Verbotene Erfindungen Band 2 - Es ist alles noch viel schlimmer! - György Egely - E-Book

Verbotene Erfindungen Band 2 - Es ist alles noch viel schlimmer! E-Book

György Egely

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Beschreibung

Weitere bahnbrechende Erfindungen - verboten, ignoriert, vergessen

Auf dem Umschlag sind zwei Schiffe zu sehen. Das erste - ein damals in Europa weitverbreitetes - ist ein schwerfälliges, kompliziert getakeltes Schiff, das viele Seeleute zum Manövrieren benötigt. Es wurde von Kaufleuten gebaut und weist eine überholte, schlecht ausgearbeitete Technik auf. Dennoch eroberten Europäer mit ihm Kontinente und kolonisierten Reiche. Das andere stammt aus dem alten China. Seine Segel ähneln den Flügeln von Vögeln. Es ist der König unter den Segelschiffen und wurde 2000 Jahre vor seinem europäischen Bruder erbaut. Es hätte die Welt erobern können, doch der damalige chinesische Kaiser verbot es ...

Die ebenfalls auf dem Umschlag abgebildete Maschine erzeugte weit mehr Energie, als sie für ihren Antrieb benötigte. Dieser Traum wurde im Jahr 1879 verwirklicht und dann vergessen ...

  • Treibstofflose Energieerzeugung Tag und Nacht ...
  • Antigravitation, Teleportation ...
  • Unbekannte Arten von elektromagnetischen Wellen ...
  • Transmutation von Materie ...
  • Erfindungen, die einst existierten, aber aus verschiedenen Gründen verloren gingen ...


Wir sind nicht mehr weit von der endgültigen Explosion der Energiepreise und der daraus resultierenden wirtschaftlichen und sozialen Krise entfernt. Diese selbstzerstörerische Lebensweise kann nicht mehr lange aufrechterhalten werden. Kann die Wiederentdeckung von »revolutionär alten« Erfindungen die Gefahr abwenden? Oder ist es schon zu spät?

Die mächtigsten und wohlhabendsten Reiche der Geschichte sind untergegangen, weil sie den technologischen Fortschritt ignoriert sowie die Dynamik bahnbrechender Entdeckungen und Erfindungen gebrochen haben. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen ...

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Europa kam …

… China ging

1. Auflage März 2024

Copyright © 2024 by György Egely

Copyright © 2024 für die deutschsprachige Ausgabe bei Kopp Verlag, Bertha-Benz-Straße 10, D-72108 Rottenburg

Titel der ungarischen Originalausgabe: Borotvaélen

Alle Rechte vorbehalten

Übersetzung aus dem Ungarischen: Sebastian Domoszlai Lektorat: Karen Görlitz Sprachliches Lektorat: Yvette Milich Grafiken: Tamás Gáspár Computergrafiken: Gábor Mészáros Satz und Layout: Mohn Media Mohndruck GmbH, Gütersloh Covergestaltung: Lilly Stühle

ISBN E-Book 978-3-86445-995-5 eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

Gerne senden wir Ihnen unser Verlagsverzeichnis Kopp Verlag Bertha-Benz-Straße 10 D-72108 Rottenburg E-Mail: [email protected] Tel.: (07472) 98 06-10 Fax: (07472) 98 06-11

Unser Buchprogramm finden Sie auch im Internet unter:www.kopp-verlag.de

Teil 1: Teslas Wellen

TEIL I

Teslas Wellen …

Das Geheimnis von Teslas Auto

Am 29. September 1912 wurde eine Leiche vom Deck der nach England fahrenden Fähre ins eisige Wasser des Ärmelkanals geworfen. Rudolf Christian Karl Diesel, der Erfinder des nach ihm benannten Dieselmotors, verschwand an diesem Tag spurlos von der Fähre. Niemand sollte daran zweifeln; viele sahen ihn an Bord gehen, doch niemand beobachtete, wie er das Schiff wieder verließ. Die deutschsprachigen biografischen Quellen vermuten, dass die langen Arbeitsstunden sein Nervensystem strapazierten und Diesel Suizid beging, indem er sich ins kalte Wasser des Ärmelkanals stürzte. Die englische Literatur ist zurückhaltender und gibt nur die bekannten Tatsachen wieder. Es stellt sich jedoch die Frage, ob jemand wirklich Deutschland verlassen würde, nur um sich dann in den Kanal zu stürzen? Im Hintergrund verbirgt sich vermutlich etwas ganz anderes.

Als erfolgreicher Ingenieur hatte Diesel zu diesem Zeitpunkt bereits den Nutzen seiner Erfindung bewiesen. Er hatte einen besseren, billigeren und effizienteren Verbrennungsmotor erfunden. Dieser Motor konnte beispielsweise die Reichweite eines U-Boots im Vergleich zu dem damals gebräuchlichen Benzinmotor verdoppeln, wodurch sich der von einem U-Boot kontrollierbare Raum vervierfachte. Der Vorteil des Dieselmotors gegenüber dem herkömmlichen Ottomotor war auch für die britische Admiralität offensichtlich. Sie lud Diesel ein, um über den Kauf seines Motors zu verhandeln. Dies konnte der deutsche Geheimdienst natürlich nicht zulassen und ergriff Gegenmaßnahmen: Die britischen Pläne mussten um jeden Preis vereitelt werden, auch wenn Diesel dafür sterben musste. Seine Ermordung ist der erste bekannte Fall, in dem eine Regierung einen Erfinder aus dem eigenen Land beseitigen ließ, um die Verbreitung seiner Erfindung zu verhindern.

Für kurze Zeit erfüllte der Mord seinen Zweck; die deutschen U-Boote waren den britischen weit überlegen und bereiteten der britischen Admiralität große Probleme. Später jedoch konnte die Nutzung des Dieselmotors nicht mehr auf deutsches Gebiet beschränkt bleiben. Er trieb zu viele Lokomotiven und Schiffe an. Es war nicht mehr möglich, »die Zahnpasta zurück in die Tube zu drücken«.

Bis heute schweigt man beim deutschen Geheimdienst zur Ermordung Diesels. Auch bei den Briten wird dieses Thema nie angesprochen. War es doch ihre Einladung, die den Tod des Erfinders verursacht hatte. Die Öffentlichkeit weiß so gut wie nichts von dem tragischen Tod. Wenn wir in einem Bus sitzen oder in einem Zug, der von einer Diesellokomotive gezogen wird, denken wir kaum an den Dieselmotor oder an dessen Erfinder. Ebenso wenig machen wir uns bewusst, dass die Diesel-Ära, die Ära des relativ billigen Öls, zu Ende geht.

Diesels Ermordung geschah am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Auf dem europäischen Kontinent herrschte ein nie da gewesener Frieden. Jeder konnte gehen, wohin er wollte, sich dort niederlassen, ein Bankkonto eröffnen und Geld verdienen. Es gab ein gewisses Maß an friedlicher Koexistenz und Globalisierung, das in der Geschichte auch heute noch beispiellos ist. Doch die deutsch-britische Rivalität war das erste Anzeichen eines kommenden Krieges. Zunächst ging es allerdings nur darum, gegnerische Sportler bei einer Veranstaltung auszubuhen oder um vage Anspielungen von Politikern auf den Mangel an Rohstoffen und die Notwendigkeit zu entscheiden, welche der Großmächte die führende Macht in Europa sei. Und es war davon auszugehen, dass dies nicht durch Referenden oder die Wissenschaft entschieden werden würde, sondern durch Kriegsflotten.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges markiert das Ende einer äußerst optimistischen Ära eines nie da gewesenen Fortschritts. Der Fortschritt, wie er seit den 1890er-Jahren bis Mitte der 1910er-Jahre stattfand, ist beispiellos. Er schien fast grenzenlos zu sein. Es war auch die Blütezeit zweier Giganten der Elektrotechnik: die des in Smiljan (heutiges Kroatien) geborenen Nikola Tesla und des amerikanischen Genies Thomas Alva Edison.

Seit den 1890er-Jahren wurden alljährlich mehrere Erfindungen gemacht, die noch heute unser Leben beeinflussen. Um nur einige Beispiele zu nennen: 1890 erhielten der amerikanische Chemiker James Dewar und der britische Chemiker Sir Thomas Boverton Redwood ein Patent für das Cracken von Erdöl. Dieses Patent ebnete der modernen Schwerölindustrie den Weg, indem es die Gewinnung und Verarbeitung von Schwerölderivaten wirtschaftlich machte. Zur gleichen Zeit perfektionierte George Eastman die Kamera. Die Massenproduktion der billigen Rollfilmkamera begann, der erste Film wurde gedreht, und Tabelliermaschinen ermöglichten die erste Massendatenanalyse. 1892 ließ der deutsche Ingenieur Rudolf Diesel einen Motor patentieren, der keine Zündung benötigt, da er Luft auf eine so hohe Temperatur komprimiert, dass sich das aufgesprühte Öl von selbst entzündet. Es dauerte 10 Jahre, bis aus der Idee eine praktische, selbstzündende und hocheffiziente Maschine wurde.

Das Jahr 1890 war auch ein Wendepunkt im Leben von Tesla. Bis jetzt hatte er mit Transversalwellen experimentiert; 1890 entdeckte er, dass elektrische Longitudinalwellen ähnlich wie Schallwellen erzeugt werden können. Diese sind viel nützlicher als die von dem Deutschen Heinrich Rudolf Hertz entdeckten und noch heute verwendeten Transversalwellen. Hertz starb früh, aber seine Arbeit und seine Idee wurden von dem jungen italienischen Erfinder Guglielmo Marconi übernommen und weitergeführt. Marconi hatte sein System schon einige Monate vor Tesla veröffentlicht, und auch der Russe Alexander Stepanowitsch Popow hatte schon ein funktionierendes System vorgestellt. Da der Russe aber keine Unterstützung bekam, konnte er seine Erfindung nicht weiterentwickeln. Das Russische Kaiserreich förderte keine neuen Ideen.

Zu derselben Zeit, als Whitcomb L. Judson den Reißverschluss erfand und Marconi Funksignale übertrug, erschien eine neue Version der Kraftmaschine: 1894 baute der Engländer Sir Charles Algernon Parsons das erste mit einer Dampfturbine angetriebene Schiff, die Turbinia. Dieses 42 Tonnen schwere und 30 Meter lange Schiff war doppelt so schnell wie die Kolbendampfer, die man durch jahrzehntelange Experimentierarbeit perfektioniert hatte. Kolbendampfer konnten nur kurze Zeit mit hoher Geschwindigkeit fahren. Außerdem hatten die Kugellager aufgrund der veränderlichen Kräfte nur eine kurze Lebensdauer. Eine Turbine hingegen kann sehr lange laufen, verbraucht nicht mehr Kraftstoff als eine Dampfmaschine und ist dazu noch sehr viel schneller.

Trotzdem konnte Parsons nur durch seine Dreistigkeit die Aufmerksamkeit auf sich ziehen: Bei einer britischen Marinevorführung fuhr er nämlich ohne Genehmigung mit seinem neuen Schiff an den Admirälen vorbei und hängte die dampfbetriebenen Torpedozerstörer, die zu seiner Verfolgung ausgeschickt worden waren, zu ihrer großen Schande problemlos ab. Die Admiralität sah keinen anderen Ausweg, die öffentliche Blamage zu überwinden, als so ein neuartiges Schiff zu erwerben. Damit endete eine Ära – die Ära der kolbengetriebenen Dampfmaschinen. Diese 20 Jahre kennzeichneten das Ende vieler Zeitalter, aber auch den Anfang zahlreicher neuer Epochen. Die Radioaktivität, Elektronen, Gasentladungen, aber auch die Mikrophysik und die atomaren Strukturen wurden zu dieser Zeit entdeckt.

Woher aber stammten all diese Erfindungen? Wie war es möglich, dass so viele neue Ideen in Wissenschaft und Technik aufkamen? Hatten die damaligen Wissenschaftler und Erfinder eine Art »Landkarte«, auf der stand, auf welchem Gebiet und wonach sie suchen sollten? Nein, natürlich nicht. Es war einfach so, dass eine Erkenntnis zur nächsten führte. Erfindungen kamen fast wie in einer Kettenreaktion auf. Sie eröffneten neue Möglichkeiten in der Physik, und das wiederum half, weitere wichtige Erfindungen hervorzubringen. Dieser lawinenartige Prozess setzte sich bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges, der dem Traum vom unbegrenzten und ungebremsten Fortschritt fast über Nacht ein Ende setzte, fort. Seitdem hat sich der Fortschritt nicht nur verlangsamt, sondern er beschränkt sich auch auf immer kleinere Gebiete. Im Folgenden werde ich versuchen aufzuzeigen, was den Fortschritt behindert und somit die technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten der Zukunft eingeschränkt hat.

Einigen Vorhersagen zufolge erreicht die Ölförderung um 2005 oder spätestens 2009 einen historischen Höchststand (Geophysiker sagten dies schon vor Jahrzehnten voraus). Danach wird die Förderungsmenge stetig sinken. Tatsächlich ist die Ölförderung in den 2000er-Jahren kontinuierlich gestiegen und erreichte den aktuellen Höchststand im Jahr 2018. (Anm. des Übers.). Ab diesem Zeitpunkt werden die Energiepreise, die schon in dieser Zeit nicht gerade niedrig waren, drastisch steigen. Zwar wird ein Teil unserer Energieversorgung noch lange Zeit in Form von Kohle-, Atom- oder Windenergie geliefert werden, aber die Folgen der Umweltverschmutzung durch Erdölprodukte werden weiterhin ein wichtiger Faktor für die gesamte Menschheit bleiben.

Möglichkeiten zu einer kostenlosen und umweltfreundlichen Energieproduktion gab es jahrzehntelang immer wieder, doch diese Chancen wurden vertan und zerstört. Jetzt haben wir keine Zeit mehr. Wir können nicht auf die Hilfe von »oben« warten, wir müssen unser Schicksal selbst in die Hand nehmen. Dies ist für die Entwicklung, den Umweltschutz und nicht zuletzt für die nationale Sicherheit unerlässlich. Um uns ein klares Bild von unseren Möglichkeiten zu machen, brauchen wir eine »Landkarte«; eine Karte, die uns zeigt, was Natur und Technik uns zu bieten haben, und was es noch zu entdecken gibt. Wir haben eine genaue, vortreffliche Karte, die uns die Natur selbst zur Verfügung stellt. Das einzige, was wir verstehen müssen, um sie deuten zu können, ist das überaus umfangreiche und vielseitige Konzept der Symmetrie.

Die Symmetriekarte

Jahrhundertelang wurden zuverlässige Seekarten wie ein wertvoller Schatz behandelt – wiesen sie doch den Weg zu reichen Gewürzinseln, Gold- und Silberminen oder Rohstoffen. Aus diesem Grund wurden Karten, die außerdem noch die Wind- und Strömungsverhältnisse aufzeichneten, streng geheim gehalten. Heute dagegen ist es selbstverständlich, dass man in fast jedem Geschäft detaillierte Karten kaufen kann. Ebenso wertvoll ist es zu wissen, wo wir die physikalischen Effekte, die in der Natur vorkommen, finden, denn wenn wir sie alle kennen würden, könnten wir nach ihrem Vorbild unzählige nützliche Maschinen bauen (Tabelle 1).

Diese Karte hat die Natur selbstdurch ihre Symmetrien gezeichnet. Die erste Tabelle zeigt die Analogien zwischen Mechanik und Elektromagnetismus und ihre Symmetrien.

Man sieht, dass die erste Zeile die statischen (zeitlich unveränderlichen) Prozesse enthält. Darunter befinden sich die stationären (zeitlich konstanten) Prozesse, und erst dann folgen die dynamischen (zeitlich veränderlichen) Prozesse. Mit dem Zulassen der zeitlichen Änderung treten immer mehr Phänomene auf. Bei den statischen Fällen gibt es außer der Gravitationskraft zwischen zwei Massen und der elektrostatischen Kraft zwischen zwei Ladungen nicht viele Effekte zu untersuchen.

Tabelle 1: Symmetriekarte

Wenn man sich die Mechanik ansieht, wird sofort klar, dass unser Wissen über die Schwerkraft sehr begrenzt ist. Wenn wir einen Massepunkt, ein Stück Masse, analog zu einer elektrischen Ladung betrachten, würden wir erwarten, dass eine bewegte Masse ein dem Magnetfeld ähnliches Feld erzeugt, genau wie eine bewegte Ladung ein Magnetfeld erzeugt. Um beschleunigte elektrische Ladungen wird außerdem ein elektrisches Feld induziert (elektromagnetische Induktion). Analog müsste es bei der Schwerkraft einen ähnlichen Effekt geben: Es müsste eine »gravomagnetische Induktion« auftreten. Dieses Phänomen ähnelt der elektromagnetischen Induktion, sodass wir auch im elektromagnetischen Fall eine Analogie zur lenzschen Regel entdecken müssten. Dies würde bedeuten, dass es auch eine abstoßende Schwerkraft geben müsste: Es müsste eine Antigravitation existieren.

In unseren heutigen Lehrbüchern finden wir nichts dergleichen, doch dieser Effekt existiert und kann durch Messungen nachgewiesen werden. Seit Langem sind Forscher auf der Suche nach dynamischen Erscheinungsformen der Schwerkraft, denn bisher konnten sie nur die Kraft zwischen ruhenden Massen messen und auch dies nur mit einer großen Messunsicherheit. Ein ungarischer Bauingenieur, László Bodonyi, hatte die Idee, anstelle der bis dahin üblichen statischen Messungen ein schwingendes physikalisches Pendel zu verwenden. Nach fast 10 Jahren experimenteller Arbeit gelang es ihm endlich zu zeigen, dass eine bewegte Masse – wenn wir bei der Analogie zur Elektrizität und zum Magnetismus bleiben – tatsächlich ein gravomagnetisches Feld erzeugt.

Der ungarische Physiker Dezső Sarkadi führte die Forschungen zur Schwerkraft mit dem physikalischen Pendel weiter und erzielte bedeutende Fortschritte: Es gelang ihm nicht nur, das Phänomen der Gravitationsinduktion nachzuweisen, sondern er entdeckte auch die lenzsche Regel für die Gravitation, also eine abstoßende Schwerkraft. Diese Experimente könnten ein Meilenstein in unserem Verständnis der Schwerkraft und der Mechanik im Allgemeinen sein und bestätigen, dass der beste Weg, Naturphänomene zu verstehen, Symmetrien sind. Warum?

Symmetrie ist die »Sprache« der Natur – die Sprache, die es uns ermöglicht, die einfachsten und sinnvollsten Fragen zu stellen und am schnellsten eine Antwort zu erhalten. Natürlich haben wir schon viele physikalische Effekte entdeckt. Diese Entdeckungen verdanken wir aber größtenteils dem Zufall – ähnlich, wie wenn man in See sticht und zufällig auf eine Insel oder einen neuen Kontinent stößt. Wenn man aber eine Karte in der Hand hat, weiß man nur, in welche Richtung man reisen muss. Die Karten sagen uns nicht, wie wir am besten zu einer Insel kommen. Das hängt von unseren Möglichkeiten ab. Wir können schwimmend, mit dem Boot, mit dem Schiff oder mit dem Flugzeug reisen. Die Methode bleibt uns überlassen.

Das Entdecken der richtigen Methode war auch bei der Erforschung der Schwerkraft der entscheidende Schritt: Bodonyis Idee, ein physikalisches Pendel zu verwenden, erwies sich als enorm wichtiger Schritt. Zwar war hin und wieder berichtet worden, dass schwache gravitomagnetische Felder um Quecksilber, das in einer solenoidförmigen (gerade Spirale) Rohrleitung zirkulierte, gefunden worden waren, doch hatte noch niemand einen soliden experimentellen Beweis dafür geliefert. Erst die Experimente von Bodonyi und Sarkadi haben uns diese geliefert. Sie haben gezeigt, dass die Schwerkraft nicht nur statisch und konstant, sondern auch zeitlich veränderlich sein kann, genau wie elektromagnetische Felder (Aufgrund seiner außerordentlichen Bedeutung wird dieser Punkt in Teil V noch ausführlicher behandelt.).

Analogie ist ein sicherer Wegweiser bei Symmetrien. Es ist ebenfalls bekannt, dass Rotation eine wichtige Rolle in der Mechanik spielt. Auch hier lassen sich Analogien zwischen einem rotierenden und einem sich geradlinig bewegenden Körper entdecken, beispielsweise bei Masse und Trägheitsmoment oder bei der Berechnung von Energie, Impuls und Drehimpuls. Wir wissen, dass Rotation ein sehr wichtiger Effekt in der Mechanik ist, und dass mit rotierenden Teilen viele Maschinen gebaut werden können. In Afrika und Amerika gab es einige Zivilisationen, die keine rotierenden Teile in ihren Maschinen verwendeten. Dies beschränkte aber ihren Lebensstandard, ihren Fortschritt, ihre Möglichkeiten und damit ihre nationale Sicherheit stark: Solche Reiche zerfielen bei den ersten ernsthaften Schwierigkeiten.

Wie schon in meinem Buch Verbotene Erfindungen (Kopp Verlag 2017) beschrieben, gilt dasselbe für die Elektrodynamik: Die Untersuchung rotierender Ladungen fehlt in den heutigen Lehrbüchern für Physik ganz. Die Gleichungen der Elektrodynamik können jedoch so erweitert werden, dass sie die Rotation miteinbeziehen; das Auftreten rotierender Ladungen offenbart uns neue Effekte aus der reichen Fundgrube der Natur. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass in der lebendigen Welt, der Biologie, wo sich Ladungen auf der Oberfläche spiralförmiger Moleküle (wie zum Beispiel der DNA) bewegen, solche Felder auftreten und diese vielleicht sogar den »Treibstoff« des Lebens darstellen.

Auf der phänomenologischen Ebene sind diese Prozesse der Energieübertragung natürlich seit Langem bekannt und werden von vielen Völkern genutzt. Ihre wissenschaftliche Erforschung steht aber noch aus, was vor allem an dem fehlenden physikalischen Grundwissen liegt. Aber auch die technische Erzeugung rotierender Ladungen ist nicht einfach. Eine Möglichkeit wären starke Magnetfelder im Hochvakuum. Mit gewöhnlichen Drähten und Spulen ist es äußerst schwierig, eine Drehung mit signifikanten Winkelgeschwindigkeiten zu erzeugen, da die Geschwindigkeit, mit der sich die Ladungen im Draht bewegen (Driftgeschwindigkeit), sehr gering ist (einige cm/h).

In der Mechanik lässt sich beispielsweise der Reibungsfluss in hydraulischen Netzwerken (Rohrsystemen) völlig analog zu Gleichstromnetzen mithilfe des ohmschen Gesetzes und der kirchhoffschen Gesetze beschreiben. Es gibt auch eine Analogie zwischen den Kräften zwischen Wirbeln und dem permanenten Dauermagnetfeld, genauer gesagt dem ampèreschen Durchflutungssatz. Wenn wir noch einen Schritt voranschreiten und eine weitere Symmetrie brechen, zum Beispiel eine zeitliche Änderung zulassen, finden wir wieder eine Reihe von Analogien.

Ein weiterer Beweis für Analogien findet sich in den vielen Formen der Wellenbewegung. In der Mechanik werden drei Arten von Wellenbewegungen unterschieden: Transversalbewegungen, Longitudinal- oder Längswellen und Torsions- oder Rotationswellen. Die transversale Wellenbewegung auf der Oberfläche von Seen und Meeren ist allgemein bekannt. Auch longitudinale Schallwellen sind uns im Alltag recht vertraut. Torsionswellen hingegen sind selten anzutreffen. In der Mechanik haben sie wenig praktische Bedeutung.

Es stellt sich also zu Recht die Frage: Wenn es in der Mechanik drei Arten von Wellen gibt (und ihre Gleichungen ähnlich sind), warum gibt es dann nicht auch in der Elektrodynamik drei Arten von Wellen? Alle unsere Lehrbücher sagen, dass es in der Elektrodynamik nur Transversalwellen gibt und lassen die Frage, ob es auch andere Arten von Wellen geben könnte, unbeantwortet. Die Entdeckung einer neuen Art von elektromagnetischen Wellen wäre von äußerst großer Bedeutung. Sie würde uns völlig neue wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnen und neue Industriezweige schaffen.

Was man heute aber weiß, ist, dass es zwei weitere Arten von elektromagnetischen Wellen gibt: longitudinale elektromagnetische Wellen, die in den 1890er-Jahren von Tesla entdeckt wurden, und torsionale elektromagnetische Wellen, die in den 1970er-Jahren von sowjetischen Militärforschern entdeckt wurden (wegen ihrer Bedeutung für die Praxis werden wir diese später noch ausführlicher diskutieren).

Die Natur zeigt uns, dass es eine elektrische Ladung gibt und sich die Gravitationsmasse im Wesentlichen wie eine Ladung verhält. Wir würden daher erwarten, dass es auch eine magnetische Ladung gibt. Der österreichische Physiker Felix Ehrenhaft entdeckte in den frühen 1920er-Jahren, dass diese tatsächlich existiert.

Es war einfach, eine magnetische Ladung zu erzeugen. Man musste nur winzige Eisentröpfchen mit möglichst intensivem Licht bestrahlen. In den schwebenden Tröpfchen wurden sowohl Nord- als auch Südladungen erzeugt. Da der experimentell ermittelte Wert der Ladung jedoch nicht mit dem theoretisch vorhergesagten Wert übereinstimmte, ignorierten die Physiker diese Ergebnisse. Einmal mehr hatten wir damit eine große Chance vertan.

Bisher haben wir nur Fälle erwähnt, in denen zumindest eine Art von kontinuierlicher Symmetrie im System vorhanden ist. Aus der Symmetriekarte ist ersichtlich, dass umso mehr Phänomene auftreten, je mehr die zeitlichen Symmetrien der Prozesse reduziert werden, also je weniger Faktoren konstant bleiben. Bei einer Wellenbewegung beispielsweise treten Resonanz, Dispersion, Interferenz, Beugung, Absorption und eine Gruppengeschwindigkeit auf – alle diese Eigenschaften haben viele praktische Anwendungen.

Solange wir nur statische Phänomene betrachten (bei denen alles zeitlich konstant ist), gibt es kaum beachtenswerte Phänomene. Was aber passiert, wenn alle räumlichen und zeitlichen Symmetrien verschwinden, wenn also nichts konstant bleibt? Dann gelangen wir zu unzähligen Naturphänomenen, denn in diesem Fall gilt die Energie-, Impuls- und Drehimpulserhaltung nicht mehr. Wir können erstaunliche Phänomene beobachten: Die Homogenität von Raum und Zeit, also der Raumzeit, verschwindet, der Raum ist gekrümmt, und in diesem gekrümmten Raum können wir Hyperraum-Phänomene beobachten, das heißt die Geschwindigkeit der Zeit kann sich ändern, und wir können von einem Punkt im Raum zu einem anderen springen.

Viele Erfinder haben diese Effekte bereits entdeckt. Einige davon habe ich auch in Verbotene Erfindungen beschrieben. Im Folgenden (Teil 3) werden wir uns systematisch mit Magnetmotoren beschäftigen, da sie am einfachsten in die Praxis umzusetzen sind. Das erste Perpetuum mobile, das Magnetfelder nutzte, wurde in den 1870er-Jahren von dem Sohn eines kanadischen Pastors vorgestellt. Seitdem haben Dutzende von Forschern den Effekt entdeckt, der hier im Detail beschrieben wird.

Wenn wir die Samen der Symmetrietheorie säen, können wir viele interessante, noch unbekannte Früchte vom bisher spärlich tragenden Baum der Physik pflücken. Wie wir bereits gesehen haben, ist das Konzept der Symmetrie aber nicht nur in der makroskopischen Physik nützlich, sondern auch in der Welt der mikroskopischen Dimensionen. Die Bedeutung von Symmetrien wurde bei der Untersuchung von Kristallen entdeckt. Hier hat die gesamte Forschung ihren Ursprung.

In den 1920er- und 1930er-Jahren erkannten Forscher, dass auch die Struktur der Elektronenhülle voller Symmetrien ist. Der Ungar Eugene Paul Wigner spielte eine wichtige Rolle dabei. Ab den 1950er-Jahren war man sicher, dass auch Elementarteilchen viele Symmetrien beinhalten. Die Verwendung von Symmetrien ist auch grundlegend für das Verständnis der elementaren Bausteine der Materie.

Was aber finden wir auf der Ebene der Atomkerne? Heute wissen wir nicht viel mehr über die Struktur von Atomkernen als noch in den 1950er-Jahren; obwohl dieses Wissen nicht nur von praktischer, sondern auch von militärischer Bedeutung ist, gibt es immer noch viele offene Fragen auf diesem Gebiet. Die ungarischen Forscher László Sindely und sein Sohn Dániel Sindely hatten ein tiefgreifendes Verständnis von Symmetrie und konnten so ein ähnliches Bild für Atomkerne wie Dimitri Iwanowitsch Mendelejew für Atome (das Periodensystem) entwickeln. Mendelejew waren Regelmäßigkeiten, Wiederholungen und eine Art Symmetrie unter den chemischen Elementen aufgefallen. Solche Regelmäßigkeiten konnten die beiden Sindelys auch bei Atomkernen beobachteten. Sie entdeckten, dass man alle Eigenschaften des Kerns versteht, wenn man annimmt, dass er aus regelmäßigen geometrischen Formen aufgebaut ist (eine kurze Beschreibung ihrer Arbeit findet sich in Band 3 der Buchreihe Einführung in die Raumzeittechnologie).

Wenn wir akzeptieren, dass der Atomkern aus regelmäßigen geometrischen Formen aufgebaut ist, werden alle Eigentümlichkeiten und Anomalien plötzlich verständlich. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Symmetrien in der Natur so weitverbreitet sind, wie es wohl auch kein Zufall ist, dass wir diese Sprache kaum verstehen. Heutzutage absolviert man Universitätslehrgänge, ohne das Konzept von Symmetrie zu begreifen. Ohne dieses Wissen können wir aber die Funktionsweise der Natur nicht verstehen.

Es handelt sich hier nicht nur um eine rein ästhetische oder philosophische Überlegung, sondern wir stehen vor einem viel größeren Problem: Wir können nämlich keine bahnbrechenden Maschinen bauen, weil unser Verständnis von Symmetrien unzureichend ist; unsere technische Zivilisation ist ineffizient, primitiv und gefährlich. Nur ein kleiner Teil der Erdbevölkerung verfügt über einen akzeptablen Lebensstandard, und auch diese Menschen werden von der Umweltverschmutzung und der Endlichkeit unserer Energieressourcen bedroht. All diese Probleme wären lösbar, wenn wir die Symmetrien in unsere Gedankengänge miteinbeziehen würden. Wir leben heute in einem ständigen Konflikt um endliche Energieressourcen. Dabei brauchen wir nur die Hände auszustrecken und etwas nachzudenken, um eine Lösung zu finden.

Die Geschichte liefert uns zahlreiche Beispiele dafür, welche Katastrophen entstehen können, wenn man das freie Denken verbietet und bestehende Errungenschaften zerstört. Ich möchte dies mit zwei Beispielen illustrieren. Zunächst werde ich anhand des Lebens des von mir hochgeschätzten Nikola Tesla die Geschichte der Entdeckung der longitudinalen elektromagnetischen Wellen und deren Verbot durch John Pierpont Morgan schildern. Im nächsten Kapitel werde ich dann das zweite, bedeutendere historische Beispiel aufzeigen, nämlich wie das Chinesische Reich, die einst größte und reichste Zivilisation der Erde, aufgrund einer Reihe von Verboten und der Gleichgültigkeit der Mandarine, die das Land regierten, zerfiel.

Der Kult des Vergessens

In VerboteneErfindungen habe ich schon über Teslas Leben berichtet, und der Leser wird sich vielleicht daran erinnern, dass dieser in seiner zweiten Schaffensperiode einen seltsamen Radiosender erfand. Tesla hielt für den Rest seines Lebens daran fest, dass sein Sender nicht nach demselben Prinzip wie der von Marconi funktionierte und er einen Radiosender mit viel größerer Reichweite erfunden hatte, der für diesen Zweck viel besser geeignet war. Von diesem Teil seiner Arbeit sind zahlreiche Patente erhalten. Außerdem hielt Tesla ausführliche Vorträge über dieses Thema. So können wir heute, mehr als ein Jahrhundert später, beweisen, dass Tesla tatsächlich ein ganz anderes und viel besseres Gerät gebaut hatte als seine Zeitgenossen, deren Geräte wir auch heute noch weltweit nutzen.

Tesla ist ein typisches Beispiel für jemanden, der seiner Zeit weit voraus war (oder sollten wir lieber sagen, seine Zeit war hinter ihm zurückgeblieben?). Die im Folgenden beschriebenen Ereignisse sind ein gutes Beispiel dafür, wie eine überaus nützliche Erfindung auch trotz guten Willens leicht in Vergessenheit geraten kann. Wir werden sehen, dass die institutionelle Wissenschaft und besonders die Industrie nicht immer offen für die bestmöglichen Lösungen sind, sondern sich lieber jahrhundertelang mit mittelmäßigen oder schlechten zufriedengeben; außerdem ist die »Wiederaufnahme eines Verfahrens« in der Wissenschaftäußerst selten.

So könnten wir heute beispielsweise einen Radiosender bauen, der auf dem von Tesla beschriebenen Prinzip beruht, denn im Gegensatz zu den Plänen für Johann Besslers Perpetuum mobile (seine Geschichte kann in meinem Buch Verbotene Erfindungen ausführlich nachgelesen werden) und andere ähnliche Geräte liegen uns Teslas Berechnungen vor und sind einfach verständlich und nachvollziehbar. Obwohl ein Tesla-Funksender sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus der Sicht der nationalen Sicherheit viel zweckdienlicher wäre als die heute verwendeten hertzschen Sender, findet er in der Literatur über Funksender keine Erwähnung. Weder Physiker noch Ingenieure sind mit dem Konzept der sich im Äther ausbreitenden elektrischen Solitonen vertraut.

Nach dem heutigen Kenntnisstand können wir davon ausgehen, dass Teslas Radiosender keine gewöhnlichen hertzschen Wellen, sondern elektrische Solitonen in Form von Longitudinalwellen aussandte. Dadurch hebt sich diese Lösung von allen anderen, die nach diesem Sender erfunden wurden, positiv ab. Teslas Geschichte ist auch ein klares Beispiel dafür, dass manche wissenschaftlichen Entdeckungen erst gekauft und dann »versenkt« werden. Wenn wir an den technischen Scheideweg kommen, wird unter dem Titel »Fortschritt« meist die falsche Richtung gewählt.

Die Geschichte dieses Senders beginnt in den 1890er-Jahren und dauert bis in die 1920er-Jahre hinein. Zu diesem Zeitpunkt hatten Elektrizität und elektrisches Licht (eine der ersten großen Erfindungen) bereits Einzug in die Haushalte gehalten. Teslas Wechselstrom hatte den Bau von Aufzügen mit Elektromotoren ermöglicht, sodass Häuser viel höher als bisher gebaut werden konnten, was unsere Großstädte für immer veränderte. Der Bau von Straßenbahnen und U-Bahnen ermöglichte einen leisen, sauberen und preiswerten öffentlichen Verkehr (Dampf-U-Bahnen zum Beispiel wären wegen des giftigen Kohlendioxids und -monoxids aus den Schornsteinen der Lokomotiven gefährlich gewesen).

Teslas Wechselstrom brachte Elektrizität in unsere Haushalte, was unsere Lebensweise zweifellos revolutionierte. Mit Pneumatik oder der Dampfmaschine wäre das unmöglich gewesen. So entstanden nach und nach Staubsauger, Waschmaschinen, Bügeleisen, Grammophone und elektrische Nähmaschinen und verbreiteten sich in den Industrieländern.

In den 1890er-Jahren hatte bereits ein weiterer Umbruch, ausgelöst durch die Erfindung der Schreibmaschine, seinen Anfang genommen. Bis dahin waren es in der Regel Männer gewesen, die Dokumente kopierten. Diese Maschine ermöglichte es nun auch Frauen, massenhaft den Arbeitsmarkt zu betreten – ein Prozess, der aufgrund der enormen Verluste an Menschenleben im Ersten Weltkrieg unumkehrbar werden sollte.

Was fehlte noch auf dieser Welt? Natürlich die vielen Kommunikationskanäle, die wir heute als Massenkommunikation bezeichnen. Es gab zwar einen Telefonkurier, aber der war verkabelt. Man brauchte eine Erfindung, mit der man Nachrichten zu Hause, am Arbeitsplatz oder sogar vom Deck eines Schiffes aus senden und empfangen konnte. Der Bedarf für ein Gerät, das beispielsweise Musik an viele Menschen gleichzeitig übertragen konnte, war riesig. Damals (ebenso wie heute) gab es eine bedeutende Zahl von Halbalphabeten, die kaum lesen konnten und Menschen, die nicht gern lasen. Aber auch diese hatten Bedarf an Information. Die Erfindung des Radios war nur eine Frage der Zeit.

Die Methode der Übertragung von Informationen durch Wellen, und zwar elektrische Wellen, war schon bekannt. Sie hatte sich zunächst beim Telegrafen, später dann beim Telefon bewährt. Der Telegraf war ein sehr einfaches Gerät und die Funktionsweise des Telefons war nicht viel komplizierter. Funkkommunikation dagegen gestaltete sich schon schwieriger. Hier musste man die Natur der Wellen und alle Feinheiten der Wellenausbreitung genau verstehen. Der Zufall, der Entdeckern so oft hilft, reichte hier nicht mehr aus.

Wenn wir über Wellen sprechen, geht es normalerweise darum, was für Wellen es in der Mechanik gibt. Sie können transversal sein: Auslenkung senkrecht zur Ausbreitungsrichtung, wie sie auf der Oberfläche von Seen oder dem Meer zu sehen sind; sie können auch longitudinal sein: Auslenkung parallel zur Ausbreitungsrichtung, zum Beispiel Schallwellen; oder es handelt sich um Torsionswellen, für die es schwierig ist, Beispiele aus der Praxis zu geben, weil sie von keinem großen Nutzen sind, die wir aber erzeugen können. Im Bereich der Elektrodynamik kennen wir nur Transversalwellen. Sie sind die einzigen Wellen, von denen die Autoren der Lehrbücher sprechen, und zwar so ausführlich, dass wir gar nicht auf die Idee kommen, es könnte noch eine andere Art von elektromagnetischen Wellen geben.

Auf der Symmetriekarte haben wir jedoch gesehen, dass das, was in der Mechanik vorkommt, auch in der Elektrodynamik vorkommen müsste. Man würde also erwarten, dass es auch in der Elektrodynamik Longitudinal- und Torsionswellen gibt. Es gibt aber noch ein Phänomen bei Wellen, das bei allen drei aufgezählten Arten von Wellen auftreten kann. Bis in die 1970er-Jahre wurde dieses selbst in den besten und ausführlichsten Lehrbüchern nicht behandelt: Ich spreche von einer Art nicht linearer Wellen – genauer gesagt: Solitonen. Diese seltsamen Wellen haben grundlegend andere Ausbreitungseigenschaften: Sie breiten sich viel weiter aus als die linearen Wellen, die wir kennen, und zwar fast ohne Verzerrung. Solitonen können also Transversal-, Longitudinal- oder auch Torsionswellen sein.

Wie erzeugt man lineare oder nicht lineare Wellen? Um einfache, lineare Wellen zu erzeugen, braucht man nur einen Wassertropfen auf die ruhige Oberfläche eines Teichs fallen zu lassen, und sofort beginnen sich kurze Wellen (im Zentimeter-Bereich) auszubreiten. Man kann aber auch Wellen erzeugen, indem man einen schweren Stein ins Wasser fallen lässt: Nun bilden sich größere Wellen, die sich noch weiter ausbreiten – bis zu Hunderten von Metern. In der Natur gibt es jedoch noch viel raffiniertere Wellen, die sich kilometerweit ausbreiten können. Diese müssen auf eine andere Weise entstehen.

Zwischen Welle und Welle kann es also bedeutende Unterschiede geben: Die eine klingt ab und kommt nicht sehr weit, während die andere kaum gedämpft wird. Diese letztere ist es, die wir für die Kommunikation brauchen. Die Natur serviert uns die Lösung auf dem Silbertablett. Tesla hat sie entdeckt und seine Erfindung bis ins letzte Detail ausgearbeitet, getestet und verkauft. Trotzdem kennen und nutzen wir sie nicht. Warum? Der Grund dafür sind Gier und Engstirnigkeit. Aber schauen wir uns zunächst einmal den Hintergrund an.

Nichtlinearität

Lineare, vor allem aber nicht lineare Phänomene sind häufig anzutreffen. Ein Phänomen ist linear, wenn die Wirkung immer in demselben Verhältnis mit der Ursache zunimmt. Ziehen wir beispielsweise eine Feder mit einer bestimmten Kraft, sehen wir, wie stark sie sich dehnt. Ziehen wir dann doppelt so stark, dehnt sich auch die Feder doppelt so stark. Das Verhältnis von Dehnung zu Streckkraft ist konstant – der Prozess ist also linear. Aus Erfahrung wissen wir jedoch, dass die Feder irgendwann bricht und diese Gesetzmäßigkeit kurz vor dem Endpunkt nicht mehr gegeben ist.

Wenn wir Wasser erhitzen, führt eine bestimmte Wärmemenge zu einem bestimmten Anstieg der Wassertemperatur. Wenn wir doppelt so viel Wärme übertragen, wird das Wasser auch doppelt so heiß – ein linearer Zusammenhang. Das geht jedoch nicht unbegrenzt so weiter, denn sobald man den Siedepunkt erreicht hat, verhält sich das Wasser vollkommen anders (so wie auch beim Gefrierpunkt).

Wir wissen, dass die Gegenstände in unserer Umgebung zerbrechen, reißen, schmelzen, gefrieren usw. – wir sind von nicht linearen Phänomenen umgeben. Die mathematische Beschreibung dieser Phänomene ist jedoch sehr viel schwieriger und weniger elegant als die Welt der linearen Phänomene. Dieses Gebiet ist weitgehend das »Jagdrevier« von Ingenieuren geblieben. Physiker haben sich erst in den letzten Jahrzehnten dem Meer der Nichtlinearitäten zugewandt.

Das ist kein Zufall, denn bis heute bereiten nicht lineare Phänomene ernste Schwierigkeiten, und ihre mathematische Beschreibung gelingt nur selten. Vor 100 Jahren schien die mathematische, theoretische Beschreibung dieser Phänomene unmöglich. Ein solch typisches, nicht lineares, selbsterregendes Schwingungsphänomen führte beispielsweise dazu, dass die Tacoma Bridge in den USA bei starkem Wind ins Wanken geriet, sich verformte und schließlich einstürzte. Ähnliche Phänomene verursachten die Vibrationen, die an den Flügelspitzen der ersten Flugzeuge beobachtet wurden und manchmal zu deren Abbruch führten. Ingenieure lernten immer aus ihren eigenen Fehlern.

Als Tesla die Abstrahlung einer völlig neuen Art von elektrischen Wellen entdeckte, hatten Experimentalphysiker und theoretische Physiker gerade erst die Erzeugung der einfachsten elektromagnetischen Wellen erforscht. Im Jahr 1873 veröffentlichte der leider jung verstorbene, brillante schottische Wissenschaftler James Clerk Maxwell ein Gleichungssystem, das alle bis dahin bekannten elektromagnetischen Phänomene vereinte. Dieses Gleichungssystem enthielt – allein aus Symmetriegründen – einen Term, der die Existenz elektromagnetischer Wellen vorhersagte.

Dieses Gleichungssystem ist die wohl größte Errungenschaft der theoretischen Physik des 19. Jahrhunderts, denn Maxwell sagte nicht nur voraus, dass elektromagnetische Schwingungen auftreten können, sondern auch, dass ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit mit der des Lichts übereinstimmt. Dadurch konnte man Optik mit der Theorie der Elektrizität vereinen. Das einzige Problem war, dass niemand wirklich an der Arbeit Maxwells interessiert war und dieser starb, ohne dass seine Zeitgenossen sein Gleichungssystem akzeptiert hätten.

In Deutschland wurde eine eigene Elektrodynamik entwickelt, und erst etwa 20 Jahre darauf, in den späten 1880er-Jahren, begann der junge deutsche Forscher Hertz elektromagnetische Strahlung zu untersuchen. Hertz war ein typischer Bürger des aufstrebenden, neu vereinigten und sich industriell rasant entwickelnden Deutschlands und ein begabter Student der hervorragenden deutschen Universitäten. Er studierte Bauingenieurwesen, interessierte sich aber bald auch für Physik.

Zu dieser Zeit befand sich England bereits in der ersten Phase des Niedergangs; es gab noch immer keine Industrieschulen und keine institutionalisierte technische Forschung. Aber es gab einen Forscher, Oliver Heaviside, der zwar keinen Hochschulabschluss hatte, aber durch seine Bemühungen und sein Interesse einen bedeutenden Beitrag zum Fortschritt leistete: Er war es, der Ingenieuren und Forschern die Elektrodynamik zugänglich machte. Bis dahin waren die Gleichungen nämlich sehr kompliziert und umständlich mit Quaternionen beschrieben worden, die nur schwer verständlich sind. In dieser schwierigen mathematischen Sprache war es kaum möglich, die Einfachheit, Schönheit und Symmetrie der Gleichungen der Elektrodynamik zu begreifen. Das Verständnis zu erleichtern, war eindeutig die Aufgabe dieses exzentrischen jungen Engländers, der über besondere Fähigkeiten verfügte.

Heaviside

Der Name Heaviside ist heute fast völlig in Vergessenheit geraten, obwohl die von ihm und dem Amerikaner Josiah Willard Gibbs entwickelte Vektoranalysis heute die »Muttersprache« der Ingenieure und eines der wichtigsten Werkzeuge für Berechnungen und Dimensionierungen ist; der Nutzen dieser Methode ist unschätzbar. Doch bevor wir Heavisides Leistung würdigen, möchte ich kurz darauf eingehen, auf welchem Niveau Industrie, Technologie und Wissenschaft sich zu dieser Zeit befanden.

Der erste Industriezweig, der auf Wissenschaft basiert und in dem zumindest die Division und die Multiplikation bereits angewandt wurden, ist die chemische Industrie. Lange wurden Dampfmaschinen und Elektromotoren eher auf der Basis von Schätzungen als unter Anwendung von Mathematik gebaut. Damals hatten die Ingenieure noch nicht das Bedürfnis, beispielsweise die Wärmeübertragung in Dampfmaschinen durch Berechnungen nachzuverfolgen. Ohnehin war der experimentelle Hintergrund dafür noch nicht gegeben.

Ebenso wenig bildete die Grundlage der ersten industriellen Revolution, in deren Verlauf Tausende von Dampfmaschinen in Betrieb genommen wurden, eine exakte Wissenschaft. So wurden auch der Telegraf und das Telefon erfunden. Solange man den Ton und das Signal nur ein paar Kilometer weit übertragen wollte, traten keine Probleme auf. Bei längeren Telefonleitungen kam es jedoch zu einer erheblichen Verzerrung des Tons, die sich nicht durch planlose Experimente beseitigen ließ. Dieses praktische Problem löste die erste wahre industrielle Revolution auf dem Gebiet der Elektrotechnik aus, die später zur Verknüpfung von Elektronik und Naturwissenschaft, Mechanik und Elektrodynamik führte.

Dies war eine echte industrielle Revolution, denn im Gegensatz zu den Erkenntnissen von Sir Isaac Newton oder Leonhard Euler veränderten diese Ergebnisse das tägliche Leben der Menschen. Newtons Erkenntnisse waren zwar sehr nützlich, zum Beispiel in der Astronomie, aber sie hatten wenig direkten Bezug zur Praxis; seine Berechnungen wurden für die Dimensionierung von Dampfmaschinen oder Pferdekutschen nicht wirklich benötigt. Die erste wirkliche technische Herausforderung in der Geschichte der Menschheit stellte die Telekommunikation dar. Um auf diesem Gebiet einen Fortschritt zu erzielen, war ein tiefes Verständnis von Elektrodynamik erforderlich.

Die Maxwell-Gleichungen waren für den praktischen Gebrauch ungeeignet, da zwanzig Gleichungen mit zwanzig Variablen nötig waren, um die zeitlich veränderlichen elektrischen und magnetischen Phänomene zu beschreiben. Die von Maxwell verwendeten Quaternionen (eine Form der hyperkomplexen Zahlen) waren zu kompliziert. Es musste ein anderer Weg gefunden werden, um diese Gleichungen aufzustellen.

Maxwell und Michael Faraday hatten erkannt, dass elektrische und magnetische Felder an sich ein neues Konzept darstellten und dass diese nicht beseitigt, sondern verstanden werden mussten. Mit dieser brillanten Idee begann eine neue Ära in der Physik. Ein weiterer wichtiger Beitrag Maxwells war die Annahme, dass nicht nur zeitliche Änderungen des magnetischen Feldes (wie bei der faradayschen Induktion), sondern auch zeitliche Änderungen des elektrischen Feldes zu elektrischen Wirbeln führen würden, und zwar rein aus Symmetriegründen. So sahen die Gleichungen geordneter und symmetrischer aus. Dies ließ sich experimentell allerdings noch nicht nachweisen, denn der Effekt war im Vergleich zu der schon bekannten Induktion zu schwach. Es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis man diesen Effekt auch nachweisen konnte.

Doch kehren wir nun zur Arbeit von Heaviside zurück. Dieser entwickelte zusammen mit Gibbs die Vektoranalysis, die es erlaubte, Kraftfelder mithilfe relativ einfacher Operationen zu beschreiben. So wie Newton die Folgen der Kräfte, die auf einen bewegten Massepunkt einwirken, beschrieb, tat Euler dies für die Bewegung eines ausgedehnten Körpers auf der Basis von Newtons Arbeit. Heaviside erfasste die Vektorfelder wie zum Beispiel Kraftfelder und beschrieb sie elegant. So wurden Maxwells zwanzig Gleichungen auf vier reduziert, und selbst diese hatten nur wenige Terme, sodass jeder Mensch mit einem grundlegenden mathematischen Verständnis die feine, elegante Verbindung zwischen Elektrizität und Magnetismus erkennen konnte.

Heaviside war der Erste, der sah, wie die Natur sich in den Gleichungen der Elektrodynamik offenbart, aber leider erkannte auch er nicht, was noch an den Gleichungen fehlte. Er hatte nämlich die fehlende Rotation nicht bemerkt, aber das ist nur das kleinere Problem. Das größere ist, dass keiner der Forscher, die ihm folgten, die millionenfach niedergeschriebenen Maxwell-Gleichungen je aus diesem Blickwinkel betrachtet hat. Wir werden später noch auf dieses folgenreiche Versäumnis zurückkommen. Jetzt wollen wir vorerst bei den von Heaviside aufgestellten Gleichungen bleiben.

Es ist eigentlich unverständlich, warum keiner der vielen bedeutenden englischen, französischen und deutschen Mathematiker, die doch den Gipfel des abstrakten Denkens erreicht hatten, diese Methode zur Beschreibung der Wirbelstärke (Rotation), der Quellenstärke (Divergenz) und der räumlichen Änderung (Gradient) von Kraftfeldern früher erfunden hat. Die Arbeit von Heaviside, die Entwicklung der Vektoranalysis, war nach den Arbeiten von Newton und Gottfried-Wilhelm Leibniz (der Analysis) der nächste Meilenstein der mathematischen Physik und der Naturwissenschaften allgemein.

Während Newton und Leibniz heute noch in den höchsten Tönen gelobt werden, ist Heavisides Name unverdientermaßen fast in Vergessenheit geraten, und zwar auf die für die Naturwissenschaft so typische, unerklärliche Weise. In den Lehrbüchern findet man die von Heaviside und Hertz aufgestellten Gleichungen unter dem Namen Maxwells, obwohl sie nie von diesem aufgeschrieben wurden. Das Wesen dieser elektrodynamischen Phänomene wurde zwar von Maxwell gezeigt, aber die Form und die Nützlichkeit dieser Gleichungen stammen zweifellos von Heaviside.

Heaviside war 1850 in armen Verhältnissen geboren und aufgrund einer Krankheit in jungen Jahren halb taub geworden. Von da an zog er sich immer mehr zurück und konzentrierte sich auf seine Bildung. Seine Begabung für Mathematik zeigte sich bereits in der Schule. Im Alter von 18 Jahren ging Heaviside nach Dänemark, um in einem Telegrafenamt zu arbeiten. Wie Hunderte andere Erfinder und Geschäftsleute damals kam er über den Telegrafen in unmittelbaren Kontakt mit der Spitzentechnologie seiner Zeit. Dieses Erlebnis sollte sein Leben für immer verändern. Seine Arbeit vermittelte Heaviside ein praktisches Verständnis von Elektrizität und Elektrodynamik. Dort sammelte er Erfahrung mit Schwingkreisen und anderen Schaltkreisen, was sich in seiner späteren Karriere als wesentlich erwies. 1871 kehrte er nach England zurück und wurde einer der technischen Leiter des Telegrafenamtes in Newcastle upon Tyne.

Damals begann er, seine Kenntnisse in Mathematik und Physik weiter zu vertiefen, um mehr über die Elektrodynamik in Erfahrung bringen zu können. In seinem zweiten Artikel, veröffentlicht im Jahr 1873, hatte er die Integralrechnung bereits angewandt. Diese Arbeit wurde von Maxwell zitiert. Später gab Heaviside seine Arbeit auf, um sich ausschließlich dem Studium der Elektrodynamik zu widmen. Er wurde zu einer Art unbezahltem Hobbyforscher. Damals war er 24 Jahre alt, hatte nie wieder eine feste Arbeit und lebte so in ständiger Angst vor einer ungewissen Zukunft. Doch die neue und aufregende Welt des Elektromagnetismus hatte ihn völlig in ihren Bann gezogen. Er beschäftigte sich Tag und Nacht damit und sollte niemals heiraten.

Heaviside versuchte, seine vereinfachten elektrodynamischen Gleichungen in der Fachzeitschrift der Englischen Akademie der Wissenschaften (Proceedings of the Royal Society) zu veröffentlichen, doch der Gutachter der Zeitschrift, William Burnside, lehnte seine Arbeit mit der Begründung ab, sie sei mathematisch nicht fundiert. Diesen mathematischen Formalismus betrachten noch heute Millionen von Ingenieuren und Physiker als die wichtigste Grundlage der klassischen Physik …

Die Vektoren halfen zu verstehen, wie sich Energie in elektrischen Schaltkreisen ausbreitet. Es stellte sich heraus, dass nicht der Draht selbst, sondern die elektromagnetischen Felder um denDraht herum die Energie in den Schaltkreisen transportieren – eine Tatsache, die für viele noch heute überraschend ist. Aus dem Draht können elektromagnetische Wellen »herausfliegen«; sie können sich von ihrer Quelle lösen. Dies eröffnet eine ganze Reihe von überaus wichtigen neuen technischen Möglichkeiten.

Wenn auch nicht in der Zeitschrift der Englischen Akademie, so wurden Heavisides Artikel doch in der technischen Zeitschrift Electrician regelmäßig veröffentlicht. So wurde die von ihm eingeführte Theorie der Elektrizität auf Grundlage der Vektoranalysis langsam bekannt und gewann an Akzeptanz. Der junge Forscher wurde 1891 sogar zum Mitglied der Englischen Akademie gewählt (so etwas wäre heute völlig ausgeschlossen). Die Schwierigkeiten von Heaviside endeten damit aber noch lange nicht. So lieferte er sich auch weiterhin nicht nur mit Theoretikern, sondern auch mit sogenannten Praktikern hitzige und wütende Debatten über Telefonschaltungen.

Heaviside wurde zum erbitterten Feind des Ingenieurs Sir William Henry Preece, einem der wichtigsten Experten beim britischen Postamt. In den 1880er-Jahren wussten allerdings selbst die »Experten« nicht viel über die Funktionsweise elektrischer Schaltkreise, und ihre Arbeit war von Verwirrung geprägt. Als nach jahrzehntelanger Arbeit und unzähligen Rückschlägen endlich das erste Telegrafenkabel durch den Atlantik verlegt wurde, erwies es sich als unbrauchbar. Man erkannte schließlich, dass die Ladungsspeicherkapazität, also die Kapazität des langen Kabels, die Ursache für den Fehler war. Diese konnte zum Glück durch Spulen (Induktivitäten) kompensiert werden. Vielleicht war dies der erste große, praktische Sieg in der Elektrodynamik. Ähnliche Probleme mit Hochfrequenz-Telefonleitungen waren bereits früher auf viel kleineren Entfernungen aufgetreten.

Bei den überaus langsamen Spannungsänderungen der Signale, die bei Telegrafen üblich sind, konnte die Induktivität (magnetische Energiespeicherkapazität) der Drähte vernachlässigt werden. Hier spielten nur der Leckstrom und die Kapazität eine Rolle. Daher war die von William Thomson (Lord Kelvin) in den 1850er-Jahren für Telegrafen entwickelte Theorie in den Köpfen der Fachleute so fest verankert, dass sie gar nicht darauf kamen, dass sich dies bei höheren Frequenzen ändern könnte. Die magnetische Energiespeicherkapazität der Drähte ist bei hohen Frequenzen aber nicht mehr vernachlässigbar. Da die von Thomson aufgestellte Gleichung jedoch wie ein Dogma behandelt wurde, war man nicht in der Lage, die Energiespeicherfähigkeit des Magnetfeldes für schnelle Veränderungen in die Überlegungen einzubauen (dies mag zwar unvorstellbar erscheinen, ist aber heute in der Welt der Symmetriereduktion oder anderer Symmetrieeffekte nicht anders).

Heavisides Gegner Preece erwies sich aufgrund seiner Position und seiner Verbindungen als ein unbesiegbarer Gegenspieler und lähmte so die Entwicklung der britischen Telekommunikationsindustrie für mindestens 20 Jahre. Er war der Ansicht, dass Induktivität »schädlich« sei und daher beseitigt werden müsse. Er verstand nicht, dass das Vorhandensein von Induktivität keine Frage des Geschmacks ist, sondern ein Phänomen, das wohl oder übel existiert und das kompensiert werden muss.

Heaviside dagegen hatte mithilfe der Vektoranalysis erkannt, dass das Verhältnis von Induktivität und Widerstand entlang des Drahtes gleich dem Verhältnis von Kapazität und Ableitwiderstand des Drahtes sein muss, um eine verzerrungsfreie Übertragung zu erhalten. Dies ist als Heaviside-Bedingung bekannt (Abbildung 1).

Abb. 1: Die Heaviside-Bedingung für die unverzerrte Signalübertragung für lineare Komponenten:

Heaviside kam daher zu dem Schluss, dass die Induktivität für verzerrungsfreie Schaltungen erhöht, statt verringert werden müsste; zudem versicherte er, dass in die Schaltung eingefügte Induktionsspulen die Qualität der Übertragung verbessern würden. Heavisides Plan, seine Berechnungen in der Praxis zu überprüfen, wurde jedoch von seinem Gegner Preece mit allen Mitteln verhindert.

Jahrzehnte später ließen Michael Pupin, Professor an der Columbia University, und George Ashley Campbell, Ingenieur bei der Bell Society, dieselbe Idee patentieren und setzten sie mit hervorragenden Ergebnissen in die Praxis um. Bis dahin hatte Heaviside jedoch längst genug von all den Anfeindungen und Intrigen und zog 1908 als noch relativ junger Mann aufs Land, wo er dann in vollkommener Abgeschiedenheit lebte. Man könnte fast meinen, er habe durch die Konkurrenzkämpfe den Verstand verloren: So ersetzte er zum Beispiel seine Möbel durch Steinmöbel, vernachlässigte seinen Körper immer mehr und begann, seine Nägel rot zu lackieren. So lebte er bis zum Februar 1925, als er sich bei einem unglücklichen Sturz verletzte, von dem er sich nicht mehr erholte. Er starb im Alter von 75 Jahren.

George Bernard Shaw sagte einmal, dass es zwei Arten von Menschen gibt: Die eine sei rational und passe sich der Welt an, mache Geschäfte mit ihr und kenne ihre Regeln; die andere sei irrational und unbeugsam und erwarte, dass sich die Welt der eigenen Person anpasst. Shaw fuhr fort: »Aller Fortschritt hängt vom unvernünftigen Menschen ab.« Heaviside war so ein irrationaler, zu Unrecht vergessener Mensch. Zusammen mit Maxwell kann er als einer der ersten Theoretiker der Elektrodynamik bezeichnet werden.

Schwingende Welt

Maxwell vermutete, dass in elektrischen Schwingkreisen magnetische Wirbelfelder zwischen Kondensatorplatten entstehen können, die sozusagen zwischen den Platten »herausgeschleudert« und als elektromagnetische Wellen abgestrahlt werden. Bis 1879, als er im Alter von 48 Jahren starb, konnte jedoch kein experimenteller Nachweis dafür erbracht werden, weshalb seine Theorie nicht akzeptiert wurde. Lange Zeit später wies Sir Oliver Joseph Lodge zwar die Existenz von Wellen in Leitern nach, es erregte jedoch kein großes Aufsehen. Einen echten Wandel brachte erst die Arbeit von Heinrich Hertz.

1887 war ein außergewöhnliches Jahr für Technik und Wissenschaft. Das ganze Jahrzehnt war von einem beispiellosen technischen und wissenschaftlichen Fortschritt geprägt: 1886 hatten August Wilhelm Maybach und Gottlieb Wilhelm Daimler das erste vierrädrige Benzinauto auf den Markt gebracht und damit eine neue Ära im Verkehrswesen eingeleitet. 1887 stellte George Mortimer Pullman den ersten Luxus-Schlafwagen vor, der eine bedeutend komfortablere Fernreise mit der Eisenbahn erlaubte. In demselben Jahr fuhr in Budapest die erste Straßenbahn und man produzierte die erste Schallplatte.

Ebenfalls in diesem Jahr gelang es Tesla endlich, seinen Mehrphasen-Elektromotor zu entwickeln, nachdem er jahrelang daran getüftelt hatte. In diesem Jahr wurde in Wien Erwin Rudolf Josef Alexander Schrödinger geboren, zugleich war es das Todesjahr von Alfred Krupp, dem Gründer der Krupp-Werke in Essen und einer der wichtigsten Persönlichkeiten der europäischen Stahlindustrie. Im folgenden Jahr wurden Ernst Heinrich Heinkel, der Vater des deutschen Flugzeugbaus, und Andrei Nikolajewitsch Tupolew, der Vater des sowjetischen Flugzeugbaus, geboren. In demselben Jahr (1887) gelang es Heinrich Hertz, experimentell nachzuweisen, dass sich künstlich erzeugte elektromagnetische Wellen in derLuft ausbreiten können.

Natürlich kam dieser Nachweis nicht völlig unerwartet. Man hatte bereits vermutet, dass es sich bei Licht um elektromagnetische Strahlung handelt. Es wurde jedoch immer durch irgendeinen chemischen Prozess oder durch Erhitzung erzeugt. Die Frage war aber, ob eine solche Strahlung direkt durch elektrische und magnetische Phänomene erzeugt werden könne – zumindest bei größeren Wellenlängen. Faraday hatte die Idee, Magnete oder elektrisch geladene Gegenstände in Schwingung zu versetzen. Solche mechanischen Oszillatoren konnten aber nur bei Frequenzen von einigen Kilohertz schwingen – zumindest beim damaligen Stand der Technik – was Wellenlängen von 30 bis 40 Kilometern bedeutete. Der Empfang solcher elektromagnetischen Schwingungen war aber fast unmöglich.

Wieder einmal war man durch einen glücklichen Zufall auf die Lösung gekommen. 1842 hatte nämlich der amerikanische Experimentalphysiker Joseph Henry entdeckt, dass sich die Ladung von Kondensatoren nicht langsam und gleichmäßig zwischen den Elektroden ausglich, wenn er diese entlud, sondern zwischen den Elektroden hin- und herfloss – ähnlich wie eine Flüssigkeit, die man in ein u-förmiges Rohr füllt, hin- und herfließt. Doch Henry war nur einen Weg gegangen, der bereits zuvor geebnet worden war.

1826 hatte der Forscher Félix Savary bemerkt, dass bei der Entladung von Leidener Flaschen (eine Form von Kondensatoren) die Nadel im Inneren magnetisiert wurde, wenn man eine zylindrische Spiralspule zwischen die beiden Elektroden legte. Dies geschah aber mit wechselnden Vorzeichen: Mal befand sich der Nordpol an einem gegebenen Ort, mal der Südpol. Der Ausgang des Experiments schien vom Zufall abzuhängen.

Henry stellte jedoch fest, dass alle Magnetnadeln auf dieselbe Weise magnetisiert wurden. Daraufhin begann er, mit immer kleineren Nadeln zu experimentieren, bis sie am Ende die Größe von Stecknadeln und kleineren Spulen hatten. Dabei stellte er fest, dass sich die Richtung der Magnetisierung änderte. Es war jedoch alles andere als einfach, die Ergebnisse zu interpretieren. Doch Henry fand die Erklärung: Die Entladung ist kein Gleichstrom-Phänomen, sondern eine Oszillation. Die winzige Magnetnadel behält immer die Richtung der letzten Schwingung, die noch stark genug zur Magnetisierung der Nadel war, bei. Je nachdem, in welchem Ausmaß der Kondensator geladen war, konnte die Nadel also in die eine oder andere Richtung magnetisiert werden.

In der Strömungsmechanik war das Phänomen, dass das Erreichen des Gleichgewichtszustands in Gefäßen unterschiedlicher Höhe, die durch ein Rohr verbunden sind, vom Strömungswiderstand abhängt, schon lange bekannt. War der Strömungswiderstand groß, lief die Flüssigkeit langsam aus dem höheren Gefäß nach unten; verband ein Rohr mit größerem Durchmesser und daher geringerem Strömungswiderstand die beiden Gefäße, wurde der Höhenunterschied der Flüssigkeit zwischen den beiden Gefäßen durch schwingende Bewegungen ausgeglichen. Man hatte die elektrische Analogie gefunden: Es war also möglich, elektromagnetische Schwingungen zu erzeugen. Rückblickend erscheint uns dies heute sehr einfach. Es ist aber kein Zufall, dass es Maxwell nicht gelang herauszufinden, wie man elektromagnetische Schwingungen künstlich erzeugen konnte. Auch nach seinem Tod dauerte es noch lange, bis diese Entdeckung gemacht wurde.

Die technische Lösung fand schließlich Heinrich Hertz. Er studierte damals in Heidelberg an einer der wie Pilze aus dem Boden schießenden ausgezeichneten deutschen Universitäten Architektur, fühlte sich jedoch immer mehr zur Physik hingezogen. Abbildung 2 zeigt den schematischen Aufbau seines Experiments. Auf den ersten Blick erscheint dieses Diagramm völlig unverständlich; es gibt weder einen Kondensator noch die übliche Induktionsspule. Und doch ist alles vorhanden, was nötig ist.

Abb. 2: hertzscher Hochfrequenzschwingkreis. Der Kondensator und die Induktivität bestehen lediglich aus zwei Platten und zwei kurzen Drähten.

Mit dieser Anordnung begründete Hertz, der ein tiefes technisches Verständnis besaß, im Wesentlichen die Praxis der sogenannten Systeme mit verteilten Parametern, die erst Jahrzehnte später in großer Zahl beim Radar eingesetzt wurden. Den Kondensator bildeten die in Abbildung 2 gezeigten viereckigen Zinkplatten, die Induktivität war ein kurzer Draht, der in einer Kugel endete.

Als Hertz die Platten mit einer Spule auf eine hohe Spannung auflud, war nach einer gewissen Zeit der Moment erreicht, in dem die Potenzialdifferenz zwischen den beiden Platten einen kritischen Wert überschritt und ein Funke von einer Kugel zur anderen sprang. Es handelt sich also im Wesentlichen um einen sehr schnellen Hochspannungsschalter, der nach dem damaligen Stand der Technik durch nichts anderes ersetzt werden konnte.

Sobald der Elektronenfluss von einer Platte zur anderen einsetzte, begann Hertz, das elektrische Feld zwischen den beiden Platten sehr schnell zu verringern, sodass der durch die Funkenstrecke fließende Strom auch einen Strom in den kurzen Drahtleitern induzierte. Wenn die Funkenstrecke klein genug war und die Verluste nicht zu groß waren, floss die Ladung zur anderen Platte, von wo aus sie in ähnlicher Weise zur ersten Platte zurückfloss, wo alles angefangen hatte. So lief eine vollständige Periode ab. Gleichzeitig bildeten sich abwechselnd elektrische Felder und Magnetfelder um die Platten und Drähte. So funktionieren Oszillatoren. In einem Oszillator müssen mindestens zwei verschiedene Arten von Energiespeichern, deren Energie ineinander umgewandelt werden kann, vorhanden sein. Zwischen ihnen können dann Energieoszillationen entstehen, zum Beispiel zwischen einer Feder, die gestreckt wird, und einer Masse, die an ihr hängt. Die kinetische Energie des Massepunktes und die in der Feder gespeicherte potenzielle Energie werden ineinander umgewandelt. Dieser Prozess dauert so lange an, bis die Reibung diese Energie »verbraucht« hat.

In einem einfachen hertzschen Oszillator findet derselbe Prozess statt, hier wird jedoch die Lageenergie durch die unter Hochspannung gespeicherte Ladung repräsentiert und die Bewegungsenergie durch das Magnetfeld um die Drähte, die durch die Entladung kurzgeschlossen werden. Diese Schwingung ist stark gedämpft, was zum Teil auf die ausgesandten elektromagnetischen Wellen und zum Teil auf die Schallverluste der Funkenstrecke zurückzuführen ist. Das Gerät hat nur den Anschein, einfach zu sein. Zur Erzeugung der Oszillation wurde ein Funkeninduktor verwendet, um die Platten periodisch auf Hochspannung aufzuladen.

Abbildung 3 zeigt den realen Aufbau. Hier kann man auch die Batterien und den Funkeninduktor sehen. Um zu verhindern, dass die Ladung zum Funkeninduktor zurückkehrt, mussten Drosselspulen zwischen den Funkeninduktor und die Platten geschaltet werden. Diese wirkten wie eine Art Gleichrichter; die elektrische Ladung konnte nur zwischen den beiden Platten oszillieren, weil die Drosselspulen die Rückkehr der Ladung zum Funkeninduktor verhinderten. Mit dieser Anordnung war Hertz in der Lage, elektromagnetische Strahlung mit einer Wellenlänge von etwa 40 bis 50 Zentimeter zu erzeugen. Er konnte sie sogar mit einem Parabolspiegel reflektieren und lenken.

Hertz überzeugte sich davon, dass die Strahlung das primitive, aber geniale Gerät verließ, indem er einen resonanten Empfänger vor den Spiegel stellte. Dabei handelte es sich um einen kreisförmigen Draht, der an einer Stelle durchgeschnitten war, und um zwei Kugeln mit bekanntem Abstand (einstellbar im Mikrometerbereich), die als Kondensator dienten. Die abgestrahlten elektromagnetischen Wellen erzeugten in dieser Schleife durch Induktion eine dynamische Ladungstrennung. Einige Meter von dem soeben beschriebenen Sender entfernt konnte man mit einer Lupe beobachten, wie zwischen den Kugeln winzige Funken sprangen. Die Übertragung der elektromagnetischen Energie fand also in der Form von Wellen statt und nicht durch faradaysche Induktion, die ein solches Ergebnis nicht hätte bewirken können. Mit einer sehr einfachen Anordnung, wie sie in Abbildung 3 dargestellt ist, zeigte Hertz außerdem, dass elektromagnetische Wellen transversal, polarisierbar und reflektierbar sind und somit Eigenschaften aufweisen, die für Licht bekannt sind.

Abb. 3: Der hertzsche Oszillator erzeugte elektromagnetische Wellen

1888 stellte Hertz seine Ergebnisse im Detail vor. Seine Arbeit wurde als großer Erfolg gewertet. Im Wesentlichen hatte er damit die Grundlagen für die drahtlose Kommunikation geschaffen. So begründeten Maxwell und Heaviside diese neue Spitzentechnologie theoretisch, Hertz experimentell, obwohl er selbst der Meinung war, dass diese Anordnung in der Praxis nicht über große Entfernungen genutzt werden könne. Tatsächlich war Hertz’ einfaches Gerät für die Übertragung elektromagnetischer Wellen über große Entfernungen nicht geeignet; für so ein Gerät war noch jahrzehntelange Entwicklungsarbeit nötig. Erst 1896 – fast 10 Jahre nach der Entdeckung von Hertz – machte der Russe Popow die ersten Schritte in diese Richtung: Mit seinem fortschrittlicheren Gerät konnte er elektromagnetische Wellen über eine Entfernung von etwa 250 Metern übertragen. Die ersten zwei Worte, die er im Morsecode versandte, waren die Wörter »Heinrich Hertz«.

Man könnte meinen, dass die Errungenschaften von Hertz zu einer explosionsartigen Verbreitung von Radiosendern geführt hätten, doch selbst in dieser dynamischen Zeit war das nicht der Fall. Immense theoretische und praktische Schwierigkeiten standen dem Fortschritt noch im Wege. Wie wir am Beispiel von Heaviside schon gesehen haben, verstanden selbst Fachleute die Natur von elektromagnetischer Strahlung noch nicht, und auch der Hochfrequenz-Elektromagnetismus war noch ein vollkommen ungewöhnliches und fremdes Konzept. Ingenieure und Forscher waren gerade erst dabei, sich an die Existenz von Gleichstrom zu gewöhnen. Nur wenige dachten überhaupt an die Möglichkeit der drahtlosen Übertragung von Signalen, und erst recht nicht von Sprache. Der junge Tesla war der produktivste und einfallsreichste Experimentator und Denker unter ihnen. Zunächst ist es jedoch notwendig, sich den Unterschied zwischen den Arbeiten von Tesla und Hertz klarzumachen.

Die Welt ist nicht linear

Es gibt zwei Arten von Krimis: Der eine Krimi ist wie das Leben, bei dem wir nicht schon im Voraus wissen, wer der Täter ist. Der zweite ist die intellektuellere Variante, bei der wir schon im Voraus wissen, wer der Mörder ist, und wir den Film nur ansehen, um zu ergründen, wie klug der Detektiv ist.

Die Geschichte der Wissenschaft ist solchen Filmen sehr ähnlich. Die gesamte Naturwissenschaft ist nichts anderes als die ständige Überwindung von Vorurteilen und falschen Annahmen. In der Psychologie wird dieses Phänomen als Fixationsproblem bezeichnet. Es ist seit Langem bekannt und wird gründlich erforscht. Ein Fixationsproblem liegt vor, wenn wir bei der Lösung eines Problems nicht weiterkommen, weil uns etwas daran hindert, von dem wir denken, dass dieses Etwas eine vorgegebene, strikte Bedingung sei. Diese ist jedoch so gar nicht vorgegeben. Vielmehr handelt es sich um eine implizite Annahme. In der Wissenschaft nennt man dies ein falsches Vorurteil. Es ist die offensichtlichste und häufigste Mine auf dem Gebiet, auf dem Forscher sich aufhalten und suchen (Abbildung 4).

Abb. 4: Wie können die neun Punkte mit nur vier durchgehenden Linien verbunden werden?

Beispiel für ein Fixationsproblem. Die Lösung erhält man, wenn man sich aus dem Bereich der Punkte herausbewegt. Obwohl dies in der Aufgabenstellung nicht explizit verboten ist, glauben viele, dass es nicht zulässig sei und halten das Problem für unlösbar. Die Lösung besteht darin, über den durch die Punkte abgegrenzten Bereich hinauszugehen.

Manchmal sagen wir zurückhaltend und euphemistisch, dass jemand »an dem Problem vorbeigegangen ist«. So haben zum Beispiel André-Marie Ampère das Phänomen der Induktion oder Edison den nach ihm benannten Effekt nicht bemerkt. (Dieser Effekt tritt im Hochvakuum auf, wenn ein Glühfaden die Kathode bildet; die Elektronen entweichen dann und werden in einer anderen Platte, der Anode, eingefangen. Das Phänomen kann zur Gleichrichtung genutzt werden und hat sich in der Praxis als äußerst wichtig erwiesen. Dieser Effekt war der grundlegende Effekt der gesamten Elektronik und der Großindustrie.) Edison registrierte das Phänomen zwar auch, erkannte aber nicht die fantastischen Möglichkeiten, die es bot. Jahrzehnte später entdeckte ein amerikanischer Forscher namens Lee de Forest, dass dieses Phänomen mithilfe eines Gitters zur Verstärkung genutzt werden kann (dieser Effekt wird auch heute noch in vielen Radios verwendet).

Tausende von Kondensatoren wurden jahrzehntelang entladen, bevor man erkannte, dass bei der Entladung eine Oszillation stattfindet. Es dauerte weitere Jahrzehnte, bis Hertz begann, diese Oszillationen zu untersuchen. Etwa zur gleichen Zeit beschäftigte sich auch Tesla mit diesem Thema und er entdeckte einen seltsamen Effekt, wobei ihm das Phänomen nicht entging. Er bemerkte nämlich, dass er in dem Moment, in dem er einen Hochspannungsstromkreis schloss, ein stechendes Gefühl, ähnlich einem Nadelstich, verspürte – soals ob er von einer Welle angestoßen worden wäre. Diese Beobachtung markiert den Beginn der Erforschung eines wichtigen Effekts des 19. Jahrhunderts, der später in der Praxis zu Unrecht in Vergessenheit geriet. Dieser Effekt war, wie wir heute mit ziemlicher Sicherheit sagen können, die Erzeugung eines nicht linearen elektrischen Solitons. Das Schlüsselwort dabei ist Nichtlinearität.

Damit verbunden ist ein Fixationsproblem, das die Physiker und Ingenieure nicht überwinden können, nämlich, dass Naturphänomene linear sind. Es ist einfach so, dass der Mensch immer nach linearen Phänomenen sucht und in linearen Begriffen denkt, weil Probleme dadurch einfacher zu lösen sind. Die Natur verhält sich aber nie wirklich linear, es gibt immer ein gewisses Maß an Nichtlinearität, was in manchen Fällen allerdings vernachlässigbar ist. Die Lehrbücher unserer Universitäten erwecken oft den falschen Eindruck, dass unsere Welt eine Welt der linearen Phänomene sei. Aber die Welt der Nichtlinearitäten ist viel interessanter, spannender und bizarrer, als wir uns vorstellen können.

In Abbildung 5 ist der grundlegende Unterschied zwischen linearen und nicht linearen Phänomenen dargestellt. Abbildung 5a zeigt, dass das Ergebnis bei linearen Prozessen nach einer Anregung proportional zu dem Anregungsprozess ist, während dies bei Nichtlinearitäten nicht der Fall ist.

Abb. 5: Vergleich eines linearen und eines nicht linearen Effekts

Nichtlinearität ist ein sehr weit gefasster Begriff. Nicht linear kann ein Phänomen auf viele verschiedene Arten sein, linear kann es nur auf eine einzige Art sein.

Die strengen Regeln der Solitonerzeugung

Als der britische Wasserbauingenieur John Scott Russell im August 1834 am Ufer eines schmalen Schifffahrtskanals entlangritt, fiel ihm ein interessantes Phänomen auf: Zwei Pferde zogen einen Kahn mit ziemlich hoher Geschwindigkeit. Als der Kahn gegen ein Hindernis stieß und zum Stehen kam, lösten sich die Wellen, die sich am Bug aufgetürmt hatten, plötzlich vom Kahn und bewegten sich weiter. Das Ungewöhnliche an dieser Erscheinung war, dass sich diese einzelne Welle lange Zeit unverändert, in derselben Form und mit derselben Geschwindigkeit ausbreitete. Anstatt wie gewöhnliche Wellen stark gedämpft zu werden, breitete sie sich kilometerweit aus, wenn auch mit langsam abnehmender Höhe.

Nachdem er die Welle einige Meilen weit verfolgt hatte, verlor Russell sie aus den Augen, doch das Phänomen, das er beobachtet hatte, ließ ihn nicht ruhen. Schließlich begann er zu experimentieren: Er baute einen langen, schmalen Kanal, der mit Wasser gefüllt war. Dort gelang es ihm, das Phänomen der isolierten, kaum abklingenden Wellen künstlich zu erzeugen. Was dieser Wasserbauingenieur beobachtet hatte, hatten wahrscheinlich schon viele Tausend Menschen vor ihm gesehen (die Chinesen beispielsweise hatten schon viel längere Kanalsysteme gebaut). Auch in Frankreich gab es lange Kanäle, denn vor der Dampfmaschine waren solche Wasserstraßen die einzige Möglichkeit gewesen, große Mengen an Gütern billig und sicher zu transportieren. Russell erkannte und beschrieb also als Erster die wichtigsten Unterschiede zwischen linearen und nicht linearen Wellen. Um dies wirklich verstehen und würdigen zu können, wollen wir uns zunächst einige einfache Diagramme ansehen.