Kristallklar - Mord á la carte - Tom Wolf - E-Book

Kristallklar - Mord á la carte E-Book

Tom Wolf

4,6

  • Herausgeber: BeBra Verlag
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2012
Beschreibung

Mai 1786: Emile Joyard, der Erste Hofküchenmeister Friedrichs des Großen, wird tot in einer Bachschlucht nahe Buckow gefunden. Der König hatte den Koch schon lange im Verdacht, ihn vergiften zu wollen. Nun wird Honoré Langustier, längst im verdienten Ruhestand, wieder in Dienst gestellt und muss nicht nur den sterbenskranken König bekochen, sondern auch den mysteriösen Tod seines Kollegen auf klären. Dabei steht ihm der Graf von Mirabeau zur Seite, der eigentlich in ganz anderer, geheimer Mission tätig ist ...Weitere Titel der PreußenKrimi-Reihe als ebook:Königsblau (1740)Silbergrau (1743)Muskatbraun (1746)Purpurrot (1750)Rosé Pompadour (1755)Schwefelgelb (1757)Smaragdgrün (1759)Glutorange (1760)Rabenschwarz (1766)Kreideweiß (1772)Goldblond (1778)

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Seitenzahl: 352

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Tom Wolf

Kristallklar

Mord à la carte

Die Personen und Handlungen dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit tatsächlichem Geschehen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung auf DVDs, CD-ROMs, CDs, Videos, in weiteren elektronischen Systemen sowie für Internet-Plattformen.

ebook im be.bra verlag, 2012

© der Originalausgabe:

berlin.krimi.verlag im be.bra verlag GmbH

Berlin-Brandenburg, 2009

KulturBrauerei Haus 2

Schönhauser Allee 37, 10435 Berlin

[email protected]

Lektorat: Gabriele Dietz, Berlin

Umschlag: Hauke Sturm, Berlin, unter Verwendung eines

Gemäldes von Emanuel Gottlieb Leutze, »George Washington

Crossing the Delaware«, 1851, corbis, Düsseldorf

ISBN 978-3-8393-6112-2 (epub)

ISBN 978-3-8393-6113-9 (pdf)

ISBN 978-3-89809-514-3 (print)

www.bebraverlag.de

Friedrich dem Einzigen

Historische Personen und fiktive Hauptakteure

Barker, Henry – Waffenkonstrukteur

Barker, William – Waffenschmied, Bruder des Vorstehenden

Beeren, Gerardine von – Urenkelin Honoré Langustiers

Clyber, Elisabeth (Lizzy) – Tochter von Louise Clyber

Clyber, Louise – Schwester von Émile Joyard; Gutsbesitzerin

Decker, Friedrich – Sohn Heinrich Deckers, Forstlehrling in Rheinsberg, AB

Decker, Heinrich – Lehnschulze des Kolonistendorfs Neu-Charlotte, AB

Fersen, Hans Axel von – Favorit Marie-Antoinettes, C

Fetschow, Heinrich Friedrich Gottlieb – Wechselhändler (Bankier)

Friedrich II. – König von Preußen

Gant, Ebenezer – Tabakhändler

Heinrich, Prinz – Bruder Friedrichs II., AB

Joyard, Émile – Erster Hofküchenmeister i.R., AB

Lalande, Jérôme de – Kriegsveteran, Ballonpionier, C

Langustier, Honoré – Zweiter Hofküchenmeister i.R.

Langustier, Rahel – Ehefrau von Honoré Langustier

Lucchesini, Girolamo – Kammerherr, Bibliothekar und Vorleser

Mencken, Anastasius Ludwig – Geheimer Kabinettsekretär

Mirabeau, Honoré-Gabriel Riquetti, Comte de – Publizist, Spion

Mylenthal, Johann Amadé – Adjutant von Prinz Heinrich, AB

Pentland, John – Sekretär von Benjamin Walker, C

Pfeiffer, Johann – Gehilfe Heinrich Deckers, AB

Philippi, Karl Johann Albrecht von – Polizeipräsident

Polk, Alexander – Farmer, C

Quandt, Marie von – Tochter Honoré Langustiers

Saint-Sauliac, Philippe de – Lecteur des Prinzen Heinrich

Schickler, Johann Jacob – Großbankier

Sterling, Bill (Black Eagle) – Fellhändler

Theden, Johann – Generalchirurg, Charité-Chef

Walker, Benjamin – Abgeordneter, C

Zimmermann, Johann Georg Ritter von – Arzt

C: Society of the Cincinnati (Cincinnatus-Orden)

AB: Gemeinschaft der Amerikanischen Brüder

Die einzigen gefährlichen FeindeEurer Majestät sind Ihre Köche …Johann Georg Zimmermann

Könnten die Menschenauch noch durch die Luft fahren,so wäre ihre Schlechtigkeitrein gar nicht mehr zu zügeln.Gottfried Wilhelm Leibniz

Ostersonntag, 16. April 1786

Auf einer roten Decke lagen sie, die Ellenbogen aufgestützt, zwischen Feldsteingrotte und Vorjahresschilf.

Am jenseitigen Ufer leuchtete das Rheinsberger Schloss in der Mittagssonne. Prinz Heinrich, ein jüngerer Bruder des Königs von Preußen, war sehr begierig, den hübschen Jüngling an seiner Seite zum Buhlknaben zu machen. Philippe de Saint-Sauliac nannte er sich und diente ihm seit Wochen als Gesellschafter. Die eigentümliche Unterbrechung der linken Augenbraue entstellte das Gesicht des Zwanzigjährigen keineswegs, sondern machte es nur noch anziehender, fand der Prinz und schwärmte, während er ihre Gläser wieder mit Bourgogner füllte:

»Die ersten Blumen blühen so frisch an der Quelle! Und wie leise die Bäume flüstern …«

Er wies mit wachen, leicht auswärts schielenden Augen auf einen nahen Waldhügel, dem ein kleines Wasser entsprang. Philippe erwiderte:

»Die welken Blätter des Rohrs schwanken wahrlich so sanft, als gelte es, ein liebend Paar in seligen Schlummer zu wiegen. Auch verbergen sie uns vor dem Auge der Welt in paradiesischer Einsamkeit … Der Geist Egeriens wirkt das Wunder, mein Prinz! Solche Stelle sah ich schon einmal, in jenem Land, das so sehr nach Ihnen ruft.«

»Wie machen mich deine Worte glücklich und hoffnungsfroh …«, entgegnete der Prinz. »Fürwahr, Liebster! Arkadiens Gefilde … Egeria …«

Er war voller Sehnsucht nach Philippes Berührung, aber auch nach Italien. So viele Sehnsüchte peinigten ihn gleichzeitig … Trotz eines gewissen Glanzes, den er bei aller Hässlichkeit um sich zu verbreiten wusste, war er der Einsamste und Unglücklichste der Menschen. Mit warmem Timbre rezitierte er:

»Unbeirrbar führt Eros, mit sicherer Hand,

den Schiffer zum Bett des Geliebten,

in der Höhle tiefem Born versteckt.

Kein Bildwerk stört das milde Waldesgrün.

Ein Becken, das längst sprang,

hemmt nicht die Flut der Quelle,

und Kräuter blühn den Bach entlang

bis hin zum vollen See …«

»Tibull?«, fragte Philippe, der sich bei den römischen Dichtern nie sicher war.

»Properz!«, entgegnete der Prinz. »Wie willst du beweisen, dass du schon dort warst, im gelobten Land der Quell-Nymphen und Faune, wo die Zitronen blühn …?« Er seufzte. »Ich, der ich mir mein Italien hier stückweise imaginieren muss, bin voll des zweifelnden Neides …«

Er nahm Philippes feine Hand. Viel ging dem Erwählten im Kopf herum. Dieser Prinz war keineswegs schön, nicht im griechischen Sinne, wie Winckelmann es dargestellt … Philippe war verwirrt. Er hatte des Prinzen Gesellschaft aus eigennützigen Gründen gesucht, doch jetzt glomm ein unbekanntes Gefühl in ihm auf. Zum ersten Mal in seinem von Grund auf verpfuschten Leben war er an einen paradiesischen Ort gelangt, an dem er vielleicht um seiner selbst willen geachtet und … geliebt würde? Gefährdete diese eigenartige Empfindung seine Absichten?

»Obgleich ich oft schwindele – diese Reise hab ich getan, mein Prinz!«

Ein verhärmter Zug um die Lippen ließ sein Gesicht für Sekundenbruchteile alt und hässlich wirken. Verdammter Spitzbube, dachte Prinz Heinrich.

»Meine Eltern starben, kaum dass ich auf der Welt war. Ich wuchs in einem Waisenhaus auf. Lange kannte ich nicht den Namen meines Vaters … Ein Blutsverwandter, der mich 1779 aufsuchte und es durchaus gut mit mir meinte, verriet ihn mir. Doch ich schlug sein Angebot aus, mir im Fortkommen behilflich zu sein. Ich wollte meine eigenen Abenteuer erleben und entfloh der Anstalt, als man mich in eine Weberei stecken wollte. Als Begleiter eines Mannes mit ähnlichem Schicksal gelangte ich nach Italien. Ihr kennt ihn, er war ein mathematisches Genie, als Findelkind bei einem Glaser aufgewachsen, der Rousseau hieß … Die Damen flogen auf ihn wie die Bienen auf einen blühenden Apfelbaum …«

»Genie? Mathematik? Findelkind? Oh – Jean-Baptiste le Rond d’Alembert!«, sagte der Prinz und lachte kurz auf. »Ha! Nicht möglich, in welche Phantastereien dein Geist sich erneut versteigt! Du willst als Knabe Reisegenosse jenes Mannes gewesen sein, der von meines Bruders Geld lebte? Ich kann es nicht glauben.«

»Und doch ist es wahr!«, sagte Saint-Sauliac, fein lächelnd und wieder in entspannter Schönheit. »D’Alembert nahm mich mit von Paris nach Rom, wo er das Pharo-Spiel studierte. Er hegte die Hoffnung, den Zufall durch Theorien und Spielsysteme zu besiegen: die Progression, das Martingale, die Montante Américaine. Es ist sieben Jahre her, und ich war erst dreizehn, dem Alter nach. Doch ich ging schon für sechzehn durch, und man ließ mich als Diener meines Herrn mit hinein in die Höllenstuben der Hazardeure. Da auch der reiche Lohn meinen wachsenden Bedürfnissen nicht genügte, musste ich meine Fähigkeit, für mich selbst zu sorgen, stärker kultivieren. Ich verwandelte also d’Alemberts Hypothesen zu vorgeblich unfehlbaren Anleitungen für das Pharo, ließ alles sehr schön drucken und verkaufte diese Gewinnrezepte für teures Geld an unheilbar Spielkranke. Ein oder zwei Dutzend Menschen haben sich so beim Pharo ruiniert … Ich gab Rom und meinem Herrn Valet, als man einen Prozess gegen d’Alembert anstrengte, der unweigerlich zu meiner Verurteilung geführt hätte. Ich schloss mich somit 1780 einem Manne an, der jetzt Kammerherr Ihres Bruder ist und damals im Begriffe stand, Rom in Richtung Potsdam zu verlassen …«

Der Prinz war unschlüssig. Das Gehörte war unerhört dreist erlogen und gut ausgedacht, befand er. Die neuerliche Wendung war vollends verblüffend:

»Girolamo Lucchesini!«

»Erraten! In Straßburg trennten sich unsere Wege. Ich ging nach Paris, wo ich lange blieb. Dann war ich in London, bevor ich wieder nach Paris zurückkehrte und Euch traf … zu meinem Glück!«

Ein Schatten zog über Philippes Gesicht. Nur Tölpel logen nie, aber kein Lügner von Format log immer. Auf die richtige Dosierung der Lügen kam es an. Man musste nur erkennen, wann es überhaupt genug war mit diesem Lügen-Leben und man ein Ende zu setzen hatte! Und wahrlich: Einer musste sterben, damit die anderen das Leben wieder mehr schätzten. Vor Jahren war es noch zu früh gewesen, er war auf halbem Wege stecken geblieben … Aber nun konnte er an den ersten Versuch anknüpfen, und es bereitete ihm – bei aller Perfidität – auch noch Vergnügen.

Der Prinz redete jetzt von Amerika und von den Amerikanern, denen sie morgen begegnen würden. Er nannte endlos viele Namen, doch Philippe hörte nur mit einem Ohr zu, auch wenn ihn diese Sache interessierte. Noch hatte er sich nicht entschieden, was er davon halten wollte. Er hätte das Geld, sich in Nordamerika anzusiedeln. Ob er mit den Amerikanern ginge? Wenn er erst sein Kunststück fertig gebracht hätte, vielleicht. Philippe tastete an die Stelle seines Rockes, an der sich, gut verwahrt, jenes knisternde Papier befand, das Berge versetzen konnte. Das war die Macht des Geldes, nun erst spürte er sie ganz.

»Erzähl nur weiter, auch wenn ich dir kein Wort glaube«, sagte Prinz Heinrich, der hinter Philippes Irritation die Verstrickung im eigenen Lügenmärchen vermutete.

Sein Adjutant und lang verwichener Gespiele Mylenthal, stets vergeblich bemüht, ihm neue, eventuell bedrohliche Bekanntschaften vom Leib zu halten, hatte interessante Nachforschungen über den falschen Namen des schönen Lügners angestellt.

»In Rom also willst du Egeriens Quelle aufgesucht haben?« Philippe nickte ernst und fuhr dann lächelnd fort:

»Zum Beweis vermag ich es Euch zu schildern, wie Ihr es nirgends in der Literatur beschrieben fändet: Vorüber an den Gräbern der Scipionen, vorüber auch am prächtigen Denkmal der Cäcilia Metella, gelangte ich in ein liebliches Tal. Ein träges, schmales Gewässer durchfloss es, verborgen unter großen Stängeln und Blättern der Canna. Wogende Getreidefelder und frisches Wiesengrün zeigten sich zu den Seiten. Tausende von Anemonen blühten im Gras. Ich kam ans Ende des Tales, wo an einem kleinem Hügel – einem Hügel ganz wie dieser dort! – ein Schäfer bei seiner Herde lag. Baumwurzeln und Efeuranken schmückten und verhüllten den Eingang zu einer Grotte, aus dem das Wasser kam. Ich ging hinein. Netzförmiges Mauerwerk bildete Wände und Wölbung, und aus grünbemooster Marmorfassung rieselte der starke Quell zuerst in ein Becken. Alle Wände, der Eingang und der Fußboden waren dicht und weich mit dem feinblättrigen Venushaar überwuchert, das auf seinen leichten, rotbraunen Stängeln, jeder Luftbewegung folgend, mich zitternd und nickend zu begrüßen schien …«

Weiter kam er nicht in seiner Schilderung – die Lippen des Prinzen setzten ihr ein Ende …

»Wenn du mir weiter von Egeriens Quelle erzählst, die ich dort drüben anzulegen gedenke, will ich meine Betrübnis vergessen und dir jedes Wort mit einem Kuss vergelten!«

Philippe ließ es geschehen. War die unwahrhaftige Zeit endgültig vorüber? Für einen Moment, in dem sich die Rabenschwärze seines Zukunftshimmels in strahlenden gelben Schein verwandelte, glaubte er es wirklich. Der hübsche Admiral, der sich auf eine Distel vor ihnen gesetzt hatte, rührte die Flügel und flatterte davon. Unsinn, dachte Philippe. Dieser Prinz war ein gefährlicher Einfaltspinsel! Jeder wusste das. Er benutzte ihn, er benutzte sie alle. Er war unberechenbar gleich diesem Schmetterling. Schon lag Philippe wieder im trüben warmen Bad seiner Einsamkeit. Er kannte die wahre, die beißende Armut … Er hatte lange die Bedrängnis wie die Spitze eines Dolches auf der Brust gespürt. Jetzt würde er den Spieß umdrehen und sich vor der Ausführung seines Plans einmal amüsieren, wo stets das Amüsement auf seine Kosten gegangen war … Wie im Spiel, wie nebenbei! Alles ergab sich so günstig, nur auf die Entschlossenheit kam es an, auf die Entscheidung, Ernst zu machen. Er hatte sich die Lokalität angesehen. Dazu war in den vergangenen Wochen mehrfach Gelegenheit gewesen. Es gab keinen besseren Ort! Oft hatte er gedacht, dass es besser gewesen wäre, gar nicht in dieses altersschwache Land zu kommen. Das zu nehmen, was er hatte, und unterzutauchen … Doch dann nagten die Zweifel. Bohrten … Das wäre kein Anfang, das wäre eine Fortsetzung seiner peinigenden Flucht, vor ihm und vor sich selbst … Er musste es tun … Alles auf die Spitze treiben, dann wäre die Erlösung umso größer. Kein reinigendes Bad, das dem gleichkäme: Er würde verschwinden, und, vom Fluch des Ursprungs gereinigt, ganz woanders – weit weg – neu an… Ein Ast knackte im Wald.

»Das ist bloß der Hirsch, der Euch folgt«, sagte Philippe, obwohl er mit bloßem Auge gesehen hatte, dass es Prinz Heinrichs Adjutant war, der sich lauernd hinter ihnen herstahl. Zusammenzuckend und sich umwendend, glaubte auch Prinz Heinrich, eine Bewegung am Hügel mit der Quelle und das Blinken eines Perspektivs im frischen Waldesgrün gesehen zu haben. Immer musste er auf der Hut sein, selbst hier im Park, vor zudringlichen Blicken.

»Lass uns zum Tempel der Freundschaft hinaufgehen, Liebster!«, sagte er. »Und nenn mich ab sofort Henri, bis ich es dir wieder verbiete!«

Das konnte schon morgen sein, dachte Philippe. »Tempel« war ein Euphemismus. Selbst die unansehnlichste Schäferhütte wurde dem Prinzen zum »Tempel« … Philippe schleuderte die leere Bouteille in hohem Bogen in den See. Prinz Heinrich lachte und zog sein williges Opfer auf den terrassierten Hügel, auf dem bald sein Obelisk errichtet würde, und immer weiter in die Tiefe des Boberow-Walds.

Ostermontag, 17. April 1786

Ploppend wie ein Kolkrabe spuckte der Kutscher aus, dann knallte er mit der Peitsche. Er wunderte sich über nichts mehr. Diese Amerikaner! Jawohl, die Amerikaner … Etwas war im Schwange zwischen Preußen und dieser sogenannten Konföderation überm großen Teich. Jener Teich war viel größer als alle märkischen Seen zusammen, aber aus schiffbarem Wasser bestand er auch. Die Vereinigten Staaten strebten ein Bündnis mit Preußen an. Sie wollten Tabak, Waffen und Felle verkaufen … und was sonst noch alles. Insgeheim, dachte der Kutscher, wollten sie bloß von seinem König anerkannt werden, wo alle Welt – außer Frankreich – sie bisher nicht für voll nahm.

Am Seeufer war die achtköpfige Delegation des Zweiten Kontinentalkongresses der Vereinigten Staaten vom Planwagen gestiegen, nachdem er sie die halbe Nacht von Potsdam hergefahren hatte. Jetzt schlugen sich die in der Mehrzahl blau-rot-weiß uniformierten Herren seitlich in den Wald. Zwei von ihnen waren ziemlich kurz geraten, reichten ihm nur bis knapp über den Bauchnabel. Daneben stampften ein rechtes Fass von Mann davon und ein schmaler Ballonist. Das dicke Paket aus Stoff und Schnüren sowie ein Nachen an der Wagenseite war angeblich sein Ballon, der Aerostat. Seit Tagen fuhr er sie mit einem langen Sechsspänner durch die Gegend – einem von der Sorte, die auf gut Lateinisch Omnibus hieß, weil zehn und mehr darin Platz hatten. Der König hatte sie schon einmal zur Begrüßung empfangen. Doch mit den Geschäften, die sie abzuschließen gedachten, war es nicht weit her. Dieses junge Land drüben brauchte alles Mögliche, was man dort noch nicht selbst herstellen konnte. Doch so schnell schossen die Preußen nicht, schon gar nicht beim Geschäftemachen. So würden die Amerikaner noch etwas in Potsdam bleiben müssen, auch einen öffentlichen Ballonaufstieg wollten sie vorführen, bevor sie die Rundreise durch Europa anträten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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