Was für ein kleines Moped mit verchromter Lenkstange steht dort im Hof? - Georges Perec - E-Book

Was für ein kleines Moped mit verchromter Lenkstange steht dort im Hof? E-Book

Georges Perec

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Beschreibung

Das Moped gehört dem Unteroffizier Pollak Henri, der damit allabendlich von der Kaserne in den heimatlichen Montparnasse knattert, um sich durch Entledigung der Uniform in einen offenkundigen Zivilisten zu verwandeln und zu seinen Spezis zu stoßen, die bei reichlich Rotwein über Hegellius und Lukasch diskutieren. Da wird eines Tages sein Freund Kara- wie heißt er noch? Karasek? Karamalz? Karabambuli? in den Krieg nach Algerien einberufen – und will nicht. Was tun? Man tüftelt ein Drückebergerprogramm aus, das von der komplizierten Armfraktur über das Verrücktstellen bis zum vorgetäuschten Selbstmord reicht. Aber Karasowieso geht seine eigenen Wege.

Ein fröhlicher Anarcho-Text, in dem unter Aufbietung von Perecs gesamtem Arsenal an rhetorischen (Quatsch-)Figuren dem Pazifismus gehuldigt wird. Die kongeniale, einzigartig komische Übersetzung von Eugen Helmlé macht die Lektüre zu einem besonderen Vergnügen.

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Seitenzahl: 59

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Georges Perec Was für ein kleines Moped mit verchromter Lenkstange steht dort im Hof

Inhalt

Was für ein kleines Moped mit verchromter Lenkstange steht dort im Hof

Epische

Erzählung in Prosa ausgeschmückt

mit Versornamenten

entnommen

den Werken

der besten Autoren

und vorgestellt

vom Autor

des Buches

WIE MAN

SEINEN FREUNDEN

GEFÄLLIGKEITEN

ERWEIST

Diese Erzählung ist L. G.

zur Erinnerung an seine schönste Heldentat gewidmet

(aber doch, aber doch).

Da war ein Kerl, Karamanlis hieß er oder so was in der Art: Karawutz? Karakuh? Karabrut? Kurzum, Karadings. Auf jeden Fall kein alltäglicher Name, ein Name, der einem etwas sagte, den man so leicht nicht vergaß.

Das hätte ein armenischer Abstrakter der École de Paris sein können, ein bulgarischer Catcher, ein Großkopferter aus Mazedonien, kurz, ein Bursche aus dieser Gegend, ein Balkanese, ein Joghurtfresser, ein Slawophiler, ein Türke.

Aber zur Stunde war er doch tatsächlich ein Soldat, Schütze Arsch in einem Nachschubregiment in Vincennes, und das seit vierzehn Monaten.

Und unter seinen Kumpels war ein alter Spezi von uns, Henri Pollak höchstpersönlich, Unteroffizier seines Zeichens, freigestellt von Algerien und den anderen überseeischen Besitzungen (eine traurige Geschichte: Waise seit seiner frühesten Kindheit, ein unschuldiges Opfer, ein armes, kleines Menschenwesen, im Alter von vierzehn Wochen auf das Pflaster der Großstadt geworfen), der ein Doppelleben führte: Solange die Sonne schien, ging er seiner Unteroffizierstätigkeit nach, raunzte die Männer vom Strafdienst an, ritzte pfeildurchbohrte Herzen und Scheißhausparolen in die Latrinentüren. Aber beim Bumshalbsechsschlag bestieg er sein knatterndes kleines Moped (mit verchromter Lenkstange) und strebte pfeilgeschwind seinem heimatlichen Montparnasse entgegen (denn er war auf dem Montparnasse geboren), woselbst er seine Holde hatte, seine Bude, uns, seine Spezis, und seine geliebten Bücher, verwandelte sich in einen munteren Jungmann, einfach, aber sauber gekleidet mit einem rotgestreiften, grünen Pullover, einer Ziehharmonikahose, einem ausgelatschten Paar Latschen und suchte uns, seine Spezis, in Kneipen auf, woselbst wir über Fressalien, Kintopp und Philo quatschten.

Und morgens zog der Pollak Henri wieder seine Militäruniform an, das Khakihemd, die Khakihose, das Khakikäppi, die Khakikrawatte, den Khakirock, den sandfarbenen Regenmantel und die kastanienbraunen Schuhe, stieg auf sein knatterndes Moped (mit verchromter Lenkstange), trat schweren Herzens die gleiche Reise in umgekehrter Richtung an, verließ seine geliebten Bücher, uns, seine Spezis, seine Bude und seine Holde und selbst seinen heimatlichen Montparnasse (denn er war dort geboren) und kehrte ins Fort Neuf in Vincennes zurück, wo ihn ein harter Tag erwartete, der allen anderen glich, die der Herrgott-hol-den-Saumilitärdienst ihm seit vierhunderteinundsiebzig Tagen bescherte und ihm (aber greifen wir nicht vor) noch dreihundertneunundsiebzig Tage lang bescheren würde.

Er kniff die Lippen zusammen, der Pollak Henri, er nahm Haltung an, er fuhr mit vorgestrecktem Kinn an der Großen Fahne in den drei Farben vorüber, fuhr am Wachtposten vorüber, am Hauptmann, den er grüßte, am Oberleutnant, den er grüßte, am Unteroffizier-mit-der-Funktion-eines-interimistischen-Feldwebels, den er nicht mehr grüßte und lieber den Bürgersteig wechselte, seitdem sie einen Wortwechsel gehabt hatten, fuhr an der Mannschaft vorüber, dem braven Karaschoff, dem braven Falempain, Van Ostrack (ein fieser Rassist) und dem kleinen Laverrière, liebevoll Eisbrecher genannt, die ihn alle mit diversen Vogelschreien begrüßten, denn er war ziemlich beliebt, der Pollak Henri.

Darauf begann der harte Tag der mühseligen Militärarbeit mit den Appellen, den Rapporten, den Aborten, der Erbsensuppe, dem lauwarmen Bier, dem Viertel billigen Rotwein, den Arbeitskommandos, den Leerstunden, den Stilübungen, den rostigen Konservendosen, die sachkundige Holzpantinen über kahle Rasen scheppern ließen, den Zigaretten, den Kippen, den Stummeln.

Und majestätisch stieg Apoll unaufhörlich dem Zenit entgegen. Die Stunden rannen dahin wie durch eine sandsteingefüllte Sanduhr (der Leser wird sicherlich die Plattheit dieses Bildes bedauern: möge er jedoch seine geologische Stichhaltigkeit bewundern).

Und beim sehnsüchtig erwarteten Bimmelhalbschlag von siebzehn Uhr dreißig drückte Henri Pollak, unser Spezi, falls er nicht auf Wache war oder Feuermelder spielte, kein Ausgehverbot hatte und nicht im Knast saß, die schlaffen Hände von Karabinowicz, Falempain, Van Ostrack, dem fiesen Rassisten, und dem kleinen Laverrière, den wir liebevoll Eisbrecher nannten, stopfte seinen ordnungsgemäß gestempelten Nachturlaubsschein in die linke Tasche seiner khakifarbenen Wind­jacke, stieg auf sein knatterndes kleines Moped (mit verchromter Lenkstange), grüßte vorschriftsmäßig den Oberleutnant vom Dienst, den Küchenbullen, den Schreibstubenfeldwebel, den Kapo, den Unteroffizier vom Dienst, den Gefreiten vom Dienst und die Wachmannschaft, die ihm mit diversen Tierstimmen zujauchzte, denn er war recht gut gelitten, der Pollak Henri (nicht eingebildet, Klasse, eine große Sanftmut unter einer vielleicht etwas rauen Schale) und flog davon gleich dem Vogel der Minerva zur Stunde, da die Löwen zur Tränke gehen, kam mit der Geschwindigkeit des Sperbers mit den verträumten Augen auf seinem Montparnasse an, der ihm das Leben geschenkt hatte und wo ihn seine Holde, seine Bude, wir, seine Spezis, und seine geliebten Bücher erwarteten, pellte sich aus der so verhöhnten Uniform, verwandelte sich im Handumdrehen in einen offenkundigen Zivilisten, den Oberkörper behaglich in einer Unterjacke aus Cashmere, das Bein von einem Paar Dchihns geformt, die Füße in patinierten Mokassins, und suchte uns, seine Spezis, in der Kneipe gegenüber auf, wo wir über Lukasch, Helicop, Hegell und andere Sonderlinge sprachen, bis die Zeit so fortgeschritten war wie unsere Gedanken, denn wir hatten alle einen kleinen Sparren, damals.

Aber da auf einmal, pardauz, brach eines schönen Tages alles zusammen.

Es muss so gegen zwei, halb drei gewesen sein, vielleicht dreiviertel drei sogar.

Da suchte der obengenannte Karathustra den obengenannten Pollak Henri auf (habe ich schon gesagt, dass er einer von unseren großen Spezis war?) und

Also sprach Karathustra:

»Mir kam die folgende Nachricht zu Ohren, die mich fahl, falsch, feuerrot, fickrig, finster, furios und fast fuchsteufelswild gemacht hat: das Oberste, Allerhöchste (gesegnet sei sein Name) Wehrkreiskommando soll beschlossen haben, ob impulsiv und plötzlich oder nach langer, reiflicher Überlegung weiß man nicht, soll also beschlossen haben, das Oberste Wehrkreiskommando, dem Herrn Hauptmann der für die Truppenstärke verantwortlichen Dienststelle die aufreibende Aufgabe anzuvertrauen, die Liste derer von uns zusammenzustellen, die bei der nächsten Gelegenheit jene edlen Hügel Afrikas, die unsere glorreiche Geschichte zu französischer Erde gemacht hat, mit ihrem Blute tränken werden. Es wäre nicht unmöglich, es wäre sogar wahrscheinlich, dass der Name, den meine Familie seit fünf Generationen in Ehren und Würden trägt und den sie mir makellos überliefert hat, auf dieser Liste stünde.«

Und der unglückliche Karaplasma fing wie ein kleines Kind zu schluchzen an.

»Na, na«, spöttelte Unteroffizier Pollak Henri, unser Spezi, der am liebsten anderswo gewesen wäre, zum Beispiel auf seinem heimatlichen Montparnasse, wo er geboren war, wo er seine große Liebe hatte, sein Einzimmerappartement ohne Komfort, uns, seine Kumpels, und seine Bücherschränke Oscar, die er auf gemeine Weise seinem besten Freund abgegaunert hatte (dieser beste Freund war ich).

»Der Teufel hol’s«, fuhr Karamagnole undurchdringlich fort, »Schluss mit dem Kämpfertum; ich mag den Krieg nicht, ich will nicht in den Kampf ziehen; ich will nicht nach Algerien, ich will in Paris bleiben, wo das Mädchen wohnt, an dem ich einen Narren gefressen habe, ich will es in meine großen, starken Arme schließen.«

»Schön und gut! Aber was kann ich dazu?« fragte schäkernd und philosophisch unser Freund Pollak Henri (Unteroffizier), verwirrt von diesem plötzlichen Gefühlsausbruch.