Zwang heilt die Natur - Raoul Biltgen - E-Book

Zwang heilt die Natur E-Book

Raoul Biltgen

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Beschreibung

Auch mit Kurzgeschichten kann man Preise gewinnen! Für alle, die gerne Schreiben oder die Schreiben lernen wollen, veröffentlicht "Tatort-Scheibtisch: Ausgezeichnet!" preisgekrönte oder für einen Preis nominierte Texte, um zu zeigen, wie vielfältig Geschichten sein können, mit denen Autoren Anerkennung und Aufmerksamkeit erlangt haben. Zum Mut machen und zum Lernen! Raoul Biltgen ist tot. Schreibt Raoul Biltgen. Er kann sich nicht erinnern. Warum er gestorben sein könnte. Oder ob er gar nicht tot ist. Er findet sich wieder in einer Psychiatrie, in jener Psychiatrie, in der auch Friedrich Glauser, der Begründer des deutschsprachigen Krimis, einst eingesessen hatte. Und in der er seinen Kriminalroman "Matto regiert" spielen ließ. Ist Raoul Biltgen, Autor und Protagonist der eigenen Geschichte, verrückt? Oder verdrängt er aus gutem Grund, was ihn an jenen Fluss getrieben hat, an dem er sich tot sieht? Eine atemberaubende Verfolgungsjagd auf den eigenen Spuren führt den Leser in einem schnellen Hin und Her zwischen Traum und Wirklichkeit, Realität und Fiktion durch das beschauliche schweizerische Städtchen Münsingen, immer vor dem drohenden Vergessen davonlaufend... Die Kurzgeschichte "Zwang heilt die Natur" wurde für den Friedrich-Glauser-Preis 2014 in der Sparte Kurz-Krimi nominiert. Ein raffinierter Krimi mit ungewöhnlicher Erzählstruktur

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Seitenzahl: 23

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„Tatort Schreibtisch: Ausgezeichnet!“ präsentiert eine Reihe von Novellen oder Kurzgeschichten, die in der Vergangenheit mit einem Literatur- oder Krimipreis ausgezeichnet oder für einen Preis nominiert wurden. Gezeigt werden soll, wie breit die stilistische Vielfalt herausragender Texte ist und welche unterschiedlichen Ansätze möglich sind, preisverdächtige Geschichten zu schreiben. Das ist zum einen spannende und anspruchsvolle Unterhaltung, zum anderen ein praktischer Exkurs über das Schreiben.

 

Die Kurzgeschichte „Zwang heilt die Natur“ wurde im Jahr 2014 für den Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte Kurzkrimi nominiert.

 

 

 

 

 

Raoul Biltgen

 

 

 

 

Zwang heilt die Natur

 

 

 

 

 

 

 

 

KICKVerlag

 

Erste noch müde Sonnenstrahlen fallen durch die schwarzen Äste der frühlingskahlen Bäume und lassen die zwirbelnden Wellen des Flusses glitzern wie zerspringende Diamanten, ein Entenpärchen, sie unscheinbar braun, er mit grün schimmerndem Hals, die Schnäbel ins Gefieder gesteckt, döst im geschützten Halbrund zwischen den wie ein zerschlagener Unterkiefer im Wasser liegenden Betonblöcken vor sich hin. Die Enten lassen sich nicht stören durch das wilde Frühstücksgezwitscher der Vögel, genauso wenig wie durch den nach und nach anschwellenden Lärm der Autos und Laster auf der Autobahn, hundert, vielleicht zweihundert Meter weit weg, im Rücken des Mannes, der, die schwarze Lederjacke fest um den Körper, die Arme um die Jacke geschlungen auf der morgenfeuchten Erde am Rande des kleinen Beckens am reißenden Fluß sitzt und scheinbar den Enten zuschaut. Man fragt sich, warum er nicht auf der Bank sitzt. Man fragt sich, wie lange der Mann schon dort sitzt. Man fragt sich, was mit dem Mann ist, da er vollkommen reglos da sitzt. Und wenn ich sage vollkommen, dann meine ich vollkommen, denn nicht einmal jenes unwillkürliche Auf und Ab der Schultern, das beim Atmen entsteht, ist zu sehen.

Der Mann ist tot.

Und der Mann bin ich.

Nun wird der geübte Krimileser wissen wollen, wie ich denn, tot, an den Fluss gekommen bin. Der Realist hingegen wird einwenden, dass ein Toter wohl kaum über sich selber als Toter reden kann. Womit er recht hat. Weswegen ich auf die erste Frage zurückkommen möchte: Ich weiß auch nicht, wie ich dorthin gekommen bin, es handelt sich lediglich um ein Traumbild, das ich, seit ich vor ein paar Stunden aus diesem Traum erwacht bin, einfach nicht mehr aus dem Kopf bekommen kann. Was mich durchaus beunruhigt. Wer will schon sich selber als Leiche an einem Fluss sehen?

Noch aufwühlender wird das Ganze aber, wenn ich sage, wo ich mich genau in diesem Moment, da ich diese Zeilen zu Bildschirm bringe, befinde, nämlich unter jungfräulich weißen Laken in einem Bett im PZM liegend, dem Psychiatriezentrum Münsingen, alterwürdiges Gemäuer am Rande des Dorfes nahe Bern in der Schweiz.