Magie der Welten - Hazel McNellis - E-Book

Magie der Welten E-Book

Hazel McNellis

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Beschreibung

Sydney hat ihr Schicksal als die Auserwählte endlich akzeptiert. An Damians Seite versucht sie nun, die uralte Prophezeiung zu erfüllen, um die Welten zu schützen. Doch nicht jeder ist damit einverstanden. Jemand versucht mit allen Mitteln die Bemühungen der Auserwählten zu zerschlagen. Nicht nur der zukünftige Erlöser, sondern auch Sydney geraten dabei ins Visier ihrer Feinde. Der Krieg der Bakram und Na'kaan war nie näher und bedrohlicher, die Zukunft selten weniger gewiss. Sind die Auserwählten bereit alles aufzugeben im Kampf für Frieden? Hexerei und magische Wesen, Intrigen und Verrat, sowie Liebe und Verderben.. All dem sehen sich die Auserwählten in Band 2 der Weltentrilogie gegenübergestellt. Ist ihre Liebe stark genug?

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Hazel McNellis

Magie der Welten

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Über das Buch

Teil 1 Die Hexe

1. Reise

2. Zuhause

3. Besuch

4. Polizei

5. Der Zirkel

6. Rückkehr

7. Jonadan

8. Kassandra

9. Aufbruch

10. Feindgebiet

11. Der Feind

Teil 2 Drum prüfe, wer sich ewig bindet

12. Damian

13. Eine Warnung

14. Ein Abschied

15. Die Vergänglichkeit des Lebens

16. Das Erwachen

17. Eine Hochzeit

18. Besuch

19. Abschied

Teil 3 Eine verwundete Seele

20. Die Bedrohung ist nah

21. Das Molloch

22. Krieg bricht aus

Epilog

Hat dir das Buch gefallen?

Weitere Werke der Autorin:

Impressum neobooks

Über das Buch

Das Buch

Sydney hat ihr Schicksal als die Auserwählte endlich akzeptiert. An Damians Seite versucht sie nun, die uralte Prophezeiung zu erfüllen, um die Welten zu schützen. Doch nicht jeder ist damit einverstanden.

Jemand versucht mit allen Mitteln die Bemühungen der Auserwählten zu zerschlagen.

Nicht nur der zukünftige Erlöser, sondern auch Sydney geraten dabei ins Visier ihrer Feinde. Der Krieg der Bakram und Na’kaan war nie näher und bedrohlicher, die Zukunft selten weniger gewiss. Sind die Auserwählten bereit alles aufzugeben im Kampf für Frieden?

Hexerei und magische Wesen, Intrigen und Verrat, sowie Liebe und Verderben... All dem sehen sich die Auserwählten in Band 2 der Weltentrilogie gegenübergestellt.

Ist ihre Liebe stark genug?

Die Autorin

Hazel McNellis, geboren 1985 im Ruhrgebiet, führt mit ihrem Partner ein ruhiges Leben im bergischen Land.Magie der Weltenist der zweite Teil der Weltentrilogie.

Alle Figuren und Ereignisse

in diesem Buch sind fiktiv.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder

bereits verstorbenen Personen

sind rein zufälliger Natur

und keinesfalls von der Autorin

beabsichtigt.

Hazel McNellis ist

ein rein fiktives Pseudonym,

gewählt zum Schutze der

Privatsphäre der Autorin, und

ohne jede Ähnlichkeit zu

real existierenden Personen.

Teil 1 Die Hexe

1. Reise

„Verflucht, jetzt hör mir doch zu!“

Ihre grünen Augen blitzten vor Ärger und Wut. Sie stand Damian gegenüber, das Blut brodelte heiß durch ihre Adern, als sie ihn aus zusammengekniffenen Augen anfunkelte. „Er ist mein Vater!“

Damian schnaubte.

„Meinst du, ich bin mir dessen nicht bewusst?“

Sein dunkler Bariton hallte an den steinernen Wänden wider, elektrisierende Impulse durch ihren Körper jagend.

„Du hast nicht das Recht, mich davon abzuhalten, geschweige denn, es zu verbieten!“, brauste Sydney auf.

Es war früher Nachmittag, die Sonne neigte sich dem Horizont zu und Sydney fand, dies sei nun der perfekte Moment, um Damian von ihrem Vorhaben zu erzählen. Sie war nun schon so lange von zuhause weg, und obwohl ihr bester Freund Jack längst wusste, was geschehen war, tappte ihr Vater noch immer im Dunkeln. Der Gedanke machte sie ganz krank. Schuldgefühle wallten jedes Mal aufs Neue in ihr auf, wenn sie sich vorstellte, wie es ihrem Vater ergehen musste. Und manchmal – ja, manchmal nur – kroch der Wunsch durch ihr Empfinden, niemals diesem verfluchten Schleier, diesem Portal in diese fremde Welt, begegnet zu sein. Es war verdammt unfair, dass Damian sie nicht gehen lassen wollte. Und bisher hatte er sie vollkommen im Dunkeln darüber gelassen, was ihn dazu bewegte.

Plötzlich lächelte Damian. Er warf ihr ein tiefgründiges Lächeln zu und trat einen Schritt näher. Das Herz klopfte Sydney bis zum Hals, als er sagte: „Ich, mein Herz, habe jedes Recht, eine solche Entscheidung für dich zu treffen; ich bin schließlich dein Mann.“

Für wen hielt er sich? Sie schnappte nach Luft. Ihr Brustkorb hob und senkte sich hektisch, so wütend war sie. Noch ehe sie sich daran hindern konnte, zischte sie: „Als ob ich das je vergessen könnte!“

Brüsk richtete Damian sich auf. Sein Blick war kaum mehr als ein dunkler See der Enttäuschung. Sofort bedauerte Sydney ihre Worte und schlug die Augen nieder.

„Ich hab’ das nicht so gemeint“, versuchte sie mit leiser Stimme den angerichteten Schaden zu mildern.

„Und wie hast du es gemeint, Frau?“

Er war wütend. Der Klang seiner Stimme, rau und verletzt, umhüllte sie wie dunkler, weicher Samt. Sie warf ihm einen Blick zu und beobachtete, wie er langsam an sie herantrat. Nervös begannen ihre Nervenenden zu flattern und sie trat rasch einen Schritt zurück. Die Lehne eines Sessels stach ihr in den Rücken.

„Du weißt, wie ich es meinte.“ Ihre Stimme zitterte vor Anspannung, und insgeheim verfluchte sie sich für dieses Zeichen der Schwäche, dieses Zeichen ihrer verdammtenWeiblichkeit. Hastig brachte sie den Sessel, ein lächerliches Bollwerk gegen Damians roher Dominanz, zwischen sie beide und begann, die Lehne zwischen ihren Fingern zu kneten.

„Du hast mich doch entführt! Abgesehen davon hast du Jack, meinen Freund, gefangen genommen und in deinen kleinen, dreckigen Kerker gesteckt ohne auch nur ein Sterbenswörtchen davon zu sagen!“ Ein gelöster Faden fiel ihren Fingern zum Opfer. Mit gerunzelter Stirn zog sie daran und leise riss er entzwei. Abwesend starrte sie auf das winzige Loch im rotgefärbten Stoff.

„Sydney…“

Sie sah auf und erwiderte seinen Blick. „Du wolltest, dass ich dich heirate, nicht ich.“

Das Loch in der Sessellehne wuchs unter ihrer unermüdlichen Bearbeitung, und sie zuckte zusammen, als Damians Finger sich sanft um ihre schlossen.

„Verzeih’“, murmelte er. „Ich weiß, wie schwierig alles für dich war.“

Er stand dicht bei ihr, und Sydney spürte bereits, wie die Wut in ihrem Bauch schwand. Blinzelnd wich sie noch ein Stück zurück. Sie hegte tiefe Gefühle für Damian – mittlerweile! – dennoch wehrte sie sich gegen die aufreizende Wirkung seiner Nähe. Ihr Herz schlug zu rasch, ihre Gedanken befanden sich am Rande einer gefährlichen Klippe, jederzeit bereit, sich hinunterzustürzen.

„Mein Vater muss krank vor Sorge um mich sein, verstehst du das denn nicht?“, fragte sie erstickt. „Er fragt sich sicher schon, was mit mir geschehen ist! Ich muss zu ihm, Damian, bitte…“ Tränen traten ihr in die Augen. Ihr Vater, Paul Abernathy, war ganz allein auf der anderen Seite des Portals, das diese Welt und ihre Heimat voneinander trennte, ohne auch nur zu ahnen, was mit seiner einzigen Tochter geschehen war. „Ich muss zu ihm!“, wiederholte sie und spürte zugleich die beruhigende Umarmung Damians, als dieser sie an sich zog.

Inzwischen war sie seit gut einem Monat an seiner Seite. Sein Halbbruder Corin kam bei einem Scheunenbrand ums Leben, nachdem er versucht hatte, Sydney als vermeintliche Hexe anzuzünden. Durch seinen Tod waren die Na’kaan ihres Anführers beraubt und seither hatten Sydney und Damian sich weit mehr angenähert, als es je zuvor der Fall gewesen war.

„Ich verstehe dich“, raunte er. „Das tue ich wirklich, mein Herz.“ Sein Kinn ruhte als tröstliches Gewicht auf ihrem Scheitel und seine Stimme vibrierte als sanftes Brummen durch ihren Körper. „Als meine Schwester damals von Straßenräubern entführt wurde, schwor ich, nicht eher zu ruhen, bis ich sie gefunden haben würde. Ich ertrug den Gedanken nicht, dass nicht nur meine Eltern fort sein sollten, sondern auch noch meine jüngere Schwester“, erklärte er leise. „Ich trug die Verantwortung für sie. Ich hätte alles unternommen, um sie wiederzusehen.“

Sydney schwieg. Sie lauschte seiner Stimme, sein Herzschlag pochte beruhigend gegen ihre Fingerspitzen.

„Als ich dich das erste Mal sah, sah wie du dich gegen mich wehrtest, dich auflehntest und allem, woran ich je geglaubt habe, widersetztest, da wusste ich bereits, dass ich dich nicht wieder gehen lassen könnte. Du bist die Auserwählte und es ist deine Bestimmung an meiner Seite zu sein.“ Er hielt kurz inne. „Jedoch ist es ebenso mein Schicksal an deiner Seite zu sein, Sydney. Ich kann nicht zulassen, dass du allein durch die Wälder reist, um deinen Vater zu besuchen. Nicht zu solchen Zeiten.“

Sydney seufzte – und verstand. Jetzt, da der neue Anführer der Na’kaan noch nicht bekannt war, konnte man sich nicht sicher fühlen. Hatte das Volk der Bakram zuvor wenigstens noch gewusst, wie der Herrscher der Feinde einzuschätzen war, so schien jetzt alles in der Schwebe zu sein. Als Frau alleine in einem Wald zu sein, konnte durchaus eine Gefahr für Leib und Leben bedeuten, erkannte sie. Sie holte Luft, eine Erwiderung lag ihr auf der Zunge, als er fortfuhr: „Ich werde mich mit Lan’tash darüber beraten.“

Er drückte Sydney einen Kuss auf die Stirn und schob sie von sich. Sein Daumen strich sanft über ihre Wange. Nach einem warmen Blick in ihre Augen wandte er sich ab und verließ den Raum, um sich ihres Problems anzunehmen.

Als Damian kurze Zeit später die Bibliothek betrat, saß Lan’tash hinter dem breiten Schreibtisch und kümmerte sich um seine Korrespondenz. Die Feder zitterte in seiner Hand, während er schrieb. Leise schloss Damian die Tür und wartete.

Die Sonne schien durch das große Fenster hinter seinem Mentor und beleuchtete die ausgedehnte Bücherfront an der Wand. Rücken an Rücken reihten sich die wertvollen Bände aneinander. Damian wusste, dass ihre Seiten zum Teil das alte Wissen längst vergangener Herrscher bargen. Die Aufzeichnungen früherer Generationen warteten zwischen den Dramen, Geschichten, Fabeln und Sagen seines Volkes. Es hatte eine Zeit in seinem Leben gegeben, da er sich mit derartigen Hinterlassenschaften auseinandersetzen musste.

Damals, er hatte gerade erst vom Tode seiner Eltern erfahren, hatte Lan’tash ihm aufgetragen, diese Bände zu lesen, zu studieren, und zu erfahren, was vorherige Herrscher zur Lage des Volkes zu sagen wussten. Ihre Worte prägten einen Teil seines Wesens, ging es Damian durch den Kopf, als Lan’tash die Feder beiseitelegte und aufsah.

„Ah, Damian“, begrüßte er seinen Nachfolger. „Wie geht es deiner Frau?“

„Gut, Herr“, entgegnete Damian und nahm auf dem schmalen Sofa Platz. Noch immer war es ihm ungewohnt, Lan’tash seinen Vater zu nennen. „Ich hoffe, ich störe nicht?“

„Ich freue mich stets, dich zu Gesicht zu bekommen, mein Junge.“ Lächelnd erhob Lan’tash sich, doch Damian bemerkte, wie er sein Gesicht verzog und seine Hand sich in seinen Rücken legte.

„Geht es Euch gut?“, fragte Damian besorgt. Lan’tash war ihm stets wie ein Vater gewesen und es betrübte ihn, dass sein Mentor nun gesundheitlich angeschlagen zu sein schien.

„Mein Sohn, du denkst zu viel nach.“

Die blauen Augen blitzten kurz amüsiert, als er sich erschöpft in den Sessel sinken ließ. „Mir geht es gut. Ich bin bloß ein alter Mann.“

Damian schwieg.

„Also“, begann Lan’tash einen Moment später. „Was führt dich zu mir?“

Damian griff nach dem Krug, der auf dem Tisch stand und schenkte ihnen beiden Wein ein. Er nahm einen tiefen Schluck. Als er den Becher abstellte, registrierte er, wie Lan’tash erstaunt die Brauen hob.

„Sie will ihren Vater sehen“, erklärte er ihm.

Stille streckte ihre Arme nach ihnen aus. Sie wussten beide, was Sydneys Wunsch bedeutete, hatte Kassandra – ihre Mutter und Lan’tashs einstige Liebe – doch ganz ähnlich gehandelt. Lan’tash verharrte einen Augenblick und betrachtete seine Handflächen. Ein Hustenanfall hinderte ihn an einer Antwort.

Damian wartete, doch seine Sorge wuchs. Nicht nur ihm war aufgefallen, dass Lan’tash immer häufiger die Bewältigung der Herrschaftsangelegenheiten ihm überließ. Und er war bei Weitem nicht der Erste, der darin ein Zeichen sah, dass sich der Gesundheitszustand des Herrschers der Bakram stetig verschlechterte. Zweimal war bereits ein Heiler bei seinem Mentor gewesen. Dies war ein schlechtes Omen und nicht nur er, Damian, bemerkte diese kleinen Veränderungen. Erst gestern war Madame Walsh, die Hauswirtschafterin und Köchin, dazu übergegangen, einen Korb vorzubereiten, der mit allerlei Kräutern und Salben gefüllt war.

Lan’tash ließ sich im Sessel zurücksinken. „Man kann ihr den Wunsch nicht verdenken.“

Damians Fingerknöchel knackten, als er mit der Hand seine linke Faust umschlang.

„Sie ist nicht Kassandra“, fuhr Lan’tash fort. „Was beunruhigt dich also?“

„Sie muss das Portal durchqueren, um ihn zu sehen.“

„Das Portal ist in der Tat ein mächtiges Werkzeug.“ Erneut hustete Lan’tash. „Die Unwissenden, die es wahrnehmen können, sterben bei Kontakt mit seiner Oberfläche. Ich verstehe deine Sorge. Die Erinnerung daran, wie Sydneys Mutter mir offenbarte, dass sie zurückzukehren wünsche, steht mir noch gut vor Augen.“ Ein nachdenklicher Ausdruck glitt über seine Züge. „Du kannst sie aber nicht daran hindern, wenn es ihr tiefster Herzenswunsch ist.“ Er blickte wissend. „Oder willst du sie erneut auf der Burg einsperren?“

Damian erhob sich. Er fühlte sich unwohl unter den kundigen Blicken des Herrschers. „Selbstverständlich nicht.“

„Glaube mir, Damian, wenn du sie begleiten würdest, würde ihr auch nichts geschehen, davon bin ich überzeugt. Weder ihr noch der Frucht, die sie möglicherweise bereits in sich trägt, würde etwas passieren. Du bist ein fähiger Krieger.“

Damian griff nach dem Becher und leerte ihn mit einem Zug, das Gefäß klirrte leise, als er es wieder abstellte. „Dann sei es so. Morgen reiten wir los.“

Am nächsten Morgen ließ sich Sydney nur zu gerne vor Damian auf seinem schwarzen Wallach Schara’k nieder. Die Vorfreude ließ ihre Züge strahlen und gute Laune flutete ihr Innerstes. Noch lag der Morgennebel über den Wäldern, aber die ersten Sonnenstrahlen bahnten sich schon ihren Weg durch das feuchte Grau. Als Sydney die kühle Luft einsog, lag bereits der herannahende Winter darin. Fröstelnd rieb sie sich die in Handschuhen steckenden Hände und lehnte sich dankbar gegen Damians breite Brust, damit dieser seinen Umhang um sie beide schlingen konnte.

„Ich hoffe, die Na’kaan sind klug genug, den Krieg auf das nächste Jahr zu verlegen, wenn die kälteste Zeit hinter uns liegt“, sagte er und lenkte Schara’k mit einem leichten Schenkeldruck zum Wald.

„Wer wird sie jetzt anführen?“, fragte Sydney. Sie hatte ein ungutes Gefühl, wenn sie an das feindliche Volk dachte. Ihre bisherigen Erfahrungen waren in der Hinsicht nicht eben fröhlicher Natur.

„Vermutlich wird es jemand sein, der sich im Kampf bewährt hat und dem das Volk vertraut.“

„Aber wer kann das sein?“, fragte sie. Noch waren ihr nur sehr wenige Na’kaan bekannt und selbst jene waren zum großen Teil bereits tot. Damian lenkte Schara’k auf einen Pfad, der sie zum Wald führen würde.

„Ich schätze, wir werden es bald erfahren. Erinnerst du dich noch an den Boten, der vor drei Tagen eingetroffen ist?“, erwiderte er und Sydney nickte. Tatsächlich erinnerte sie sich an einen schmächtigen Burschen, der Lan’tash zu sprechen wünschte. Damian hatte dieser Begegnung beigewohnt, aber sie, Sydney, war davon ausgeschlossen. Obwohl sie die Frau Damians, die Auserwählte, war, ließ man ihr nicht vieles durchgehen. Bald schon hatte sie bemerkt, dass Frauen in dieser Welt eher wenig zu sagen hatten. Der Mann hatte in allen möglichen Dingen das letzte Wort. Seine Frau war häufig nur schmückendes Beiwerk, das es verstand, sich um ihn zu sorgen.

Jetzt war jedoch ihre Neugier entfacht. Bisher hatten sie nicht viel Zeit gehabt, über diese Begegnung zu sprechen, und wenn sie Zeit miteinander hatten, so hatte Sydney es häufig schlichtweg vergessen, danach zu fragen. „Was wollte er?“

„Er sollte ein Treffen vereinbaren. Der neue Herrscher der Na’kaan will uns seine Aufwartung machen.“

Sydney schluckte. „Du meinst, sie kommen hierher?“, fragte sie unsicher. Der Gedanke, Anhänger des feindlichen Volkes hier auf der Burg zu haben, machte sie nervös.

„Es werden nicht viele kommen“, erklärte Damian. „Dieses Treffen dient einzig der Bekanntmachung von Corins Nachfolger. Vermutlich wird es ein kleiner Trupp sein, nicht mehr wie zwanzig Leute zu seinem Schutz.“

„Zwanzig Leute!“

Die Zahl erschreckte Sydney. Ein Na’kaan erschien ihr schon zu viel. Sie dachte an den schäbigen Pete, den sadistisch-wahnsinnigen Corin, und fröstelte unwillkürlich.

„Sei unbesorgt“, versuchte Damian ihre Aufregung zu lindern. „Sie bleiben bloß wenige Tage, kaum länger als eine Woche. Sie kommen nach der Jahreswende. Die meiste Zeit werden sie sich vermutlich zurückziehen, damit Lan’tash mit dem neuen Herrscher sprechen kann.“

„Worüber denn?“

„Vermutlich werden sie die Bedingungen eines Waffenstillstands aushandeln.“

Sydney runzelte die Stirn. War der Krieg schon so nah, so bedrohlich? „Kann man ihnen denn vertrauen, wenn sie sich auf der Burg aufhalten?“, fragte sie.

Damian schwieg einen kurzen Moment, in dem sie den Waldrand erreichten. Das buntgefärbte Blattwerk verschluckte sie und Sydney empfand diese plötzliche Düsternis als bedrückend. Kaum ein Sonnenstrahl drang durch das Laub, das noch immer zahlreich in den Bäumen hing.

„Vertrauen kann man ihnen wohl kaum“, erwiderte Damian schließlich. „Die Zahl der Wachen wird erhöht. Sie werden verstärkt patrouillieren und die Augen aufhalten. Jedes Anzeichen von feindlicher Aktivität wird augenblicklich gemeldet und im Keim erstickt. Du siehst“, schloss er, „von Vertrauen kann keine Rede sein. Jeder auf der Burg hat den Befehl, erhöhte Wachsamkeit walten zu lassen.“

Seine Worte beruhigten sie ein wenig, sie nahm ihre Umgebung genauer in Augenschein und erkannte, dass sie nicht auf dem ihr vertrauten Weg ritten.

„Wohin reiten wir?“

„Nach Nakram, meine Liebe.“

Sydney wandte sich halb zu ihm um. „Wozu denn das?“

Damian hob lässig einen Mundwinkel. „Natürlich, um dir den harten, schmutzigen Waldboden bei den kühlen Temperaturen zu ersparen“, erklärte er ihr, und der Griff um ihre Taille wurde fester. Sydney wandte den Blick nach vorne. Dicht an ihrem Ohr murmelte Damian: „Oder hat dir diese Art des Reisens womöglich mehr zugesagt, als ich vermutete?“ Seine Hand strich sanft über die Rundung ihrer Hüfte, eine Wärme keimte zwischen ihnen beiden auf, und etwas atemlos erwiderte Sydney: „Sei nicht albern…“

Ihre Worte verhallten zwischen den Bäumen, als Damian sie dichter an sich presste und sein Atem ihren Hals kitzelte. „Ich glaube“, schnurrte er, „wir beide werden so oder so noch eine Menge Spaß miteinander haben, meine Liebe.“

Sydney grinste. Tatsächlich liebte sie diesen Mann – ungeachtet der Art ihres Kennenlernens und der Hintergründe, die dazu geführt hatten. Sie liebte seine raue Männlichkeit und die natürliche Arroganz, die ihn wie eine zarte Aura umgab. Sie liebte das sanfte Schnurren seiner tiefen Stimme und die intensive Glut, die ihr mit jedem Blick entgegenschlug. Kurz fragte sie sich, ob er ihr dieselben Gefühle entgegenbrachte, oder ob es ihm tatsächlich bloß um die Erfüllung der Prophezeiung und demnach um das Kind ging, das sie in Zukunft gebären sollte.

Die Sonne stand im Zenit, als Damian Schara’k zügelte. Die Luft hatte sich erwärmt und Sydney fror nicht mehr.

„Es ist Zeit für eine kurze Pause“, erklärte Damian ihr und stieg behände aus dem Sattel. Er hob die Arme und half ihr beim Heruntersteigen. Sie stand kaum auf ihren eigenen Füßen, als Damian näher herantrat. Unwillkürlich schluckte sie, eine plötzliche Trockenheit hatte ihre Kehle befallen.

Sydney blickte ihren Mann an, in dessen Augen sie den Hunger aufflackern sah. Einzelne Strähnen seines dunklen Haares wiedersetzten sich dem Band in seinem Nacken und wehten ihm ums markante Gesicht. Der dunkle Umhang verlieh ihm eine gewisse Ähnlichkeit mitBatman, schoss es Sydney durch den Kopf.

Leise kicherte sie bei dem Vergleich, als Damian sie erreichte und seine Arme um ihre Mitte schlang. Schon lagen seine Lippen auf ihren, und Sydney erwiderte seinen Kuss inbrünstig. So war es jedes Mal zwischen ihnen, dachte sie vage. Ihr gegenseitiges Verlangen verzehrte sie beide und ihre Liebe zueinander trieb sie unaufhaltsam aufeinander zu wie die entgegengesetzten Pole eines Magneten. Es war unmöglich, sich dem entziehen zu wollen. Dieser Mann beherrschte sie auf eine Weise, die sie zugleich ängstigte und in eine Aufregung versetzte, deren Intensität mehr als nur beunruhigend war.

Damian war ihr Mann, doch noch immer hörte sie die leise Stimme des Zweifels in ihrem Innern. Sie misstraute an manchen Tagen ihren eigenen Gefühlen und Damians Absichten. Auf der anderen Seite dagegen sehnte sie sich auf einer erschreckend substantiellen Ebene danach, ihm nahe zu sein. Ihre ganze Beziehung fußte auf einer Prophezeiung, ihre ganze Nähe zueinander war so schnell so intensiv geworden, dass Sydney kaum dazu kam, Luft zu holen.

Ihre Gedanken unterbrechend, raunte Damian: „Du bist mein Herz, meine Liebe und mein Leben.“ Sydney ging unweigerlich das Herz auf. „Die Prophezeiung war nur dazu bestimmt, uns beide zusammenzuführen.“ Sein Griff in ihrem Haar festigte sich. „Du bist meine Bestimmung und ich die deine.“ Er küsste sie innig und liebevoll, jeder Kuss die Verheißung weiteren Glückes, entlockte ihr ein leises Seufzen, ein Stöhnen, und er stützte ihren Körper, der mit einem Mal weich und nachgiebig wie flüssiges Wachs in seinen Händen lag. Sydney hielt ihre Augen geschlossen und schien aus nichts weiter zu bestehen, als aus Gefühl. Hungrig drängte sie sich an ihn, ihre Hände glitten vertraut unter seinen Umhang, erspürten die harten Muskeln unter den Stoffen, als Damian sich langsam zurückzog.

Er löste sich von ihr, nahm sie bei den Händen und blickte sie mit einem Ausdruck der Überraschung an. Jedes Lächeln war nicht mehr, als ein Schatten auf seinem Gesicht. Er richtete seinen Blick über ihren Kopf hinweg auf die Bäume hinter ihr und Sydney fühlte sich an einen anderen Tag, einer anderen Zeit erinnert.

Als sie Richard, Damians loyalsten und ältesten Freund, zum ersten Mal begegnet war, hatte Damian sie küssen wollen, wurde durch Richards unerwartetes Auftauchen jedoch davon abgehalten. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch flatterten lebhaft umher, als sie an die starke Spannung dachte, die zwischen Damian und ihr in dem Augenblick aufgetreten war.

„Was ist los?“, fragte sie ihn und musste sich räuspern, um die erregte Heiserkeit aus ihrer Stimme zu verbannen. Beruhigend strich er ihr über die Wange.

„Ich meinte, etwas gehört zu haben.“ Er zuckte mit den Schultern. „Vermutlich war es nur der Wind, der durch die Blätter fuhr.“ Er lächelte wieder, doch Sydney sah, dass es seine Augen nicht erreichte. Angst befiel sie. „Mach’ dir keine Sorgen“, versuchte er sie zu beruhigen, doch sein Blick glitt immer wieder zurück zu den Bäumen. „Wir sollten weiterreiten.“ Sie traten zurück zu Schara’k und nervös blickte Sydney sich um. War es wirklich bloß der Wind?

Sie wusste, Damian war ein fähiger, kampferprobter Krieger. Sie hatte seit sie ihn kannte noch nicht erlebt, dass sein Gefühl ihn je getrogen hätte. Er stand neben ihr und hatte den Blick noch immer auf die umliegenden Bäume gerichtet, als sie sich anspannte, um auf das Pferd zu steigen. Schara’k schnaubte unruhig, seine Ohren drehten sich nervös, als Sydney es hörte. Ihr blieb keine Zeit mehr. Ein Ruck ging durch ihren Körper und raubte ihr den Atem, als sie zu Boden gezerrt wurde. Die Welt um sie herum verschwamm zu einem einzigen Chaos.

Es waren Männer, mehrere Männer, erkannte sie.

Damian hielt bereits seinen Dolch gezückt – das Schwert hing unbeachtet in der Scheide am Sattel – und streckte seinen Angreifern die Klinge entgegen. Sydney zählte insgesamt sechs, eine ganze Bande also. Drei von ihnen, deren Kleidung und Aussehen sie bestenfalls als Landstreicher klassifizierte, hatten Damian bereits eingekesselt, als man sie vom Pferd zurückgezogen hatte.

„Wen ham’wa denn hier?“, zischte der Mann zu ihrer Linken. Sydney sah, wie Damian herumwirbelte, um sie zu beschützen, doch noch ehe er etwas unternehmen konnte, packten ihn die Männer von hinten, entwanden ihm den Dolch und hielten ihn zurück.

„Lasst sie los!“, forderte er mit einem tiefen, bedrohlichen Knurren, das Sydney die Nackenhaare aufstellte. Der Sprecher der Bande, ein grobschlächtiger Kerl mit kaum Haaren auf dem runden Schädel, grinste breit und entblößte dabei schwarze Stummel, die wohl einmal seine Zähne gewesen waren.

„Aber, aber“, mahnte er. „Ihr bekommt sie ja zurück, keine Bange!“ Sein Grinsen vertiefte sich, Furcht schnürte Sydney die Kehle zu. Der Fremde trat auf sie zu und griff nach einer Strähne ihres Haares.

„Ah, welch liebreizender Duft“, schwärmte er und warf Damian einen gehässigen Blick zu. Die Männer um sie herum lachten und leckten sich gierig über die Lippen. Sydney meinte fast, sie spüren zu können, ihre Blicke, die ihren Körper abtasteten wie die widerlichen Fühler eines Insekts. In den Augen ihrer Angreifer schimmerte unverhohlene Erregung und Sydney starrte sie angewidert an. Zugleich stieß Damian ein beängstigendes Knurren aus und donnerte seinen Schädel gegen den zu seiner Rechten. Es krachte und der Mann heulte auf vor Schmerz. Er lockerte seinen Griff, während der Sprecher der Bande unlängst an seiner Hose nestelte. Sein stinkender Atem – eine Mischung aus Alkohol und üblem Mundgeruch – stieg Sydney unerträglich in die Nase.

Sie würgte, als der Mann ihr einen Schlag ins Gesicht versetzte. Ihre linke Gesichtshälfte brannte, sie schmeckte Blut und der Schmerz benebelte kurz ihre Sinne; sie hatte sich auf die Zunge gebissen.

„Haltet sie gut fest, Jungs!“, ermahnte der Kerl seine Kumpane, die erwartungsfroh kicherten und Sydney herumdrehten, sodass ihre Kehrseite dem Anführer zugewandt war.

Wie verrückt zog und zerrte Sydney an ihren Armen, trat um sich, versuchte, sich loszureißen, doch der feste Griff der schmutzigen Klauen bohrte sich in ihre zarte Haut. Als man sie auf die Knie niederdrückte, stieß sie ein Schluchzen aus.

„Damian!“, rief sie in ihrer Hilflosigkeit, provozierte damit jedoch nur eine neuerliche Lachsalve der Angreifer.

„Ruf nur so viel zu willst, Kleine, mich stört das nicht“, sagte der Sprecher. Sydney spürte, wie der Mann ihre Knie auseinanderdrängte, sich dazwischenschob und sich an ihrem Rock zu schaffen machte. Heulend wand sie sich, als sich seine Hände auf die Rundung ihres Gesäßes legten. Er war zu stark für sie!

Obwohl Sydney sich hin und her warf, kämpfte wie eine Löwin, um dem grausamen Übergriff zu entgehen, waren die Männer zu stark für sie. Wieder einmal verfluchte sie die Schwäche ihrer Weiblichkeit.

Plötzlich löste sich der unangenehme Druck auf ihrer Haut. Sie hob den Kopf, Strähnen ihres Haares durchkreuzten ihr Blickfeld, und sie sah, wie Damian ihren Angreifer mit einem gezielten Faustschlag niederstreckte. Der Griff um ihre Arme löste sich mit einem Mal und erschöpft ließ sie sie sinken. Nur am Rande bemerkte sie die wilde Flucht der Männer.

Der Anführer der Bande hielt sich die Hand vor die Nase und starrte entsetzt das hinauslaufende Blut an. Er hob die Hände in die Höhe und Damian entgegen. Dieser packte ihn ungehalten am Kragen, zerrte ihn auf die Füße und knurrte: „Du wirst nie wieder jemanden anrühren, weder die Auserwählte, noch sonst wen.“

Der Blick des Mannes flackerte kurz bei der Erwähnung der Auserwählten, dann jedoch nickte er mit weit aufgerissenen Augen. Damian löste seinen Griff. Er hatte zwischenzeitlich seinen Dolch wieder an sich genommen und zückte nun die Klinge. Sydney hielt den Atem an, nicht fähig den Blick abzuwenden. Eine rasche Bewegung des Armes, das kurze Aufblitzen der Klinge, und der Mann taumelte zurück. Ein letztes Gurgeln entfloh seiner Kehle und er sackte zu Boden. Ungläubig glitten seine Hände an den Hals, aus dem nun das Blut sprudelte.

Noch immer konnte Sydney den Blick nicht abwenden. Sie starrte ihn an, beobachtete, wie das helle Rot seinen Hals tränkte, ehe es im Erdboden versickerte. Sie hörte nicht, was Damian sagte.

Er trat neben sie, kniete sich hin und zog sie sanft an sich, zwang sie, den Blick vom Grauen abzuwenden. Sie atmete seinen Geruch ein, spürte seinen Herzschlag an ihrem Ohr, hörte ihn, und holte zitternd Luft. Erst jetzt hörte sie, was er sagte.

„Schscht…“, flüsterte er an ihrem Scheitel. „Bist du unversehrt?“, wollte er wissen.

War sie es? Sydney wusste es nicht, dennoch nickte sie schwach. Sie zitterte nun am ganzen Leib. Ihr war kalt. Das Bild des Mannes, dessen Leben einfach so aus dem unnatürlichen Spalt in seiner Kehle heraus sickerte, brannte sich in ihr Gedächtnis. Damian hatte ihn umgebracht.

Damian, gottverdammt!

Eine Erinnerung blitzte vor ihrem inneren Auge auf. Etwas, das sie bislang erfolgreich verdrängt hatte. Corin, der mit einem aufgebrachten Mann zuerst diskutierte und dann zuließ, dass sein Kumpan Pete dem Mann einen tödlichen Hieb mit dem Schwert verpasste. Das Blut hatte die Erde unter ihm ebenso getränkt wie das Blut dieses Mannes sie jetzt tränkte.

Sydney hörte ihren eigenen Herzschlag in ihren Schläfen pochen, blickte kurz zu Damian auf. Sein Gesicht lag im Schatten und sie zuckte zusammen. Der Zug um seine Mundwinkel… der gerade Rücken seiner Nase… Etwas in ihrem Innern wollte ihn von sich stoßen, wollte nicht länger in den Armen eines Mannes liegen, der mit einer einzigen, fließenden Bewegung ein Leben auszulöschen vermochte. Die Ähnlichkeit mit seinem Halbbruder Corin war mit einem Mal so deutlich, dass ihr der Schrei in der Kehle stecken blieb. Entsetzt starrte sie ihn an, spürte vage, wie sich seine Hände um ihre Arme schlossen. Ihr Herz raste, Schweiß brach ihr aus.

„Was ist los?“, murmelte Damian. Seine Stirn lag in tiefen Sorgenfalten, doch Sydney hatte genug gesehen. Sie folgte ihrem Impuls, ihn fortzustoßen, doch Damian ließ sie nicht los. „Sydney, was ist in dich gefahren?“ Heftig schluchzend wand sie sich.

„Du hast ihn ermordet!“, klagte sie ihn an.

Damian zog sie rasch an sich, schlang seine Arme um sie, barg ihren sich aufbäumenden Körper an seiner Brust. Er schwieg, presste sie ausschließlich an sich, und nach einer Weile – die Sonne berührte bereits die Baumwipfel und der Wind frischte auf – kam Sydney zur Ruhe. Sie wehrte sich nicht länger, lag stumm und still in seinen Armen.

„Ich hatte keine Wahl“, flüsterte er und Sydney erstarrte beim Klang seiner Stimme. Sie wusste, er hatte recht. Er musste es tun, sonst hätte der Mann es wieder versucht. Sie schauerte beim Gedanken daran, dass Damian und Corin sich ähneln konnten – und blieb in seinen Armen liegen.

Sie drängte sich bewusst eng an ihn, schlang ihre Arme um seinen Hals und genoss die Erleichterung, die durch jede Faser ihres Körpers strömte, das Absinken des Adrenalins in ihrem Blut. Damians Hände strichen ihr zärtlich über den Rücken und hinterließen ein Gefühl der Wärme in ihrem Innern.

Damian war an ihrer Seite, er beschützte sie.

Damian war es, nicht Corin.

Dankbarkeit wallte in ihr hoch und ein Gefühl der Sicherheit rauschte durch ihre Empfindungen. Als der Schock langsam, ganz langsam nur, nachließ, hob sie erneut den Blick zu ihm. „Ich liebe dich, weißt du“, sagte sie und beobachtete, wie Damian sie warm anlächelte. Aus seinen Zügen sprach die Liebe zu ihr, nicht die kalte Rachsucht, die sie bei Corin wahrgenommen hatte. „Ich liebe dich ebenso, mein Herz“, erwiderte er und küsste sie zart.

Als sie ohne weitere Zwischenfälle am frühen Abend Nakram erreichten, ritten sie zielgerichtet auf das kleine Wirtshaus zu.

Lautes Stimmengewirr hallte ihnen entgegen. Damian stieß die Tür auf und ließ Sydney zuerst eintreten. Das Haus war gut besucht. Nur wenige Plätze waren noch frei und die wenigen Frauen, die Sydney ausmachen konnte, servierten das Essen und versuchten dabei nicht das Gleichgewicht zu verlieren, wenn mal wieder einer der Gäste beherzt zugriff. Die Luft war geschwängert von dem Geruch der Männer, dem Alkohol, den sie tranken und dem Essen, das vor ihnen auf den Tischen stand. Wortfetzen drangen Sydney ans Ohr, darunter ganz eindeutig „Na’kaan“, „Hexen“ und „Zukunft“. Gerade als Sydney sich einen Reim darauf zu machen versuchte, erhob sich ein Mann und stellte sich auf seinen Stuhl. Er hob den Becher. „Lasst uns siegen!“, rief er und begeisterter Jubel brandete auf.

Damian bahnte ihnen einen Weg durch die Menschen und der Lärm ebbte ab, die Gespräche verstummten. Unzählige Blicke hefteten sich auf sie. Zuerst auf Damian, dann auf Sydney. Man wusste bereits, wer die Frau an Damian Ramseys Seite war. Nachrichten verbreiteten sich schnell in dieser Region.

Damian legte ihr eine Hand auf den Rücken und schob sich mit ihr durch die staunende Menge auf die Bar zu. Der Wirt, ein kleiner, untersetzter Mann mit Narben auf den Wangen, warf ihnen einen Blick zu.

„Wir brauchen ein Zimmer für die Nacht“, hallte Damians tiefe Stimme durch den Schankraum. Sydney konnte einzelne Männer hinter sich murmeln hören.

„Bedaure, Sir, aber is’ keins frei“, erwiderte der Mann. Sein Blick war ehrfürchtig auf sie gerichtet. Damian lehnte sich vor und lächelte. In seiner Hand klimperten Münzen.

„Ich denke, Ihr werdet für die Auserwählten ein hübsches Plätzchen finden“, sagte er und ließ die Münzen zum Bezahlen auf die Theke fallen. Der Wirt warf einen kurzen – berechnenden – Blick darauf. Er leckte sich über die Lippe und schien kurz nachzudenken. Damian wartete geduldig. Schließlich seufzte der Mann, klaubte das Geld zusammen und sagte: „Sehr wohl, mein Herr. Mandara zeigt Euch und Eurer Frau den Weg.“ Er winkte einer älteren Frau, die schlurfend herantrat. „Gib ihnen das große Zimmer“, instruierte er.

„Habt Dank“, meinte Damian und griff nach Sydneys Hand. Gemeinsam folgten sie Mandara, die langsam die knarrende Hintertreppe hinaufstieg. Sie öffnete ihnen die Tür zu einem Zimmer am Ende des Ganges. Für ein Gasthaus war es wohl als groß zu bezeichnen, doch für Sydney erschien es kaum größer, als ihr altes Kinderzimmer im Haus ihrer Eltern. Das Bett war weder besonders breit, noch besonders bequem, stellte sie fest, als sie keine zwei Minuten später darauf saß und mit dem Rücken an der hölzernen Wand lehnte. Sie unterdrückte ein Gähnen.

„Du solltest dich ausruhen“, sagte Damian und ging zur Tür.

„Was hast du vor?“

„Ich werde uns etwas zu essen besorgen und mich umhören, was die Lage im Land betrifft.“ Mit drei langen Sätzen war er bei ihr und küsste sie erneut. „Ich bin bald zurück“, raunte er und strich ihr über die Wange.

Sydney nickte. Sie fühlte sich tatsächlich müde. Jetzt, wo sie ein Bett unter sich spürte, fiel es ihr schwer, die Augen offenzuhalten. Das leise Klicken der Tür war das letzte Geräusch, das sie wahrnahm.

2. Zuhause

Sie erreichten das Portal zwei Tage später. Schara’k schnaubte. Der Wallach, sonst eher ruhig und genügsam, blähte die Nüstern und tänzelte unruhig umher, je näher sie dem magischen Durchgang kamen. Jeder würde nervös werden in Anwesenheit einer solch übernatürlichen Macht, ging es Sydney durch den Kopf.

Sie strich dem Tier beruhigend über den Hals. Längst war die anfängliche Furcht, die sie beim Anblick dieses riesigen Pferdes verspürt hatte, vergessen.

Ruhig trieb Damian Schara’k näher an den Schleier heran, der vor ihnen zwischen den Bäumen aufragte und sich irgendwo weit über ihnen verlor. Sydney schluckte beim Anblick dieses silbrigen Schimmers, dieser durchlässigen Wand, die kaum jemand wahrnahm – gleichgültig welcher Welt derjenige angehörte.

„Bist du bereit?“, fragte Damian und sie nickte. Die Zügel straffer nehmend, führte er das Pferd auf das Portal zu.

Das Gefühl in eiskaltes Wasser zu tauchen, ließ sie sich schütteln, als sie hindurch ritten. Es drang ihr bis ins Mark und fröstelnd rieb Sydney sich die Arme. Sie spürte, wie Damian hinter ihr schauerte und wie ein kräftiges Zittern Schara’ks Körper durchlief.

Obwohl sie erst ein einziges Mal hindurch gegangen war und dieser einzelne, lange Schritt nicht länger als wenige Sekunde dauerte, war das Empfinden dennoch genau gleich.

„Wo willst du Schara’k lassen?“, fragte sie, als sie die Hütte sah, aus der Damian sie vor gerade einmal einem Monat verschleppt hatte.

„Erzähltest du nicht, euer Haus habe einen Garten?“

Das hatte sie tatsächlich. In diesem einen Monat hatte sie ihm einige Dinge aus ihrer Welt erzählt, so auch, dass hinter dem Haus ihrer Eltern ein Garten war. Dieser Garten war eigentlich bloß ein Stück Wiese, doch für Schara’k sollte es wohl tatsächlich genügen.

Sie ritten an der einsamen Hütte vorüber und betraten den ausgetretenen Pfad, den sie einst mit Jack beschritten hatte. Eine vage Unruhe stieg in Sydney auf, beim Gedanken daran, ihren Vater schon sehr bald wiederzusehen. Das Haus befand sich nur wenige Querstraßen von dem Waldweg entfernt. Als sie den Weg nach etwa dreißig Minuten verließen und den asphaltierten Bürgersteig betraten, warf Sydney Damian einen Blick zu. Wusste er, wie nervös und aufgekratzt sie sich fühlte? Nein. Er nahm kaum Notiz von ihr. Stattdessen richtete sich sein Blick auf alles Fremdartige, das ihren Weg kreuzte.

So beobachtete Sydney nicht ohne Vergnügen, wie ihr Mann sich plötzlich aus dem Sattel schwang und niederkniete, um den dunklen Asphalt berühren zu können. Auch Schara’k war nervös. Nur zögernd setzte er einen Huf vor den anderen.

Plötzlich zuckte Damians Kopf hoch. Seine Hand fuhr zum Griff seines Dolches, als sich ihnen ein Lastwagen unter lautem Getöse näherte. Schara’k tänzelte unruhig unter ihr.

„Damian…“, sprach sie ihn an und Damian wandte sich zu ihr um. Er sah die aufsteigende Panik seines Pferdes und griff nach dem Halfter.

„Ruhig…ganz ruhig…“, sprach er ihm gut zu. Der Lastwagen donnerte vorbei und Damian zuckte unwillkürlich zusammen. Sydney kicherte leise. „Es ist nur ein Lastwagen“, erklärte sie ihm. „Ein Transportmittel. Mehr nicht.“ Sie stieg aus dem Sattel und ging voran.

„Kommst du?“, fragte sie ihn nach einigen Metern und ihre grünen Augen funkelten amüsiert im strahlenden Sonnenschein.

Damian kratzte sich verlegen am Kopf. „Ich schätze, deine Welt ist fremder, als ich es erwartet habe“, murmelte er und trat neben sie. Schara’k schnaubte hinter ihnen zustimmend.

„Ist deine Welt immer so laut?“, fragte er.

„Du wirst dich daran gewöhnen“, erwiderte Sydney lächelnd. „Das Haus ist bereits da vorne.“ Sie deutete auf ein zweistöckiges Gebäude, das getrennt von den Nachbarhäusern stand.

Damian nickte, musterte zugleich jedoch misstrauisch den hoch aufragenden Mast einer Straßenlaterne. Die wenigen Menschen, die ihnen begegneten, warfen ihnen neugierige Blicke zu, und Sydney konnte sie verstehen. Wie oft lief einem schon ein Paar, das gekleidet war, als wäre es einem Theaterstück entsprungen, und das zum anderen ein Pferd mit sich führte, über den Weg?

Das Haus ihrer Familie sah dagegen aus wie eh und je. Die weiße Fassade leuchtete makellos im Licht und Vorfreude, gepaart mit Aufregung, bemächtigte sich Sydney. Sie räusperte sich unentwegt, ihre Handflächen fühlten sich unangenehm feucht an und, ja, ihre Beine zitterten sogar! So nervös hatte sie sich nicht einmal bei ihrem Bewerbungsgespräch für die Einschreibung an der Universität gefühlt.

Die drei Treppenstufen zur Veranda knarrten leise, als sie zur Tür trat. Damian blieb auf dem kurzen, gepflasterten Weg vor ihrem Haus neben Schara’k stehen. Dieser schien mittlerweile gänzlich unbeeindruckt von dieser Welt und reckte bereits den Hals, um ein Grasbüschel, das unter dem Zaun wuchs, zu erreichen.

Ein Gefühl der Beklommenheit erfasste Sydney, je länger sie hier auf der schmalen Veranda stand. Plötzliche Unsicherheit hinderte sie daran, die Hand zu heben, um zu klingeln. Wie würde man sie erwarten? Angst, dass ihr Vater sie womöglich fortschicken könnte, weil sie so vollkommen unerwartet verschwunden war und nun erst wieder auftauchte, erfasste sie. Sie stand noch immer unschlüssig vor der weiß lackierten Tür, als diese geöffnet wurde.

Verblüfft starrte sie ihren Vater an. Er hatte nicht mit ihr gerechnet. Jede Farbe wich aus seinem Gesicht und seine Augen weiteten sich bei ihrem Anblick, bevor sie tränenfeucht schimmerten.

„Hi, Dad“, begrüßte sie ihn zögernd.

„Sydney!“, rief er und schloss kurzerhand seine Arme um sie. Seine Stimme klang heiser, rau und von der Kraft seiner Emotionen erstickt. Und ganz plötzlich waren jeder Zweifel, jede Angst und jede Sorge wie weggewischt. Sydney erwiderte seine Umarmung und Tränen der Freude traten ihr in die Augen. „Ich hab’ dich vermisst“, flüsterte sie und drückte ihn noch fester an sich.

Es dauerte einen langen Augenblick, ehe sie sich voneinander lösten, ganz so, als hätten sie Sorge, den anderen erneut aus den Augen zu verlieren.

Paul Abernathys Blick glitt an ihrer Gestalt entlang, registrierte mit einem Stirnrunzeln ihre Kleidung und sah schließlich an ihr vorbei zu Damian. Sein Stirnrunzeln vertiefte sich.

„Gehört der Kerl da zu dir?“, fragte er und Sydney hörte den Marinegeneral heraus. Ein wenig wand sie sich unter dem stählernen Grau seiner Augen. Sie und Damian hatten sich noch nicht geeinigt, was sie ihm erzählen wollten. Jede Erklärung klang völlig abstrus.

„Kann Damian sein Pferd kurz hinters Haus bringen?“, fragte sie stattdessen leise.

Erneut blickte ihr Vater zu Damian rüber, musterte erst ihn, dann das Pferd, ehe er knapp nickte.

„Danke.“

Sydney trat zu Damian und bedeutete ihm, ihr zu folgen. Sie spürte deutlich, wie der überraschte, verblüffte und ergriffene Blick ihres Vaters ihnen folgte.

Als sie zurückkamen, stand die Haustür einladend offen. Sie traten ein. Paul hatte ihren kurzen Moment der Abwesenheit genutzt und die Wucht der Emotionen niedergekämpft, die ihn wie ein Schlag erwischt hatten. Äußerlich gelassen – einzig ein vages Zittern seiner Hände verriet ihn – kam er ihnen aus der Küche entgegen, in jeder Hand ein Glas Wasser.

„Kommt herein und setzt euch!“, forderte er sie beide auf. Sydney entging der Blick nicht, mit dem ihr Vater Damians Gestalt maß, dessen Körpergröße den kompletten Türrahmen ausfüllte. „Vielleicht möchtest du mir dabei auch erklären, wer dieser Mann ist?“, sprach ihr Vater weiter.

„Sir, wenn Ihr erlaubt!“ Damian wandte sich Paul zu und neigte respektvoll den Kopf. „Mein Name ist Damian Ramsey“, begann er. „Ich bin baldiger Herrscher des Volkes der Bakram und Eure Tochter ist meine Frau.“

Sydneys Wangen röteten sich – sie spürte die Wärme bereits ihren Hals hinaufkriechen – und lächelte ihren Vater verkrampft an. Es gefiel ihr absolut nicht, dass Damian ihren Erklärungen derart vorweggriff. Das Wasser in den Gläsern schwappte gefährlich, als sich das Zittern von Pauls Händen verstärkte.

Sydney schob sich an Damian vorbei und nahm sie ihrem Vater vorsichtig ab. Ohne ihm in die Augen zu sehen, flüsterte sie: „Ich glaube, es ist besser, du setzt dich erst einmal.“

Wie sollte sie die Situation erklären? Wo sollte sie beginnen? Wokonntesie beginnen?

„Wovon redet er, Sydney?“, krächzte Paul und verharrte an Ort und Stelle. „Was soll das heißen, du bist seine Frau?“

Sie fühlte sich ohne Zweifel der Panik nahe; so hatte sie sich das Ganze nicht vorgestellt. Sie wollte ihren Vater nicht unnötig aufregen. Sie wollte ihm die ganze Geschichte, so verrückt sie sich auch anhören mochte, schonend beibringen. Sie wollte sein Verständnis, nicht schockiertes Entsetzen.

„Wo bist du gewesen?“, verlangte Paul von seiner Tochter zu wissen und Sydney erkannte sehr wohl den strengen Ton ihres Vaters, wenn sie ihn hörte. Der stille Vorwurf, der seiner Stimme mitschwang, verunsicherte sie. Jetzt war sie diejenige, deren Hände unkontrolliert zu zittern begannen. Die Gewissheit, dass ihr Vater die Geschichte wohl kaum glauben würde, übermannte sie, als Damian neben sie trat. Sie sah zu ihm auf und ließ sich von ihm ins nächstgelegene Zimmer, fort aus dem Eingangsbereich und hinein ins Wohnzimmer, begleiten. „Du wirst mir kaum glauben…“, begann sie und nahm auf der Kante des Sofas Platz.

Sie erzählte ihrem Vater, was geschehen war. Erzählte, wie Damian sie entführte, was Paul mit einem entsetzten und durchaus feindseligen Blick auf Damian quittierte. Sie erzählte von der eher zufälligen Entdeckung des Portals und von der Prophezeiung, erklärte, wie es zur Hochzeit gekommen war und wie Jack sie schließlich gefunden hatte. Auch Corin und Diana, sowie die magische Wirkung der Halskette ihrer Mutter, die sie in größter Not geschützt und somit das Leben gerettet hatte, erwähnte sie.

Nichts ließ sie aus, keine Begebenheit blieb unerwähnt, einzig und allein ihre Gefühle gegenüber Damian verschwieg sie. Sie verstummte und griff nach dem Wasser. Ihre Kehle war vollkommen trocken und es dämmerte bereits. Unsicher sah sie ihren Vater an. Dieser hatte sich zwischenzeitlich nun doch in den Sessel sinken lassen und fuhr sich erschöpft durchs Gesicht. Dann hob sich sein Mundwinkel. Er grinste unsicher und seine grauen Augen fixierten sie.

„Du willst mir allen Ernstes erzählen, das sei die Wahrheit?“ Er lachte nervös und Sydney las die Verwirrung in seinen Augen. „Und Sie“, sprach er Damian an. „Glauben Sie das etwa auch?“

Ruhig erwiderte Damian seinen Blick, kein Muskel regte sich. „Ich kann verstehen, dass es Euch schwerfallen mag, dieser Erzählung Glauben zu schenken“, sagte er und Paul schnaubte kurz. „Wäre sie meine Tochter, so würde ich es vermutlich als Störung ihres Geistes ansehen.“

Sydney beobachtete unverwandt ihren Vater, der vollkommen regungslos zuhörte. Damian fuhr fort: „Tatsache ist jedoch, diese Frau ist meine Frau. Sie trat in mein Leben, weil es ihre Bestimmung ist – ganz gleich, was Ihr oder sonst irgendjemand glauben mag, Sir.“

Paul schwieg. Er betrachtete Damian mit einer Eindringlichkeit, die Sydney nervös werden ließ und die sie sonst nur aus seiner Zeit als General kannte.

„Warum habe ich dich nicht schon früher zu Gesicht bekommen? Warum erst jetzt? Nach einem Monat?“, fragte er sie und Sydney gab zu, die Frage war berechtigt. Warum war sie nicht vorher gekommen? Was sollte und was konnte sie zu ihrer Verteidigung vorbringen?

„Na ja…“, begann sie träge.

„Ich fürchte, dafür bin ich verantwortlich“, fiel Damian ihr ins Wort. „Ihr habt die Geschichte der Prophezeiung gehört, Sir. Eure Tochter ist dazu bestimmt an meiner Seite, in meiner Welt, das Kind zu gebären. Das Schicksal meiner Welt hängt einzig und allein von ihr ab.“ Er zögerte kurz. „Ich konnte nicht zulassen, dass sie geht.“

Paul schwieg einen Moment. Dann seufzte er, schüttelte den Kopf und sagte: „Ich bin mir absolut nicht sicher, ob ich euch zwei richtig verstanden habe.“ Seine Züge waren gezeichnet von Verwirrung, Unglaube und völliger Erschöpfung. Nichtsdestotrotz blickten seine Augen unnachgiebig, als er fortfuhr: „Jetzt, da du wieder zu Hause bist“ – Sein Blick schweifte zu Sydney, musterte erneut ihre Kleidung – „ist dir hoffentlich klar, dass ich als dein Vater nicht zulassen kann, dass du mit diesem Fremden einfach wieder verschwindest.“

Sydney öffnete den Mund, wollte wiedersprechen, doch Paul hob die Hand und bat sie, ihn ausreden zu lassen. „Du bist meine Tochter, Sydney. Mein einziges Kind, Himmelherrgott! Du kannst nicht erwarten, dass ich dir die Geschichte abkaufe! Sieh dich doch nur an!“ Er erhob sich und wies aufgebracht auf ihr Äußeres.

Unwillkürlich sah Sydney an sich hinab. Sie trug noch immer das Kleid, das sie angezogen hatte, als sie die Burg verlassen hatten. Es war ein grober Stoff, dunkelgrün, fast braun, und Flecken, vermutlich Erdspritzer, zierten seinen Saum. Ihr ockerfarbenes Mieder war nicht sehr fest geschnürt und gab den Blick auf ihr Dekolleté frei. Sie schluckte und griff sich augenblicklich ans locker geflochtene Haar. Wie mochte sie auf ihren Vater bloß wirken?

„Ich weiß nicht, was ihr zwei mit dieser verrückten Geschichte bezweckt“, setzte Paul das Gespräch fort. „Du weißt was ich meine, Sydney. Ihr seht beide aus als kommt ihr gerade von einem dieser verfluchten Mittelaltermärkte! Es gibt keine komischen Löcher in Zeit und Raum! Das ist unmöglich!“, ereiferte er sich und tigerte im Zimmer auf und ab.

Sydney beobachtete ihn stumm. Er schüttelte erneut den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. Gelegentlich traf ein misstrauischer Blick das Paar auf dem Sofa.

„Das ist alles etwas viel…“, meldete sich Sydney einen Augenblick später zu Wort. „Vielleicht sollten wir dir Gelegenheit geben, über alles nachzudenken, es zu verarbeiten.“

Paul schnaubte, erwiderte jedoch nichts.

„Falls es dir Recht ist, bleiben wir eine Weile.“ Sie sagte es nicht als Frage, dennoch wartete sie geduldig auf die Erwiderung ihres Vaters. Dieser warf ihr einen strengen Blick zu. „Natürlich bleibt ihr“, brummte er und wischte sich erneut durch das Gesicht.

Damian erhob sich. Er streckte Paul seine Hand entgegen und sagte: „Ich danke für Eure Gastfreundschaft, Sir.“

Ihr Vater ergriff die Hand und erwiderte: „Ich bin mir nicht sicher, welche Rolle Sie hier einnehmen. Da meine Tochter aber unversehrt ist und ihr beide vertraut miteinander zu sein scheint, schätze ich, ich kann Ihnen vorerst trauen.“ Er neigte sich näher Damian zu und warnte ihn: „Liebe macht bekanntlich blind. Wenn ich je herausbekomme, dass Sie ein falsches Spiel mit meiner Tochter spielen, dann Gnade Ihnen Gott!“

Obwohl die Drohung lächerlich schien angesichts des körperlichen Unterschiedes zwischen den beiden Männern, nickte Damian ernst und Paul ließ seine Hand los. „Sie dürfen mich Paul nennen.“

An Sydney gewandt, meinte er lächelnd: „Du weißt ja, wo dein Zimmer ist.“

Die Haustür schloss sich etwas später leise hinter ihrem Vater, als er sich auf den Weg machte, um die Vermisstenanzeige bei der Polizei zurückzuziehen.

Sydney blickte sich im Wohnzimmer um. Nichts schien sich seit ihrer Abwesenheit verändert zu haben. Dasselbe Foto wie immer, ihr Abschlussfoto, hing über dem Kamin – gleich neben einem Foto, auf dem sie als Baby breit grinsend ihre Pausbäckchen betonte.

Damian folgte ihrem Blick. „Was ist das? Wie heißt der Künstler?“, fragte er und trat näher heran. Etwas verlegen folgte Sydney ihm. Er hatte sich bisher recht gut im Griff gehabt, stellte sie fest. Seit sie das Haus erreicht hatten, verhielt er sich, als gäbe es nichts Besonderes zu entdecken, und dabei musste ihm nahezu alles vollkommen fremdartig erscheinen.

„Die Bilder hat mein Vater gemacht“, erklärte sie.

„Wo bezieht er die feinen Pinsel her, um solch eine feine, detailgetreue Zeichnung anzufertigen?“

Sydney schmunzelte. Dann erklärte sie es ihm. „Diese Bilder werden nicht gemalt. In meiner Welt gibt es eine Technologie – Kameras –, die es ermöglicht, einen Moment für immer auf Papier zu bannen.“

Staunend berührte er die Fotografien mit seinen Fingerspitzen. „Erstaunlich!“ Er betrachtete sie erneut. „Bist du das?“

„Ja, ziemlich peinlich, nicht wahr?“

„Ganz und gar nicht. Du warst ein hübsches Kind“, meinte er augenzwinkernd und Sydney grinste etwas säuerlich. „Das andere Bild von dir beweist, dass du bereits damals viel zu hübsch für diese Welt warst“, fügte er hinzu und schlang den Arm um sie. „Sag, mein Herz, wie viele Herzen hast du auf deiner Reise zu mir gebrochen?“

Er zwinkerte schalkhaft, doch Sydney sah die Ernsthaftigkeit dahinter aufblitzen. Damian musterte sie und Sydney fühlte sich mit einem Mal unwohl in seiner Umarmung. Sie schüttelte seinen Arm ab und trat einen Schritt zur Seite. „Was spielt das schon für eine Rolle?“, entgegnete sie ihm ausweichend. „Ich bin jetzt hier bei dir, oder etwa nicht?“

Sie dachte an ihre Hochzeitsnacht und betrachtete Damian genauer. Ging es ihm darum, fragte sie sich? Dachte auch er daran, dass sie nicht jungfräulich zu ihm kam?

Plötzlich klopfte es an der Tür und Sydney zuckte zusammen. Leise seufzte sie und schob sich an Damians mächtiger Gestalt vorbei.

„Sydney?“

Überraschung lag in der Stimme, die unverkennbar männlich war, und als Sydney ihrem Mann einen Blick zuwarf, konnte sie erkennen, dass er seine Stirn beunruhigt runzelte.

„Oliver“, begrüßte sie den Ankömmling verblüfft. „Was tust du denn hier?“

„Ich wollte zu deinem Vater. Ich wollte ihn fragen, ob es schon etwas Neues zu deinem Verbleib gibt.“ Er musterte sie vom Scheitel bis zur Sohle. „Offensichtlich bist du wieder zurückgekehrt.“

Verlegten strich sich Sydney eine Haarsträhne hinter das Ohr und lächelte schwach. Sie war sich nur allzu bewusst, dass Damian direkt hinter ihr stand und Oliver bedrohlich musterte – sie musste sich nicht erst umdrehen, um sich dessen gewiss zu sein. Die schiere Hitze, die ihr gegen den Rücken schlug, sprach Bände.

„Tja, ja“, stotterte sie. „Das bin ich.“ Nervös trat sie von einem Fuß auf den anderen und als Oliver begann, ihren Mann ebenfalls zu mustern, sagte sie: „Darf ich dir“, sie wandte sich zu Damian um, „meinen Mann Damian vorstellen?“

Sogleich streckte er Oliver eine kräftige Hand entgegen. Oliver sperrte vor Überraschung Mund und Augen auf, blinzelte dann wie eine Eule und nahm schließlich die dargebotene Hand. „Freut mich…“, sagte er mit sichtlicher Irritation. Er runzelte die Stirn und warf Sydney einen verwirrten Blick zu. „Dein Mann?“

„Ja, wir sind verheiratet… Es ist eine lange Geschichte“, antwortete sie ihm ausweichend und Oliver beeilte sich zu nicken. „Natürlich…ähm…na ja…Ich würde mich freuen, wenn wir voneinander hören würden. Vielleicht könnten wir ja einen Kaffee zusammen trinken gehen…“ Er warf Damian einen unsicheren Blick zu. „…und quatschen.“

„Das würde ich wirklich gerne, Oliver“, erwiderte Sydney schnell, ehe Damian für sie sprechen konnte. „Ich fürchte nur, ich werde bald schon wieder abreisen.“

„Abreisen?“

Sydney nickte. Ihr blieb keine andere Möglichkeit. Es war offenkundig, dass sie nicht bleiben konnten. „Ich bin sozusagen auf der Durchreise.“

Oliver warf ihnen beiden einen skeptischen Blick zu. „Auf der Durchreise?“, wiederholte er etwas dümmlich. Sydney nickte.

„Ich werde in Zukunft in Damians Heimat leben.“

Wie um ihre Worte zu unterstreichen, straffte sich Damian und gewann auf die Art noch ein paar Zentimeter mehr an Größe. Unweigerlich schmunzelte Sydney über sein Getue. Endlich fasste sich Oliver. „Wie kann ich dich denn erreichen?“, fragte er.

Sydney überlegte kurz. „Gar nicht.“ Es fiel ihr schwer, das zu sagen, doch es musste sein. Sie konnte es sich nicht leisten, Kontakt zu halten. Ihre Zukunft lag nicht länger in dieser Welt.

„Auch nicht über’s Internet?“, fragte Oliver. Hoffnung schwang in seiner Stimme mit und Sydney begann sich zu fragen, ob er sich schon immer so anhänglich verhalten hatte. Aber sie konnte – wollte – sich nicht erinnern. Ihre letzte Begegnung schien zu lange zurückzuliegen.

~

Die kleinen Kiesel, die an das Glas der Fensterscheibe klickten, ließen sie aufhorchen. Draußen schien der Vollmond an einem wolkenlosen Himmel. Sterne funkelten schwach herab. Es war die perfekte Nacht. Sydney trat ans Fenster ihres Zimmers und öffnete es. Draußen stand Oliver und grinste breit. In der Hand hielt er bereits den nächsten Kiesel.