Medikamente im Test - Depressionen & Burnout - Rose Riecke-Niklewski - E-Book

Medikamente im Test - Depressionen & Burnout E-Book

Rose Riecke-Niklewski

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Beschreibung

Umfassende Informationen aus unabhängiger Quelle, Bewertung aller wichtigen Medikamente sowie ein ausführlicher Ratgeberteil: Das alles bietet dieser Ratgeber, denn Antidepressiva sind zwar oft der Schlüssel für eine erfolgreiche Behandlung, aber nicht jedes Medikament ist therapeutisch wirksam und sinnvoll. Vertrauen Sie auf das Urteil der Experten von Stiftung Warentest und erfahren Sie, welche medikamentöse Behandlung die Wissenschaft derzeit für die erfolgreichste hält. In übersichtlichen Tabellen mit Bewertungen von "geeignet" bis "wenig geeignet" sind sowohl verschreibungspflichtige als auch rezeptfreie Arzneimittel beurteilt. Im ausführlichen Ratgeberteil werden dringende Fragen von Patienten beantwortet: Brauche ich wirklich Medikamente? Wann kann ich mit den Medikamenten wieder aufhören? Kann mir Psychotherapie helfen? Was Sie selbst für sich tun können, welchen Stellenwert die ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung hat und wann Antidepressiva notwendig werden, das alles wird in einer detaillierten Therapieberatung verdeutlicht.

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Seitenzahl: 198

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Prof. Dr. med. Dr. phil. Günter Niklewski,Dr. Rose Riecke-Niklewski

MEDIKAMENTE IM TEST

DEPRESSIONENUND BURNOUT

unter Mitarbeit von Prof. Dr. Gerd Glaeske,Dr. Judith Günther undProf. Dr. med. Bruno Müller-Oerlinghausen

Inhaltsverzeichnis

Was wollen Sie wissen?

Erschöpfung und Burnout

Chronische Müdigkeit

Stress, Erschöpfung und Erholung

Psyche und Stress

Ausgebrannt: Burnout

Die Diagnose von Burnout

Die Behandlung von Burnout

Habe ich eine Depression?

Schlechte Laune oder depressiv?

Anzeichen einer Depression

Kriterien für die Einordnung einer Depression

Verschiedene Formen der Depression

Vom Verdacht zur Diagnose

Wege der Behandlung

Die richtigen Anfangsschritte

Wie geht es weiter, wer hilft?

Was hilft und warum?

Die psychotherapeutische Säule

Die biologische Säule: Medikamente und mehr

Die passende Behandlung finden

Leitliniengerechte Behandlung

Medikamente richtig einsetzen

Depressionsbehandlung: Die Schule der Langsamkeit

Nicht alle, aber viele wirken

Ganz ohne Begleiterscheinungen geht es nicht

Richtig anfangen, richtig aufhören

Besondere Situationen

Medikamente bewertet: Depressionen

Medikamente von A bis Z

Therapie im Überblick

Angstlösende Medikamente

Medikamente von A bis Z

Therapie im Überblick

Hilfe

Adressen

Noch mehr Informationen

Stichwortverzeichnis

Was wollen Sie wissen?

Vielleicht sind Sie verunsichert: Antidepressiva zählen zu den in Deutschland am häufigsten verordneten Medikamenten – gleichzeitig wird diskutiert, ob sie tatsächlich die erhoffte Wirksamkeit haben. Wie passt das zusammen? Sicher scheint, dass nicht bei jeder Form einer Depression Medikamente nötig sind, dass sie aber bei schweren Depressionen einen festen Platz in der Therapie haben.

Ist Burnout eine Vorstufe von Depression?

Nicht jeder Burnout führt in eine Depression. Aber chronische Erschöpfungszustände, also auch ein Burnout, können Depressionen auslösen. Früher sprach man dann von einer Erschöpfungsdepression. Doch Vorsicht: Eine Depression und ein Burnout sind nicht dasselbe! Wenn sich Menschen im Sinne eines Burnout ausgebrannt fühlen, ist das oft ein Symptom einer Depression, deren Auslöser im beruflichen Stress liegen kann, aber häufig aus ganz anderen Lebenszusammenhängen stammt. Viele gute Ratschläge und therapeutische Empfehlungen, die im Beruf „ausgebrannte“ Menschen für sich nutzen können, führen bei einer Depression am Problem vorbei, schaden depressiven Menschen oft sogar mehr als sie nützen. Deshalb ist eine genaue medizinische Abklärung wichtig, aus der sich dann die richtige Therapie ergibt. Mehr zum Burnout und was ihn verursachen kann lesen Sie im ersten Kapitel.

Sind bei jeder Depression Medikamente nötig?

Es ist keinesfalls so, dass bei allen depressiven Störungen Medikamente erforderlich sind. Psychotherapeutische Verfahren stellen besonders bei leichten, aber auch bei vielen mittelschweren Depressionen eine echte Alternative dar. Viele Studien haben gezeigt, dass der Effekt einer Behandlung mit Antidepressiva und der einer Behandlung mit einem Scheinmedikament bei nicht schweren Depressionen nah beieinanderliegen. Wenn keine medikamentöse Behandlung erfolgt, sollten sich Betroffene allerdings ärztlich oder psychologisch begleiten lassen. Denn Depressionen können sich innerhalb von Tagen von einer leichten Störung zu einer schweren Erkrankung steigern (siehe ab Seite 70).

Wie weiß ich, ob Psychotherapie oder Medikamente besser für mich sind?

Bei der Behandlung spielen neben medizinischen Aspekten auch persönliche Einstellungen und oft auch die Gegebenheiten vor Ort eine Rolle. Nicht immer und überall stehen Spezialisten zur Verfügung. Bei leichten Depressionen brauchen Sie nach den aktuellen Leitlinien in der Regel keine medikamentöse Behandlung, sofern Sie sich ärztlich oder psychotherapeutisch begleiten lassen. Bei mittelschweren Depressionen können Sie die Art der Therapie mitbestimmen. Wenn Sie einer Arzneimitteltherapie ablehnend gegenüberstehen, können Sie sich für eine psychotherapeutische Behandlung entscheiden. Am effektivsten ist es, Psychotherapie und Medikamente zu kombinieren. Ist die Depression schwer ausgeprägt, sind Medikamente die Basis der Behandlung, Psychotherapie ist zusätzlich zu empfehlen (siehe Seite ab 70).

Können Antidepressiva meine Persönlichkeit verändern?

Eine der beim Thema Antidepressiva am häufigsten geäußerten Befürchtungen ist, dass die Mittel möglicherweise die Persönlichkeit verändern. In Wirklichkeit ist es aber so, dass eher die Depression die Persönlichkeit verändert als die eingenommenen Medikamente. Denn Niedergeschlagenheit, Freudlosigkeit, „Schwarzsehen“ und Müdigkeit gehören zu den typischen Anzeichen einer Depression. Arzneimittel können helfen, dass Betroffene zu ihrer ursprünglichen Persönlichkeit zurückfinden. Angehörige sagen dann oft: „Er ist wieder ganz der Alte“ oder „Sie ist wieder so, wie wir sie kennen“. Mehr zu den Befürchtungen gegenüber Antidepressiva lesen Sie auf Seite 68.

Können Antidepressiva abhängig machen?

Eine Abhängigkeit im klassischen Sinn entsteht bei Antidepressiva nicht. Es ist aber zu bedenken, dass solche Medikamente zum Ende einer Behandlung nur sehr langsam reduziert werden sollen. Beim plötzlichen Weglassen können sich zum einen die Anzeichen der Depression sehr schnell wieder zeigen, es können aber auch typische Absetzsymptome wie wie Kopfschmerzen, Zittern, grippeähnliche Symptome, Unruhe und Empfindungen wie bei einem Stromschlag auftreten. Besonders unter dem SSRI Paroxetin (Seite 113) und dem SNRI Venlafaxin (Seite 115) sind solche Beschwerden beschrieben worden. Insgesamt scheinen rund 30 Prozent der Menschen, die langfristig Antidepressiva eingenommen haben, Absetzerscheinungen zu zeigen. Deshalb muss das Weglassen der Medikamente nach längerer Einnahme sehr vorsichtig erfolgen und sich unter Umständen über mehrere Monate hinziehen (siehe Seite 88).

Dürfen Kinder antidepressive Medikamente bekommen?

Grundsätzlich sind Antidepressiva im Einzelfall auch bei depressiven Störungen im Kindes- und Jugendalter hilfreich. Eine Abwägung kann aber nur von einem Kinder- und Jugendpsychiater vorgenommen werden. Zu beachten ist, dass viele der bei Erwachsenen verwendeten Medikamente in Deutschland nicht für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen zugelassen sind. Dies liegt auch daran, dass für diese Personengruppe sehr viel weniger kontrollierte Studien zur Wirksamkeit von Antidepressiva durchgeführt worden sind als bei Erwachsenen. Näheres zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Depressionen lesen Sie auf Seite 90.

Macht eine Behandlung mit Antidepressiva auch noch im Alter Sinn?

Für die Einnahme von Antidepressiva gibt es keine Altersbegrenzung. Depressionen im höheren Lebensalter können außerordentlich quälend sein. Aufgrund der Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, aber auch wegen der Einschränkungen durch andere Krankheiten (etwa am Herzen), ist die Auswahl an Antidepressiva oft eingeschränkt. Dennoch sollten Depressionen bei älteren Menschen unbedingt behandelt werden, auch aus folgendem Grund: Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Frauen und Männern über 65 Jahre, die an einer Depression erkranken, das Risiko für einen Herzinfarkt um mehr als das Zweieinhalbfache erhöht ist. Damit gehören Depressionen neben Rauchen, Bluthochdruck, hohen Cholesterinwerten und Diabetes zu den größten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Alter. Näheres dazu siehe Seite 91.

Erschöpfung und Burnout

Ich bin so fertig. Völlig ausgelaugt. Alles nervt mich – oder besser: alle nerven mich. Alle wollen etwas von mir. Jeden Abend bin ich völlig erledigt. Und morgens? Auch da würde ich am liebsten im Bett bleiben. Wo ist nur meine Energie geblieben, früher ging es doch auch?

Fühlen auch Sie sich in letzter Zeit oft leer, wie ausgebrannt, ohne Schwung, Motivation und Antrieb? Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, ob Ihre schlechte Laune, Ihre Müdigkeit und Energielosigkeit, die Schlaflosigkeit und das „keine Lust“ noch mit rechten Dingen zugehen? Machen sich Ihre Familie, Freunde, Kollegen Sorgen?

Es ist banal zu erwähnen, dass jeder Mensch den Zustand der Müdigkeit kennt. Wir brauchen ihn. Denn er signalisiert uns, dass unsere Reserven bald aufgebraucht sind. Und wie laden wir unsere Batterien wieder auf? Klar, durch Schlaf.

Schlaf lässt uns regenerieren und den nächsten Tag mit frischer Energie angehen. Das gilt für Körper und Geist – und unsere Stimmung. Leider finden viele Menschen nicht ausreichend erholsamen Schlaf, entweder weil sie nicht wollen, also einfach zu spät ins Bett gehen, oder weil sie nicht können. Und dafür gibt es viele Gründe, unter anderem körperliche Krankheiten, starke Belastungen in Familie oder Beruf oder seelische Störungen wie eine Depression.

Chronische Müdigkeit

Störende bis quälende Müdigkeit ist vielen Menschen bekannt. In Deutschland klagten bei einer großen Befragung 31 Prozent der über 16-Jährigen darüber.

Nur wenige Betroffene suchen jedoch deswegen ärztliche Hilfe. Wer wegen Müdigkeit, Erschöpfung, Mangel an Energie zum Arzt geht, ist wirklich müde – und zwar so stark und so lange und für ihn so unerklärlich, dass er diesen quälenden Zustand medizinisch abklären lassen will.

Auch dazu gibt es Zahlen: In Deutschland klagen etwa 11 Prozent der Patienten in den Hausarztpraxen über für sie unerklärliche, mindestens einen Monat anhaltende Müdigkeit, die sich mehr und mehr auch auf ihr seelisches Wohlbefinden und ihre geistige und körperliche Leistungsfähigkeit auswirkt.

Bei einigen wenigen von ihnen sind diese Ermüdungserscheinungen sogar so ausgeprägt, dass sie ihren Alltag nicht mehr leben können, weil die Reserven wirklich aufgebraucht sind.

Müde durch körperliche Krankheiten

Es gibt körperliche Grunderkrankungen, die eine chronische Müdigkeit zur Folge haben.

Viele erschöpfte, müde Menschen befürchten deshalb, an einer bis dahin unentdeckten körperlichen Erkrankung, etwa an einer Blutarmut, einer Schilddrüsenfehlfunktion oder sogar an Aids oder Krebs zu leiden. Falls Sie schon einmal an solche Möglichkeiten gedacht haben: Gehen Sie zum Arzt und teilen Sie ihm Ihre Befürchtungen mit.

Müdigkeit kann die Folge ganz normaler Infektionskrankheiten sein. Virusinfekte oder eine Grippe (Influenza) zum Beispiel strengen den Körper an, Fieber „schlaucht“. Ganz allgemein lässt sich sagen: Nach schweren Krankheiten kann es manchmal lange – Wochen bis Monate – dauern, bis die gewohnte Energie und Leistungsfähigkeit zurückkehren. Bis dahin ist Müdigkeit ein Anzeichen dafür, dass man noch nicht wieder ganz fit ist. Sie ist insofern normal.

Nennen Sie in der Arztpraxis alle pharmazeutischen Produkte, die Sie im Augenblick einnehmen, sowohl die, die Ihnen verordnet wurden, als auch solche, die Sie selbst in der Apotheke gekauft haben. Rezeptfreie Mittel werden in der Aufzählung oft vergessen.

Zahlreiche Studien ergaben einen engen Zusammenhang von chronischer Müdigkeit mit seelischen Störungen. Vor allem Depressionen und Angststörungen „machen müde“ – nicht nur, weil sie den Schlaf rauben. Sie sind Stress für Körper und Seele, der erschöpft und die notwendige Erholung verhindert. Mehr dazu auf Seite 14.

Auch Medikamente können Müdigkeit als unerwünschte Wirkung haben. Dazu zählen Medikamente gegen hohen Blutdruck, Herzrhythmusstörungen, starke Schmerzen oder Allergien. Bestimmte Psychopharmaka, vor allem zur Beruhigung eingesetzte Benzodiazepine, aber auch Neuroleptika und manche Antidepressiva können müde machen.

Was sonst den Schlaf stört

Arbeiten Sie im Schichtdienst oder sind Sie beruflich oder privat viel unterwegs? Gestörte Biorhythmen durch Schichtdienst oder häufiges Reisen quer durch die Zeitzonen stören oft den Schlaf.

Schnarchen Sie? Bemerkt Ihr Partner, Ihre Partnerin Atemaussetzer während Ihres Schlafes? Auch eine Schlafapnoe, ein jeweils kurzer „Atemstillstand im Schlaf“, der immer wieder den Schlaf unterbricht, ohne dass der Schläfer dies bewusst bemerkt, kann die Ursache einer auffälligen Müdigkeit am Tag sein.

Eine sehr häufige Ursache von Schlafstörungen sind Sorgen und Befürchtungen. Viele kennen es: das Grübeln vor dem Einschlafen oder das nächtliche Kopfzerbrechen darüber, was gestern war und morgen passieren könnte – das kann wirklich den Schlaf rauben.

Wie sieht es gerade bei Ihnen aus? Grübeln Sie aus gutem Grund? Ist beruflich, familiär und finanziell alles in Ordnung? Die häufigste Ursache ständiger Müdigkeit ist neben Schlafmangel psychosozialer Dauerstress, der die Reserven erschöpft. Deshalb wird Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin Sie auf Ihre familiäre, berufliche und allgemeine soziale Situation ansprechen. Gibt es auch in Ihrem Leben zu viel Stress, und dies schon seit einiger Zeit ohne Aussicht auf Erholung?

Sehen Sie sich zu hohen Anforderungen ausgesetzt, die Sie überfordern, oder aber einer Unterforderung verbunden mit dem Gefühl, nicht ausreichend geschätzt zu werden?

Stress, Erschöpfung und Erholung

Die Selbstregulation unseres Körpers strebt nach einem Gleichgewicht zwischen Anspannung und Entspannung. Chronischer Stress kann zu einer Störung dieser Regulation führen.

Wer den Mechanismus von Stress, Erschöpfung und Erholung verstehen will, muss wissen, was im Körper bei Stress passiert – und zwar ohne unser willentliches Zutun. Es geht um die sogenannte Stressreaktion. Sie ist die lebensnotwendige körperliche Antwort auf Stressreize und sorgt dafür, dass wir den Anforderungen des Lebens gewachsen sind. Erst chronischer oder intensiver Stress kann zu einer Störung der Regulation von Anspannung und Entspannung führen, Erholung ist dann nicht mehr möglich.

Das Gehirn unterscheidet in kürzester Zeit zwischen angenehmen und unangenehmen Wahrnehmungen, die möglicherweise Gefahr bedeuten. In vielen Jahren – beginnend schon im Mutterleib – haben wir durch unsere Erfahrungen ein Stressgedächtnis entwickelt: Dieses Stressgedächtnis vergleicht früher gemachte Erfahrungen mit dem aktuellen Sinneseindruck und bewertet ihn entsprechend.

Unser Gehirn prägt sich besonders gut unangenehme Gefühlszustände wie Angst, Ohnmacht, Hilflosigkeit und seelischen und körperlichen Schmerz ein. Bei ausreichender Ähnlichkeit mit einer derartigen früher gemachten Erfahrung schaltet das Gehirn auf „Gefahr“. Die Stressreaktion des Körpers springt an. Sie dient dazu, unsere Kräfte zu mobilisieren, um der Gefahr zu begegnen, sie zu bewältigen.

Die Stressreaktion

Der biologische Stressmechanismus setzt ein, wenn Gefahr droht – genauer: Er ist ursprünglich die Reaktion auf eine Situation, in der wir schnell und effektiv handeln müssen, um Leib und Leben zu schützen (dies ist das uralte evolutionsbiologische Erbe) oder das seelische Gleichgewicht zu wahren.

Die Kommandozentrale sitzt im Gehirn. Von hier aus wird die Abfolge der Stressreaktion gesteuert. Sie beginnt nach der Wahrnehmung eines Stressreizes mit der Ausschüttung von Hormonen und Botenstoffen (Neurotransmitter). Sie sind die chemischen Schalter in Körper und Gehirn, die die notwendigen Stoffwechselprozesse anknipsen und eine ganze Kaskade von körperlichen biochemischen Reaktionen auslösen.

In der Sprache der Medizin

Unser unwillkürliches (autonomes) Nervensystem wird von zwei großen Gegenspielern gesteuert, dem sympathischen und dem parasympathischen Nervensystem. Bei Gefahr, genauer bei jeder Anforderung, die Aktivität und Energie erfordert, übernimmt das sympathische Nervensystem – der Sympathikus – die Regie. Er ist für die Stimulation zuständig, weckt unseren Organismus auf und macht ihn reaktionsfähig. Das parasympathische Nervensystem – der Parasympathikus – hingegen reguliert alles in Richtung Ruhe, Entspannung und Erholung.

Drei Botenstoffe sind vor allem an der Stressreaktion beteiligt:

Glutamat, ein stark erregender Stoff, wird im Gehirn ausgeschüttet und wirft die Stressreaktion an.

Das Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) folgt als nächstes und stößt die Produktion eines weiteren Hormons, des adrenocorticotropen Hormons (ACTH), an.

Das Stresshormon Kortisol wird durch die Einwirkung von ACTH in der Nebennierenrinde gebildet.

Am Ende steht Glukose, der Hauptenergielieferant unseres Körpers, der durch die Einwirkung von Kortisol gebildet wird.

Das aktivierende sympathische Nervensystem ist also im Einsatz und befähigt den Organismus, der Gefahr zu begegnen – oder anders ausgedrückt, den Anforderungen, die sich in diesem Moment stellen, zu genügen.

Erholung

Ist die Anforderung erledigt, tritt wieder Erholung ein. Die Vorherrschaft des Sympathikus wird beendet – das parasympathische Nervensystem übernimmt. Auch hier sind es Hormone und Botenstoffe, die die Phase der Erholung steuern. Als sogenannte Antagonisten der erregenden Neurotransmitter wirken sie beruhigend auf alle Stoffwechselvorgänge. Ziel ist es, ein Gleichgewicht zwischen Anspannung und Entspannung herzustellen.

Und wenn die Gefahr zu lange andauert? Dann reagiert unser Organismus in weiser Selbstregulation mit Erschöpfung und aktiviert Funktionen des unwillkürlichen Nervensystems, welche Erholungsprozesse in Gang setzen: Die Anspannung lässt nach, das allgemeine Aktivitätsniveau wird heruntergefahren, Blutdruck und Herzfrequenz nehmen ab. Das Schlafbedürfnis steigt an. Die Schlafdauer verlängert sich. Nach diesem erholsamen Schlaf, der unsere Reserven wieder auffüllt, nach einer wohlverdienten Pause, sind wir wieder erholt und ausgeruht.

Unter Stresskrankheiten versteht man Erkrankungen, bei denen Ausbruch, Verlauf und Dauer mit der Neurobiologie von Stress zusammenhängen.

Stress und Neurotransmitter

Wie im System der Hormone (dem endokrinen System) ganz bestimmte Hormone die Antwort des Organismus auf Stress steuern, sind es im Nervensystem (der Neurobiologie) die Neurotransmitter. Sie haben jeweils unterschiedliche Funktionen, wenn es darum geht, auf Stress mit einer Stressreaktion zu reagieren, also das sympathische Nervensystem zu aktivieren. Sie sind es auch, die nach dem Stress die Erholung einleiten. Die wichtigsten Neurotransmitter mit aktivierender Wirkung sind Noradrenalin, Adrenalin und Dopamin:

Noradrenalin ist einer der wichtigsten Botenstoffe des Sympathikus, also des aktivierenden Nervensystems. Es steuert im Gehirn die Stressreaktion und Stressanpassung.

Adrenalin wird in den Nebennieren gebildet und bei Belastung ausgeschüttet. Seine Aufgabe ist die Anpassung des Herz-Kreislauf-Systems und des Stoffwechsels an die Anforderung.

Dopamin treibt den gesamten Organismus an und ist zuständig für die Feinkoordination der Stressreaktion. Es wird auch ausgeschüttet bei Erfolg und wirkt stimmungsaufhellend und belohnt damit für die Anstrengung.

Die wichtigsten Neurotransmitter mit dämpfender – erholender – Wirkung sind Serotonin und GABA (Gamma-Aminobuttersäure). Beide Neurotransmitter regulieren in jeweils spezifischer Verantwortlichkeit unter anderem die Weite von Blutgefäßen, des Magen-Darm-Traktes und der Atemwege. Sie erreichen Muskelentspannung und die Stabilisierung des Blutdrucks. Das Schlafbedürfnis steigt an, die Schlafdauer verlängert sich, das allgemeine Aktivitätsniveau wird heruntergefahren, Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz nehmen ab. Der eben noch gestresste Mensch erholt sich.

Was passiert bei Dauerstress?

Wie aber reagiert unser Körper auf Dauerstress? Wie beschrieben lösen nicht nur kurzzeitige Schreckreaktionen oder ängstigende Erlebnisse Stress aus, auch widrige Lebenssituationen oder eine Häufung von vermeintlichen unangenehmen Kleinigkeiten, psychische Dauerbelastung oder schwere körperliche Erkrankungen wirken sich wie eine anhaltende Stressbelastung aus.

Unser auf schnelle Antwort programmiertes Stressreaktionssystem verändert sich dabei und nimmt Schaden. Während wir beispielsweise in der akuten Stressreaktion einen Blutdruckanstieg geradezu brauchen, um die Reaktionsfähigkeit etwa der Muskulatur zu erhöhen, sollte sich aber in der Erholungsphase der Blutdruck wieder im Normbereich von selbst einregulieren. Erschöpfung und Erholung sind zunächst völlig normale Zustände eines Organismus, jeder kennt dieses Wechselspiel. Bei hoher Dauerbelastung kann diese Gegenregulationsmöglichkeit schlussendlich verloren gehen, ein dauerhaft erhöhter Blutdruck kann die Folge sein.

Bei einer andauernden Stressreaktion können auch eine Vielzahl anderer körperlicher Beschwerden auftreten, diese reichen von Schlaflosigkeit bis hin zu Entzündungen, einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionskrankheiten oder Herzrhythmusstörungen, chronischer Müdigkeit und Burnout.

Psyche und Stress

Mein Stress gehört mir.

Nicht jede Anforderung löst bei jedem und in jeder Situation den gleichen Stress aus. Was der eine als Stress empfindet, kann ein anderer vielleicht ganz entspannt sehen. Warum manche Menschen schneller und stärker in Stress geraten und wie ein bestimmtes Ereignis, eine bestimmte Situation für manche Stress bedeuten, für andere dagegen überhaupt nicht, sind bis heute entscheidende Fragen der psychologischen Stressforschung.

Der „Stresstyp“

Wahrscheinlich haben Sie schon vom „Stress-Typ“ gehört. Damit ist ein bestimmter Menschentyp gemeint, der – das schreibt man ihm zu – besonders leicht in Stress gerät. Er sei, da besonders angespannt, ehrgeizig, wettbewerbsorientiert, ungeduldig und gereizt, besonders gefährdet. Interessanterweise ergab die Forschung: Nicht die Arbeitswut, der Ehrgeiz und der Perfektionismus sind es, die Menschen stressanfällig machen, sondern die leichte Reizbarkeit, die Betroffene stärker auch auf kleine Stressoren reagieren lässt. Inzwischen haben Stressforscher auch einen zweiten „Stresstypen“ ausgemacht. Dieser Typ D zeichnet sich anders als der eben beschriebene Stresstyp A nicht durch besondere Reizbarkeit aus. Menschen dieses Typs D sind stets voller Befürchtungen, Sorgen und Ängste. Aus diesem Grundgefühl heraus sind sie „im Stress“.

Wir machen, wir denken uns Stress

Und warum wird nun ein bestimmter Reiz überhaupt zum Stressreiz? Wir werden alarmiert, weil wir eine Situation, eine Anforderung, ein Ereignis als „gefährlich“ – also für unser seelisches und körperliches Gleichgewicht bedrohlich – einschätzen. Wenn wir blitzschnell zur Einschätzung gekommen sind: Diese Anforderung könnte zu groß für mich sein, ihr könnte ich nicht gewachsen sein, dann geraten wir in Stress. Wir bewerten also, wie es in der Psychologie heißt, etwas danach, ob es uns gefährlich werden kann.

Erst diese Bewertung macht uns Stress – und wir suchen nach Möglichkeiten, mit diesem zurechtzukommen. Diese Bewertungen können nun realistisch sein oder nicht – auf jeden Fall sind sie eng mit uns, unseren Fähigkeiten und Kompetenzen, aber vor allem auch mit unserer Selbsteinschätzung, unserem Selbstbild verknüpft und damit nicht zu trennen von unserer Persönlichkeit und unserer Lebensgeschichte.

Ausgebrannt: Burnout

Wer von sich sagt, er leide unter Burnout, nennt meist eine Reihe von Beschwerden. Als Leitsymptom wird aber immer das Gefühl, leer und „ausgebrannt“ zu sein, auftauchen.

Dieser Zustand des „Ausgebranntseins“ hat dem Leiden seinen Namen gegeben. Doch was ist Burnout eigentlich? Bis heute gibt es keine einheitliche Definition. Was in den Medien oft als eindeutige Diagnose erscheint, ist in der Medizin immer noch Gegenstand intensiver Diskussion. Das Leiden hat es bis heute nicht als Krankheit in das Klassifikationssystem ICD 10 (siehe Kasten) geschafft. Zu uneinheitlich sind die einzelnen Beschreibungen, die man in der wissenschaftlichen Literatur findet.

In der Sprache der Medizin

Um in der Krankheitsdiagnostik eine allgemein anerkannte und einheitliche Sprachregelung zu haben, bezieht man sich heute auf das Einteilungssystem der Weltgesundheitsorganisation WHO, die „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (englisch: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems in der 10. Revision, kurz ICD 10).

Hier werden alle derzeit diagnostizierten Erkrankungen beschrieben, nach Symptomen, Verlauf und Schweregrad eingeteilt und mit einer Ziffer, einem Code, versehen. Auch in Deutschland werden medizinische Diagnosen nach diesem verbindlichen Einteilungssystem der WHO benannt und mit den dort genannten Ziffern versehen.

Erstbeschreibung

Zum ersten Mal wurde der Begriff von dem deutsch-amerikanischen Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger im Jahr 1974 verwendet für einen „Energieverschleiß, eine Erschöpfung aufgrund von Überforderungen, die von innen oder außen – durch Familie, Arbeit, Freunde, Liebhaber, Wertsysteme oder die Gesellschaft – kommen kann“. Neben Freudenberger sind es vor allem zwei amerikanische Gesundheitspsychologinnen, Christina Maslach und Susan E. Jackson, die das gegenwärtige Verständnis prägen. Sie haben auch den am häufigsten verwendeten Burnout-Test entwickelt, das Maslach Burnout Inventory (MBI). Ein Burnout wird hier durch drei Bereiche definiert:

- Emotionale Erschöpfung (ausgelaugt, ausgebrannt)

- Depersonalisation (abgestumpft, negativ, zynisch)

- Leistungseinbußen (ineffektives Arbeiten, Selbstwertverlust, der zum Rückzug und Aufgeben führt).

Burnout als Syndrom

Wer sich in der wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Literatur umsieht, findet eine unüberschaubare Anzahl von Einzelsymptomen, die alle als typisch für „einen Burnout“ genannt werden. Man spricht deshalb von einem Burnout-„Syndrom“.

Schon 1989 hat der Psychologe Matthias Burisch in seinem Standardwerk „Das Burnout-Syndrom. Theorie der inneren Erschöpfung“ alle bis dahin genannten und beschriebenen Symptome gesammelt und ist nach Zusammenfassung von Ähnlichem immer noch auf eine Liste von 130 Symptomen gekommen. Glücklicherweise gibt es auch eine Kurzfassung. Dort wird unterschieden in:

Emotionale Symptome, wie Reizbarkeit, Angst, Unruhe, Schuldgefühle, Aggressivität und Gefühle der Hilflosigkeit

Kognitive Symptome, wie Selbstzweifel, Konzentrationsstörungen und Gedächtnisstörungen

Motivationale Symptome, wie Resignation, Verlust jeglicher Motivation, Zynismus, Demoralisierung, Lustlosigkeit

Verhaltensbezogene Symptome, wie vermehrtes Risikoverhalten, sozialer Rückzug, Leitungsminderung, vermehrter Konsum von Nikotin, Alkohol, Beruhigungstabletten, Aufgabe aller Freizeitaktivitäten

Körperliche Symptome, wie Neigung zu Infektanfälligkeit, Schlafstörungen, körperliche Erschöpfung, Müdigkeit, Magen-Darm-Beschwerden, unbestimmte Schmerzen.

Burnout und beruflicher Stress

Einigkeit besteht darüber, dass es sich bei Burnout um ein vor allem auf den Arbeitsplatz bezogenes psychisches Leiden handelt. Schon früh wurde Burnout als ein spezifisches Problem von in Sozialberufen arbeitenden Menschen definiert, die sich in ihrer Arbeit verausgaben und doch keinen Dank, keine Anerkennung und oft auch keinen sichtbaren Erfolg erleben. Diese Bezogenheit auf die berufliche Verausgabung ist heute immer noch ein wesentlicher Bestandteil jeder Burnout-Definition, wobei inzwischen aber nicht nur Sozialberufe als typische „Burnout“-Berufe gelten. Die berufliche Situation kann dann zu einem Risikofaktor werden, wenn der, der sich in seiner Arbeit verausgabt, erschöpft, wenig Einflussmöglichkeit und Entscheidungsspielräume erfährt, wenig Kontrolle über die eignen Arbeitsabläufe hat und zu wenig Anerkennung und „Gratifikation“ erhält – kurz: wenn ein Missverhältnis zwischen Verausgabung und Erfolg herrscht.

Phasenmodelle des Burnout

Immer wieder werden einzelne durchaus unterscheidbare und auch fast gesetzmäßig aufeinanderfolgende Burnout-Phasen beschrieben und als typisch für eine Burnout-Entwicklung betont. Solche Phasenmodelle sind wissenschaftlich jedoch nicht erwiesen. Was man aber immer beobachten kann, ist eine Veränderung und Zunahme der einzelnen Symptome, wenn „der Stress“ nicht aufhört, der Dauerstress also anhält. Das heißt:

Burnout ist ein Leiden, das häufig mit beruflicher Überforderung oder Selbstüberforderung beginnt. Bei gleichzeitiger emotionaler und sozialer Belastung am Arbeitsplatz stehen zunächst vor allem Müdigkeit und Erschöpfung im Vordergrund. Nach und nach kommen weitere körperliche – genauer psychosomatische – Symptome hinzu wie:

Neigung zu Infektanfälligkeit

Schlafstörungen

Magen-Darm-Beschwerden

unbestimmte Schmerzen

Nicht jede Erschöpfung führt zwangsweise zu einer Depression. Und umgekehrt: Viele depressive Menschen sind nicht erschöpft.

Mit zunehmendem Schweregrad steigt die Wahrscheinlichkeit an, dass gleichzeitig zum Burnout auch eine behandlungsbedürftige Depression vorliegt. Manchmal wird eine solche Depression dann Erschöpfungsdepression genannt. Mit diesem Begriff wird betont, dass der Depression eine Erschöpfung vorausging, die lang andauernd, ohne Erholungsmöglichkeit und ohne Aussicht – besser ohne Zuversicht und Hoffnung – auf Besserung schließlich zur Depression führte (siehe ab Seite 29).

Die Diagnose von Burnout

Bis heute gibt es weder eine verbindliche Definition noch verbindliche Diagnosekriterien für die Feststellung eines Burnouts.

In Betracht gezogen werden kann eine Burnout-Diagnose – folgt man der Definition von Maslach und Jackson (Seite 19) -, wenn zu dem Leitsymptom einer andauernden Erschöpfung und verschiedenen psychosomatischen Beschwerden eine innere Distanzierung von der Arbeit und eine Reduzierung der beruflichen Leistung hinzukommen. Die Schwierigkeit: Im ICD 10 (siehe Kasten auf siehe Seite 19) erscheint ein Burnout nicht als Krankheit mit eigener Ziffer.

Die Diagnose Burnout ist eine Rahmenoder Zusatzdiagnose und wird im ICD 10 als „Ausgebranntsein“ und „Zustand der totalen Erschöpfung“ mit dem Diagnoseschlüssel Z73.0 versehen. Damit gehört es zum (übergeordneten) Abschnitt Z73, in dem verschiedene