Polyester und Alkydharze - Ulrich Poth - E-Book

Polyester und Alkydharze E-Book

Ulrich Poth

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Beschreibung

Polyester und Alkydharze gehören zu den vielfältigsten und wichtigsten Stoffklassen der Lackchemie, ihr Einsatz als Bindemittel ist längst etabliert. In der neuen, überarbeiteten Auflage seines Standardwerkes geht Ulrich Poth detailliert auf Aufbau, Struktur und Eigenschaften dieser bedeutenden Bindemittelgruppen ein und unterzieht bisherige Erkenntnisse auf dem Gebiet einer kritischen Betrachtung. Dem modernen Lackentwickler zeigt er Rechenansätze und Wege auf, Polyester und Alkydharze in Versuchsplänen zu formulieren und systematisch zu variieren. Ein praxisorientiertes Fachbuch, das in keinem Lacklabor fehlen sollte!

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Ulrich Poth

Polyester und Alkydharze

Grundlagen und Anwendungen

Umschlagsbild: T. Tulik – fotolia.com

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Ulrich Poth

Polyester und Alkydharze, 2., überarbeitete Auflage

Hannover: Vincentz Network, 2014

FARBE UND LACK // BIBLIOTHEK

ISBN 978-3-86630-663-9

© 2014 Vincentz Network GmbH & Co. KG, Hannover

Vincentz Network, P.O. Box 6247, 30062 Hannover, Germany

Das Werk einschließlich seiner Einzelbeiträge aus Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.

Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchtnamen, Warenzeichen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen.

Das Verlagsverzeichnis schickt Ihnen gern:

Vincentz Network, Plathnerstr. 4c, 30175 Hannover, Germany

T +49 511 9910-033, F +49 511 9910-029

[email protected], www.farbeundlack.de

Satz: Siegfried Urbich, Mediendesign

Druck: Quensen Druck + Verlag GmbH & Co. KG, Hildesheim, Germany

ISBN 978-3-86630-663-9

FARBE UND LACK // BIBLIOTHEK

Ulrich Poth

Polyester und Alkydharze

Grundlagen und Anwendungen

Auf ein Wort

Polyester und Alkydharze sind die Bindemittelgruppen, die schon länger zu den vielfältigsten und wichtigsten Stoffklassen der Lackchemie gehören, und über die schon viel geschreiben wurde. Ist es daher angesagt über diese Produkte noch etwas zu schreiben? Wenn man in seinem Berufsleben eine sehr große Anzahl dieser Bindemittel entworfen und zunächst auch selbst präpariert hat, aus denen auch nicht selten große, technisch verwendete Produkte, die über längere Zeiträume produziert wurden bzw. noch werden, entstanden sind, ist man zunächst befangen, diese Frage zu beantworten. Einmal gibt es das Bedürfnis, die vielen gesammelten Erfahrungen festzuhalten, indem man sie zu Papier bringt. Dem widerspricht die Tatsache, dass es sich bei den Polyestern und Alkydharzen um längst etablierte Lackbindemittel handelt, bei denen man vermuten könnte, dass es keine neueren Entwicklungen und Erkenntnisse gibt. Dem ist aber nicht so.

Schließlich gab es die Aufforderung, die gewonnenen Erfahrungen aufzuschreiben. Außerdem steht in neueren Veröffentlichungen (siehe Literaturverzeichnis) immer noch, dass die Realisierungsgrenze (Gelpunkt) für verzweigte Polyester (und auch Alkydharze) zwischen den Aussagen von Carothers [26] und Flory [32] liegen. Da die beiden Definitionen relativ weit auseinander stehen, bleibt schließlich immer noch die Vorstellung, dass optimale Polyester oder Alkydharze rein empirisch entworfen und präpariert werden. Tatsache ist: auch hinter empirischen Ergebnissen stehen chemische Regeln und Gesetzmäßigkeiten.

Im Kapitel 3 des vorliegenden Werkes werden daher die genannten Aussagen der großen Polymerchemiker etwas kritisch beleuchtet und dann ein Rechenansatz vorgestellt, der nicht nur Aussagen über die Größe von Molmassen, Molmassenverteilungen und Realisierungsgrenzen enthält, sondern vor allem eine Basis dafür gibt, Polyester und Alkydharze in Versuchsplänen zu formulieren und auch systematisch zu variieren. Das hat zum Ziel, systematische Struktur-Wirkungs-Beziehungen zu begründen. Die Rechenverfahren sind so angelegt, dass alle Typen von Polyester berücksichtigt werden. Sie sind zunächst unabhängig von den individuellen Eigenschaften der verschiedensten Bausteine der Polyester, zu bewerten.

Das Kapitel 4 stellt den allgemeinen Einfluss der Bausteine auf die Eigenschaften der verschiedenen Bindemittel dar. Es beschreibt die Zusammensetzung, Herstellung, Eigenschaften und wichtige Anwendungen der Polyesterbindemittel. Es sollen dabei alle verschiedenen Stoffklassen von Polyestern berücksichtigt werden, auch solche, die man spontan nicht als Polyester bezeichnen würde. Neben der primären Gliederung der Stoffklassen nach chemischen Gesichtspunkten werden als zweites Gliederungsprinzip anwendungstechnische Gesichtpunkte gewählt.

Um auch hier die Struktur-Wirkungs-Beziehungen deutlich zu machen, gibt es für die meisten Bindemittelgruppen Beispielformulierungen in Tabellenform mit Angaben der Kennzahlen nach den genannten Berechnungsverfahren. Diese Beispiele können aus Gründen der Vertraulichkeit natürlich nicht aus den großtechnisch hergestellten Bindemitteln der Herstellerfirmen ausgewählt werden. Es sind daher entweder Patentbeispiele oder Modellbindemittel aus eigenen, grundlegenden Versuchsserien, die als solche nicht großtechnisch zum Einsatz kommen. Während Patentbeispiele oft recht komplizierte Zusammensetzungen haben, so dass es schwierig ist, besonders repräsentative Beispiele zu finden, erscheinen Modellbindemittel meist relativ einfach zusammengesetzt. Gerade diese Bindemittel erlauben es, die aus der Struktur resultierenden Eigenschaften besonders deutlich zu machen. Für die verschiedenen Stoffklassen sind typische Vertreter von Handelsprodukten der Hersteller von Polyestern und Alkydharzen und verwandter Produkte benannt. Aus den Bindemitteleigenschaften leiten sich letztlich die wichtigsten Anwendungsgebiete ab, die hier genannt werden. Für die Vielzahl der Anwendungsmöglichkeiten wird aber auch auf die Angaben der genannten Hersteller verwiesen und zum anderen auf die umfangreichen Literaturzitate in den Veröffentlichungen über Lackbindemittel.

Wie sieht die Zukunft der Polyesterharzbindemittel aus? Gerade die Gruppe der oxidativ vernetzenden Alkydharze weist sinkende Verbrauchsmengen auf, obwohl es gerade hier modern anmutende Gesichtspunkte gibt: Alkydharze bestehen zu großen Anteilen aus nachwachsenden Rohstoffen, die für die moderne Chemieindustrie eine immer wichtigere Rolle spielen. Außerdem ist das Vernetzungsverfahren durch den Luftsauerstoff natürlich physiologisch völlig unbedenklich. Vielleicht gelingt es doch noch, den besonderen Schwachpunkt der geringen Vernetzungsgeschwindigkeit dieser Systeme zu kompensieren.

Gesättigte Polyester zeigen deutlich Zuwachsraten, sogar noch für lösemittelhaltige Lacke, aber besonders für UV-Lacke und Pulverlacke. Auch für festkörperreiche Lacke, für so genannte 100 %-Systeme und für wässrige Lacke werden Polyester auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

Ulrich Poth

Münster, im Mai 2014

Inhaltsverzeichnis

1Definitionen

2Geschichte der Polyesterharze

3Aufbau und Struktur von Polyestern und Alkydharzen

3.1Reaktionen für den Aufbau

3.1.1Grundlegende Reaktionen

3.1.1.1Veresterung von Alkoholen und Carbonsäuren

3.1.1.2Umesterungsreaktion

3.1.1.3Reaktionskatalyse

3.1.1.4Anhydrid-Addition

3.1.1.5Epoxid-Addition

3.1.1.6Andere Bildungsreaktionen

3.1.2.Aufbau von Polyestern und Alkydharzen

3.1.2.1Bildung linearer Polyester

3.1.2.2Bildung verzweigter Polyester

3.1.2.3Ringschlüsse als Nebenreaktionen?

3.1.2.4Vernetzung beim Aufbau von Polyestern

3.1.2.5Besonderheiten bei der Bildung von Alkydharzen

3.2Bestimmung und Begrenzung der Größe von Polyestermolekülen

3.2.1Abhängigkeit der Molekülgröße

3.2.2Ableitungen der Gelpunktgleichungen

3.3Berechnungsverfahren für mittlere Molmassen

3.3.1Auswahl der Einflussgrößen auf die Molmassen

3.3.2Einfluss des molaren Verhältnisses von Polyol und Polycarbonsäure auf die Größe von Polyestermolekülen

3.3.3Einfluss des Kondensationsgrads auf Polyestermolekülgröße

3.3.4Beispiele für Berechnungsverfahren

3.3.5Berechnungsverfahren für mittlere Molmassen von Alkydharzen

3.4Molekulare Größenverteilungen von Polyestern und Alkydharzen

3.4.1Beschreibung

3.4.2GPC-Analyse

3.4.3Einflüsse auf die molekulare Größenverteilung von Polyestern

3.4.4Einflüsse auf die molekulare Größenverteilung von Alkydharzen

3.5Funktionalität von Polyestern und Alkydharzen

3.6Ausnahmereaktionen für die Molmassenverteilungen

3.7Index für die Symbole, Definitionen und Berechnungen

3.8Index der Gleichungen

4Eigenschaften von Polyestern und Alkydharzen

4.1Auswahlprinzipien für die verschiedenen Bausteine

4.1.1Einfluss auf Löslichkeit und Verträglichkeit

4.1.2Einfluss auf die Filmeigenschaften

4.2Gesättigte Polyester

4.2.1Hochmolekulare gesättigte Polyester

4.2.2Polyester als Weichmacher

4.2.3Gesättigte Polyester als Hartharze

4.2.4Polyester-Segmente

4.2.4.1Gesättigte Polyester als Bausteine für Polyurethan-Eelastomere

4.2.4.2Feuchtigkeitsvernetzende Polyesterurethane

4.2.4.3Polyesteracrylate

4.2.5Gesättigte OH-Polyester für fremdvernetzbare, lösemittelhaltige Lacksysteme

4.2.5.1Wichtigste Gruppe der gesättigten Polyesterharze

4.2.5.2Struktur und Zusammensetzung der gesättigten, fremdvernetzenden Polyester für lösemittelhaltige Lacke

4.2.5.3Gesättigte OH-Polyester für die Aminoharz-Vernetzung

4.2.5.4Gesättigte OH-Polyester für die Vernetzung mit freien Polyisocyanaten

4.2.5.5Gesättigte OH-Polyester für die Vernetzung mit verkappten Polyiso-cyanaten

4.2.5.6Gesättigte OH-Polyester für festkörperreiche Lacke (High-Solids)

4.2.6Wasserverdünnbare, gesättigte Polyester

4.2.7Gesättigte Polyester für Pulverlacke

4.2.7.1Thermoplastische, gesättigte Polyester für Pulverlacke

4.2.7.2Carboxylpolyester für Pulverlacke

4.2.7.3OH-Polyester für Pulverlacke

4.2.8Selbstvernetzende Polyester (auch mit heterocyclischen Bausteinen)

4.2.9Siliconpolyester

4.3Ungesättigte Polyester (UP-Harze)

4.3.1Vernetzung ungesättigter Polyester

4.3.2Nichtmodifizierte UP-Harze – „Wachspolyester”

4.3.3„Glanzpolyester”

4.3.4UV-Vernetzung von ungesättigten Polyestern

4.3.5Sonstige, ungesättigte Polyester

4.4Alkydharze

4.4.1Einteilung der Alkydharze

4.4.2Oxidativ vernetzende Alkydharze

4.4.2.1Vernetzungsreaktionen

4.4.2.2Langölige, oxidativ vernetzende Alkydharze

4.4.2.3Mittel- und kurzölige, oxidativ vernetzende Alkydharze

4.4.2.4Korrosionsschutz-Alkydharze

4.4.2.5Alkydharze für festkörperreiche, oxidativ vernetzende Lacke

4.4.3Modifizierte Alkydharze

4.4.3.1Styrolisierte und acrylierte Alkydharze

4.4.3.2Thixotropierte Alkydharze

4.4.3.3Urethanmodifizierte Alkydharze

4.4.3.4Sonstige modifizierte, oxidativ vernetzende Alkydharze

4.4.4Wasserverdünnbare, oxidativ vernetzende Alkydharze und Alkydharz-Emulsionen

4.4.5Fremdvernetzende Alkydharze

4.4.5.1Alkydharze für Einbrennlacke

4.4.5.2Alkydharze für säurehärtende Lacke

4.4.5.3Alkydharze für die Isocyanat-Vernetzung

4.4.5.4Alkydharze für festkörperreiche Reaktionslacke

4.4.5.5Wasserverdünnbare Alkydharze für Reaktionslacke

4.4.5.6Sonstige Alkydharze für Reaktionslacke

4.4.6Vergleich von OH-Gruppen haltigen Alkydharzen und Polyestern mit anderen Bindemitteln

4.4.7OH-Alkydharze als Kombinationspartner für physikalisch trocknende Bindemittel

4.4.8Inverse Alkydharze

4.5Spezielle Polyestersysteme

4.5.1Polycarbonate

4.5.2Polycaprolactone

4.5.3Polyester aus Dienaddukten

4.5.4Standöle

Literaturverzeichnis

Allgemeine Literatur

Literatur-Index

Referenzen

Autor

Index

1Definitionen

Im chemischen Sinne sind Polyester Polymere, deren Struktur durch eine regelmäßige Wiederkehr einer Estergruppe im molekularen Kettenaufbau gekennzeichnet ist. Die als Lackbindemittel eingesetzten Polyester werden als Polyesterharze bezeichnet. Harze in diesem Sinne sind – abgeleitet von den Naturharzen – Polymere, die geeignet sind Lackfilme aufzubauen.

Sie werden dazu in einem applikationsfähigen Zustand überführt (Lösungen in organischen Lösemitteln, Lösungen oder Dispersionen in Wasser, nichtwässrige Dispersionen, Aerosole) und bilden nach der Applikation durch Trocknungsvorgänge oder Schmelzen und chemische Reaktionen Filme unterschiedlichster Eigenschaften.

Die Begriffe sind in DIN 55958 festgelegt. So heißt es: „Polyesterharze sind Kunstharze auf Basis von Polyestern, deren Struktureinheiten Estergruppen in der Kette tragen.“

Der Begriff Polyester hat in der Vergangenheit verschiedene Bedeutungsänderungen erlebt: Die zuerst zur Verfügung stehenden Polyester haben, wegen ihrer – im lacktechnischen Sinne – schlechten Löslichkeit und geringen Verträglichkeit mit anderen Lackrohstoffen, nur eine geringe Bedeutung als Lackrohstoffe gehabt, bis 1925 vor allem Kienle die Alkydharze erfand, die ölmodifizierten Polyester. Der Begriff Alkydharze leitet sich von der Zusammenfassung der englischen Worte alcohol und acid ab (schreibt sich aber auch in der angloamerikanischen Literatur stets mit „k“), und meint damit das Reaktionsprodukt aus Alkohol und Carbonsäure, das heißt den Ester bzw. Polyester schlechthin. Da die Alkydharze zunächst die einzigen lacktechnisch breit eingesetzten Polyesterharze waren, wurde der zunächst allgemein definierte Begriff auf diese spezielle Stoffklasse eingeengt.

Unter Alkydharz hat man dann bis in die 1960er-Jahre die Polyester gemeint, die fast ausschließlich aus Phthalsäureanhydrid als Polycarbonsäurebaustein und aus Polyalkoholen bestehen und die mit den Fettsäuren natürlicher Fette oder Öle modifiziert sind. Die aktuelle Definition für den Begriff Alkydharze lautet aber (DIN 55958, DIN 53183):

„Alkydharze sind durch Polykondensation von mehrbasischen Carbonsäuren mit mehrwertigen Alkoholen und Ölen oder Fettsäuren hergestellte modifizierte Polyesterharze.“ Die Bezeichnung „ölmodifizierte“ oder „fettsäuremodifizierte Alkydharze“ ist also nicht korrekt (Doppelung der Definition). Also bezeichnet man auch die Polyester als Alkydharze, die mit synthetischen Fettsäuren modifiziert sind. Da ein grundsätzlicher Einfluss der Fettsäuren als integraler Baustein der Alkydharze gesehen wird, werden hier alle Polyester, die eine Monocarbonsäure-Modifikation haben, als Alkydharze bezeichnet (die Definition damit noch etwas erweitert).

Von „modifizierten Alkydharzen” spricht man erst dann, wenn solche Kunstharze neben den Bestandteilen Polycarbonsäure, Polyalkohol und Monocarbonsäure weitere Bestandteile enthalten (Styrol, Acrylate, Polyamide, Urethane, Epoxide, Silikone).

Nach den Alkydharzen gewannen die ungesättigten Polyesterharze für einen längeren Zeitraum eine dominante Rolle im Markt (Möbellacke). Man gewöhnte sich daran allgemein von Polyesterlacken zu sprechen, wenn man diese Lacke auf Basis der ungesättigten Polyesterharze meinte (und das wurde in der Möbelindustrie bis heute beibehalten). Die korrekte Definition ist natürlich, ungesättigte Polyesterharze’ und lautet (DIN 53184): „Ungesättigte Polyesterharze (UP-Harze) sind Polyesterharze, bei denen mindestens eine der polyfunktionellen Komponenten (Polycarbonsäure oder Polyalkohol) olefinisch ungesättigt ist und mit monomeren, polymerisierbaren Verbindungen copolymerisiert werden kann.“ Sie setzt sich damit auch von den Alkydharzen ab, die bekanntlich ungesättigte Monocarbonsäuren enthalten können.

Erst als komplexere Polyalkohole und neuere Polycarbonsäuren als Rohstoffe am Markt verfügbar und erschwinglich wurden, gewannen Polyester, die nur aus Polycarbonsäure und Polyalkohol bestehen, die also im ursprünglichen Sinne als Polyesterharze zu bezeichnen sind, in der Lackindustrie Bedeutung. Um sie von den bis dahin bekannteren Gruppen abzutrennen, nannte man sie „ölfreie Alkydharze“ oder „gesättigte Polyesterharze“. Während der Begriff „ölfreie Alkydharze“ zu vermeiden ist, ist der Begriff „gesättigte Polyesterharze“ geläufig und wird auch hier angewandt. Die Definition lautet: „Gesättigte Polyesterharze sind Polyesterharze, deren polyfunktionelle Komponenten (mehrbasische Carbonsäuren und mehrwertige Polyalkohole) keine polymerisierbaren Doppelbindungen enthalten.“

Bestimmte Lackbindemittel würde man spontan nicht als Polyester bezeichnen: Polycarbonate, Polycaprolactone, Harze aus Dienaddukten (Maleinatharze), und Standöle. Sie sind aber Polyester im weitesten Sinne des Wortes und es gelten auch für sie die Gesetzmäßigkeiten zum Aufbau von Polyestern und sie werden daher hier angesprochen.

Der im Titel und im Folgenden verwendete summierende Begriff „Polyester und Alkydharze“ ist im chemischen Sinne natürlich unnötig redundant, denn Alkydharze bilden eine spezielle Gruppe der Polyester. Es wird aber damit auf die Bedeutung der Gruppe der Alkydharze und auf den täglichen Sprachgebrauch eingegangen.

2Geschichte der Polyesterharze

Spätestens seit dem frühen Mittelalter werden trocknende Öle (zum Beispiel Leinöl) als Bindemittel für Farbkörper und „Lösemittel“ für Wachse, Harze und Bitumina eingesetzt und damit für Beschichtungen (Dekorationen) verwendet. Es wurde schon früh versucht deren „Trocknung an der Luft“, heute sagen wir oxidative Vernetzung, zu beschleunigen. Man beobachtete, dass bestimmte Metalloxide (zuerst die als Farbkörper eingesetzte Bleiglätte [Blei-II-oxid]) diesen Trocknungsvorgang beschleunigen. Dann sah man, dass, wenn trocknende Öle in so genannten Glashäfen in der Sonne standen, ein deutlicher Viskositätsanstieg stattfand. Die so veränderten Produkte (Standöle) „trockneten“ dann schneller als die unbehandelten Öle. (Hier werden diese Standöle als spezielle Polyester definiert.) Den größten Erfolg erzielte man dadurch, dass man die trocknenden Öle, bzw. ihre oben genannten Abwandlungen mit Naturharzen kombinierte (Gewinn an physikalischer Trocknung). Für eine effektive Durchmischung setzte man dann Temperaturprozesse ein. Eine Kombination aus trocknenden Ölen, Standölen, Naturharzen und bestimmter Mengen Metalloxide bildete als Firnis einen Anstrichstoff, der vielen damaligen Qualitätsforderungen entsprach (Schiffe, Kutschen).

Sowohl die Kenntnisse der asiatischen Lackkunst als auch eine erste Industrialisierungsstufe (Manufakturen) der frühen Neuzeit ergaben eine Weiterentwicklung der Lacksysteme. Die neben den Bitumenlacken hergestellten Öllacke wurden dadurch verbessert, dass man hochschmelzende Naturharze wie den Bernstein, später aber vor allem auch die in den Kolonialländern gewonnen Kopale, als Kombinationspartner für die trocknenden Öle heranzog, die dann in einem etwas aufwändigeren Schmelzverfahren zusammengebracht werden mussten.

Der Industrialisierungsprozess der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert forderte größere Mengen solcher Rohstoffe, die aber nicht zur Verfügung standen, vor allem, wenn man nur wenige Kolonien besaß (wie die deutschen Staaten) oder durch kriegerische Auseinandersetzungen der Warenaustausch empfindlich behindert wurde. Da im gleichen Zeitraum die chemische Industrie begründet wurde, suchte man dort nach geeigneten Stoffen, die die genannten Naturstoffe ersetzen sollten und schließlich aus der Rohstoffbasis Steinkohlenteer hergestellt werden konnten.

Als erstes hatte bereits 1846 Berzelius ein Kondensationsprodukt aus Weinsäure und Glycerin beschrieben [1], das heute von allen Autoren als erster Polyester zitiert wird. Etwas später beschreibt Berthelot[2-3] 1853 und 1854 Produkte aus Glycerin und Sebacinsäure bzw. aus Glycerin und Camphersäure. van Bemmelen[4]beschreibt 1856 die Umsetzungsprodukte von Glycerin mit Bernsteinsäure, Zitronensäure und Gemischen von Bernsteinsäure und Benzoesäure, auch die Umsetzung von Bernsteinsäure und Mannit wird erwähnt. Er findet als erster, dass je nach Kondensationsgrad und Mischungsverhältnissen lösliche schmelzbare Produkte neben unlöslich unschmelzbaren Produkten entstehen. Polyester aus Phthalsäureanhydrid und Glycerin wurden als erstes von Smith 1901[5]beschrieben. Er schlug auch vor, diese Produkte für Formmassen einzusetzen.

Erst deutlich später wurde 1914 der wirkliche Einsatz von so genannten Glyptalharzen für Formzwecke von M. J. Callahan[6] und L. Weisberg[7] beschrieben. Diese Glyptalharze aus Phthalsäureanhydrid und Glycerin, mit meist recht hoher Säurezahl, waren und sind bis heute nur begrenzt als Lackrohstoffe einsetzbar. Sie sind nur in niedrigen Alkoholen und Ketonen löslich und waren mit den meisten der damals bekannten Lackrohstoffe unverträglich.

Nachdem man empirisch versucht hatte die Glyptalharze über Temperaturprozesse zum Beispiel mit „trocknenden Ölen“ verträglich zu machen (wie bei den Kopalen)[8], gelang 1925 Kienle die Herstellung von Polyestern auf Basis Phthalsäureanhydrid, Polyolen (zunächst vor allem Glycerin) und Fettsäuren aus natürlichen Ölen[9]. Man nannte diese Produkte Alkydharze (aus der verkürzenden Zusammenfassung der Begriffe alcohol und acid). Diese Stoffklasse errang in der Folgezeit als Lackrohstoff sehr große Bedeutung und bildete die Lackbindemittelgruppe mit der breitesten Anwendung und der größten Verbreitung.

Zunächst gewannen die oxidativ härtenden Alkydharze, die mehrfach ungesättigte Fettsäuren aus natürlichen Ölen enthielten, an Bedeutung. Dann wurden Alkydharze auch als plastifizierende Bindemittel für die Kombination mit physikalisch trocknenden Bindemitteln – wie Cellulosenitrat – eingesetzt und auch auf Basis nichttrocknender Öle und Fette (Rizinusöl, Erdnussöl, Kokosfett) formuliert.

Über die in den 1930er-Jahren für industrielle Lackierverfahren aufkommende Einbrennlackierung auf Basis von Phenolharzen und Aminoharzen fanden Alkydharze als plastifizierende Bindemittelanteile Eingang in diesen Anwendungsbereich. Erstaunlicherweise spät – erst in den 1950er-Jahren – wird beschrieben, dass es eine Co-Vernetzung zwischen den überschüssigen OH-Guppen von „kurzöligen“ und „mittelöligen“ Alkydharzen und den funktionellen Gruppen der Aminoharze gibt. Ähnliches ergibt sich für die Kombination von Alkydharzen und Aminoharzen in den so genannten säurehärtenden Lacken, die parallel dazu entwickelt und eingeführt wurden.

Ein Überschuss von OH-Gruppen in Alkydharzen ergab sich beinahe eher zufällig. Seit Anfang der 1930er-Jahre beschäftigte man sich auch ausführlich theoretisch mit dieser Stoffklasse[10-12]. Alle diese theoretischen Ansätze gehen von stöchiometrischen Verhältnissen der drei Bausteinklassen in Alkydharzen aus. Solange man möglichst hohe Molmassen erreichen wollte, um gute Filmeigenschaften zu erreichen, war das sicher richtig. Die Vorstellung rührte daher, dass man damals immer wieder versucht hat, Polyester und Alkydharze auch für Formmassen zu verwenden. Man dachte dabei daran, dass man, ähnlich wie bei den Phenolharzen und Aminoharzen, lösliche und schmelzbare Vorstufen herstellt, die dann erst nach einer Applikation (Ausgießen von Formen, aber auch als Lackfilm) ein vernetztes und daher beständiges Polymer ergeben. So hat man auch lange daran festgehalten, dass Polyester und Alkydharze beim Einbrennen aus sich selbst heraus durch Weiterreaktion vernetzen. Das ist um so erstaunlicher, weil schon früh hätte klar sein müssen, dass bei den Einbrennbedingungen solcher Lacke Veresterungsreaktionen nicht vollständig ablaufen können.

Wollte man für Einbrennlacke – mit der geforderten höheren Härte – Alkydharze einsetzen, die geringere Anteile an Fettsäuren enthalten als zum Beispiel die ursprünglichen oxidativ vernetzenden Alkydharze, war man gezwungen, solange man stöchiometrische Verhältnisse der funktionellen Gruppen der Bausteine wählte, die Kondensationsreaktion rechtzeitig abzubrechen, um eine Gelierung zu vermeiden. Viele Arbeiten und Veröffentlichungen von 1930 bis 1965 beschäftigen sich daher mit der Definition von Gelierungsgrenzen bei der Herstellung von Polyestern und Alkydharzen, weil man an dem stöchiometrischen Gedankenansatz festgehalten hatte.

Wenn man den Kondensationsprozess vorzeitig abbricht und zur Sicherheit mindestens einen geringen stöchiometrischen Überschuss an OH-Gruppen vorgibt[13, 14] resultieren Alkydharze mit signifikanten Anteilen freier, so genannter restlicher OH-Gruppen und meist auch noch freier, restlicher Carboxylgruppen. Nur langsam setzte sich durch, dass Alkydharze für Reaktionslacke rezepturmäßig nicht bis nahe an die Gelierungsgrenze ausgelegt und hergestellt werden müssen, sondern als Träger von OH-Gruppen für eine Vernetzungsreaktion angesehen wurden, die auch ausgehend von relativ niedrigen mittleren Molmassen, aber dann in Kombination mit einem Vernetzer, ein hohes Niveau der Filmeigenschaften erreichen.

Während man in den USA seit Ende der 1950er-Jahre für die Einbrennlacke mehr und mehr OH-Gruppen enthaltende Acrylatharze einsetzte, die die Alkydharze dort weitgehend verdrängten, ging die Entwicklung und Optimierung der Stoffklasse in Europa weiter. Die dabei formulierten moderneren Alkydharze waren, vor allem in Europa, aber dann auch weltweit – außer in den USA und Japan – bis Mitte der 1980er-Jahre für industrielle Lackierverfahren die bedeutendste Bindemittelbasis der dort eingesetzten Lacksysteme (Füller, Decklacke, Einschichtlacke für Fahrzeuge, Geräte, Maschinen). Lediglich Klarlacke werden weltweit seit den 1970er-Jahren bevorzugt auf der Basis von Acrylatharzen formuliert.

Erst mit dem weiteren Ausbau der Technologie der wässrigen Lacksysteme, seit dem genannten Zeitraum, sind die Mengenanteile des Einsatzes von Alkydharzen auch in Europa rückläufig. Das liegt daran, dass Alkydharze, wegen der begrenzten Verseifungsstabilität, nicht besonders gut für wässrige Systeme geeignet sind, obwohl es auch dafür geeignete Formulierungen gibt.

Heute spielen Alkydharze noch eine Rolle, die schon als erstes großtechnisch verwendet wurden, nämlich die Leinölalkydharze für Korrosionsschutzlacke.

Nach der Einführung der Alkydharze gab es schon früh (1930)[15] Patente über die Formulierungen von ungesättigten Polyestern. Aber erst mit Beginn der 1950er-Jahre wurden UP-Harze mehr und mehr als Lackbindemittel verwendet, vor allem für den Bereich der Möbellacke. Bis Ende der 1960er-Jahre waren geschlossenporige Klarlacke oder farbige Lacke (Polyesterlacke, Schleiflacke) für Möbel große Mode.

Nachdem der Geschmack der Möbelkäufer immer mehr auf offenporige und naturnahe Oberflächen bei Möbeln ausgerichtet war und die verbleibenden geschlossenporigen Aufbauten durch preisgünstigere Verfahren erzeugt wurden, ging der Einsatz von UP-Harzen im Möbellacksegment zurück. Heute werden UP-Harzen dort nur noch für die Pianolackierung und die Beschichtung von so genannten Dash-Boards (Holzflächen in PKWs) verwendet. UP-Harze spielen heute ihre Hauptrolle außerhalb des Lackgebietes für die Herstellung von Kunststoffteilen und Beschichtungen (Gel-Coats). Aber auch Reparaturspachtel werden nach wie vor auf der Basis von UP-Harzen formuliert.

Die größere lacktechnische Anwendung der nichtmodifizierten gesättigten Polyester beginnt mit der Erfindung der Zweikomponentenlacke aus OH-Gruppenhaltigen Bindemitteln und Polyisocyanaten Ende der 1930er-Jahre bei Bayer[16–18]. Die OH-Gruppen enthaltenden Bindemittel waren bevorzugt gesättigte Polyester und Alkydharze, dann aber auch Polyether. Die damals schon verwendeten Polyester und Alkydharze waren relativ niedrigmolekular, denn sie sollten möglichst hohe OH-Zahlen für die Isocyanatvernetzung haben. Auch wenn dabei stets nur stöchiometrische Formulierungsansätze gemacht wurden, resultierte die Auswahl größerer OH-Überschüsse letztlich in einer Begrenzung der mittleren Molmassen.

Aber erst als die heute gängigen Rohstoffe für gesättigte Polyester, nämlich u.a. Isophthalsäure, Dimethylterephthalat, Neopentylglykol, Hexandiol und Trimethylolpropan großtechnisch zu akzeptableren Kosten verfügbar wurden, wurden gesättigte Polyester mehr und mehr als Lackbindemittel ausgewählt. Das begann zwar mit den Polyestern für die Zweikomponentenlacke, gilt aber für den breiteren Einsatz erst seit den 1970er-Jahren. So gewann die eigentlich ursprüngliche Stoffklasse von Polyestern, die nur aus Polycarbonsäuren und Polyalkoholen bestehen, als Letzte breiteren Eingang in die Lackindustrie. Denn erst bei Verwendung spezieller Polycarbonsäuren und vor allem der heute üblichen Diolkombinationen haben gesättigte Polyester ausreichende Löslichkeit in gängigen Lacklösemittel und Verträglichkeit mit anderen Lackrohstoffen, die natürlich für eine breitere Anwendung unerlässlich sind. Der mengenmäßige Zuwachs von gesättigten Polyestern in Lacksystemen hält noch an. Das liegt daran, dass gesättigte Polyester auch in modernen, umweltfreundlichen Lacksystemen verwendet werden. Es werden immer mehr Zweikomponentenlacke verarbeitet, die bevorzugt gesättigte Polyester enthalten (Kunststofflackierungen). Im Unterschied zu den klassischen Alkydharzen können gesättigte Polyester eher für wässrige Lacksysteme ausgewählt werden, wobei natürlich auch auf die Verseifungsstabilität Rücksicht genommen werden muss. Gesättigte Polyester sind neben den Epoxidharzen die wichtigste Stoffklasse für die Formulierung von Pulverlacken, deren Anteil als Beschichtungsmittel immer noch wächst – wenn auch nur moderat. Auch als modifizierende Bausteine spielen heute gesättigte Polyester eine wichtige Rolle: Es gibt zum Beispiel Polyesteracrylate für die UV-Vernetzung und Polyesterweichsegmente in wässrigen Polyurethandispersionen.

Auch in Lehrbüchern und Veröffentlichungen werden die Formulierungsrichtlinien für Polyester und Alkydharze, die spätestens in den 1960er-Jahre veröffentlicht wurden, zitiert, und es gibt bisher dazu nur wenige neuere Untersuchungen, die veröffentlicht wurden. Die Zitate schließen oft ein, dass die Formulierung und Herstellung von Polyestern und Alkydharzen von den zitierten Berechnungsverfahren zwar beeinflusst werden, dass aber die Formulierung und Herstellung von Polyestern und Alkydharzen immer noch auf Erfahrungswerten beruhen. Da man diese Stoffklasse als etabliert definiert und keine besonderen Neuentwicklungen erwartet, beschäftigt man sich so gut wie gar nicht mehr mit den theoretischen Vorgaben.

3Aufbau und Struktur von Polyestern und Alkydharzen

In der Literatur werden Polyester und vor allem Alkydharze meist über ihre Bausteine charakterisiert. Um die verschiedenen Einflussgrößen auf die Eigenschaften von Polyestern und Alkydharzen zu bewerten, sollen hier zuerst die allgemein gültigen, strukturellen Einflussgrößen von den stofflichen Einflussgrößen getrennt behandelt werden. Auch wenn es zwischen diesen Feldern Wechselwirkungen gibt, werden zunächst der prinzipielle Aufbau von Polyestern und Alkydharzen und die dabei relevanten Einflussgrößen angesprochen, die allgemein für die verschiedensten stofflichen Zusammensetzungen gelten. Erst danach wird auf die stofflichen Einflussgrößen eingegangen (Kapitel 4).

3.1Reaktionen für den Aufbau

3.1.1Grundlegende Reaktionen

3.1.1.1Veresterung von Alkoholen und Carbonsäuren

Die Veresterung von Alkoholen und Polycarbonsäuren ist das klassische Beispiel für eine Kondensationsreaktion und für die Beschreibung von Gleichgewichtsreaktionen. Diese Reaktion wird im Lehrbereich üblicherweise auch für die Ableitung des Massenwirkungsgesetzes ausgewählt. Nach der konventionellen Vorstellung, die aber als Modell für den Aufbau von Polyestern geeignet ist, beruht die Reaktion auf der Anlagerung des nucleophilen Alkoholsauerstoffatoms an das elektrophile Kohlenstoffatom der Carboxylgruppe (Abbildung 3.1). Vor allem wegen des sterischen Effektes, der aus dieser Addition entstehenden „ortho-Struktur“ mit drei Sauerstoffatomen an einem Kohlenstoffatom, zerfällt diese „Zwischenstufe“ entweder in ihre Ausgangsbestandteile oder in einen Ester und Wasser. Das Verhältnis von Produkten aus diesem Zerfall zu den Edukten wird durch die Liganden der Ausgangskomponenten bestimmt (individuelle Reaktivität). Weitere Einflussgrößen auf den Zerfall sind die Konzentration der reaktionsfähigen Gruppen und die Temperatur.

Insgesamt beruht das Gleichgewicht auf der Tatsache, dass auch die durch den Zerfall der „ortho-Struktur“ gebildeten Ester sich so polarisieren können, dass sie mit dem ebenfalls gebildeten Wasser die „ortho-Struktur“ wieder zurückbilden. Diese Reaktionsrichtung wird als Verseifung definiert.

Der Beweis für den gesamten Ablauf besteht in einer radioaktiven Dotierung des Sauerstoffatoms des Alkohols, der dann ausschließlich im Ester wiedergefunden werden kann. Eine radioaktive Dotierung eines Carbonsäure-Sauerstoffatoms findet sich dann sowohl im Ester als auch im Wasser, weil die beiden OH-Gruppen der „ortho-Struktur“ völlig gleichberechtigt sind[19].

Abbildung 3.1: Konventionelles Modell zum Mechanismus der Veresterungs- und der Verseifungsreaktion

Abbildung 3.2 zeigt die summarische Formel der Veresterung und der Verseifung als Gleichgewichtsreaktion:

Abbildung 3.2: Summarische Formel der Veresterung und Verseifung

Für die Bedingungen des Reaktionsgleichgewichts gilt die bekannte Ableitung des Massenwirkungsgesetzes[20]:

Das bedeutet, dass man für eine möglichst quantitative Herstellung von Estern, das Gleichgewicht auf die Seite der Produkte verschieben muss. Das geschieht üblicherweise mit der Abdestillation des entstehenden Wassers. Die üblichen Herstellverfahren für Polyester richten sich nach dieser Bedingung, unter dem Aspekt des Destillationsverfahrens liegt also eine „Sumpfgewinnung“ vor.

3.1.1.2Umesterungsreaktion

Die bei der Darstellung des Reaktionsmechanismus der Veresterung polarisierbare Estergruppe, die mit Wasser über die beschriebene „ortho-Struktur“ zu einer Verseifungsreaktion führen kann, kann auch mit anderen beweglichen Wasserstoffatomen reagieren. So können auch Alkohole mit Estern reagieren (Abbildung 3.3 und 3.4). Die dabei gebildete „ortho-Struktur“ zerfällt dann wieder in Alkohol und Ester, wobei ein Gleichgewicht zwischen dem Anteil des ursprünglichen Esters und dem des Esters mit dem zugegebenen Alkohol entsteht. Das Gleichgewicht wird auch hier von der Art des Alkohols, bzw. der durch den Alkylrest beeinflussten Reaktivität der OH-Gruppe bestimmt und ist natürlich auch von der Konzentration der Edukte und der Temperatur abhängig.

Abbildung 3.3: Mechanismus der Umesterungsreaktion

Abbildung 3.4: Summarische Formel der Umesterung

Im Gleichgewicht gilt dann:

Wenn einer der Ester in möglichst hoher Ausbeute gewonnen werden soll, muss das Gleichgewicht auf die entsprechende Seite verschoben werden. Das geschieht üblicherweise durch Abdestillation einer Komponente. Bei der Herstellung von Polyestern können daher die Polycarbonsäureester niedrigsiedender Alkohole als Ausgangsstoffe eingesetzt werden, und für eine möglichst vollständige Umesterung mit einem weiteren Alkohol wird der Alkohol der Ausgangskomponente abdestilliert.

Die Umesterungsreaktion spielt auch bei der Herstellung von Alkydharzen eine Rolle. Dabei wird das Reaktionsgleichgewicht zugunsten der Produktseite durch die Wahl geeigneter Überschüsse auf der Eduktseite verschoben.

Obwohl die Umesterungsreaktion für bestimmte Herstellverfahren bekannt ist, und dem entsprechend auch in den Lehrbüchern beschrieben wird, wird ihre Wirkung bei der theoretischen Betrachtung des Aufbaus von Polyestern meist außer Acht gelassen. Berechnungsverfahren für die Bildung von Polyestern, d.h. ihrer Molmassen, ihrer Molmassenverteilungen und die Definition so genannter Gelpunktgleichungen postulieren oft, dass außer der Veresterungsreaktionen keine intermolekularen Reaktionen bei der Herstellung von Polyestern ablaufen. Umesterungsreaktionen finden nicht nur bei der Herstellung von Polyestern und Alkydharzen aus Estern als Ausgangsprodukte statt, sondern natürlich auch während des gesamten Reaktionsablaufs (Herstellprozess) (siehe 3.4 Molekulare Größenverteilungen).

3.1.1.3Reaktionskatalyse

Viele Autoren interpretieren aus der Bestimmung der Reaktionsordnung bei Veresterungsreaktionen, Verseifungsreaktionen und Umesterungsreaktionen (meist Reaktionen zweiter Ordnung), eine katalytische Wirkung als ausschlaggebend. Dabei wird stets eine Polarisierung der Carboxylgruppe als auch der Estergruppe durch Säuren bzw. Lewis-Säuren vorausgesetzt und angenommen, dass die Anlagerung des Alkohols an eine Oxonium-Stufe oder ein Carbonium- Ion stattfindet (Abbildung 3.5).

Abbildung 3.5: Saure Katalyse zum Start der Veresterungsreaktion

Andererseits bilden Carbonsäuren – eben als Säuren – selbst den Grund für die Polarisierung ihrer Carbonylgruppen, wie das Vorliegen von Dimeren bei der Molmassenbestimmung niedrigmolekularer Carbonsäuren beweist.

Auch die H-Atome der Hydroxylgruppen von Alkoholen können entsprechend wirken.

Damit stellen sich die Reaktionen der Carboxylgruppen bzw. der Estergruppen als relativ komplex dar. Das gilt besonders für die Reaktion von tertiären Alkoholen und Phenolen mit Carboxylgruppen, die sich völlig anders verhalten als primäre und sekundäre aliphatische Alkohole. Andererseits spielen deren Reaktionen – nicht zuletzt wegen dieser Besonderheiten – bei der Herstellung von Polyestern praktisch keine Rolle.

Abbildung 3.6: Carbonsäuren können als Dimere vorliegen

3.1.1.4Anhydrid-Addition

Verschiedene Polycarbonsäuren fallen großtechnisch in Form ihrer 1,2-Anhydrid-Derivate an (o-Phthalsäure, Tetrahydrophthalsäure, Hexahydrophthalsäure, Trimellithsäure, Pyromellithsäure, Bernsteinsäure, Maleinsäure). 1,2-Anhydride reagieren aufgrund ihrer Ringspannung und der damit exponierten Lage des nukleophilen Brücken-Sauerstoffatoms leicht mit elektrophilen, beweglichen Wasserstoffatomen, wie zum Beispiel von Alkoholen. Durch eine Additionsreaktion bilden sich eine Estergruppe und eine freie Carboxylgruppe, die dann einer weiteren Veresterungsreaktion zugänglich ist.

Deren Reaktionsgeschwindigkeit – vor allem bei aromatischen Polycarbonsäuren – ist aber durch die sterische Hinderung kleiner als die isolierter Carbonsäuregruppen. Eine Verseifungsreaktion ist dagegen begünstigt (Abbildung 3.7). Auch bei höheren Temperaturen kann sich das Anhydrid wieder zurückbilden – auch dann wieder bevorzugt bei den aromatischen Polycarbonsäuren.

Abbildung 3.7: Anhydrid-Additionsreaktion

Abbildung 3.8: Esterbildung durch Epoxidaddition

3.1.1.5Epoxid-Addition

Formal könnten 1,2-Epoxide als Anhydride von 1,2-Diolen angesprochen werden. Sie reagieren daher mit Carbonsäuren unter Addition des beweglichen Wasserstoffatoms der Carboxylgruppe an den Sauerstoff des Epoxids. Es entsteht ein elektrophiles Carboniumion das mit einem nucleophilen Sauerstoff der Carboxylgruppe zu einer Estergruppe reagiert. Die entstehende – fast immer sekundäre OH-Gruppe – ist dann einer weiteren Veresterung zugänglich (Abbildung 3.8).

Bei Einfluss stärkerer Säuren entstehen als Nebenreaktion Additionspolymere des Epoxids selbst. Es bilden sich Polyether.

3.1.1.6Andere Bildungsreaktionen

In der organischen Synthese sind noch weitere Esterbildungsreaktionen bekannt. Zwei spezielle Polyestersysteme, die als Bindemittelkomponenten eine Rolle spielen können, sollen hier noch genannt werden.

Polycarbonate entstehen durch Umsetzung von Phosgen oder ggf. anderer Kohlensäurederivate mit Alkalialkoholaten. Dabei können dann auch Alkaliphenolate verwendet werden. Die hohe Bildungsenthalpie bei der Entstehung von Alkalihalogeniden sichert hohe Umsatzraten für die sonst schwierige Bildung von Carbonaten. Die gebildeten Carbonate sind überraschend stabil (Abbildung 3.9).

Abbildung 3.9: Bildung von Arylcarbonat

Cyclische Ester (Lactone) können je nach Ringgröße katalytisch induziert oder durch Reaktion mit Carbonsäuren oder Alkoholen durch Ringöffnung kettenförmige Ester bilden. Während bei den Milchsäurelactonen und bei γ-Butyrolacton und δ-Valerolacton, die Gleichgewichte bevorzugt auf der Seite des cyclischen Esters liegen (Fünfer- und Sechserring), verläuft die Reaktion bei e-Caprolacton (Siebenerring) zugunsten einer kettenförmigen Verbindung (Polyester), siehe Abbildung 3.10.

Abbildung 3.10: Ringöffnungsreaktion bei ε-Caprolacton

3.1.2. Aufbau von Polyestern und Alkydharzen

3.1.2.1Bildung linearer Polyester

Voraussetzung für die Möglichkeit der Bildung von Polyestern sind polyfunktionelle Bausteine, d.h. Bausteine, die mindestens zwei funktionelle Gruppen enthalten. Wenn eine Dicarbonsäure mit einem Diol zur Reaktion gebracht wird, entsteht zunächst nach dem oben beschriebenen Reaktionsmechanismus ein einfacher Ester. Der einfache Ester trägt dann noch beide reaktionsfähige Gruppen. Er bildet mit seiner OH-Gruppe und weiterer Dicarbonsäure oder mit seiner Carboxylgruppe und weiterem Diol oder mit weiteren Molekülen seiner Art in einer „Kopf-Schwanz-Reaktion“ kettenförmige Oligomere und schließlich Polymere, d.h. lineare Polyestermoleküle (Abbildung 3.11).

Setzt man n Mole Diol mit n Molen Dicarbonsäure um, so entstehen theoretisch im Mittel Polyestermoleküle mit n-1 Strukturelementen, die stets noch beide funktionelle Gruppen enthalten können, aber auch Gemische aus Molekülen darstellen, die je zwei OH-Gruppen oder je zwei Carboxylgruppen tragen können (Abbildung 3.12).

Abbildung 3.11: Start und Aufbau linearer Polyestermoleküle

Zur Vereinfachung der Darstellung wurden hier schon vor längerer Zeit Symbole eingeführt, die mittlerweile auch in der Literatur aufgetaucht sind. Polycarbonsäuren werden durch Kreissymbole dargestellt, weil sie – für die Anwendung in Polyestern als Lackrohstoffe – meist aus aromatischen Verbindungen bestehen. Dagegen werden für die üblicherweise aliphatischen Polyalkohole Strichsymbole verwendet. Die Anzahl der Strichenden in beiden Symbolgruppen entspricht der Anzahl der funktionellen Gruppen. Die Abbildung 3.12 verkürzt sich dann zu den Symbolen in Abbildung 3.13, siehe Seite 29.

Bemerkenswert – bei der Darstellung des prinzipiellen Aufbaus von Polyestern – ist die daraus ablesbare Tatsache, dass beim ersten Reaktionsschritt – der Bildung des Monoesters – stets mehr Wasser als Reaktionsprodukt der Veresterung anfällt als in allen darauf folgenden Schritten gemeinsam. Diese Bedingung ist ausschlaggebend für das Vorgehen bei den technischen Herstellverfahren von Polyestern.

Abbildung 3.12: Aufbau mittlerer Polyestermoleküle aus n Molen Diol und n Molen Dicarbonsäure

Abbildung 3.13: Aufbau mittlerer Polyestermoleküle aus n Molen Diol und n Molen Dicarbonsäure (Symbolform der Darstellung)

Lineare Polyester entstehen auch aus Hydroxycarbonsäuren. Diese verhalten sich so wie der zunächst aus Diol und Dicarbonsäure gebildete Monoester, der obigen Darstellung, aus dem dann durch „Kopf-Schwanz-Reaktionen“ lineare Polyester entstehen.

3.1.2.2Bildung verzweigter Polyester

Immer dann, wenn Bausteine verwendet werden, die mehr als zwei funktionelle Gruppen haben, entstehen zunächst verzweigte Polyester (Abbildung 3.14). Wenn es beim Aufbau linearer Polyester schon viele strukturelle Möglichkeiten gibt, so gilt das noch viel mehr beim Aufbau verzweigter Polyester. Es entsteht eine Vielzahl von Strukturisomeren.

Abbildung 3.14: Startreaktion und beginnender Aufbau verzweigter Polyester

Die Vielzahl der Strukturisomere erhöht sich noch weiter dadurch, dass auch Polyestermoleküle gebildet werden, die nur OH-Guppen tragen und dann natürlich auch solche, die nur Carboxylgruppen tragen. Die Anzahl der Strukturisomere steigt exponentiell, je größer die Polyestermoleküle werden. Außerdem ist noch die molekulare Größenverteilung zu berücksichtigen. Es ist prinzipiell möglich, dass bei der Bildung von Polyestern aus Bausteinen mit mehr als zwei funktionellen Gruppen auch ein gewisser Anteil linearer Moleküle entsteht. Dieser Anteil wird umso kleiner sein, desto größer die Polyestermoleküle werden.

Die Vorstellung, dass sich bei Bausteinen, die zwar mehr als zwei funktionelle Gruppen tragen, von denen sich aber eine in ihrer Reaktivität unterscheidet, zunächst nur lineare Polyestermoleküle aufbauen, ist kritisch zu bewerten. Das klassische Beispiel ist die Beschreibung der Herstellung von Polyestern, die Glycerin als Polyolkomponente enthalten.

Dabei wird postuliert, dass zunächst nur lineare Polyester entstehen, und erst gegen Ende der Reaktion Verzweigungen, wenn überhaupt. Natürlich werden die primären OH-Gruppen des Glycerins schneller reagieren als die sekundären, und außerdem gibt es zwei von ihnen. Aber sobald ein Teil der primären OH-Gruppen Ester gebildet haben, wird die dann relativ höhere Konzentration der zunächst nicht zur Reaktion gekommenen sekundären OH-Gruppen so sein, dass deren geringere Reaktivität kompensiert wird. Setzt man Bausteine unterschiedlicher Funktionalität (zwei und größer) ein, erhöht sich weiterhin die mögliche Anzahl der Strukturisomere.

3.1.2.3Ringschlüsse als Nebenreaktionen?

Die theoretischen Betrachtungen der Literatur[21–23] beschäftigen sich oft intensiv mit der Bildung von Ringstrukturen während des Aufbaus von Polyestern. Neben der Tatsache, dass sich Ringe mit fünf und sechs Ringatomen, wegen der passenden Bindungswinkel der am Aufbau beteiligten Atome, relativ schnell bilden, wird darauf hingewiesen, dass Ringe die 14 und mehr Glieder haben, sich wieder ohne besondere Spannung der Bindungswinkel bilden können. Es wird dann daraus abgeleitet, dass die Bildung von Ringstrukturen, die experimentell gefundenen Abweichungen von den theoretischen Aussagen über Molmassen und Molmassenverteilungen erklären können. Dabei bleibt aber zu berücksichtigen, dass Ketten solcher Länge sehr viele tertiäre Strukturisomere (räumliche Molekülstrukturen) bilden können, so dass eine intramolekulare „Kopf-Schwanz-Anordnung“ nur eine geringe Wahrscheinlichkeit hat. Außerdem benötigt eine Veresterungsreaktion bestimmte kinetische Voraussetzungen, damit sie überhaupt abläuft (Modell der Wahrscheinlichkeit des Anteils erfolgreicher Zusammenstöße funktioneller Gruppen als Erklärung für die Größe der Geschwindigkeitskonstante k’ der Veresterungsreaktion). Damit wird die Wahrscheinlichkeit der Bildung größerer Ringstrukturen beim Aufbau von Polyestermolekülen recht gering.

Bis auf bestimmte Ausnahmen finden Ringschlüsse beim Aufbau von Polyestermolekülen aus unserer Sicht nicht statt, bzw. Bausteine oder Bausteinkombinationen, die zu Ringschlüssen bei Veresterungsreaktionen führen können, sind dann nicht für die Herstellung von Polyestern vorgesehen. So entsteht zum Beispiel aus Oxalsäure und Ethylenglykol mit relativ hoher Ausbeute Dioxolandion und 4-Hydroxybuttersäure bildet durch Bildung eines inneren Esters γ-Butyrolacton. Zur Herstellung von Polyestern wird man daher auf diese Bausteine verzichten. Es gibt GC-Untersuchungen[24] die beweisen sollen, dass bei der Herstellung von Polyethylenterephthalat durch Umesterung aus Dimethylterephthalat über Diethylenglykolterephthalat als Zwischenstufe, cyclische Moleküle aus zwei Molen Terephthalsäure und zwei Molen Ethylenglykol entstehen, deren Anteil die gewünschten Eigenschaften des hochmolekularen Polyesters als Faserrohstoff natürlich signifikant beeinträchtigen würden. Wenn man sich die postulierte planare Struktur aus einem Benzolring und den beiden Carboxylgruppen der Terephthalsäure vor Augen hält und die Tatsache, dass die π-Elektronensysteme der Ringe sich abstoßen würden, erscheint auch eine solche Ringbildung ziemlich unwahrscheinlich.

3.1.2.4Vernetzung beim Aufbau von Polyestern

In Abhängigkeit von stöchiometrischen Bedingungen können verzweigte Polyester aus sehr großen Molekülen bestehen, die an den Enden der Molekülzweige OH-Gruppen und Carboxylgruppen tragen. Wenn solche Moleküle dann mehr als zweimal miteinander reagieren, entstehen aus den verzweigten Molekülen vernetzte Moleküle. Vernetzte Polyestermoleküle können auch dann entstehen, wenn größere Moleküle untereinander durch kleinere Moleküle mehr als einmal verknüpft werden. Die gebildeten räumlichen Netzwerke, können noch kleinere Moleküle einlagern. Räumlich Netzwerke enthalten daher auch molekulare Ringstrukturen. Bei der Bildung vernetzter Polyestermoleküle ändert sich die Viskosität eines Polyesters (Polyesterschmelze) nahezu sprungartig: Aus der maximal gering strukturviskosen Schmelze entsteht ein Gel mit sehr hohen Viskositäten und einer deutlichen Fließgrenze. Vernetzte Polyestermoleküle sind nicht mehr schmelzbar und nicht mehr in Lösemitteln löslich. Sie sind daher nicht mehr in eine verarbeitungsfähige Form zu überführen. Der Filmzustand wird vorweg genommen.

Da zunächst versucht wurde möglichst hochmolekulare Polyester zu synthetisieren, hat man sich sehr lange Zeit mit der Vernetzung (Gelierung) beschäftigt und immer wieder versucht diesen Vorgang theoretisch zu definieren, d.h. den Umsetzungsgrad bei der Herstellung von Polyestern vorauszusagen, bei dem eine Gelierung stattfindet (siehe Kapitel 3.2).

3.1.2.5Besonderheiten bei der Bildung von Alkydharzen

Alkydharze entstehen durch Umsetzung von Polycarbonsäuren, Polyolen und Monocarbonsäuren (siehe Kapitel 1 und 2). Gebräuchliche Alkydharze enthalten als Polycarbonsäure bevorzugt die o-Phthalsäure, bzw. – als Ausgangsstoff für die Herstellung – das Phthalsäureanhydrid, stets Polyole mit drei und mehr OH-Guppen (bei Mischungen im Mittel drei und mehr) und aliphatische Monocarbonsäuren, die primäre und – seltener – sekundäre Carboxylgruppen tragen.

Diese Auswahl hat einen besonderen Grund: Bei der Herstellung von Alkydharzen aus den genannten Bausteinen, ist die Reaktion des Phthalsäureanhydrids mit einer OH-Gruppe eines Alkohols die schnellste und damit bevorzugte Reaktion. Es entsteht eine Ester und eine benachbarte Carboxylgruppe. Diese Carboxylgruppe reagiert aufgrund der sterischen Beeinflussung (als benachbarte Gruppe und durch das aromatische π-Elektronensystem) relativ langsam mit den weiteren OH-Gruppen. Daher reagieren diese OH-Gruppen zunächst bevorzugt mit den Carboxylgruppen der Monocarbonsäuren. Danach ergibt erst die Veresterung der zweiten Carboxylgruppe des Phthalsäurerestes mit restlichen OH-Gruppen des Polyols das molekulare Wachstum des Polyesters (so genannter „polyester-backbone“ des Alkydharzes).

Abbildung 3.15: Darstellung der Synthese von Alkydharzen als Stufenprozess

Natürlich ist die Alkydharzsynthese kein echter Stufenprozess (Abbildung 3.15), wie in dem aufgezeigten Schema. Die Stufen sollen hier die unterschiedlichen Reaktionsgeschwindigkeiten darstellen. Die aufgezeigten Reaktionen laufen natürlich parallel, aber mit deutlich unterschiedlichen Geschwindigkeitsgradienten. Tatsache ist aber, dass während des Aufbaus von Alkydharzen die eingesetzten Polyolkomponenten schneller Monocarbonsäureester bilden, als dass sie sich am Wachsen der Polyesterkette beteiligen. Fallen die Säurezahlen bei der Synthese von Alkydharzen auf relativ niedrige Werte (unter 30), so sind die verbleibenden Carboxylgruppen stets die von Phthalsäureresten (bzw. auch von freiem Phthalsäureanhydrid), was GC-Untersuchungen belegen.

Dieses Aufbauprinzip hat Konsequenzen für die Größenverteilung von Alkydharzmolekülen (siehe Kapitel 3.4). Die Synthese von Alkydharzen auf Basis anderer Polycarbonsäuren als Phthalsäureanhydrid (zum Beispiel auf Basis Isophthalsäure oder mit Anteilen von Adipinsäure neben Phthalsäureanhydrid), erfordert einen anderen molaren Ansatz, Dort bestehen die unterschiedlichen Reaktionsgeschwindigkeiten von Anhydrid und der zweiten sterisch beeinflussten Carboxylgruppe nicht. Auch die Synthese von Alkydharzen mit tertiären Monocarbonsäuren erfordert besondere Maßnahmen, weil die intermediäre Reduktion der Funktionalität der Polyole durch Bildung von Monocarbonsäureestern nicht ausreichend wirksam wird. Man kann sogar unterschiedliche Effekte feststellen, wenn man primäre und sekundäre Monocarbonsäuren miteinander vergleicht.

3.2Bestimmung und Begrenzung der Größe von Polyestermolekülen

3.2.1Abhängigkeit der Molekülgröße

Nachdem die ersten Polyester und vor allem die Alkydharze[25] empirisch entstanden sind und dementsprechend beschrieben wurden, hat sich die theoretische Polymerchemie seit Anfang der 1930er-Jahre auch mit den Polyestern beschäftigt. Vor allem Carothers und Flory haben sich mit den theoretischen Voraussetzungen der Bildung von Polyestern befasst. Zwar gelang es damals noch nicht hochmolekulare, lineare Polyester für Kunststoffe oder Fasern herzustellen, aber es war immer das Ziel der Untersuchungen und Betrachtungen, die Bedingungen für die Bildung möglichst großer Polymermoleküle zu definieren.

Die Betrachtung von Polyestern aus difunktionellen Bausteinen ergab schon früh, dass die Größe der Molmassen der Polyester vom Umsatz und von den molaren Verhältnissen abhängig ist. Es gibt bekannte Gleichungen für die Bildung linearer A-B-Polymere.

So ist die Größe der Molmasse (Mn) bzw. die Anzahl (q) der Strukturelemente linearer Polyester abhängig vom Verhältnis der aktuellen Anzahl der funktionellen Gruppen (νCOOH bzw. νOH