen, umgestoßenen Testamenten etc.

Heute fragen die Kinder nicht mehr, sie googeln,