Vom Geschenk der Dankbarkeit - Cornelius Bohl - E-Book

Vom Geschenk der Dankbarkeit E-Book

Cornelius Bohl

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Beschreibung

Wer möchte das nicht: jung sein, schön und reich!? Genau das haben Menschen mit der Dankbarkeit verbunden: Dankbarkeit macht jung (D. Steindl-Rast). In der Dankbarkeit wird der Mensch schön (D. von Hildebrand). Dankbarkeit macht das Leben reich (D. Bonhoeffer). Aber was ist das überhaupt, Dankbarkeit? Wie erfahre ich sie? Wer der ihr nachspürt, dem kann aufgehen, dass echte Dankbarkeit immer schon eine religiöse Erfahrung ist, auch wenn "Gott" dabei nicht ausdrücklich vorkommt. Dabei ist Dankbarkeit nicht nur eine Sache für Kopf und Herz: Dankbarkeit prägt das Handeln. Sie kann eingeübt werden und wachsen. Sie ist die Quelle von Fest und Feier. Zu solcher Dankbarkeit lädt gerade die franziskanische Spiritualität ein. Franz von Assisi war ein froher Mensch. Nicht, weil sein Leben unbeschwert war, sondern weil er sich ein dankbares Herz bewahrt hat.

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Cornelius Bohl

Vom Geschenk der Dankbarkeit

Franziskanische Akzente

herausgegeben von Mirjam Schambeck sf und Helmut Schlegel ofm

Band 31

CORNELIUS BOHL

Vom Geschenkder Dankbarkeit

Herzlicher Dank geht an Eva Kasper für die sorgfältige Zuarbeit bei den Korrekturen und die Sponsorinnen dieses Bandes, die nicht genannt werden wollen.

Der Umwelt zuliebe verzichten wir bei unseren Büchern auf Folienverpackung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

1. Auflage 2021

© 2021 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter.de

Umschlag: wunderlichundweigand.de

Umschlagfoto: Elisabeth Wöhrle sf

Satz: Crossmediabureau, Gerolzhofen

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

ISBN

978-3-429-05679-7

978-3-429-05179-2 (PDF)

978-3-429-06543-0 (ePub)

Inhalt

Geschenk der Dankbarkeit?

1.Dankbarkeit erfahren,

Beschenkt sein

Staunen

Zustimmen

2.Dankend glauben lernen

Das große Du

Vertrauen und Hingabe

Universale Verbundenheit

Zurückgeben

Kontemplation

3.Dankbarkeit leben

Großzügig teilen

Kultur des Genug

Genießen können

Engagement für Mensch und Schöpfung

4.In der Dankbarkeit wachsen

Sich erinnern

Achtsamkeit einüben

Beziehungsreich leben

5.Dankbarkeit feiern

Spiritualität der leeren Hände

Anmerkungen

Abkürzungsverzeichnis

Zum Weiterlesen

Geschenk der Dankbarkeit?

„Danke für diesen guten Morgen.“ In meiner Jugend haben wir aus Leibeskräften dieses Lied des evangelischen Kirchenmusikers Martin Gotthard Schneider geschmettert. Da wurde für alles Mögliche gedankt: für den Morgen und für die Abendstunde, für die guten Freunde und ein gutes Wort, für die Arbeitsstelle, für die Musik und für vieles andere mehr. Und dann hieß es auch: „Danke, ach Herr, ich will dir danken, dass ich danken kann.“ Beißt sich da nicht die Katze in den Schwanz: danken für die Dankbarkeit?

Diese etwas paradoxe Formulierung erinnert mich an einen Satz aus der Feier der Eucharistie, der großen Danksagung, der mich schon hat aufhorchen lassen, als ich ihn zum ersten Mal bewusst gehört habe: „Du bedarfst nicht unseres Lobes“, heißt es in einer Präfation, dem zentralen Dankgebet der Messe, „es ist ein Geschenk deiner Gnade, dass wir dir danken.“ Normalerweise danken wir, wenn wir ein Geschenk bekommen. Hier ist es umgekehrt: Gott danken zu können, das ist ein Geschenk! Platt gesagt: Gott hat nichts davon, wenn ich dankbar bin. Das bringt ihm nichts. Aber mir bringt es etwas. Ähnliches kann ich manchmal auch in meinen alltäglichen Beziehungen erfahren. Wenn ich einem anderen etwas Gutes tue, dann erwarte ich normalerweise ein Dankeschön. Aber oft ist dieses Zeichen der Dankbarkeit für den anderen wichtiger als für mich. Ich habe etwas für ihn getan, einfach weil ich ihn mag, nicht, damit er mir danke sagt. Ich mag ihn auch weiterhin, selbst wenn er das Danken vergessen sollte. Ihm tut es gut, danke zu sagen. Der Dank ist Ausdruck seiner Freude, er spürt in der Dankbarkeit, dass er nicht allein ist. Die Erfahrung von Dankbarkeit macht sein Leben leicht und beschwingt. Er wird dankbar dafür, dass er danken kann. Er erlebt seine Dankbarkeit als Geschenk.

Dankbarkeit ist ein Geschenk. Dankbarkeit macht froh. In der Dankbarkeit wird der Mensch schön (Dietrich von Hildebrand). Dankbarkeit macht jung (David Steindl- Rast). Dankbarkeit macht das Leben reich. Da hat Sören Kierkegaard schon Recht: „Wie arm, nicht bitten zu können; wie arm, nicht danken zu können; wie arm, alles gleichsam hinnehmen zu müssen in Unerkenntlichkeit.“1

Dieses Buch lädt ein, dem Geschenk der Dankbarkeit in fünf Schritten nachzuspüren. Am Anfang steht die grundlegende Frage: Was ist das überhaupt, Dankbarkeit? Wie erfahre ich sie? (1). Persönlich bin ich davon überzeugt, dass echte Dankbarkeit immer schon eine spirituelle und religiöse Erfahrung ist, auch wenn dies nicht bewusst wird und „Gott“ dabei nicht ausdrücklich vorkommt. Deshalb ist auch der christliche Glaube in seinen wesentlichen Vollzügen Ausdruck von Dankbarkeit (2). Die drei folgenden Überlegungen haben dann einen stärkeren Praxisbezug: Dankbarkeit hat konkrete Folgen im Alltag. Sie prägt die Gestaltung unseres persönlichen Lebens und unser gesellschaftliches und politisches Engagement (3). Wenn Dankbarkeit wirklich ein Geschenk ist, dann stellt sich die Frage, ob man diese Haltung einüben und wie man sie wachsen lassen kann (4). Und schließlich will Dankbarkeit nicht nur bedacht und eingeübt, sondern vor allem auch gefeiert werden (5). Im Hintergrund steht bei diesem Nachdenken immer die franziskanische Spiritualität. Für mich ist sie eine ebenso einfache wie ehrliche Einladung zur Dankbarkeit. Franz von Assisi ist ein froher Heiliger. Dabei war sein Leben keineswegs immer nur leicht und unbeschwert, im Gegenteil. Aber er hat sich mitten in allen dunklen und schweren Erfahrungen ein Gespür dafür bewahrt, wie reich beschenkt er ist. Er ist nicht dankbar, weil er immer nur froh ist, sondern er ist froh, weil er das Danken nicht verlernt hat. Er hat ein Leben lang das Geschenk der Dankbarkeit gehütet wie einen kostbaren Schatz.

1.Dankbarkeit erfahren

Kluge Frauen und Männer haben über die Dankbarkeit nachgedacht. Schriftstellerinnen und Poeten haben über sie geschrieben. Fromme haben ihre Dankbarkeit in Gebeten und Ritualen zum Ausdruck gebracht. Was aber ist das denn eigentlich, Dankbarkeit? Wie und wann erfahre ich sie? Oder besser gefragt: Was erfahre ich, wenn ich mich dankbar erfahre?

Beschenkt sein

„Ich kann das allein!“ Das ist ein wichtiger und notwendiger Satz im Leben eines Menschen. Was für ein grandioser Moment, wenn sich das kleine Kind erstmals am Stuhlbein vom Boden hochzieht, noch etwas wacklig auf eigenen Füßen steht und dann selbständig den ersten Schritt tut! Jugendliche müssen sich irgendwann von den Eltern abnabeln, selbst Entscheidungen treffen, den eigenen Weg finden. Wer im Leben seine Frau oder seinen Mann stehen will, muss eigenverantwortlich handeln und selbständig arbeiten können. Und wer möchte nicht im Alter möglichst lange selbstbestimmt leben, ohne auf fremde Hilfe angewiesen zu sein? Wie gut also, wenn jemand sagen kann: „Ich schaffe das allein!“

„Ich schaffe das allein!“ So wichtig dieser Satz auch ist, er ist nur die Hälfte der Wahrheit. Denn wir brauchen einander. Niemand ist autonom. Niemand genügt sich selbst. Am Beginn seines Lebens ist jeder Mensch viele Jahre auf die Sorge seiner Eltern angewiesen. Kein kleines Kind könnte allein überleben. Nur in der Beziehung zu anderen lerne ich sprechen und denken. Wie wichtig ist es, in einer Krise eine verlässliche Freundin, einen Partner, die Familie an seiner Seite zu wissen. Gemeinsam geht nicht nur vieles leichter. Vieles geht überhaupt nur gemeinsam! Es ist traurig, wenn jemand sagen muss: „Ich habe niemanden! Ich bin ganz allein!“

Wir brauchen einander. Schon, dass ich da bin, ist nicht meine Entscheidung. Ich verdanke mein Leben anderen Menschen. Sosehr ich an mir arbeiten und meine Fähigkeiten trainieren kann, letztlich wurden mir meine Talente „in die Wiege gelegt“. Darauf weist unser schönes deutsches Wort „Begabung“ hin: Ich habe eine Gabe erhalten, jemand hat mir etwas gegeben. Vieles, was mir wichtig ist, kann ich nicht „machen“: Vertrauen, Freundschaft, Liebe, Treue oder Versöhnung werden mir nur in Beziehungen geschenkt. Ich bin auch nicht einfach ich, ein für allemal fertig. Ich bin das, was zwischen mir und anderen geschieht. Meine Identität vollzieht sich in Beziehungen.

Natürlich bleibt die andere Seite meiner Erfahrung, gerade in unserer Leistungsgesellschaft: Ich muss mich anstrengen, hart arbeiten und mir im Beruf und auch in meinen Beziehungen vieles mühsam verdienen. „Ohne Fleiß kein Preis“, sagen wir. „Was nichts kostet, taugt nichts“, davon sind viele Menschen fest überzeugt. Dabei geht es nicht nur um Geld. Wer es zu etwas bringen will, muss Zeit, Kraft und Ausdauer investieren. Die in Wissenschaft und Technik gewonnene Überzeugung, dass (fast) alles machbar ist, hat sich inzwischen tief in unserer Seele festgesetzt. Aber ist denn die Treue der Partnerin oder des Partners, der Zusammenhalt in der Familie, eine Freundschaft wirklich mein Verdienst? Habe ich ein Anrecht auf Zuwendung, auf tragende Fundamente, auf ein Grundvertrauen ins Leben? Ich investiere auch in meine Gottesbeziehung und pflege meinen Glauben – aber wenn ich immer noch glauben darf, ist das nicht meine Leistung, sondern Geschenk. Wer beschenkt wird, fragt schon einmal: „Womit habe ich das verdient?“ Wenn es wirklich ein Geschenk war, ist die Antwort einfach: Durch nichts! Du hast das überhaupt nicht verdient! Das ist dir geschenkt. „Was hast du, das du nicht empfangen hättest?“, fragt Paulus. „Wenn du es aber empfangen hast, warum rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?“ (1 Kor 4,7). Dietrich Bonhoeffer schreibt 1943 aus dem Gefängnis Berlin- Tegel an seine Eltern:

„Es ist ein merkwürdiges Gefühl, schlechthin in allem auf die Hilfe der anderen angewiesen zu sein. Aber jedenfalls lernt man in solchen Zeiten dankbar zu werden und wird das hoffentlich nicht wieder vergessen. Im normalen Leben wird es einem oft gar nicht bewusst, dass der Mensch überhaupt unendlich mehr empfängt, als er gibt, und dass Dankbarkeit das Leben erst reich macht. Man überschätzt wohl leicht das eigene Wirken und Tun in seiner Wichtigkeit gegenüber dem, was man nur durch andere geworden ist.“2

Es gibt Momente, in denen ich spontan eine tiefe Dankbarkeit empfinde. Dennoch ist Dankbarkeit mehr als nur ein aktuelles Gefühl. Dankbarkeit ist eine Grundhaltung und vielleicht sogar eine Grundentscheidung. Das wird auch daran sichtbar, dass Dankbarkeit nicht unmittelbar an ein äußeres Wohlergehen gebunden ist. Es gibt dankbare Kranke ebenso wie ewig unzufriedene Nörgler, die alles haben. Aus welcher Grundhaltung heraus lebe ich? Bin ich der Macher-Typ, der alles allein schaffen möchte? Dann ist das, was gelingt, meine eigene Leistung und ein Erfolg, auf den ich stolz sein darf. Oder ist mir bewusst, dass ich beschenkt bin und in Beziehungen empfange, was ich mir selbst nie geben könnte? Dann sind Freude und Erfüllung immer neu eine Überraschung, die tief dankbar macht. Der selbstzufriedene Macher-Typ besitzt und verteidigt verbissen, was er in den Händen hat und nicht loslassen will. Dankbar Beschenkte empfangen staunend mit offenen Händen, die sie anderen entgegenstrecken. Für das, was mir zusteht, muss ich nicht danken. Das kann ich einfordern. Dankbar macht das unerwartete Geschenk.

Man sollte denken, jeder Mensch wäre froh, wenn er beschenkt wird. Aber es gibt Menschen, die wollen und können sich nicht beschenken lassen: „Womit kann ich das denn wieder gutmachen?“, fragen sie dann. Wir sprechen selbstverständlich davon, dass jemand einem anderen „Dank schuldet“. Die Formulierung ist eigentlich unsinnig. Eine Schuld kann nur entstehen, wo eine Leistung vergütet werden muss. Wirkliche Geschenke sind Ausdruck von Wohlwollen, ohne egoistische Hintergedanken und auch ohne Recht auf Dankbarkeit. Es ist nicht leicht, ein Geschenk einfach nur dankbar anzunehmen, ohne sich gleich mit einem möglichst größeren Gegengeschenk revanchieren zu wollen. Es ist nicht einfach, nur zu empfangen und nicht sofort auch wieder zu geben. Wer gibt, ist in der stärkeren Position. Eine angebliche Verpflichtung zur Dankbarkeit kann missbraucht werden, um Menschen lebenslang zu binden und kleinzuhalten. Der Vorwurf, undankbar zu sein, kann ein Leben zerstören. Wer empfängt, ist abhängig von dem, der gibt. Wer will schon abhängig sein?

Es gibt aber auch so etwas wie eine dankerfüllte Abhängigkeit, ein Verwiesensein aufeinander, das die eigene Hilfsbedürftigkeit anerkennt und doch die Schenkenden wie die Beschenkten frei lässt. Es erfordert Demut, ein Geschenk anzunehmen. „Dankbarkeit ist demütig genug, sich etwas schenken zu lassen“, schreibt Dietrich Bonhoeffer. „Der Stolze nimmt nur, was ihm zukommt. Er weigert sich, ein Geschenk zu empfangen. Lieber will er verdiente Strafe als unverdiente Güte, lieber aus eigener Kraft zugrunde gehen als aus Gnade leben. Er weist Gottes Liebe, die über das Gute und Böse die Sonne scheinen lässt, zurück. Der Dankbare weiß, dass ihm von Rechts wegen nichts Gutes zukommt, er lässt aber die Freundlichkeit Gottes über sich walten und wird durch unverdiente Güte noch tiefer gedemütigt.“3 Dass Dankbarkeit und Demut eng zusammenhängen, wusste auch schon Franz von Assisi: „Lobt und preist meinen Herrn“, heißt es am Ende seines Sonnengesangs, „und dankt ihm und dient ihm mit großer Demut“ (Sonn 10, FQ 41).

Staunen