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Wer bist DU tatsächlich? Wie wir uns aus der Sackgasse kindlicher Prägung befreien und erfüllt leben können
Sie wissen genau, was richtig ist, aber Sie handeln entgegengesetzt? Sie geraten immer wieder an falsche Personen und verharren in leidvollen Situationen - aber Sie schaffen es nicht, sich davon zu lösen? „Warum wir in unserem Leben nicht ankommen? Weil etwas in uns genau das nicht will!“ Mit dieser These beginnt die Burnout- und Resilienz-Spezialistin Dr. med. Mirriam Prieß ihr neues Buch und beschreibt, wie wir uns unbewusst von dem abhalten, was wir uns eigentlich wünschen. Auf eindrucksvolle Weise erfährt der Leser, wie uns Prägungen aus der Kindheit unbemerkt in private, berufliche und gesundheitliche Sackgassen führen und die Beziehung zu unserem wahren Ich verhindern. In einem neuen Ansatz wird deutlich, dass vor allem der Mechanismus gelöst werden muss, der sich hinter kindlicher Prägung verbirgt, und dem bislang zu wenig Beachtung geschenkt wurde.
Wie wir uns davon befreien und das eigene Leben kraftvoll in die richtige Richtung steuern können erfährt der Leser in diesem Buch. Schon nach den ersten Seiten wird deutlich: Es ist Zeit für einen Spurwechsel!
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Seitenzahl: 345
»Wenn wir erkennen, dass hinter allem die Suche nach Liebe steht, haben wir die Liebe zu suchen – und zwar in uns selbst.«
Dr. med. Mirriam Prieß
Zeit für einen Spurwechsel
Wie wir aufhören uns selbst zu blockieren und dem Leben eine neue Richtung geben
Impressum
© 2018 by Südwest Verlag, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
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Das vorliegende Buch wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder die Autoren noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.
Projektleitung
Andrei-Sorin Teusianu
Redaktion
Martin Stiefenhofer
Korrektorat
Susanne Schneider
Satz/DTP
Christoph Dirkes
mediathletic bild + design, Neuenkirchen
www.mediathletic.com
eBook-Produktion
Uhl + Massopust, Aalen
Umschlaggestaltung
*zeichenpool, München
Herstellung
Reinhard Soll
ISBN: 978-3-641-22045-7V003
Inhalt
Vorwort
Einleitung
Sackgasse
Leben ist Beziehung
Die verlorene Beziehung zu sich selbst
Jeder hat das Recht auf ein glückliches Leben
Innere Realitäten
Warum wir nicht sind, wer wir sind
Liebe und Geborgenheit
Die Entstehung des falschen Selbst
Die Folgen der Ablehnung
Warum wir an unserem Unglück festhalten
Der toxische Freund
Partnerschaften und innere Realität
Wo die Wurzeln liegen
Wenn die innere Realität Partnerschaft verhindert
Wenn innere Realitäten anstecken – gemeinsam in die Aussichtslosigkeit
Die Befreiung von der inneren Realität
Das Dialogprinzip
Wer ankommen will, darf nicht weglaufen
Schritt 1: Der Dialog mit der inneren Realität
Schritt 2: Der Dialog mit dem Schmerz
Schritt 3: Der Dialog mit den Gefühlen
Wut
Trauer
Angst
Sucht
Wann wird es endlich leichter?
Schritt 4: Verzicht auf Wiedergutmachung
Ich als Täter, nicht als Opfer
Schritt 5: Vergebung
Spurwechsel in der Partnerschaft
Ferien vom Ich
Weg von der Anklage, hin zum Dialog
Wer sind wir tatsächlich?
Bleiben oder gehen?
Heilung durch den inneren Dialog
Der innere Dialog – in Kontakt mit dem eigenen Wesenskern treten
Heilung durch den äußeren Dialog
Stark im Leben durch das Dialogprinzip
Stark bleiben – die Sache mit dem Strudel
Im Innen wie im Außen – Selbstbestimmung
Das Prinzip der widerstandslosen Kapitulation
Beziehung – der Dreh- und Angelpunkt in unserem Leben
Wie gehe ich mit inneren Realitäten anderer Personen um?
Der Dialog mit der inneren Wahrheit
Losgehen
Schlusswort
Anhang
Impressum
Vorwort
Es braucht so wenig in den ersten Jahren, was wir für ein gesundes und erfülltes Leben benötigen, doch dieses wenige scheint so schwer: So, wie du bist, bist du gut! Schön, dass du da bist!
Ich als deine Mutter und ich als dein Vater, wir als deine Eltern freuen uns, dass es dich gibt. Von dem Moment an, in dem wir wissen, dass du auf dem Weg zu uns bist, freuen wir uns auf dich und heißen dich willkommen. Wir heißen nicht alles gut, was du tust – aber dich, dich heißen wir gut und wir helfen dir, jeden Tag ein Stück mehr zu dem Menschen zu werden, dessen Wesen du in dir trägst. Zu dem Menschen zu werden, der du bist …
Wir erkennen dich so lange, bist du dich selbst erkennst, und stehen dir so lange zur Seite, bis du alleine für dich und zu dir stehen kannst. So lange, bist du bereit bist, dein Leben zu führen und dir die Heimat aufzubauen, die du in dir trägst.
Wenn dieses wenige in unseren ersten Jahren nicht stattfindet, dann laufen wir unbemerkt Gefahr, eine Spur in unserem Leben einzuschlagen, die am Ende in eine Sackgasse führt – ob beruflich, privat, gesundheitlich oder sozial – nicht, weil wir es so wollen, sondern weil wir nicht anders können. Nicht, weil wir nicht versuchen, uns dagegen zu wehren, sondern weil wir an der falschen Stelle ansetzen. Wir sind machtlos gegen das Gesetz der Anziehung und Wiederholung – bis wir erkennen, was kindliche Prägung bedeutet und was wir tun können, um uns daraus zu befreien.
In diesem Buch möchte ich Ihnen helfen, sich aus Einbahnstraßen Ihres Lebens zu befreien und einen Weg einzuschlagen, der Sie in ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben führt.
Ich werde Ihnen zeigen, warum viele von uns die Verbindung zu sich und ihrer Seele verloren haben und warum wir Dinge tun und Entscheidungen treffen, obwohl wir spüren, dass diese nicht richtig für uns sind. Anhand von Erfahrungen meiner Klienten und Klientinnen möchte ich Ihnen zeigen, dass auch eingefahrene Spuren im Leben lösbar sind, und was Sie tun können, um wieder Verbindung zu sich aufzunehmen und Kraft aus Ihrem Wesen zu schöpfen. Sie werden verstehen, warum Dinge, die Sie sich eigentlich wünschen, bisher nicht gelungen sind, was in Ihnen dazu führt, dass Sie in Ihrem Leben nicht vorankommen, und warum Sie dort festhalten müssen, von dem Sie spüren, dass es nicht mehr stimmt.
In diesem Buch geht es nicht um Anklage, nicht um Schuld und auch nicht um Aufgabe, sondern um die Chance auf echte Veränderung. Sie werden erfahren, wie Ihnen dies gelingen kann, und erkennen, dass Sie die Lösung bereits in sich tragen. Sie selbst sind der Schlüssel zu Ihrem Leben. Sie sind die Quelle Ihrer Kraft. Die Antwort auf Ihre Möglichkeiten.
Denn es ist nicht die Frage, ob Sie gut sind. Es ist nicht die Frage, ob Sie genügen.
Es ist nur die Frage: Was hindert Sie daran, Ihre Möglichkeiten zu leben?
Was hindert Sie daran, Sie selbst zu sein?
Einleitung
Ich weiß, dass es eher ungewöhnlich ist, doch bevor Sie mit diesem Buch beginnen, möchte ich Sie bitten, sich einen Moment Zeit zu nehmen und in Ruhe folgende Fragen zu beantworten:
• Tun Sie Dinge, obwohl Sie wissen, dass diese eigentlich nicht richtig für Sie sind – es gelingt Ihnen jedoch nicht, dies zu ändern? Oder umgekehrt, Ihnen gelingt nicht, das umzusetzen, was Sie sich wünschen?
• Befinden Sie sich manchmal in Situationen – beruflich oder privat –, von denen Sie spüren, dass diese Ihnen nicht guttun, Sie schaffen es jedoch nicht, sich davon zu befreien?
• Haben Sie den Eindruck, dass Sie immer wieder an die gleichen »falschen« Menschen geraten und Unglückssituationen geradezu magisch anziehen?
• Sagen Sie Ja, obwohl Sie innerlich eigentlich Nein meinen?
• Hat Ihre Gesundheit Ihnen Grenzen gesetzt und haben Sie erst dann innehalten können?
• Machen Sie möglicherweise schon längere Zeit eine Therapie, befinden sich aber noch immer in der Spur, aus der Sie eigentlich raus wollten?
Wenn mindestens einer der genannten Punkte auf Sie zutrifft, wenden Sie sich bitte der folgenden Zeichnung zu und schauen Sie sich die sechs zentralen Lebensbereiche in unserem Leben an. Beantworten Sie, ohne darüber nachzudenken, spontan aus Ihrem Gefühl heraus einfach nur die Frage: Ist das Ihr Leben, das Sie da führen? Notieren Sie sich hinter jedem Bereich entweder ein Ja oder ein Nein.
Das Käfermodell der sechs Lebensbereiche: Die Anzahl der Beine entscheidet über Zufriedenheit und Gesundheit im Leben.
Und ein Letztes:
Wie sieht es mit Ihrer Beziehung zu sich selbst aus? Mögen Sie sich? Stehen Sie mit sich selbst, mit Ihrem Wesen in Verbindung? Sind Sie mit sich im inneren Dialog und folgen Sie Ihrer Intuition?
Sackgasse
Wenn wir ehrlich sind, weiß jeder von uns im tiefsten Inneren, ob das, was er tut, richtig ist. Nicht im moralischen Sinne, sondern in seinem Sinne. Ob das Leben, das wir führen, das eigene Leben ist, ob das, was wir tun und sagen, wir sind – und wenn wir ehrlich sind, wissen wir ganz genau, wenn es dies nicht ist. Interessanterweise wusste jeder meiner Patienten sogar, zu welchem Zeitpunkt es begonnen hatte, »bergab« zu gehen, an welchem Punkt er hätte die Spur wechseln müssen, um nicht krank zu werden oder zu scheitern – es aber nicht getan hat. Bei einigen lag der Zeitpunkt fünf Jahre zurück, bei manchen zwei und bei anderen wenige Monate. »Wenn du jetzt weitermachst, wirst du krank werden.« – »Trenne dich, solange du noch kannst.« – »Nimm den Auftrag nicht an.« – »Lass dich nicht auf diesen Menschen ein.« So oder ähnlich berichteten die Betroffenen von ihrer inneren Stimme, die sie jedoch – warum auch immer – geflissentlich überhörten und mehr oder weniger bewusst beiseiteschoben. So lange, bis es nicht mehr ging. Wann sind wir bereit, uns zu verändern? Wenn wir feststellen, dass wir unglücklich sind? Wenn wir unseren Job verlieren? Unsere Partnerschaft scheitert? Oder warten wir so lange, bis unsere Gesundheit uns dazu zwingt?
Wann sind wir bereit zu sagen: »Mir reicht es!«, und uns von dem zu befreien, was uns in unserem Leben blockiert?
Wann sind wir bereit für einen Spurwechsel?
Leben ist Beziehung
Als ich damals in der Klinik Menschen mit einem Burn-out zu behandeln begann, wurde mir relativ schnell klar, dass es nicht, wie es die gängige Meinung vertrat, die Überlastung an sich war, die in die Erschöpfung geführt hatte, sondern dass die Ursache ganz woanders lag: Jeder der Betroffenen befand sich in konfliktreichen Beziehungen oder hatte keine sozialen Kontakte mehr, und jeder von ihnen hatte die Beziehung zu sich selbst verloren. In dieser Zeit wurde mir deutlich, dass Gesundheit und Krankheit auf einen Grundsatz zurückzuführen sind, und ich erkannte, dass es der Aspekt der Beziehung ist, der darüber entscheidet, ob wir gesund leben oder ob wir krank werden: Wenn Beziehung nicht gelingt – und ich spreche nicht nur von zwischenmenschlicher Beziehung –, dann kann auch das Leben nicht gelingen. Leben ist Beziehung. Wir stehen ständig in Beziehung. Beruflich wie privat. In Beziehung zu uns selbst, zu den Systemen, in denen wir uns befinden, und natürlich auch in Beziehung zum Leben und den Situationen, die es mit sich bringt. Krankheit, Blockade, Scheitern entsteht überall dort, wo Beziehung scheitert. Diese Erfahrung prägt seitdem meine Arbeit und daraus ist folgender Grundsatz entstanden: Leben ist Beziehung. Beziehung ist Begegnung. Begegnung ist Dialog.
»Irgendwo bin ich auf der Strecke geblieben …«
Wenn Menschen feststellen, dass ein Spurwechsel in ihrem Leben notwendig ist, dann erkennen sie es meist erst dann, wenn sie am Ende einer Sackgasse mitten vor der Wand stehen, und daran, dass die Beziehungen, die sie führen, seit Langem nicht mehr gelingen. Rückblickend beschreibt jeder von ihnen das Gefühl, »nicht er/sie selbst gewesen zu sein«, und beschreibt ein Leben, in dem er entweder nur noch funktioniert oder eine Rolle eingenommen hat, die ihm »vom Gefühl eigentlich nicht entspricht«. »Ich lebte und tat im Außen etwas, das ich innerlich nicht war«, »Ich hielt eine Fassade aufrecht, die das Gegenteil von dem ist, wie ich mich innerlich fühlte«, »Ich sagte Ja, obwohl ich innerlich Nein meinte«, »Ich hielt an einer Situation fest, obwohl ich spürte, dass sie nicht richtig war«, … berichten die Betroffenen.
Vielen war es bewusst, dass sie ein Leben führten, das seit Langem nicht mehr das ihre war, was sie jedoch schnell beiseiteschoben und verdrängten. Ich erinnere mich an einen Mann, der vor einigen Monaten in die Praxis kam und sagte: »Ich habe Jahre an einem Job festgehalten, obwohl alle um mich herum sagten: ›Lass es‹ – erst jetzt, wo ich krank bin und mein Körper mir die Grenze setzt, erst jetzt, wo ich nicht mehr kann – kann ich aufhören.«
Während einigen bewusst war, dass die Ursache für ihre Situation in ihnen lag, bemerkten andere das Unglück zunächst nur im Außen. So berichteten viele, dass von einem bestimmten Zeitpunkt an immer mehr schiefging. Sie fanden sich in wachsenden, für sie nicht nachvollziehbaren Konflikten mit ihrem Umfeld wieder, kamen in ihrem Leben nicht mehr voran und ihnen gelang immer weniger. Aus irgendeinem Grund gerieten sie immer wieder an die falschen Personen, ihnen wurden berufliche Möglichkeiten verwehrt oder vor der Nase weggeschnappt, alles, was sie angingen, scheiterte oder lief mehr schlecht als recht – manchmal nur beruflich, manchmal nur privat und manchmal in jedem Lebensbereich. »Es war, als hätte es das Schicksal auf mich abgesehen«, sagte ein Klient. »Ständig passierten mir Unfälle, bei mir wurde mehrmals eingebrochen, Verhandlungen scheiterten – egal, was ich tat, es ging bergab.«
So unterschiedlich die Betroffenen über ihre Situation berichteten, so litten alle unter folgendem Symptom: Sie alle befanden sich in einem permanenten Widerspruch. Diejenigen, die erkannten, dass sie die Ursache für die Blockade in ihrem Leben waren, beobachteten, dass sie immer wieder das taten, von dem sie wussten, dass es nicht richtig war, oder sie taten nicht das, was sie eigentlich wollten und wonach sie sich sehnten. Die anderen wurden mit einem permanenten Widerspruch um sich herum konfrontiert: Sosehr sie sich auch bemühten, das Leben brachte ihnen das Gegenteil von dem, was sie sich eigentlich wünschten. Sosehr sie sich anstrengten, sie »kamen nicht an« und landeten am Ende dort, wo sie gerade nicht hinwollten.
Wie es dazu kommen konnte, war keinem von ihnen klar. Auch nicht, wie wichtig der innere Dialog, die Verbindung mit dem eigenen Selbst, sein könnte.
Die verlorene Beziehung zu sich selbst
»Ob ich mich für mich interessiere? Wie definieren Sie Interesse?«
»Wie ich mich fühle? Das kann ich nicht sagen, können Sie mir nicht einen Tipp geben, wie man sich in so einer Situation wie in meiner fühlen würde?«
»Warum ich nicht auf meine innere Stimme gehört habe? Ich weiß auch nicht. Es ging irgendwie nicht.«
»Was, bitte, hat die Beziehung zu mir selbst mit meinem Leben zu tun?«, fragte ein Unternehmer, der erst nach dem dritten Bandscheibenvorfall innehielt und sich die Frage stellte, was eigentlich nicht stimme.
So selbstverständlich sie eigentlich sein sollte, die Beziehung zu uns selbst, so abstrakt ist sie für die meisten von uns – oder haben Sie sich, wenn Sie ehrlich sind, schon einmal Gedanken über Ihre Beziehung zu sich selbst gemacht? Haben Sie sich schon einmal von sich aus gefragt, wie Sie zu sich stehen? Wie Sie mit sich umgehen? Ob das, was Sie tun und leben, wirklich Sie sind? Nicht nur am Wochenende oder an ein paar Tagen im Monat – sondern in jedem Moment, in jedem der sechs Lebensbereiche? Die meisten von uns halten die Beziehung zu sich selbst so lange für normal und machen sich darüber keine Gedanken, bis sie sich in einer beruflichen, privaten oder gesundheitlichen Sackgasse in ihrem Leben befinden und dadurch erkennen, dass sie sie entweder gar nicht (mehr) haben, nie wirklich gehabt haben – oder dass sie in keiner guten Beziehung zu sich selbst stehen.
Die Beziehung zu uns selbst ist die Grundlage für unser Leben. Unser Wesen ist unsere Kraft und Energiequelle.
Wenn wir ein Leben führen wollen, das uns entspricht, dann können wir das nur, wenn wir wissen, wer wir sind. Wir brauchen die Verbindung zu uns selbst, zu unserem Wesenskern, um gesund und leistungsfähig zu bleiben. Dort liegt unsere Kraft verborgen – dort finden wir Antrieb und Energie – dort liegt die Grundlage für unser Leben und unsere Bestimmung. Fehlt uns diese Verbindung, fehlen uns Maß und Inhalt für das, was wir brauchen und können – und am Ende auch tatsächlich wollen. Wir setzen falsche Grenzen, brennen sukzessive aus und haben nicht die Möglichkeit »nachzuladen«. Wir verlieren die geistige Kraft der Konzentration, die körperliche Kraft durch psychische Erschöpfung und auf der Verhaltensebene verlieren wir die Kraft zu handeln. Zugleich leben wir ein Leben fern von uns selbst. Es ist die Verbindung zu uns selbst, die uns unser Leben ermöglicht. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt für Gesundheit, Wachstum und Erfüllung.
»Gibt es eigentlich eine Benchmark dafür?«, fragte ein Wirtschaftsprüfer während eines Vortrags. »Rational kann ich das alles nachvollziehen, aber das Ganze ist doch sehr ›schwammig‹ – woran erkenne ich, dass ich mit mir in Beziehung bin?« Nachdem der Vortrag zu Ende war, kam er noch zu einem kurzen Gespräch und fragte: »Und wenn ich vielleicht feststelle, dass ich es nicht bin, wie kann ich das ändern?«
Mit sich in Beziehung zu sein beschreibt die Fähigkeit des inneren Dialogs, die Fähigkeit des inneren Zwiegesprächs, und auf dieser Grundlage so zu handeln, wie es unserem Wesen entspricht. Dieser innere Dialog ermöglicht uns, unser inneres Gleichgewicht herzustellen und zu halten – und auf dieser Grundlage ein starkes und belastbares Auftreten im Außen. Die innere Dialogfähigkeit ist die Grundlage für eine starke Dialogfähigkeit im Außen und gleichzeitig auch für die Fähigkeit, richtige Entscheidungen zu treffen. In unserem Wesenskern ist alles enthalten – vor allem unsere innere Stimme, die uns sagt, was richtig für uns ist. Verleugnen wir diese, werden wir krank, wir schlagen falsche Wege ein und unser Leben gerät ins Stocken.
So steigt zum Beispiel die Quote der Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen proportional zu dem fehlenden inneren Dialog.
In den letzten Jahren ist der Begriff »Achtsamkeit« immer populärer geworden. Der innere Dialog beinhaltet nicht nur die Achtsamkeit, sondern auch das Erkennen seines Selbst und auf dieser Grundlage das stimmige Handeln im Außen.
Welche Elemente es für den inneren Dialog gibt, warum diese gleichzeitig Grundlage für Gesundheit und äußeren Erfolg sind, wie man ihn herstellen kann, wenn man erkennt, dass dieser nicht vorhanden ist – und vor allem, warum wir diesen überhaupt verlieren, all dies ist ein zentraler Teil dieses Buches. An dieser Stelle möchte ich Ihnen zunächst nur ein erstes Verständnis darüber vermitteln, denn es ist gerade diese Fähigkeit »bei sich zu sein«, dieser innere Dialog, den wir für einen Spurwechsel in unserem Leben brauchen. Sein Fehlen ist einer der beiden Gründe für die Sackgasse und unser Leid in unserem Leben.
So berichtete eine Klientin, sich gegen ihre innere Stimme für ein berufliches Projekt entschieden zu haben. »Obwohl ich nicht wollte«, sagte sie, »habe ich dennoch zugesagt.« Den beginnenden Tinnitus, den sie kurz nach Übernahme des Projekts bekam, versuchte sie zu ignorieren, ebenfalls die Schlafstörungen – erst als sie immer mehr in körperliche Erschöpfung rutschte und eines Nachts mit Herzrhythmusstörungen in die Klinik musste, hielt sie inne. »Am Ende war es mein Körper, der mich dazu zwang, das zu tun, was ich hätte von Beginn an tun sollen«, sagte die Frau.
Ein Mann berichtete Ähnliches – in seinem Fall war es die Entscheidung, sich trotz inneren Wissens nicht zu trennen und an seiner Partnerschaft festzuhalten. Bei ihm brach irgendwann die Panik mit massiver Herzsymptomatik aus, die ihn beruflich scheitern ließ – und die ihn erst dann auf sich hören ließ.
Eine Frau berichtete, dass sie jahrelang in einer beruflichen Situation verharrte, obwohl »alles in ihr« gegen dieses System rebellierte – erst als sie unerklärliche Schmerzen entwickelte, entschied sie sich für einen Spurwechsel.
Sosehr jeder von uns es sich wünscht, »authentisch« und er selbst zu sein, so selbstverständlich scheint es für die meisten von uns, dies am Ende nicht zu sein. Ab wann sind wir bereit, zu uns zu stehen? Ab wann sind wir bereit, hinzuhören, innezuhalten und dem, der wir sind – oder auch nicht sind –, Rechnung zu tragen? Und vor allem – was ist die Ursache dafür, dass wir dies nicht können?
Jeder hat das Recht auf ein glückliches Leben
Wer glücklich sein will, der muss sich zunächst von all dem befreien, was ihn an seinem Glück hindert.
Je länger Menschen in ungelösten Situationen verharren, umso häufiger geschieht es, dass sie den Glauben verlieren, sich daraus befreien zu können. »Ich habe das Gefühl, es einfach nicht zu schaffen, etwas in meinem Leben zu ändern«, behauptete eine Frau. »Das Leben ist gegen mich«, sagte ein Mann. »Ich habe aufgehört, daran zu glauben, dass es für mich einmal gut werden wird«, offenbarte eine andere Frau. »Vielleicht gibt es für mich eben kein Glück«, so ein erschöpfter Mann. »Ich bin nun Mitte 40, mein Leben liegt in Trümmern – zehn Jahre früher, da hätte ich vielleicht noch die Kraft für Veränderung und das Vertrauen darauf gehabt. Aber jetzt?«
Vielleicht geht es Ihnen genauso. Vielleicht haben auch Sie angefangen, innerlich aufzugeben, zu resignieren, und vielleicht sogar begonnen, an Ihr Unglück zu glauben. Vielleicht sind auch Sie der Überzeugung, dass Sie es nicht verdient haben, glücklich zu sein, und es Ihnen nicht mehr besser gehen wird. Dass das Leben immer so bleibt, wie es jetzt ist.
Ich möchte Ihnen nachdrücklich vermitteln, dass dies nicht der Fall sein muss. Jeder von uns hat das Recht auf ein erfülltes und zufriedenes Leben, und jeder von uns trägt die Möglichkeit für ein solch erfülltes und zufriedenes Leben in sich. Jeder von uns – auch Sie!
Wenn Sie sich im Moment in einer Sackgasse befinden und zweifeln – egal ob an sich selbst, einem befriedigenden Job, erfüllenden Beziehungen oder an einem zufriedenen Leben –, wenn Sie mitten in der Nacht oder am frühen Morgen mit klopfendem Herzen, voller Angst vor der Zukunft, aufwachen und sich vielleicht sogar manchmal wünschen, dass es besser wäre, wenn Ihr Leben vorbei wäre, dann kann ich Ihnen sagen: Das, was Sie da denken und fühlen, sind nicht Sie.
Ich weiß, dass sich dies für Sie im Moment wahrscheinlich merkwürdig anhört. Wahrscheinlich werden Sie sich sagen: Wieso sollte ich das nicht sein? Ich denke und fühle doch all das in mir – also bin ich es auch.
Nein, das sind Sie nicht.
Das Problem ist nur, dass Sie sich dafür halten.
Warum halten wir an unserem Unglück fest?
Es ist nicht die Frage, dass wir nicht gut sind, sondern vielmehr, was dazu führt, dass wir dies nicht glauben. Es ist nicht die Frage, dass das, was wir sind, nicht genügt – es ist die Frage, was uns davon abhält, das zu leben. Was hält uns davon ab, wir selbst zu sein?
Eine unglückliche Partnerschaft, eine unerfüllte oder permanente berufliche Konfliktsituation, Unzufriedenheit im privat-individuellen Bereich, körperlicher Verfall, gesundheitliche Probleme … Man sollte meinen, dass wir in dem Moment, wenn wir unglücklich sind, innehalten und uns fragen, was wir tun können, um uns daraus zu befreien. Man sollte meinen, dass wir im selben Moment, in dem wir feststellen, dass wir uns auf der falschen Spur befinden, die Spur wechseln. Dass wir alles dafür tun, um das zu leben, was uns entspricht – oder zumindest uns von dem zu befreien, was uns krank und unglücklich macht. Doch warum tun wir dies nicht? Im Gegenteil – warum verharren wir, manchmal jahrelang, manchmal jahrzehntelang, manchmal unser Leben lang, in dem, was uns nicht gefällt?
Wenn wir uns selbst und unsere Wahrheit leben wollen, dann müssen wir uns fragen, was uns eigentlich daran hindert, dies zu tun. Und wenn wir es herausgefunden haben, können wir diese Blockade auflösen.
Im letzten Sommer kam ein 43-jähriger Mann in die Beratung. In seinem Leben ging nichts voran – die Aufträge liefen schlecht, die kinderlose Ehe war seit Langem eingeschlafen, er hatte schon mehrere Beratungen hinter sich, doch die »Löcher«, in die er immer wieder rutschte, blieben. Er war zutiefst unzufrieden, aber er schaffte es nicht, sich aus seiner Situation zu befreien. Die Depressionen nahmen zu und die Antriebslosigkeit wuchs. Wie viele andere Betroffene litt auch er unter einem typischen Symptom der verlorenen Beziehung zu sich selbst: Er hatte den Zugang zu seinen Gefühlen verloren.
Dies äußerte sich in seinem Leben, in dem er »einfach nur funktionierte«, und auch direkt in der Beratung. Dort wurde jede Frage, die dem Mann helfen sollte, den Blick auf sich zu richten und die Verbindung zu sich aufzunehmen, von ihm sofort auf der intellektuellen Ebene aufgegriffen, emotional jedoch abgelehnt. »Logischerweise muss das wohl so sein«, »Das könnte so sein – aber ich fühle dazu leider gar nichts« waren sich stetig wiederholende Antworten, gefolgt von einer Beschreibung, wie er in seinem Leben versagen würde.
Wenn die Frage, die ich ihm stellte, so tief ging, dass der Intellekt sie nicht mehr begreifen konnte, begann der nächste Mechanismus zu greifen: Der Mann fing an, die Frage zu vergessen – und zwar direkt nachdem sie gestellt wurde. Irgendetwas in ihm schien auf Hochtouren zu arbeiten, um alles dafür zu tun, ihn in seinem Gefängnis zu halten und die Beziehung zu sich selbst zu unterbinden. Dieses Etwas hielt ihn so gefangen, dass er in seinem alltäglichen Leben jeglichen Antrieb verloren hatte, etwas für sich zu tun. Er berichtete, nur noch für seine Familie da zu sein, für jeden Mitgefühl zu haben, er selbst sei sich jedoch vollkommen egal – er würde einfach nur noch funktionieren. Er könnte sich nicht aufraffen, Dinge umzusetzen, von denen er wüsste, dass sie gelingen würden. Er berichtete ohne jegliche Emotion, dass er in der Presse verfolge, wie Kollegen die Ideen, die er selbst lange vor ihnen gehabt hatte, umsetzten und damit große Erfolge feierten. »Das Leben geht an mir vorbei«, fasste er zusammen, »aber ich kann mich einfach nicht aufraffen. Es geht einfach nicht.« Dies ging mehrere Stunden lang so. Dann entschied sich der Mann, doch noch einen Versuch zu wagen, »etwas für sich zu tun«. Er hätte aus der Beratung verstanden, dass er sich um sich kümmern müsse, und wollte dem Rat einmal folgen. Wasser sei seine Leidenschaft. »Wenn ich auf dem Wasser bin«, berichtete er, »dann fühle ich Leben in mir und bin mit mir in Verbindung.« Seit Jahren träume er davon, sich ein Boot zu kaufen. Diesen Traum wollte er sich nun erfüllen. Das Schicksal schien es gut mit ihm zu meinen. Wie durch Zufall las er eine Anzeige in einer Wochenzeitung, in der ein kleines Boot zu einem geringen Preis abzugeben war. Der Mann beschloss, das Boot zu kaufen. Doch obwohl er das Boot auch für den angesetzten Preis genommen hätte, sagte er zu dem Besitzer, dass man bei Abholung ja noch mal über den Preis sprechen könne, und vereinbarte für das folgende Wochenende einen Termin zur Übergabe. Er meldete sich bei einem Bootsverein an, sorgte für einen Bootsliegeplatz und freute sich, seit Jahren endlich etwas für sich umgesetzt zu haben. Kurz vor dem Treffen, der Mann war gerade auf dem Weg, rief der Besitzer des Bootes an und teilte ihm mit, dass er sich für einen anderen Käufer entschieden hatte – dieser hätte ihm von Anfang an den Preis zugesichert, den er haben wollte.
Mein Klient verfiel in tiefste Depression und nahm diesen Vorfall als endgültigen Beweis dafür, dass das Leben eben so sei – er hätte nun noch einmal versucht, etwas für sich zu tun, aber es offensichtlich nicht verdient, glücklich zu sein. »Ich werde jetzt alles aufgeben und als Kellner arbeiten«, beschloss er sein vermeintliches Unglück.
Ich hörte mir die Geschichte an und fragte ihn irgendwann: »Kann es sein, dass Sie Gefallen daran gefunden haben zu scheitern?«, und bat ihn, diese Frage bis zur kommenden Stunde in sich zu bewegen.
Waren die Stunden davor von Emotionslosigkeit und Resignation geprägt, so kam nun etwas zum Vorschein, was vorher nicht sichtbar gewesen war. Der sonst so höfliche und empathische Mann, der sich in jeder Stunde immer zuerst nach meinem Befinden erkundigt hatte, startete das nächste Gespräch mit folgenden Worten: »Ich bin richtig sauer nach der letzten Stunde gewesen. Ich habe mich die ganze Woche über Sie geärgert. Ich habe mich über Ihre Frage geärgert. Wie kommen Sie dazu, mir so eine Frage zu stellen? Wie kommen Sie dazu, mich zu fragen, ob ich Gefallen an meinem eigenen Scheitern gefunden habe?«
Daraufhin erwiderte ich: »Sie beschreiben mir in den unterschiedlichsten Facetten, wie Ihr Leben an Ihnen vorbeizieht, Sie besitzen hohe Kompetenzen und haben fundierte Ideen, wo Sie wiederholt erfahren, dass diese erfolgreich von anderen umgesetzt werden, Sie beschreiben immer wieder, wie sehr Sie unter Ihrem Leben leiden, aber Sie tun nichts dafür, es zu ändern. Seit Jahren verharren Sie in Ihrer Position, die Sie regelmäßig beklagen, ohne jedoch beständig für Veränderung zu sorgen. Könnte es sein, dass Sie Gefallen an Ihrem eigenen Untergang finden?«
»Ich kann die Frage auf jeden Fall mit Nein beantworten!«, rief der Mann aufgeregt. »Natürlich nicht!«
»Wie kommen Sie auf diese Antwort?«, fragte ich.
»Weil das vollkommen absurd wäre. Warum sollte ich Gefallen an meinem eigenen Untergang finden? Mir geht es doch richtig schlecht! Ich leide doch!«
»Das sehe ich«, erwiderte ich. »Und dennoch: Sie können sehr leiden und es könnte doch trotzdem sein, dass etwas in Ihnen daran Gefallen findet.«
»Aber das wäre doch vollkommen absurd – das wäre doch der totale Widerspruch«, erwiderte der Mann aufgewühlt. »Was würde das für mein Leben bedeuten?«
1. Kapitel
Innere Realitäten
Es ist nicht die Frage, ob wir so, wie wir sind, genügen – es ist vielmehr die Frage, warum wir dies nicht leben.
Zuallererst: Mir ist in meiner Beratung noch kein Mensch begegnet, der bewusst von sich sagt: Ich will nicht glücklich sein! Der seine Ziele nicht erreichen möchte. Der kein erfülltes Leben möchte.
Mir ist noch niemand begegnet, der eine Partnerschaft oder einen Job beginnt mit dem Ziel, zu scheitern. Niemand, der sagt: Ich bleibe jetzt in dieser leidvollen Situation, weil ich unglücklich sein möchte. Niemand, der seine Ziele bewusst verhindert, weil er sich dafür entschieden hat, in seinem Leben lieber nicht ankommen zu wollen, sondern lieber scheitern möchte. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der, wenn er die Wahl hätte zwischen »Willst du ein glückliches und erfülltes Leben leben, das dir entspricht« und »Willst du in deinem Leben fernab von dir selbst leiden?« sich bewusst für Variante zwei entscheidet.
Und dennoch findet genau das unendlich oft statt: Wir verharren in leidvollen Situationen; uns gelingt es nicht, uns so zu vertreten, wie wir es wollen, wir blockieren uns im Job, fahren unsere Partnerschaft gegen die Wand, fallen auf »falsche« Menschen und Situationen herein oder lassen unseren Körper und unsere Gesundheit »verkommen«.
Rational wissen wir, was wir wollen, emotional sehnen wir uns nach unserem Glück – unsere äußere Realität jedoch sieht meist ganz anders aus.
Im folgenden Kapitel möchte ich auf genau diesen Widerspruch eingehen. Den Widerspruch, den unendlich viele von uns in sich tragen: Auf der einen Seite unter dem Leben zu leiden, das wir führen, es auf der anderen Seite aber nicht zu verändern. Auf der einen Seite zu wissen, was wir wollen, aber am Ende das Gegenteil davon zu tun – oder im Gegenteil zu verharren. Auf den Widerspruch, der uns nicht zu uns selbst und zu dem stehen lässt, wer wir sind.
Dieser Widerspruch ist einer der Hauptgründe für Stillstand, für Blockaden und für Schmerz. Einer der Hauptgründe für die Unmöglichkeit, glücklich zu sein. Wenn wir ihn nicht auflösen, dann können wir noch so viel tun – einschließlich Therapie –, wir werden in unserem Leben nicht ankommen.
Warum wir nicht sind, wer wir sind
»Ich bin der Geist, der stets verneint …«
(Goethe, Faust I)
Wenn wir feststellen, dass wir ein Leben fernab von uns selbst leben, wenn wir erkennen, dass wir uns in Beziehungen befinden, die uns nicht erfüllen oder sogar schaden, und wir uns die Frage stellen, wie wir mit uns selbst und unserem Leben umgehen, dann werden wir nicht umhinkommen, uns irgendwann auch der Frage zu widmen, wie mit uns umgegangen worden ist, als wir ins Leben kamen. Wenn wir feststellen, dass uns das Entscheidende für ein erfülltes und gesundes Leben – gelingende Beziehung – fehlt, dann werden wir uns zwangsläufig auch der Frage stellen müssen, wo und wie wir eigentlich Beziehung gelernt haben.
Wir können Widersprüche nur dort lösen, wo sie entstanden sind, und wenn wir Widersprüche in der Beziehung zu uns selbst, unserem Leben und unserer Umwelt feststellen, dann müssen wir zu dem Ursprung zurückkehren, wo Beziehung in uns entstanden ist.
Was haben wir in unseren ersten Jahren, in denen ein Mensch Beziehung lernt, an Beziehung erfahren? Wie sind unsere ersten Bezugspersonen, meist unsere Eltern, uns begegnet?
Wenn wir mit dieser Frage den Blick zurückrichten, dann sind es keine einzelnen Erlebnisse, die für unsere Antwort entscheidend sind, sondern es ist die tagtägliche Atmosphäre der Beziehungen, in der wir aufgewachsen sind, die uns in unserem Umgang für unser späteres Leben prägt. So, wie unsere Eltern mit uns als Kind, mit sich selbst und untereinander in Beziehung getreten sind, daraus haben wir gelernt, mit uns selbst und mit der Welt in Beziehung zu treten.
Unsere Eltern zeigen uns durch ihren Umgang, was Beziehung heißt – und zwar nicht durch einzelne Situationen, sondern durch die alltägliche Atmosphäre.
Lassen Sie uns vor diesem Hintergrund die drei Beziehungsaspekte genauer betrachten, die uns für unser späteres Leben und für den Umgang mit uns selbst prägen.
Der Umgang der Eltern mit dem Kind
Der direkte Umgang der Eltern mit uns als Kind ist der zentralste Punkt für die eigene spätere Beziehungsgestaltung, denn hier geht es unmittelbar um uns.
Die wichtigsten Fragen in diesem Bereich sind: Wie sieht der tägliche Kontakt aus? Ist er von Liebe und echter Annahme geprägt? Von Geborgenheit und Interesse? Von dem Grundsatz »So, wie du bist, bist du gut – schön, dass du da bist!«? Oder ist der Kontakt von Distanz und Gleichgültigkeit, von Ablehnung, von Überforderung, von Kälte oder Funktionalität geprägt? Werde ich als Kind in meinem Wesen erkannt und gefördert oder sehen meine Eltern sich selbst in mir und versuchen, ihre Überzeugungen und Bedürfnisse in mir zu verwirklichen?
Die Beziehung der Eltern zu sich selbst
Wer ist sich als Vater oder Mutter schon darüber bewusst, dass man dadurch, wie man mit sich selbst umgeht, automatisch sein Kind für den Umgang mit sich selbst prägt? Leben unsere Eltern das Leben, das ihnen entspricht? Stehen beide im Kontakt zu ihrem Wesen und leben den inneren Dialog?
Die Eltern zeigen mir als Kind, wie Beziehung zu sich selbst geht und was dies heißt: Selbstbewusstsein oder Wertlosigkeit; echter Selbstwert oder Selbstdefinition über Leistung; die Fähigkeit, Grenzen zu ziehen, oder grenzenlose Selbstaufopferung; Selbstannahme oder Selbstaufgabe; Mitgefühl oder Härte. Bin ich so, wie ich bin, gut? Oder bin ich so, wie ich bin, nicht gut? Nicht mit Worten, sondern im täglichen Verhalten zeigen die Eltern ihrem Kind, »wie man mit sich selbst« umgeht – und zwar im Positiven wie im Negativen.
Die Beziehung zwischen den Eltern
»Wir sind für immer durch unser Kind verbunden«, sagte eine Frau, die aufgrund einer Trennungsproblematik in die Beratung kam. »Auch wenn wir getrennt sind, unsere Töchter sind wie ein dauerhaftes Band zwischen uns«, berichtete ein Unternehmensberater.
Die Verbundenheit, die Eltern untereinander durch ihre Kinder spüren, gilt im umgekehrten Sinne auch für das Kind. Weil ich aus dieser Verbindung entstanden bin, ist die Beziehung zwischen meinen Eltern für mich als Kind existenziell. Sie ist so hoch emotional besetzt, weil sie die Grundlage meiner eigenen Existenz darstellt. Ich spüre als Kind instinktiv: »Aus diesen beiden bin ich entstanden, ich bin ein Teil von beiden.«
In meinen Beratungen verwende ich manchmal das Bild, dass die Verbindung zwischen den Eltern die Wiege des Kindes ist, in der es in die Welt gewiegt wird, so lange, bis es alleine laufen kann und erwachsen ist. So lange, bis es genügend Beziehung zu sich selbst hat, um die Beziehung der Eltern für das eigene Leben nicht mehr zu benötigen.
Die Beziehung der Eltern zeigt mir als Kind also nicht nur, wie man als Paar miteinander umgeht, sondern prägt mich auch entscheidend in der Beziehung zu mir selbst. Sie wirkt sich auf mein Selbstbild aus. Vereinfacht ausgedrückt: Aus dieser Beziehung bin ich entstanden – dort ist mein Ursprung, dort liegen meine Wurzeln. Was wird mir tagtäglich vorgelebt? Ist mein Ursprung Liebe, Interesse, Annahme, Wertschätzung, Akzeptanz und Umgang auf Augenhöhe oder Streit, Verachtung, Gleichgültigkeit und Lieblosigkeit?
Liebe und Geborgenheit
So wenig es in den ersten Jahren braucht, so existenziell notwendig ist dieses wenige, damit unser späteres Leben gelingt: Die beständige Erfahrung von liebevoller Annahme und Geborgenheit, die Erfahrung, die sich in diesem Satz ausdrückt: So, wie du bist, bist du gut – schön, dass du da bist!
Auch wenn wir in unserem Wesen schon da sind, haben wir noch keine Verbindung zu uns und dadurch noch kein Bewusstsein über uns selbst. Damit wir mit uns in Beziehung treten und herausfinden können, wer wir wirklich sind, brauchen wir Eltern, die uns von Beginn an in einem liebevollen Dialog begegnen. Unsere Eltern müssen mit uns in Kontakt treten, damit wir den Kontakt zu uns selbst aufnehmen können. Wir brauchen Eltern, die sich für uns in unserem wahren Wesen interessieren, die offen sind dafür, wer wir sind, und die uns von Anfang an auf Augenhöhe – unserem Alter entsprechend – begegnen und die uns bedingungslos annehmen.
Durch das Interesse der Eltern lernen wir, uns für uns selbst zu interessieren, über die Annahme der Eltern, uns selbst anzunehmen, und über die Offenheit und Unterstützung, uns selbst zu erkennen. Auf dieser Grundlage können wir uns zu dem Menschen entwickeln, der wir dem Wesen nach sind. »So, wie du bist, bist du gut – ich heiße nicht alles gut, was du tust, aber dich, dich heiße ich gut!« Mit dieser täglichen Erfahrung lernen wir den inneren Dialog zu uns selbst, lernen, mit uns umzugehen und von Anfang an selbstverständlich wir selbst zu sein.
Um es kurz zu sagen: Eigentlich brauchen wir nicht viel, um später gesund und glücklich zu werden – wir brauchen die liebevolle Annahme unserer Person. Wir brauchen Eltern, die uns helfen, den Zugang zu uns selbst zu entwickeln. Eltern, die uns helfen, eine Beziehung zu uns aufzubauen, die uns durch unser Leben trägt.
Was aber geschieht, wenn diese Atmosphäre fehlt?
Der notwendige Blick zurück
Vergangenheit ist es erst dann, wenn es nicht mehr wehtut …
»Nun wollen wir doch keinen Elternkurs hier veranstalten«, sagte ein Manager während eines Seminars für Burn-out. »Was bringt es mir, wenn ich dorthin zurückgehe, wo sowieso nichts mehr zu ändern ist?« Mit seinen Worten äußerte er etwas, was viele Menschen denken. »Ich habe einfach Angst, alte Wunden aufzureißen und mit dem Schmerz von damals konfrontiert zu werden«, lautet eine häufige Aussage. »Was für einen Benefit soll das für mich haben?«
»Sie haben recht«, antwortete ich dem Mann. »Die Vergangenheit können wir zwar nicht mehr ändern – aber wir können unsere Gegenwart und Zukunft beeinflussen. Nur das ist der Grund, warum es sich lohnt zurückzugehen: um herauszufinden, was uns aus der Vergangenheit daran hindert, im Heute das Leben zu führen, das uns entspricht. Wenn wir verstehen wollen, wer wir sind, müssen wir wissen, woher wir kommen.«
Dabei geht es nicht um Schuld oder Anklage, es geht am Ende auch nicht um unsere frühen Bezugspersonen – am Ende geht es einzig und allein um uns, um uns und unser Verständnis über uns selbst und, darauf aufbauend, um die Möglichkeit der eigenen Befreiung.
Wir können nicht mehr verändern, was gewesen ist; die Erfahrungen, die wir gemacht haben, haben wir gemacht, und die Eltern, die wir hatten, sind längst nicht mehr die Menschen, die sie gewesen sind, als wir auf die Welt kamen. Die einzige Chance, die wir jetzt noch haben, ist, das Erfahrene in der Gegenwart und Zukunft nicht mehr fortzusetzen. Es gilt also herauszufinden, was wir aus der Vergangenheit als falsche Wahrheit über uns und das Leben übernommen haben.
Woran halten wir bis heute unbewusst fest und blockieren dadurch uns und unser Leben?
Das Sehnen nach Liebe
Vor Kurzem sagte in einer gemeinsamen Beratungsstunde ein Mann nachdenklich zu seiner Frau, dass es vor allem eines gewesen sei, was er in den Jahren der Ehe vermisst hätte: das Gefühl, sich bei dem anderen zu Hause zu fühlen. Das Gefühl »So, wie du bist, bist du gut. Schön, dass du da bist«. »Ich fühle mich schon seit Langem nicht mehr willkommen bei dir«, sagte er zu seiner Frau. Wir alle sehnen uns von unserem Wesen her nach Liebe und Annahme. Nach einem »So, wie du bist, bist du gut – schön, dass du da bist«, und auf dieser Grundlage nach wesentlicher Begegnung.
Wenn Sie Ihr Verhalten und Streben in den unterschiedlichen Bereichen Ihres Lebens betrachten und sich fragen, was Sie antreibt, dies alles zu tun, so werden Sie vielleicht spontan antworten, dass Sie erfolgreich sein, politische oder soziale Ziele erreichen wollen. Und vielleicht sehen Sie materiellen Besitz als höchsten Wert in Ihrem Leben an. Manche von uns suchen ihre Erfüllung und Sicherheit genau darin, weil sie an eine emotionale Erfüllung und Sicherheit nicht (mehr) glauben – doch wenn sie tief in sich hineinspüren, so werden auch sie das Sehnen nach Annahme und Begegnung fühlen. Überlegen Sie einmal, wie Sie als erwachsener Mensch in Ihren einzelnen Lebensbereichen agieren, wie wichtig es Ihnen ist, von Ihren Mitmenschen angenommen und akzeptiert zu werden. Was es in Ihnen auslöst, wenn Sie von Ihren Bezugsgruppen und Bezugspersonen – beruflich wie privat – Ablehnung erfahren oder sogar Ausgrenzung. Wir alle sind in unserem tiefsten Inneren soziale Wesen – unabhängig von Status, Geschlecht, Religion, Position –, uns alle verbindet derselbe Grundsatz: Menschliches Leben ist Beziehung – und erfülltes Leben ist Begegnung.
Wie wichtig dies für uns ist, erkennen wir auch durch unsere Ängste. Jede Angst lässt sich am Ende auf eine zentrale Angst zurückführen: die Angst vor Ablehnung und Ausgrenzung. Dies ist die größte Angst in Gruppen, der wir im Übrigen nur dann auf Augenhöhe begegnen können, wenn wir mit uns selbst in Verbindung sind. Fehlt uns der innere Dialog, so wird unsere Angst vor Ablehnung umso größer, und wir sind als erwachsene Menschen bereit, auch dort Zugeständnisse zu machen, wo sie nicht nur auf Kosten unserer Identität, sondern auch der eigenen Integrität gehen.
Der Wunsch nach Annahme und Zugehörigkeit ist die treibende Kraft in uns – Trennungen und Verluste sind die Hauptauslöser, die zur Erschöpfung und zum »Zusammenbruch« im Erwachsenenalter führen. Vielleicht können wir vor diesem Hintergrund verstehen, wie zentral die Atmosphäre der liebevollen Annahme in den ersten Jahren für uns ist – und beginnen zu erahnen, was es für ein Kind, das noch nicht die Möglichkeit hat, auf sich selbst zurückzugreifen, bedeutet, wenn es von den beiden Menschen, von denen es abstammt, keine Annahme erfährt – und was dies für Konsequenzen hat.
Die Entstehung des falschen Selbst