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Franz von Falkenstein

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Beschreibung

In diesem Band finden sich 111 ausgewählte Haiku aus Eigenproduktion. Im Gegensatz zu anderen deutschen Haiku-Schreibern beharre ich strikt auf der 5-7-5 - Silbenzahl. Inhaltlich wird mitunter etwas vom klassischen, japanischen Haiku abgewichen, obgleich Natur-Haiku dominieren.

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Franz von Falkenstein

111 Haiku

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Vorwort

Vermutlich hat der Leser bereits eine ganz konkrete Vorstellung davon, was ein Haiku überhaupt ist. Möglicherweise ergab sich das Interesse auch aus der Unwissenheit heraus, bedingt durch die Neugierde für Lyrik im Allgemeinen. Daher erscheint eine kleine Einführung angemessen. Haiku ist natürlich kein deutsches Wort, sondern ein japanisches. Es steht für eine Gattung von Gedichten, die durch ihre Kürze auffallen. Stets finden sich drei Verse, deren Silbenzahl festgelegt ist. Der erste Vers mit 5 Silben, der zweite mit 7 und der dritte Vers abermals mit 5. Genauer gesagt müßte man eigentlich von Moren sprechen, aber die gibt es im Deutschen nicht, weshalb uns das wenig kümmert. Auf dem Titelbild sind merkwürdige Schriftzeichen abgebildet, die ein japanisches Beispielgedicht zeigen. Haiku werden im Japanischen nämlich nicht in den Hieroglyphen notiert, die dem Europäer unwillkürlich an die Bildzeichen der alten Ägypter erinnern, sondern in der Silbenschrift Hiragana. Der Wortlaut der Verse ist wie folgt:

 

shiroi kumo

tori hayaku tobu

aoi sora

 

Übersetzung:

Weiße Wolken

Vögel fliegen schnell

Blauer Himmel

 

Wenn man das Haiku (sachlicher Artikel, weil es im Japanischen keine Artikel gibt, Plural bei Substantiven auch nicht) nun als Deutscher liest, so wird man feststellen, daß die oben angegebenen Silbenzahlen nicht passen. Wir lesen ungefähr folgendes: Schi-roi-ku-mo, also 4 Silben, der zweite Vers paßt, der dritte abermals nicht: a-oi-so-ra. Wenn man sich nun das Schriftbild des Titelgedichts ansieht, dann stellt man fest, daß die Zahl der Zeichen sehr wohl paßt. Wir lesen also falsch oder sagen wir mal: anders.

„Shiroi“ (= weiß) besteht aus den Schriftzeichen „shi“, „ro“ und „i“. Für uns sind das zwei Silben, für die Japaner drei Einheiten. Dasselbe gilt für „aoi“: „a“, „o“ und „i“. So ist also der Unterschied zu erklären, was im Deutschen völlig irrelevant ist.

Neben dieser formalen Regel drehen sich viele Haiku um die Natur. Sie besitzen ferner eine offene Struktur, da Vieles unausgesprochen bleibt. Im obigen Beispiel, das übrigens auf meinem eigenen Mist gewachsen ist – nicht, daß jemand behaupten kann, ich hätte irgend jemandes Haiku verwendet und ihn als Quelle nicht angegeben – , sind alle entsprechenden Eigenschaften eines klassischen, japanischen Haiku erfüllt. In der Diskussion mit einer Japanerin kam das Gespräch auch auf die Jahreszeit, in der das Gedicht spielt. Tatsächlich wird die nicht explizit angesprochen. Mein Gott, in der Kürze von 17 Moren kann man kaum etwas sagen. Es sind aber Andeutungen erkennbar, denn weiße Wolken bringen selten Regen. Auch der Umstand, daß man das Blau des Himmels sieht, verrät einem schon etwas. Es herrscht zumindest schönes Wetter. Es ist nicht so wie jetzt (Ende November), wo es regnet, stürmt, der ganze Himmel voller grauer Wolken hängt. Freilich gibt es auch im Herbst schöne Tage, aber der Verdacht liegt nahe, es sei Frühling oder Sommer. Betrachtet man nun noch die Information, daß die Vögel schnell fliegen, dann fragt man sich unwillkürlich nach dem Grund. Wieso fliegen die schnell und nicht langsam? Wegen der Silbenzahl, klar. Vielleicht fliegen sie auch deshalb schnell, weil sie ihre Jungen füttern müssen, die ständig nach Futter betteln. Zu Beginn des Sommers wäre das natürlich auch möglich, weil die meisten Vögel mehrmals pro Jahr brüten. Das bleibt offen, ist hier auch nicht weiter entscheidend. Jedenfalls lassen sich Dinge herauslesen, die nicht dastehen. Es werden lediglich Andeutungen gemacht. Irgendwo steht jemand, der die Szene beobachtet.

Die meisten deutschen Haiku halten sich nicht mehr strikt an die Regel 5 – 7 – 5, was ich persönlich schade finde, weil sie durch die Gattung einfach vorgegeben ist. Alle hier in diesem Band aufgeführten Haiku halten sich sklavisch an die Silbenzahl. Inhaltlich wird es meistens um klassische Themen mit Naturbezug gehen, doch auch völlig andere Thematiken werden behandelt. Darauf weise ich hin, daß das eigentlich ein Bruch mit der klassischen inhaltlichen Vorgabe ist. Aus diesem Grund kommt das große Kapitel über die Natur zuerst und alle anderen zuletzt.

I. Natur

Das wahrscheinlich bekannteste Haiku stammt aus dem 17. Jahrhundert und ist von Basho Matsuo. Es lautet frei übersetzt, aber mit eingehaltenem 5-7-5:

 

Der alte Tümpel

Der Frosch springt hinein; oh, das

Geräusch des Wassers

 

In eine ähnliche Richtung gehen auch alle meine Haiku, zumindest gab es diese Intention. Man mag es mir nachsehen, falls ich den Qualitätsgrad des alten Meisters nicht erreiche.

Frühling

Eine Amsel singt

Bäume zeigen zartes Grün

Der Frühling beginnt

Sommer

Schweiß auf meiner Haut

spendet keine Linderung

Nur der Schatten hilft

Herbst

Das Laub fällt herab

dreckig braun und nicht mehr grün

Eicheln überall

Winter

Reiner Schnee so weiß

Kälte fährt in jedes Glied

Feuer wärmt mein Herz

Wiese

Das Lied des Buchfinks

Emsig summen die Bienen

Schmetterling im Wind

Nacht

Gähnende Höhle

Fledermäuse kehren heim

Ein Wiesel erwacht

Frühjahr

Im Frühling, da tönt

immer heiter und fröhlich

der Amselgesang