Jeder liest Drecksack / Everyone's Reading Bastard - Nick Hornby - E-Book

Jeder liest Drecksack / Everyone's Reading Bastard E-Book

Nick Hornby

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Stellen Sie sich vor, alle Ihre Vergehen stehen in der Zeitung Als Charlie und Elaine sich scheiden lassen, leben sie schon seit Längerem getrennt. Die Scheidung ist also einvernehmlich, so lautet jedenfalls Charlies Auffassung. Dass Elaine das ganz anders sieht und Charlie an allem die Schuld gibt, erfährt er aus der Zeitung, für die Elaine schreibt: In einer wöchentlichen Kolumne zerrt sie jegliches Fehlverhalten ihres Exmannes genüsslich in die Öffentlichkeit. Wie soll Charlie jemals wieder eine Frau kennenlernen, wer will mit einem solchen Fiesling schon zusammen sein? Doch da meldet sich eine Frau, der mit ihrem Exmann Ähnliches widerfährt, und die beiden Geschmähten kommen zusammen … Mit seinem unnachahmlichen Humor, dem Blick für die Absurditäten des Alltags und der liebevollen Beschreibung naiver Loser erzählt Nick Hornby, warum eine Trennung ganz schön gefährlich sein kann.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 70

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nick Hornby

Jeder liest Drecksack

Zweisprachige Ausgabe

Aus dem Englischen von Ingo Herzke

Kurzübersicht

> Buch lesen

> Titelseite

> Inhaltsverzeichnis

> Über Nick Hornby

> Über dieses Buch

> Impressum

> Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

Jeder liest DrecksackEveryone’s Reading Bastard
zurück

Jeder liest Drecksack

 

 

 

 

 

Elaine und Charlie kamen an einem Montagmorgen irgendwann zwischen 9:30 Uhr und 10:00 Uhr in einem Café unweit der Schule ihrer Kinder überein, sich scheiden zu lassen.

»Was hast du denn um Himmels willen zu ihr gesagt? Da im Café? Dass sie sich jetzt von dir scheiden lassen will?«, fragte Charlies Mutter ein paar Tage später, als er endlich den Mut aufgebracht hatte, es ihr mitzuteilen.

»Zwei kurze Anmerkungen«, sagte Charlie. »Erstens: Schön, dass du automatisch annimmst, ich müsse irgendwas gesagt haben. Und nicht sie. Und zweitens: Eine Scheidung kommt doch nicht aus heiterem Himmel, so wie … so wie die Kugel eines Heckenschützen. Man läuft doch nicht eben noch die Straße lang, glücklich und zufrieden, dum-di-dum, und dann PENG! Autsch! Scheidung! Es lief alles schon sehr lange sehr schlecht.«

Sehr, sehr lange. Seit Jahren. Zum Zeitpunkt des fatalen Gesprächs wohnte er schon nicht mehr bei seiner Familie, sondern in einer Mietwohnung, die groß genug war, die Kinder am Wochenende zu beherbergen. (Als Elaine und Charlie sich irgendwann mit ihnen hinsetzten und ihnen erklärten, dass ihre Ehe zu Ende sei, sagte die neunjährige Emily nichts weiter als »Oh Mann«.) Charlie und Elaine hatten sich und den Kindern vorgemacht, es könne sich um einen vorübergehenden Zustand handeln, es könne ein Zurück geben, wenn sie sich dafür entschieden, aber natürlich gab es das eigentlich nicht. Doch ungeachtet dessen, was er zu seiner Mutter gesagt hatte, spürte er an dem Vormittag einen leichten Schock. Das Wochenende war nicht anders verlaufen als alle anderen Wochenenden in den letzten Monaten – schwierig, unterkühlt, getrennt, traurig, und dennoch – nicht ungewöhnlich. Als er später zur U-Bahn ging, hatte er tatsächlich das Gefühl, von einem Heckenschützen getroffen worden zu sein, jedenfalls wenn einen die Kugel eines Heckenschützen erleichterte und sogar ein wenig erheiterte, was ihm eher unwahrscheinlich vorkam. Warum ausgerechnet an diesem Montag? Genau eine Woche später, als Charlie herausfand, dass Hunderttausende Menschen ihn als jemanden namens Drecksack kannten, ergab plötzlich alles einen Sinn.

 

Er las die Sonntagszeitung nicht, für die Elaine arbeitete – nicht mehr. Er hatte damit aufhören müssen. Elaine schrieb Porträts, Features und Kolumnen, auf den ersten Blick über Zeitgeschehen und Kultur, doch im Laufe der Jahre hatte Charlie den Eindruck gewonnen, dass sie eigentlich immer über ihn schrieb. Egal, wie der Auftrag lautete – ein Liebesbrief an einen amerikanischen Fernsehstar, eine Restaurantkritik, ein Kommentar über ein königliches Hinterteil –, irgendwie schaffte sie es immer, seine Mängel noch irgendwo hineinzuquetschen. Einmal hatte sie während eines Interviews mit Daniel Radcliffe, dem Star der Harry-Potter-Filme, eine Wutrede über seine Blähungen abgelassen (die übrigens nur vorübergehend und krankheitsbedingt gewesen waren), und von Radcliffes verdächtig mitfühlender Reaktion berichtet. Offenbar liebte ihr Chefredakteur an ihr gerade diese Bereitschaft, alles rauszulassen. Alles war persönlich: das Politische, das Kulturelle, das Gastronomische. Sie hatte die Nation vom Verlust ihrer Jungfräulichkeit wissen lassen, vom gegenwärtigen Zustand ihres Beckenbodens, von ihren sexuellen Fantasien, von ihrer Ehe, ihrer Ehe, ihrer Ehe. Es war paradox: Ausgerechnet die Eigenschaft, die ihr die Anstellung bei der Zeitung sicherte, ließ sie zugleich ziemlich gestört wirken.

 

Seine Kollegin Mary war es, die ihn als Erste auf neuerlichen Ärger aus Elaines Richtung hinwies, wenn auch ohne viele Worte. Mary war eine zierliche, depressive alleinerziehende Mutter, und kurz nach seiner Trennung von Elaine hatte Charlie ein paarmal mit ihr geschlafen. Darin lag eine gewisse Ironie, wenn man es aus dem richtigen Blickwinkel betrachtete und nicht aus dem falschen, wie normalerweise Elaine. Die Ironie lautete wie folgt: Er war kein Drecksack, aber gerade dieser Frau gegenüber hatte er sich irgendwie doch wie einer verhalten. Vielleicht dachte Mary das auch. Jedenfalls wenn sie, naiv, wie sie war, eine ganze Theorie über ihn aus der Art und Weise zu extrapolieren versuchte, wie er ihre wenig berauschende Lückenbüßer-Beziehung beendet hatte.

»Hattest du ein schönes Wochenende?«, fragte er Mary, als sie auf den Fahrstuhl warteten. Ihr Achselzucken verriet eine gewisse Bitterkeit, fand er, als wäre er an ihrem enttäuschenden Wochenende schuld. Er ignorierte das.

»Und du?« Dann folgte ein kurzes »Ach!«, als wäre ihr etwas wieder eingefallen, gefolgt von einer Miene, die verdächtig nach schadenfrohem Grinsen aussah.

Ach du Scheiße, dachte Charlie. Elaine. Grinsen, Schweigen, Husten, hochgezogene Augenbrauen, mitfühlende Blicke, halb beendete Sätze von Freunden, Kollegen, Schuleltern … All das bedeutete dieser Tage das Gleiche. Es war ärgerlich, es machte ihn unfroh, aber er hatte gelernt, dass er es überleben würde und in einer Woche alles vergessen wäre. Doch als Charlie im fünfzehnten Stock ausstieg, stieß er mit Tim Britton aus der Abteilung »Fusionen« zusammen, nicht gerade der Typ für Hüsteln oder hochgezogene Augenbrauen.

»Da ist er ja«, sagte Britton fröhlich. »Der Drecksack!«

Tim Britton war ein Arsch, aber er war noch nie einfach so auf Charlie zugekommen und hatte ihm Schimpfwörter an den Kopf geworfen. Charlie starrte ihn an. Britton kicherte und schüttelte den Kopf.

»Das wird super«, sagte er.

Wird?, dachte Charlie. Wieso nicht »ist«? Und wieso ist es nicht schon vorbei?

 

Als er hinauf in sein Büro kam, öffnete er sofort die Website der Zeitung und überflog die Startseite. Auf den ersten Blick konnte er nichts erkennen, was auf Unannehmlichkeiten hindeutete. Ein dreiseitiger Augenzeugenbericht über die Revolution in einem arabischen Land, ein Interview mit dem Finanzminister, die Würdigung eines lateinamerikanischen Schriftstellers zu dessen achtzigstem Geburtstag. Nicht einmal Elaines wohlmeinender Chefredakteur würde sie auf eine dieser Storys loslassen, fiele das Ergebnis auch noch so exzentrisch aus. Er schaute noch einmal genau hin und begriff, die Katastrophe war so groß, dass er sie glatt übersehen hatte: Am oberen Rand des Bildschirms, direkt unter dem Titel, lief eine Überschrift quer über die Seite. »NICHT VERPASSEN – ELAINE HARRIS’ BRILLANTE NEUE WÖCHENTLICHE KOLUMNEDRECKSACK!«

Einen Augenblick versuchte sich Charlie an die Hoffnung zu klammern, dass es in Elaines Leben noch einen anderen Drecksack geben könnte. Ihren Vater zum Beispiel konnte sie nicht allzu gut leiden, und bei ihrem letzten Job hatte es einen Redakteur gegeben, den sie bis heute zutiefst verabscheute. Aber eigentlich gab es keinen Zweifel. Er nahm sich zwei Minuten Zeit, atmete tief durch, um die Panik zu unterdrücken, und klickte auf den Link. Nur für den Fall, dass ein oder zwei trübe Tassen die Verbindung zwischen ihm und dem titelgebenden Schurken immer noch nicht gezogen hatten, war die brillante neue wöchentliche Kolumne namens DRECKSACK! mit einem hilfreichen Untertitel versehen. LEBEN MIT DEM EX stand da. AUS DEN AUGEN, ABER NICHT AUS DEM SINN. Es gab sogar ein Logo, als wäre die Kolumne schon eine landesweit bekannte Institution: die Karikatur eines liederlichen Lumpen, inklusive Halstuch, Schnauzer und lüsternen Zwinkerns.

 

Rasch überflog er den Text. Er erinnerte sich an fast alle Untaten, derer sie ihn bezichtigte, alles minderschwere Unfähigkeiten im Bereich Kindererziehung. Die Kolumne würde sich offensichtlich jede Woche einem neuen Thema widmen. Sicher, es war eine traurige Bilanz, aber das hier waren die faulsten Eier aus fast zwei Jahren Scheidungsmisere; auf keinen Fall konnte sie so viel Gift und Galle jede Woche spucken. Aha. Hatte er also den einzigen Trost gefunden, den die Sache bot: So schlimm würde es nicht bleiben. Damit lag er falsch – natürlich.

+++

Charlie hatte Elaine an der Universität kennengelernt, aber zu der Zeit war noch nichts zwischen ihnen gelaufen. Damals spielte sie, wie sie ihm im Laufe ihrer Ehe immer wieder genüsslich aufs Butterbrot schmierte, in einer ganz anderen Liga als er. Er war nicht ganz sicher, was sich in der Zwischenzeit geändert hatte – ob er es geschafft hatte aufzusteigen oder ob ihr Status irgendwie heruntergestuft worden war, vielleicht von der Rating-Agentur, die in Gottes Auftrag die Kreditwürdigkeit beurteilte –, aber als sie sich auf einer Party wieder begegneten, schien sie aus unerfindlichen Gründen plötzlich an ihm interessiert. Sicher, er hatte Kohle und war Single, sie hingegen war witzig, erfolgreich und attraktiv, also nach seiner Einschätzung immer noch mindestens eine Gewichtsklasse über ihm, aber darauf hätte er sie ganz bestimmt nicht mit der Nase gestoßen. Er lud sie zum Essen ein, und so begann ihr mehr oder weniger gänzlich konventioneller Weg in Richtung Zusammenleben und Elternschaft.