6er Jubiläumsbox - Runa Moore - E-Book

6er Jubiläumsbox E-Book

Runa Moore

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Beschreibung

Der Liebesroman mit Gänsehauteffekt begeistert alle, die ein Herz für Spannung, Spuk und Liebe haben. Mystik der Extraklasse – das ist das Markenzeichen der beliebten Romanreihe Irrlicht: Werwölfe, Geisterladies, Spukschlösser, Hexen und andere unfassbare Gestalten und Erscheinungen erzeugen wohlige Schaudergefühle. Keine Leseprobe vorhanden. E-Book 1: Das Haus auf dem Hügel E-Book 2: Das Schloß der toten Seelen E-Book 3: Magischer Mord E-Book 4: Tödliche Gefahr E-Book 5: Als das Lächeln erstarb E-Book 6: Sie war Werkzeug eines Geistes

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Inhalt

Das Haus auf dem Hügel

Das Schloß der toten Seelen

Magischer Mord

Tödliche Gefahr

Als das Lächeln erstarb

Sie war Werkzeug eines Geistes

Irrlicht – Jubiläumsbox 5 –

6er Jubiläumsbox

E-Book: 23-28

Runa Moore Celine Noiret Janey Carpenter Susan Lennox

Das Haus auf dem Hügel

… als wäre es nicht von dieser Welt

Roman von Carol East

Das Haus auf dem Hügel war von fast jeder Stelle innerhalb der kleinen Stadt zu sehen. Zumal kein Haus in dieser Stadt höher war als ein Stockwerk – genauso wie das Haus auf dem Hügel. Als würden sich die Häuser der Stadt vor ihm ducken und sich bemühen, bloß nicht größer und prächtiger zu wirken.

Prächtig war das Haus auf dem Hügel durchaus, wie es da so einsam stand, als wäre es um Abstand zur übrigen Stadt bemüht. Kein Baum, kein Strauch behinderte die Sicht zu ihm hinauf. Die Gegend war absolut kahl. Selbst das Gras bildete höchstens ein paar mickerige Büschel, die sich verzweifelt in die wenigen und winzigen Ritzen im allgegenwärtigen Felsboden klammerten.

Petra Hansen fiel besonders eines auf, was sie als viel merkwürdiger noch empfand im Vergleich zur kahlen Landschaft und dem seltsamen Haus auf dem Hügel: Es gab keinerlei Straßen! Nicht nur nicht innerhalb der Stadt, wo die Häuser standen wie von einem Riesenkind zufällig hingewürfelt, mit unterschiedlichen Abständen voneinander, sondern auch nicht zum Haus auf den Hügel hinauf. Und es gab keine Straße nach außerhalb.

Sie zog ihre hübsche Stirn kraus, die sie allerdings selber alles andere als hübsch empfand, und schüttelte am Ende sogar den Kopf, während sie dieses Bild der Stadt mit ihrem Haus auf dem Hügel betrachtete.

Der Hügel war die höchste Erhebung weit und breit. Mit nur knapp hundert Fuß über der Stadt noch weit entfernt von einer Bezeichnung etwa wie Berg. Und dennoch hatte dieses Haus etwas Majestätisches, wie es da so thronte.

Eine Umgrenzungsmauer des Grundstücks gab es keine, als wolle das Haus damit demonstrieren: Mir gehört sowieso die ganze Gegend!

Petras blaue Augen verengten sich zu einem schmalen Spalt, als könnte sie dadurch besser sehen. Sie wunderte sich darüber, daß sie keinerlei Lebenszeichen entdeckte. Ohne Straßen gab es auch keine Autos. Aber zumindest hätte es Fußgänger geben können.

Am fernen Horizont senkte sich der Glutball der Sonne, um der Nacht Platz zu machen.

Petra grübelte darüber nach, wie sie denn überhaupt dazu kam, den späten Abend anzunehmen. Wer sagte ihr denn, daß es nicht im Gegenteil früher Morgen war und die Sonne sich nicht senkte, sondern erst jetzt erhob, um den Tag einzuleiten?

Sie spürte es einfach und hörte auf, sich darüber zu wundern. Genauso, wie sie sich keineswegs darüber wunderte, überhaupt hier zu sein, auf einem geradezu idealen Beobachtungsposten, von dem aus sie alles bis ins kleinste überblicken konnte. Sie befand sich irgendwie höher noch als das Haus auf dem Hügel, sonst könnte sie es doch nicht von schräg oben sehen, nicht wahr? Und das, obwohl es keinerlei höhere Erhebung als diesen Hügel hier gab?

Ihr Blick heftete sich auf die Zwischenräume zwischen den Häusern.

Wie eine Spielzeugsiedlung, fuhr es ihr durch den Kopf. Sie strich eine Strähne ihres langen blonden Haares zurück, die ihr vor das linke Auge gefallen war. Ja, wie bei ihrem Bruder, der ein leidenschaftlicher Fan von Spielzeugeisenbahnen war und dafür ganze Landschaften in miniaturisierter Form erschuf.

Doch diese Stadt mit dem Haus auf dem Hügel vor ihr war viel zu realistisch, als daß es ein Modell hätte sein können. Das sah sie, wenn sie die Details mit ihren Augen regelrecht aufsaugte.

Sie ließ ihre Blicke weiterschweifen, auf der Suche nach dem, was man Leben hätte nennen können. War es denn möglich, daß es so etwas außer den mickrigen Grasbüscheln innerhalb dieses Bereiches gar nicht gab? Schon länger nicht?

Nein, die Häuser machten einen gepflegten Eindruck. Wenn die Bewohner sie verlassen hatten, dann war das noch nicht lange her.

Es gelang ihr, näher heranzugehen. Wie eine Riesin, die sich über die Landschaft beugte, um ihr Gesicht näher an das Geschehen zu bringen. Falls es denn so etwas wie ein Geschehen gab...

Die Sonne versank beinahe endgültig hinter der Horizontlinie. Die Landschaft wurde von einem blutigen Licht übergossen, das schaurige Assoziationen in Petra weckte. Sie betrachtete eines der Häuser genauer. Die Fenster blieben dunkel. Aber nicht mehr lange. Ein Licht glomm im Innern auf. Es zuckte unruhig hin und her wie ein aufgeregtes Glühwürmchen. Und dann... öffnete sich die Haustür, und ein junger Mann trat hervor, mit einer Kerze in der Hand, deren Licht unruhig flackerte. Das also war das nervöse Flackern, das sie durch das Fenster gesehen hatte?

Der Mann trat vor das Haus und schaute sich wie suchend um. Dann blieb sein Blick am Haus auf dem Hügel hängen.

Petra wandte nun ebenfalls ihre Aufmerksamkeit dem Haus auf dem Hügel zu: Dort hatten die Fenster zu glühen begonnen, als wären sie rotglühende Augen, die auf die Stadt hinabstarrten.

Sie schaute wieder nach dem jungen Mann, der nach wie vor dastand und hinaufstarrte.

Er war schlank-muskulös, so richtig durchtrainiert, wie es Petra am besten gefiel. Sie hatte die Theorie, nur deshalb auf dieser Art Mann zu stehen, weil sie selber sich als völlig unsportlich einschätzte. Überhaupt hielt sie von sich selber sowieso eher wenig.

Das Gesicht des jungen Mannes erinnerte sie an einen berühmten Schauspieler, der schmachtende Liebhaber genauso überzeugend spielen konnte wie bitterböse Schurken – und in jeder seiner Rollen sowieso stets und ständig der Schwarm aller Frauen blieb, ob jung oder alt.

Kaum hatte sie diesen Vergleich gezogen, als der junge Mann seinen Blick von dem Haus auf dem Hügel löste – und sie unmittelbar anstarrte.

Sein Gesicht zeigte so etwas wie Erschrecken. Er riß sogar wie abwehrend seinen linken Arm hoch und hätte vor Schreck beinahe die brennende Kerze verloren, deren Flamme jetzt flackernd erlosch.

*

Er – er kann mich sehen, dachte Petra konsterniert, denn in dieser skurrilen Situation war das alles andere als selbstverständlich.

Als der junge Mann begriffen hatte, daß von ihr keine unmittelbar Gefahr ausging, ließ er den Arm wieder sinken.

Inzwischen war die Sonne so tief gesunken, daß er kaum mehr als ein Schatten blieb. Doch jetzt entstand überall in den Häusern jenes Glühen, das sie zuerst im Haus auf dem Hügel bemerkt hatte, und da es keinerlei Vorhänge gab, warf es seinen unwirklichen Schein in die Zwischenräume der Häuser. Zwar war es nur ein eher dürftiges Licht, da es keinerlei sonstige Straßenbeleuchtung gab...

Logisch, es gibt ja auch keine Straßen, dachte Petra prompt und betrachtete sich den jungen Mann näher.

Dieser fuhr erschrocken einen Schritt vor ihr zurück, blieb dann jedoch wieder stehen.

»Wer – wer bist du?« stotterte er.

Petra hielt überrascht inne, ehe sie leise antwortete: »Ich heiße Petra Hansen.«

»Eine... Deutsche?«

»Ja, ich bin Studentin und will mich auf Indianergeschichte spezialisieren. Deshalb kam ich hierher, nach Amerika.«

»Indianergeschichte?« Der Mann schaute sich gehetzt um, als befürchtete er, es könnte gefährliche Zuhörer geben. »Das – das ist ja entsetzlich!«

Petra runzelte die hübsche Stirn und meinte: »Entsetzlich? Was ist denn daran...?« Sie brach ab und nagte an ihrer Unterlippe. Jetzt erst begann sie sich zu fragen, was sie hier überhaupt wollte – und wie sie überhaupt hierhergekommen war.

Sie schaute sich unwillkürlich um. Das hieß, sie wandte sich von der Stadt mit ihrem Haus auf dem Hügel ab und warf einen Blick zurück, über ihre Schulter.

Und damit war sie wieder dort, was die Menschen ihre Wirklichkeit nannten. Aber war diese Wirklichkeit denn tatsächlich wirklicher als das, was sie soeben gesehen und erlebt hatte?

Verwirrt schüttelte sie den Kopf, daß ihre langen blonden Haare flogen.

Sie stand in dem Indianermuseum, das unter Insidern als absoluter Geheimtip galt. Dafür hatte sie viele Meilen durch die Wüste fahren müssen, um das Museum neben einer schäbigen und anscheinend kaum frequentierten Tankstelle zu finden. Aber auf einer Fläche von schätzungsweise dreihundert Quadratmetern hatte sie so viele Kostbarkeiten entdeckt wie nicht in ihrem bisherigen Leben und Forschen insgesamt! Sie hatte es doppelt und dreifach bedauert, allein hierhergefahren zu sein und nicht gewartet zu haben, bis ihr Kommilitone und Freund Fred Stinner hatte mitkommen können.

Gerade hatte sie eine eigenartig anmutende Anordnung von indianischen Totems und anderen Utensilien betrachtet, die sie trotz ihres immensen Fachwissens in keiner Weise einordnen konnte, als es geschehen war: Jetzt konnte sie sich deutlich daran erinnern!

Das Ganze war wie ein Vision gewesen, so realistisch, wie eine Vision überhaupt sein konnte.

Mehr noch als eine Vision war das gewesen, wenn sie berücksichtigte, daß jener junge Mann... sie gesehen und sogar zu ihr gesprochen hatte!

Und noch viel mehr: Sie hatte ihm sogar geantwortet und ihren Namen genannt.

Im nachhinein sah sie darin allerdings einen entscheidenden Fehler!

Sie schaute wieder nach vorn, auf die Anordung.

Es war eine Art magische Anordnung. Soviel war jedenfalls sicher. Obwohl sie noch vor Minuten angenommen hatte, so etwas könnte es gar nicht geben – eine echte magische Anordnung nämlich. Kein Wunder, denn es war das erste Erlebnis dieser Art überhaupt in ihrem ganzen Leben.

*

Erst draußen, in der Tageshitze, kam sie wieder zu sich. Sie hatte sich nach dem Erlebnis wie betäubt gefühlt. Ihre Gedanken waren nur träge und teilweise sogar unkontrollierbar gewesen. Die heiße Luft, die sie an einen Backofen erinnerte, brachte sie vollends in die Wirklichkeit zurück.

Mit hölzernen Schritten ging sie zu ihrem Wagen. Eigentlich seltsam, daß es im Museum so kühl war, obwohl die Sonne unbarmherzig auf das flache Dach knallte und eigentlich das Gebäude in seinem Innern gehörig aufheizen müßte. Eine Klimaanlage hatte sie weder gehört noch gesehen. Es war völlig still gewesen im Museum. Und sie war der einzige Gast gewesen.

Nein, nein, jetzt durfte sie nicht übertreiben: Es war schließlich nicht das erste Mal in ihrem Leben, daß sie mutterseelenallein in einem Museum herumstöberte. Außer den Touristen, die schubweise und dabei auch noch in Scharen über alle Sehenswürdigkeiten herfielen wie Heuschreckenschwärme über blühende Felder, interessierte sich kaum noch jemand für indianische Kultur. Sie hatte oft den Eindruck, als wollte man diese möglichst vergessen, auch von indianischer Seite selbst her.

Sie, Petra Hansen, konnte eine solche Einstellung weder teilen, noch billigen. Sonst wäre sie nicht spontan hierhergekommen, sobald sie endlich hatte erfahren können, wo sich dieses Museum überhaupt befand.

Aber jetzt war es an der Zeit, diesem Ort wieder den Rücken zu kehren. Das spürte sie tief in ihrem Innern. Je länger sie noch zögerte, desto stärker wurde dieser Drang, der sie beinahe wie zur Flucht drängen wollte.

Flucht vor was oder vor wem?

Sie startete den Motor und warf einen Blick auf die Tankanzeige. Es wäre riskant gewesen, die Tankstelle zu meiden. Unterwegs gab es keine andere. Das hatte sie bereits auf der Strecke hierher feststellen können. Also ließ sie den Wagen vor die Säule rollen, die so aussah, als sei sie selber bereits ein Museumsstück. Aus dem Häuschen, das nicht viel größer als eine Kabine war, trat ein Indianer. Besser gesagt: Die Mumie von einem uralten Indianer. So jedenfalls der Eindruck von Petra. Nur die Augen des Mannes schienen zu leben, obwohl er sie recht teilnahmslos betrachtete, selbständig den Tank öffnete und den Zapfhahn hineinhängte, ehe Petra noch ausgestiegen war, um ihm ihre Wünsche zu nennen.

Sie stieg trotzdem aus und beschloß, genauso schweigsam zu bleiben.

Während dem Tankvorgang stieg ihre Unruhe stetig an. Jetzt war es schon soweit, daß sie am liebsten einfach davongerannt wäre. Nur die Tatsache, daß sie in dieser flirrenden Hitze nicht weit kommen würde, hielt sie noch davon ab.

Als der Tank endlich voll war – nach einer schieren Ewigkeit, wie es Petra erschien –, fischte sie ihre Handtasche aus dem Fond des Wagens. Wieso hatte sie das nicht schon längst getan? Wo waren denn ihre Gedanken? Sie fingerte umständlich daran herum, bis es ihr endlich gelang, sie zu öffnen. Aber bevor sie das noch schaffte, hängte der mumifizierte Indianer den Zapfhahn an die Säule und schlurfte müde davon.

Petra hielt irritiert inne und folgte ihm mit geöffneter Handtasche in das Wärterhäuschen.

Dieses war leer!

Ja, sie hatte doch noch vor einer Sekunde den Alten hier eintreten sehen, vor ihren Augen war das geschehen. Sie konnte sich unmöglich geirrt haben. Aber das Häuschen war leer. Im wahrsten Sinne des Wortes sogar: Darin war nicht nur kein Indianer, sondern überhaupt fehlte jegliche Möblierung. Also auch eine Kasse, an der sie zahlen konnte.

In dem Häuschen war es nach Empfinden von Petra mindestens doppelt so heiß wie außerhalb. Sie war überzeugt davon, man hätte nur einen Kochtopf auf den Boden stellen müssen, um innerhalb kürzester Zeit das Essen gar zu bekommen.

Fluchtartig verließ sie das Häuschen wieder und schaute sich suchend um.

Vor dem Museum war ein Schalter. Dort hatte sie ihr Ticket gelöst und war anschließend durch die Tür daneben eingetreten. Wieviel Zeit war seitdem vergangen? Jedenfalls, der junge Indianer, der hinter dem Tresen gesessen hatte, war jetzt nicht mehr da.

Die Unruhe schnürte ihr die Kehle zu und drängte sie zu ihrem Wagen zurück, obwohl sie eigentlich hinübergehen wollte, um nach dem Tankwart zu fragen. Schließlich wollte sie nicht ohne zu bezahlen einfach von hier verschwinden. Sie war ja keine Kriminelle.

Aber sie konnte nicht anders, als in ihren Wagen zu steigen. Achtlos warf sie die immer noch offene Handtasche neben sich auf den Beifahrersitz und startete wieder den Motor. Sie legte den ersten Gang ein und fuhr los.

Erst als sie die Tankstelle und das geduckt sich ausbreitende Museumsgebäude im Rückspiegel entschwinden sah, wurde ihr wieder bewußt, daß sie den Tankwart um sein Geld geprellt hatte.

Was aber sollte sie tun?

»Ich komme zurück, sowieso!« murmelte sie vor sich hin. »Dann werde ich bezahlen, mit Zins und Zinseszins.«

Noch während sie das sagte, glaubte sie in ihrem Innern eine Stimme zu hören, die sie eindringlich davor warnte, jemals wieder an diesen Ort zurückzukehren.

Nach ungefähr zwei Meilen Fahrt stieg sie plötzlich in die Bremsen. Ein erschreckender Gedanke war ihr gekommen:

Tatsächlich, ich bin regelrecht geflohen von diesem Ort! Dabei wäre es das Naheliegende gewesen, zumindest diese magische Anordnung näher in Augenschein zu nehmen. Aber nein, sie war nach diesem seltsamen Erlebnis einfach auf und davon. Für eine angehende Expertin in indianischer Geschichte nicht gerade typisch und irgendwie sogar... peinlich.

Ein Blick auf die Tankanzeige. Na, wenigstens hatte sie vollgetankt. Sie würde also die Fahrt zurück schaffen. Und verfahren würde sie sich auch kaum können. Immer auf der Hauptstraße bleiben, bis nach ein paar hundert Meilen einer der Highways kreuzte, und der war so gut ausgeschildert, daß sie keine Bange zu haben brauchte, den richtigen Weg zu verfehlen.

Und wieso hatte sie trotzdem Bange?

Sie hielt es nicht mehr länger aus und gab wieder Gas, um mit weit überhöhter Geschwindigkeit davonzubrausen, ungeachtet der drastischen Strafen, die ihr für zu schnelles Fahren in diesem Land drohten.

Bloß weg von hier, so schnell wie möglich! hieß die Devise. Und: Koste es, was es wolle!

*

Als Petra Hansen viele Stunden später ihre Wohnung betrat, hatte sie erneut den Eindruck, wie aus einem Traum zu erwachen. Es war dasselbe Gefühl wie nach dem Museumsbesuch, bevor diese Unruhe in ihr entstanden war und sie zur Flucht gedrängt hatte.

Ich habe den Tankwart nicht bezahlt! fuhr es ihr durch den Kopf. Als wäre dies das Wichtigste überhaupt gewesen, was sie dort draußen erlebt hatte.

Schwer ließ sie sich in ihren Lieblingssessel plumpsen. Sie schloß die Augen, um nachzudenken.

Der Tip mit dem Indianermuseum... Sie hatte immer wieder davon gelesen, daß sich jenes Museum irgendwo befinden sollte, mit unerhörten Kostbarkeiten. Das war zunächst eher ein Mythos gewesen als ein echter Tip, genauer betrachtet. Deshalb hatte sie lange Zeit auch angenommen, daß es dieses Museum überhaupt nicht wirklich gab. Bis gestern abend. Fred hatte sich mit Kumpels getroffen. Petra hatte es ihm gegönnt und sich einen gemütlichen Abend vor dem Fernseher gönnen wollen. Gelangweilt hatte sie sich durch die einzelnen Programme gezappt. Und da war plötzlich diese Sendung gewesen – mit dem Hinweis, wo sich das Museum befand. Sie hatte gar nicht gewußt, auf welchem Sender dies ausgestrahlt worden war, geschweige denn, um welche Sendung es sich überhaupt handelte. Ihr Interesse war sofort geweckt gewesen. Zumal sie innerhalb von gut einem einzigen Tag hin und zurück fahren konnte. So verhältnismäßig nah hätte sie jenes Objekt ihrer Begierde niemals vermutet.

Sobald nichts mehr von Interesse gesagt worden war, hatte Petra abgeschaltet und war ins Bett gestiegen, um am nächsten Tag fit zu sein. Vor lauter Aufregung hatte sie trotzdem kaum schlafen können. Dann war es in aller Frühe losgegangen. Und jetzt saß sie hier und konnte nicht wirklich begreifen, was sie überhaupt erlebt hatte.

Das Haus auf dem Hügel! Was, um alles in der Welt, hatte das mit Indianern zu tun? Wieso hatte ihr die magische Anordnung eine solche Vision ermöglicht? Oder mußte sie eher sagen: Wieso hatte ihr diese magische Anordnung eine solche Vision überhaupt aufgezwungen?

Nein, keine Vision! Mehr! Viel mehr!

Sie riß die Augen weit auf, als befürchtete sie, den Verstand zu verlieren. Sie schaute sich in ihrer engen Wohnung um. Alle Gegenstände waren ihr längst vertraut. Ihre Blicke saugten sie regelrecht auf. Dies alles hier war real, war die Wirklichkeit.

Aber was war in jenem Museum gewesen? Der beginnende Wahnsinn? Hatte sie es sich nur eingebildet? Und dann der Tankwart, der plötzlich verschwunden war, gewissermaßen vor ihren Augen?

»Das alles gibt es nicht!« hörte sie ihre Stimme sagen, und es klang, als hätte eine Fremde gesprochen.

Es raschelte an der Tür, und Petra fuhr erschrocken herum.

Jemand steckte einen Schlüssel ins Schloß und drehte ihn. Aber nur ein Mensch hatte einen Schlüssel, nämlich ihr Freund Fred Stinner.

Mit weitaufgerissenen Augen und offenstehendem Mund wartete Petra ab, unfähig, sich zu rühren.

Die Tür wurde geöffnet... und es war tatsächlich Fred.

»Hi, Darling, immer noch auf? Nett, daß du auf mich gewartet hast, aber es wäre doch nicht nötig gewesen!«

Petra hörte die Worte, verstand aber ihren Sinn nicht.

Sie versuchte, sich zu bewegen, aber irgendwie ging das nicht. Sie war viel zu erschrocken, obwohl es doch ihr Freund war, mit dem sie nicht nur die Wohnung teilte. Moment mal, sinnierte sie. Ich habe mich gestern ins Bett gelegt und bin heute morgen aufgestanden, um früh aufzubrechen. Dabei habe ich mich gar nicht gewundert, daß Fred überhaupt noch nicht daheim war. Ich bin die ganze Nacht allein gewesen.

»Wo warst du denn so lang?« fragte sie prompt, und abermals hörte sich ihre Stimme an wie die einer Fremden.

»Lang?« wunderte er sich und schaute auf die Uhr. »Es ist gerade mal eins. Ich war der erste, der nach Hause ging. Ich hatte irgendwie so eine Unruhe. Nicht so schlimm, als wäre was mit dir passiert, aber man kann auch sagen: Ich hatte ganz einfach Sehnsucht nach meinem Schatz.« Lachend und mit weit ausgebreiteten Armen kam er näher.

Petra konnte sich immer noch nicht vom Fleck rühren.

Was redet der denn für einen Unsinn? Er ist gestern weggegangen und kommt jetzt erst zurück. Ein Uhr? Dann ist er weit über vierundzwanzig Stunden unterwegs gewesen – und tut so, als sei er sogar früh dran?

Er beugte sich zu ihr herab und wollte sie küssen, doch endlich konnte sie sich bewegen und wehrte ihn ab. Zornig sprang sie auf.

»Du bist gestern abend weggegangen und kommst jetzt erst zurück...«

»Gestern abend? Richtig, Schatz, und jetzt haben wir ein Uhr in der Frühe. Was ist denn los mit dir? Du warst doch anscheinend recht froh darüber, mal den Abend für dich allein zu haben, oder habe ich da was verpaßt?«

Es hatte wie ein Scherz klingen sollen, doch er sah seiner Freundin an, daß dieser ganz und gar nicht nach Scherzen zumute war.

»Das ist ja die Höhe!« rief sie auf Deutsch, obwohl sie genau wußte, daß ihr Freund kaum ein Wort davon verstand. »Will mir weismachen, der gestrige Tag wäre gar nicht gewesen!« Sie schaute jetzt ebenfalls auf die Uhr. Wenigstens die stimmte.

Aber wieso hatte sie sich heute morgen nicht darüber gewundert, daß Fred nicht neben ihr im Bett lag? Es wäre nicht das erste Mal gewesen, daß sie seine Rückkehr verschlafen hätte. Manchmal ging sie ja auch lieber mit Kommilitoninnen aus. Frauen ganz unter sich. Ja, das mußte durchaus einmal sein. Genauso gönnte sie es ihrem Freund, wenn der mal nur unter Männern sein wollte.

Benommen faßte sie sich an die Stirn.

Auch Fred tat dies jetzt: Er faßte an ihre Stirn.

»Darling, du glühst ja wie ein Ofen! Du hast hochgradig Fieber!«

»Fieber, ich?« Sie ließ die Hand sinken und schaute ihn an, als würde sie ihn jetzt erst erkennen. »Ich bin kerngesund, aber ich bin wütend, weil du mich so anlügst. Ich bin gestern morgen schon sehr früh losgefahren, weil ich im Fernsehen gesehen habe, wo sich dieses Museum befindet. Du weißt schon, wir haben öfter darüber geredet. Eigentlich habe ich geglaubt, es sei eine Erfindung, und gestern war ich tatsächlich dort. Vorhin erst kam ich zurück.«

»Vorhin?« wunderte er sich ehrlich. »Gestern? Aber wir waren doch gestern den ganzen Tag zusammen. Ich bin jetzt gerade mal...«, er warf wieder einen Blick auf die Uhr, »...gute fünf Stunden weggewesen. Was ist in der Zwischenzeit mit dir passiert?« Er wollte wieder an ihre Stirn tasten, doch sie entzog sich ihm.

»Laß das!« keifte sie und taumelte einen Schritt zurück.

Irgendwie schwindelte ihr. Hatte sie vielleicht doch Fieber? Es war ziemlich heiß gewesen den ganzen Tag. Hatte ihr die Hitze etwa geschadet?

Sie faßte sich jetzt selbst wieder an die Stirn.

Sie glühte, ohne Zweifel. Und da war wieder jene Unruhe, die sie fortgetrieben hatte, weg von dem Museum und der Tankstelle.

»Ich – ich war dort, definitiv. Ich war den ganzen Tag unterwegs. Eine weite Fahrt, obwohl in einem Tag zu schaffen. Ich habe dort getankt, sonst...«

Sie schaute ihren Freund an, in seine ehrlichen Augen.

»Mein Gott...«, stotterte sie. »Ich – ich muß irgendwie eingeschlafen sein und habe schlecht geträumt, oder was?«

Er näherte sich ihr besorgt. Als er vor ihr stand, hob er zögernd die Arme, doch sie wehrte ihn diesmal nicht ab. Mutiger geworden umarmte und drückte er sie.

Petra zitterte und bat ihn leise: »Halte mich ganz fest!«

Aber es nutzte alles nichts: Überdeutlich war vor ihrem geistigen Auge, was abgelaufen war. Sie hatte sich früh ins Bett gelegt, um am nächsten Tag fit zu sein. Sie war dort hinausgefahren...

Plötzlich stemmte sie sich gegen ihn, um ihm in die Augen schauen zu können.

»Ich weiß nicht, was mit mir passiert ist, Fred, aber ich werde dir beweisen, daß ich es mir nicht einfach nur einbilde. Dies alles hat eine Bedeutung. Denn wenn nicht, bin ich einfach nur... verrückt geworden!«

Sie sah, wie sehr ihn ihre Worte erschreckten. Er forschte in ihrem Gesicht, als würde er jetzt wirklich annehmen, sie sei dabei, den Verstand zu verlieren.

Ich werde es dir beweisen, bekräftigte sie indessen wieder in Gedanken. Sie hatte allerdings nicht die leiseste Ahnung, wie sie das anstellen konnte. Vor allem: Sie wußte noch nicht einmal, wie es ihr möglich war, es sich selber zu beweisen!

*

Es tat gut, von Fred getröstet zu werden. Wenn er wollte, war er überaus fürsorglich, sanft und zärtlich. Nur wenn seine Kumpels in der Nähe waren, spielte er gern den harten Mann, der keinerlei weiche Stellen aufwies. Petra kannte ihn anders: Besser! Und sie liebte ihn so, wie er war.

Diesmal jedoch gelang es Fred nicht, sie soweit zu beruhigen, daß sie wieder an sich selbst glauben konnte. Ihr wurde endgültig klar, daß sie irgendwie beweisen mußte: Dieser Ausflug in die Wüste, der Besuch des Museums... Dies war wirklich passiert. Obwohl alles dagegensprach.

Und sie war sich endgültig sicher, daß in erster Linie sie selber diesen Beweis benötigte.

»Ich habe den Wagen in der Waschanlage gehabt«, sinnierte sie auf einmal laut.

»Wie bitte?« wunderte sich Fred, der ihren plötzlichen Stimmungswandel nicht nachvollziehen konnte.

Sie löste sich aus seinen tröstenden Armen, schaute ihn aber nicht an.

»Er war blitzsauber, wie er da vor der Tür stand. Ich bin eingestiegen am Morgen und fuhr in die Wüste. Als ich zurückkam...« Ihr Blick kreuzte sich mit dem seinigen. »Als ich zurückkam, war er ziemlich dreckig. Wäre dir das Beweis genug? Innerhalb so kurzer Zeit, in der du weg warst: Wie hätte ich es schaffen können, durch die Wüste zu fahren, daß unser Auto so dreckig wurde?«

In seinen Augen irrlichterte es. Sie sah es überdeutlich, wußte es aber nicht zu deuten – noch nicht.

»Na, nichts einfacher als das, Darling: Wir gehen jetzt hinunter und schauen uns den Wagen an. Er steht vor der Tür, an derselben Stelle, an der er immer steht. Kein Wunder, der Parkplatz gehört zum Apartment, das wir bewohnen.«

Petra schöpfte neuen Mut.

»Ja, komm, wir gehen hinunter.«

»Bist du sicher: Jetzt, um diese Zeit noch?«

»Ich war mir in meinem ganzen Leben noch nie so sicher wie jetzt!« beharrte sie und zog ihn einfach mit sich.

Nur halb widerstrebend folgte Fred seiner blonden Traumfrau zur Tür. Er hatte nicht abgeschlossen, als er gekommen war. Petra öffnete die Tür und ließ sie offenstehen, als sie gemeinsam mit Fred nach unten lief.

Der Wagen stand vor der Tür. Wie immer. Fred mußte ihn gesehen haben, als er gekommen war.

Jetzt wußte Petra dieses Irrlichtern in seinen Augen endlich zu deuten, das ihr aufgefallen war beim Erwähnen des Autos: Es wäre von Fred nicht übersehen worden, wäre der Wagen tatsächlich von der Wüstenfahrt verdreckt gewesen. Aber er stand da..., wie frisch aus der Waschanlage!

Petra stierte darauf und wollte es nicht glauben. Es wäre ein eindeutiger Beweis gewesen. Doch jetzt bewies dieser Umstand eher... das genaue Gegenteil.

Sie lief hin und legte die Hand auf die Motorhaube. Das hatte sie einmal in einem Krimi gesehen. Der Kommissar hatte die Hand daraufgelegt, um festzustellen, ob das Auto in der letzten Stunde gefahren war. Nach der im wahrsten Sinne des Wortes heißen Wüstenfahrt und in Anbetracht der Tatsache, daß sie erst kurz vor Fred zurückgekehrt war, hätte der Motor tatsächlich noch jede Menge Wärme ausstrahlen müssen. Doch die Motorhaube war eiskalt. Genauso, als hätte der Wagen schon seit vielen Stunden hier gestanden. Auch die Möglichkeit, daß jemand inzwischen den Schmutz beseitigt hatte, schied aus.

»Ich – ich habe nach dem Waschen frisch getankt. Der Tank war voll gewesen. Beim Museum habe ich trotzdem neu tanken müssen, damit es bis zurück reichte.«

»Ich hole den Autoschlüssel!« sagte Fred und ging einfach.

Petra stand an dem Wagen und fühlte sich wie versteinert. Sie konnte und wollte einfach nicht glauben, daß sie sich das alles irgendwie nur eingebildet haben sollte. Ihr Gedächtnis funktionierte einwandfrei. Sie konnte sich sowohl an Einzelheiten der Fahrt in die Wüste als auch an Einzelheiten während der Rückfahrt erinnern. Sie hatte das Auto hier geparkt und war nach oben gegangen. Sie hatte sich in den Sessel fallen lassen, und nicht lange danach war Fred heimgekehrt. Und jetzt stand sie da, und alles bewies ihr überdeutlich, daß dies nicht geschehen sein konnte. Das war in der Tat zum Verrücktwerden!

Wenn ich das nicht schon längst bin: verrückt!

Sie rieb sich über die brennenden Augen, vergessend, daß sie leicht geschminkt war und dieses Reiben eine verheerende Wirkung hatte. Aber im Moment gab es für sie wirklich ganz andere Probleme, denen sie sich nicht entziehen konnte.

Fred kam mit dem Schlüssel in der Hand zurück. Er schloß das Auto auf, klemmte sich hinter das Steuer und schaltete die Zündung ein.

Die Nadel der Tankanzeige wuchs empor.

Petra beugte sich in den Wagen hinein und starrte darauf, ohne zu zwinkern. Obwohl ihre Augen nun zu tränen begannen.

Die Tankanzeige ging hoch... bis zum Anschlag!

»Voll«, kommentierte Fred leise und wandte sich seiner Freundin zu.

»Was ist los mit dir, Darling? Was ist wirklich passiert in den wenigen Stunden meiner Abwesenheit?«

Petra hatte nicht die Kraft, hinauf in die Wohnung zu gehen. Sie taumelte mehr als daß sie um den Wagen ging, riß die Beifahrertür auf und ließ sich auf den Beifahrersitz plumpsen.

Dabei fiel ihr etwas ein: Sie hatte bei der überstürzten Flucht vom Museum die offene Handtasche achtlos auf den Beifahrersitz geworfen und danach nicht mehr daran gedacht. Auch war sie ohne Handtasche nach dem Abstellen des Autos nach oben gegangen. Also müßte sie doch noch auf dem Beifahrersitz liegen...

Es wurde ihr jetzt erst bewußt, da sie darauf saß: Es gab keine Handtasche! Petra war auf einmal sicher, daß sie brav oben in der Garderobe direkt neben dem Wohnungseingang stand, auf ihrem angestammten Plätzchen, unberührt – und das seit einigen Stunden.

»Es – es gibt diese Fahrt gar nicht!« murmelte sie vor sich hin. »Ich habe den Tip im Fernsehen gar nicht gesehen, bin nicht ins Bett gegangen, habe nicht eine unruhige Nacht verbracht, um am nächsten Morgen früh aufzubrechen. Die lange Fahrt in die Wüste. Ich kann mich genau an Einzelheiten erinnern von etwas, was es nie gegeben hat. Dann das fantastische Museum, der Traum eines jeden Historikers, der sich auf Indianerkultur spezialisiert. Ja, ein Traum, nichts anderes.«

Sie hob den Kopf und schaute Fred an. Sie sah die Sorge in seinem Gesicht, doch er sah seinerseits, wie hellwach ihre Augen waren. Nein, das waren nicht die Augen einer Verrückten. Petra gab sich jetzt völlig ruhig, und diese Ruhe war echt: Sie spürte sie tief in ihrem Innern.

»Es ist etwas passiert, an das ich mich sehr genau erinnere, Fred, aber ich weiß, ich bin nicht verrückt geworden. Als wäre ich in einer Art Zeitschleife gefangen gewesen. Nein, das ist wohl die falsche Erklärung. Tut mir leid, Fred, aber ich weiß keine bessere.«

»Aber welchen Sinn sollte dies alles überhaupt haben?« fragte Fred ruhig und wich nicht ihrem Blick aus.

Das war es: Das war die entscheidende Frage!

Petra klatschte mit der flachen Hand gegen ihre Stirn.

»Mein Gott, Fred, du bist ein Genie!« entfuhr es ihr. »Wieso bin ich nicht selber darauf gekommen? Ohne das Haus auf dem Hügel ergibt dies alles wirklich absolut keinen Sinn!«

»Das Haus auf dem Hügel?« wunderte sich Fred.

»Komm mit nach oben, Darling, und dann werde ich dir alles haarklein erzählen. Falls du es überhaupt hören willst...?«

»Und ob ich das will!« Fred nickte grimmig. »Petra, Darling, ich vertraue dir. Wenn du mir sagst, daß du Ungewöhnliches erlebt hast, obwohl das eigentlich gar nicht sein kann, dann muß es irgendwie dennoch eine Erklärung dafür geben. Egal, wie diese ausfallen sollte: Ich bin auf deiner Seite.«

Sie hörte diese Worte, die ihr unendlich gut taten, denn sie wußte, daß Fred sie ehrlich meinte. Aber es war nicht nur, weil er sie liebte, sondern auch sein fachliches Interesse an Indianerkulturen, das er hundertprozentig mit ihr teilte. Und wer sich damit beschäftigte, wurde zwangsläufig mit allerlei Mythos konfrontiert. Jeder Indianerstamm hatte da so seine ganz eigenen Vorstellungen von der Welt, aber gemeinsam hatten alle zumindest das eine: Sie klangen in den Ohren Unbedarfter wie Geschichten aus »Tausend und einer Nacht«. Obwohl sie für die Indianer selbst für lange Zeit feststehende Tatsachen gewesen waren.

Eines spielte dabei ebenfalls eine Rolle – genauso wie in anderen alten Kulturen auch: Magische Rituale, während denen mit und ohne Drogen Halluzinationen hervorgerufen werden konnten.

Zumindest wäre das für Fred wahrscheinlich jetzt in erster Linie eine akzeptable Erklärung für alles, was Petra offenbar erlebt hatte: War es möglich, daß man ihr ohne ihr Wissen eine Droge verabreicht hatte? Oder handelte es sich gar... um so etwas wie Hypnose?

Petra begann endlich, detaillierter zu erzählen. Als sie jedoch bei der Geschichte vom Haus auf dem Hügel anlangte, wurde sie von Fred unterbrochen:

»Und du meinst tatsächlich, dies sei der Grund für das Erlebte?«

»Nein, da hast du etwas mißverstanden, Darling: Es ist der Grund, wieso ich es nicht beweisen kann!«

Er zwinkerte irritiert, weil er kein Wort verstand.

Petra versuchte, es ihm klarzumachen: »Das Haus auf dem Hügel... Das hat eine tiefe Bedeutung. Eine Art Vision. Eine wichtige Mitteilung, wenn du so willst, an meine Adresse gerichtet.«

»Aber warum so umständlich?« wandte Fred ein. »Du erzählst, einen ganzen Tag lang unterwegs gewesen zu sein. Zwanzig Stunden oder so, wenn ich das richtig sehe. Nur um dieses kurze Erlebnis zu haben?«

»Aber ich kann es überhaupt nicht beweisen!« erinnerte ihn Petra beinahe triumphierend. »Verstehst du denn nicht?«

»Nein«, gab Fred unumwunden zu. In seinem Innern begannen seine Vorstellungen von einer heimlich verabreichten Droge oder gar von Hypnose zu zerbröseln. Er betrachtete seine Freundin forschend. Was käme sonst noch in Betracht?

Er hatte Mühe, sich auf die folgenden Worte von Petra zu konzentrieren: »Das Haus auf dem Hügel, die ganzen Umstände dort, diese seltsame Stadt ohne Straßen und scheinbar auch ohne Menschen... Zumindest habe ich nur diesen jungen Mann gesehen. Die magische Anordnung im Museum, über die ich diese Mitteilung erhielt. Nicht nur das Haus auf dem Hügel war eine Vision, sondern der gesamte Vorgang. Jenes Haus ist nur der Dreh- und Angelpunkt dabei.«

Fred schüttelte den Kopf. Weil er jetzt nicht mehr wirklich sicher sein konnte, ob seine Freundin den Verstand verloren hatte oder nicht.

Petra spürte seine Skepsis gar nicht. Sie redete sich regelrecht in Eifer:

»Morgen früh werde ich diese Fahrt wiederholen, in jeder Kleinigkeit. Ich werde genauso aufstehen, wie ich es in Erinnerung habe, und dann...«

»...werde ich mit dabei sein, Darling!« fiel ihr Fred ins Wort.

Sein Blick war so entschlossen, daß Petra genau wußte: Widersprechen wäre sinnlos.

»Warum?« fragte sie nur.

»Bist du wirklich sicher, daß wir überhaupt das Museum gemeinsam finden werden – dort draußen?«

Sie nickte heftig, obwohl bei diesen Worten quälende Zweifel versucht hatten, in ihr Fuß zu fassen. Schließlich war jedes Bemühen bisher gescheitert, das Erlebte irgendwie zu beweisen.

»Ja, ich bin mir sicher: Vergiß nicht, ich kenne den Weg haargenau! Ich würde ihn sozusagen blind wiederfinden.«

»Obwohl alles dafür spricht, daß du diesen Weg in Wirklichkeit noch nie gefahren bist?«

Jetzt waren sie heraus, seine Zweifel.

Trotzdem: Petra konnte jetzt sogar wieder lächeln.

»Richtig: Allen Widernissen zum Trotz!«

Fred mußte lachen. Er nahm seine Petra fest in die Arme, herzte und küßte sie.

»Das ist mit der Grund, wieso ich dich so sehr liebe: Deine Entschlossenheit, deine Beherztheit! So muß die Frau sein, mit der ich mein Leben, mein Zukunft teilen will.«

»Obwohl sie zur Zeit völlig überdreht und durchgeknallt wirkt?«

Er lachte abermals.

»Ich nehme das billigend in Kauf, sozusagen! Und wenn wir morgen in der Gegend herumirren und es keinerlei Spuren gibt von der Straße nach Irgendwo..., dann werde ich sie fest in meine Arme nehmen und trösten.«

»Und wenn wir den Weg dann dennoch finden sollten und du das Museum am Ende mit eigenen Augen siehst..., dann wird umgekehrt sie dich tröstend in die Arme schließen!« versprach Petra eher grimmig als mit einem scherzenden Unterton in der Stimme, und Fred sah ihr an, wie ernst es ihr tatsächlich damit war.

*

Es grenzte an ein Wunder: Kaum lag Petra in ihrem Bett, als sie auch schon eingeschlafen war. Keine negativen Gedanken konnten sie davon abhalten. Es wurde ein tiefer, traumloser Schlaf. Bein Erwachen konnte sie sich jedenfalls an keinerlei Traum erinnern.

Obwohl es noch ziemlich früh am Tag war und sie ja spät ins Bett gegangen waren, fühlte sie sich erstaunlich frisch.

Fred erging es schlechter. Er faßte sich stöhnend an den Kopf und brauchte eine Weile, bis er überhaupt begriffen hatte, daß schon wieder Zeit war zum Aufstehen.

»Muß das wirklich sein?« vergewisserte er sich dennoch schlaftrunken.

»Ja, muß: du hast es mir versprochen! Und ich sehe keine andere Möglichkeit, dir zu beweisen, daß es wirklich so war, wie ich erzählt habe.«

Schlagartig erinnerte er sich. Das weckte seine Lebensgeister zumindest halbwegs und zwang ihn, die Beine aus dem Bett baumeln zu lassen.

Petra stand auf, faßte ihn an den schlaffen Armen und zog ihn hoch.

Seine Augen waren geschlossen. Als er sie öffnete, lächelte er.

»Also gut, überredet!« Er küßte sie auf den Mund, gab sich sichtlich einen Ruck und verschwand in Richtung Bad. »Macht es dir was aus, wenn ich noch kurz unter die Dusche springe?«

»Und ob: Weil ich lieber duschen würde!«

»Ich habe gestern abend ein wenig getrunken. Ich brauche das jetzt, sonst komme ich nicht richtig zu mir«, verteidigte er sich.

»Getrunken hattest du? Davon war nichts zu bemerken.«

»War ja auch nicht soviel, wie gesagt. Du weißt ja, daß ich mich nicht sinnlos betrinke. Ein paar Gläschen in der Gesellschaft, das ist alles. Trotzdem fahre ich nicht Auto am sogenannten Herrenabend.«

»Ist ja schon gut. Geh schon«, beruhigte sie ihn. »Ich mache rasch was zum Frühstück für uns beide.«

Sie ging daraufhin in die Küche und dachte nach: An dem Morgen, den sie sich anscheinend nur einbildete, hatte sie nicht gefrühstückt. Sie hatte den ganzen Tag nichts gegessen und nichts getrunken – und es war ihr noch nicht einmal aufgefallen. Alles sehr seltsam. Als wäre sie sowieso nicht ganz Herrin ihrer Sinne gewesen.

»Irgendwie habe ich nur funktioniert. Sonst nichts!« sinnierte sie laut. »Aber was oder wer hat mich gesteuert – und warum?«

Gesteuert?

Das war ein Wort, das sie erschrocken zusammenfahren ließ.

Im nächsten Moment weckte es ihn ihr so etwas wie Groll: Sie wollte..., ja, sie mußte der Sache auf den Grund gehen. Egal, wie. Auch egal, ob ihr dabei Fred beistand oder nicht. Das würde mit der Fahrt zum Museum beginnen.

Falls wirklich eintrat, daß sie den Weg nicht mehr fand... Das würde sie nicht wirklich entmutigen. Sie würde weitermachen. Auf jedenfall. So lange, bis die Angelegenheit geklärt war. Selbst wenn es dauern sollte bis ans Ende ihres Lebens.

Wie sonst hätte sie jemals damit leben können, für eine unbestimmte Zeit manipuliert worden zu sein, ohne es auch nur im geringsten beweisen zu können? Sie mußte doch auch damit rechnen, daß solches jederzeit wieder mit ihr passierte.

Und wenn es sich am Ende herausstellt, daß du einfach nur verrückt geworden bist? fragte eine innere Stimme ketzerisch.

Auch darauf fand sie problemlos eine Antwort:

»Dann ist es auch gut: Dann hat mein künftiger Therapeut wenigstens genügend Anhaltspunkte, wenn ich vorher entsprechend recherchiere!« meinte sie leichthin.

Fred war in Rekordzeit mit dem Duschen fertig. Der Kaffee war noch gar nicht ganz durchgelaufen.

Jetzt sprang auch Petra unter die Dusche. Als sie fertig angezogen in die Miniküche trat, hatte ihr Freund den Rest vom Frühstück vorbereitet.

»Ist das nicht ein bißchen zuviel für zwei Personen, die es eilig haben?« wandte sie ein.

Fred mußte lachen.

»Was wir nicht schaffen, nehmen wir mit für unterwegs.« Er deutete auf die Thermoskanne für den Kaffee. Außerdem hatte er eine Art Picknickkoffer vorbereitet.

»Fleißig, fleißig!« kommentierte Petra respektvoll.

»Was man von dir nicht unbedingt behaupten kann, denn während ich unter der Dusche stand, ist nicht viel passiert in der Küche«, versetzte Fred. Aber es war nicht ganz ernst gemeint, denn sogleich umarmte er sie lachend und fügte hinzu: »Warst wohl ziemlich in Gedanken, wie? Kein Wunder: Wäre ich an deiner Stelle ebenfalls!«

Sie küßten sich und scherzten miteinander. Dann erst ging es ans Frühstücken.

Petra bekam jedoch kaum einen Bissen herunter. Als Fred das sah, hatte er ein Einsehen: »Wie gesagt, wir können es auch einpacken und einfach mitnehmen für unterwegs. Klar, daß du jetzt zu nervös bist...«

Sie brauchte nur zu nicken, und Fred wurde sogleich tätig.

Petra hatte regelrecht ein schlechtes Gewissen, weil sie sich dabei eher zurückhielt und das meiste ihrem Freund überließ. Aber sie fühlte sich wie gelähmt. Ihr Herz pochte ein paar Takte zu schnell. Sie dachte an die bevorstehende Fahrt und flehte innerlich inbrünstig darum, daß sie sich wirklich sicher blieb, was den Weg nach dort draußen betraf.

Ihre Nervosität wuchs, als sie die Wohnung verließen und hinunter zum Wagen gingen.

Zumeist fuhr Fred, wenn sie gemeinsam unterwegs waren. Diesmal schlug Petra vor, das Steuer selber zu übernehmen.

»Logisch«, kommentierte Fred und ging auf die Beifahrerseite. »Schließlich mußt du den Weg selber finden. Ich habe ja keine Ahnung.«

Das stimmte. Petra startete den Motor, kaum daß sie den Wagenschlag hinter sich zugeschlagen hatte.

»Willst du dich nicht anschnallen?« erkundigte sich Fred verwundert, weil in diesen Dingen Petra sonst ziemlich genau war. Jetzt vergaß sie es beinahe.

Petra murmelte etwas, was wie eine Entschuldigung klang, holte das Versäumte nach und fuhr an.

Sie fühlte sich wie in Trance. Es war genauso wie an dem Morgen, an den sie sich jetzt so erinnern konnte, als würde dies alles noch einmal ablaufen. Mit einem einzigen Unterschied: Diesmal saß Fred neben ihr.

Ja, alles war genauso. Sogar dieselben Menschen begegneten ihnen auf dem Bürgersteig. Sie hätte Stein und Bein schwören können, daß sie sich über dasselbe unterhielten wie beim ersten Mal, obwohl sie natürlich kein Wort hörte oder gar verstand.

Dieselben Autos kamen entgegen. Alles haargenauso.

Ein paarmal sprach Fred sie an, doch Petra reagierte gar nicht. Sie schaute nach vorn und konzentrierte sich voll und ganz auf die Fahrt, die sich in jeder Einzelheit erneut vollzog.

Als wäre es nur die Vision gewesen von diesem künftigen Ereignis, ging es ihr durch den Kopf. Nur eines paßte halt eben ganz und gar nicht dazu: Die Anwesenheit ihres Freundes.

Sie warf einen Blick auf ihn und sagte es ihm endlich: »Bitte, verzeih, Fred, daß ich nicht auf dich reagiert habe, aber ich wollte erst ganz sicher sein: Alles ist genauso wie auf der ersten Fahrt, die ich dir leider nicht beweisen kann. Verstehst du? Ich erlebe alles noch einmal, ohne die geringste Abweichung.«

»Außer daß ich neben dir sitze und du dich jetzt mit mir unterhältst«, kam er von selber drauf.

Sie nickte nur und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorn.

Endlich erreichten sie den Stadtrand und fuhren weiter.

»Es ist nicht mehr weit bis zur Abzweigung«, murmelte sie vor sich hin. »Ich habe sie in jenem Fernsehbericht gesehen, sonst wäre ich sicher daran vorbeigefahren, denn es gibt keinerlei Hinweisschild. Aber dann, unterwegs, da gibt es durchaus Hinweisschilder, jedoch nur in die andere Richtung – in die, aus der wir jetzt kommen nämlich. Es gibt keinerlei Hinweis auf das Museum. Trotzdem kein Problem jedoch, denn man braucht einfach nur der Hauptstrecke zu folgen, um hin zu gelangen.«

»Was? Es gibt auch Abzweigungen unterwegs – und alle ohne Hinweis auf das Museum oder darauf, wo die Abzweigungen hinführen könnten?« wunderte sich Fred.

»Ja, als sollte niemand jenen Ort so ohne weiteres finden!«

»Die leben doch wohl von Touristen, wie alle anderen auch, oder?«

»Dort draußen offenbar nicht. Es gab nur den jungen Indianer am Schalter, der die Eintrittstickets ausgibt.«

»Äh, Eintrittsticket? Davon hast du noch nichts erwähnt.«

»Ist ja auch egal: Wie sollte es in meine Tasche gekommen sein, die eigentlich noch im Wagen hätte liegen müssen, aber brav oben in der Minigarderobe lag?«

»Auch wieder wahr. Aber: Hast du Geld dafür bezahlt?«

Sie warf einen überraschten Blick auf ihn.

»Ja, habe ich.«

»Sage mir, wieviel in deinem Geldbeutel sein müßte – ohne dieses Ticket.« Er wußte aus Erfahrung, wie genau Petra in diesen Dingen war.

Sie sagte ihm auch prompt eine Zahl.

Er öffnete Petras Handtasche, nahm den Geldbeutel heraus und zählte das Geld nach. Mehrmals sogar.

»Fehlt nichts!« kommentierte er am Ende.

»Hattest du denn etwas anderes erwartet?« fragte Petra. »Nach allem, was wir bisher erlebt haben...«

»Nein, nicht wirklich«, gab Fred zu. Dann rief er erschrocken: »He, Vorsicht!«

Aber es war bereits zu spät: Petra riß urplötzlich und völlig ohne Vorwarnung das Steuer herum, und der Wagen bog mit quietschenden Reifen von der Straße ab – in Richtung Straßenrand. Dort begann eine karg bewachsene Böschung. Bei der Geschwindigkeit würde sich der Wagen bei all diesen Unebenheiten außerhalb der regulären Farbahn glatt überschlagen.

Er verließ die Straße...

Fred wollte ihr ins Steuer fallen, doch es war längst zu spät. Er kam nur noch dazu, wie abwehrend die Arme hochzureißen und zu schreien, während Petra entschuldigend sagte: »Tut mir leid, aber durch das Gespräch hätte ich beinahe doch noch die Abzweigung verpaßt.«

»Abzweigung?« Er wunderte sich darüber, wieso der Wagen so ruhig weiterfuhr. War Petra nicht soeben von der Straße abgefahren, geradewegs in das unwegsame Gelände hinein? Und wieso merkte man davon nichts?

Er wiederholte: »Abzweigung?« und ließ die Arme sinken. Es sah so aus, als wollten Freds Augen aus ihren Höhlen quellen. Er stierte hinaus und dann Petra ins Gesicht. Anschließend wandte er sich um und schaute zurück.

»Da – da war doch überhaupt keine... Abzweigung! Du – du bist einfach die Böschung hinuntergefahren wie der Teufel, daß ich dachte...« Er hielt inne. »Verflixt und zugenäht, aber da ist ja gar keine Böschung. Wieso ist hier überhaupt eine Fahrbahn? Da war noch nie eine, sondern nur kahles Ödland. Nichts anderes habe ich vorher gesehen...«

Petra runzelte ihre hübsche Stirn.

»Eigentlich wahr. Mir ist die Abzweigung auch noch nie zuvor aufgefallen. Deshalb habe ich mich gewundert, als die das in dieser Sendung brachten. Aber sie zeigten es so, daß ich es mir gut einprägen konnte.«

»Einprägen? Etwas, was man überhaupt nicht sehen kann?«

»Ich jedenfalls habe sie gesehen«, betonte Petra, ohne ihren Blick von vorn zu wenden.

»Und ich?« ächzte Fred. »Jedenfalls, ich habe sie nicht gesehen, ganz ehrlich!« beantwortete er seine Frage selbst. Dann schluckte er schwer und fragte bang: »Was – was geht hier vor?«

»Willkommen in meinem Traum!« antwortete Petra nur grimmig und gab Gas. Jetzt war es ihr egal, ob sie zu schnell fuhren, denn sie war sich auf einmal ziemlich sicher, daß es auf dieser Strecke keine Polizeikontrollen gab. Noch nicht einmal Gegenverkehr.

Ja, auf dieser Strecke auf jeden Fall nicht!

*

Es dauerte eine Weile, bis es auch Fred auffiel, obwohl er sich nicht wirklich darüber wunderte: »Kein einziges Auto ist hier unterwegs, außer dem unsrigen!«

Keiner von ihnen hatte mehr ein Wort gesprochen. Ein verbissenes Schweigen, während dem jeder seinen eigenen Gedanken nachgehängt hatte.

Jetzt, nachdem Fred das Schweigen unterbrochen hatte, atmete Petra tief durch. »Ich habe ja auch keine Ahnung, was das alles soll. Es ist haargenauso wie gestern – einem Gestern, das eigentlich gar nicht existiert. Völlig unerklärlich. Anfangs dachte ich noch, diese magische Anordnung, die mir die Szene mit dem Haus auf dem Hügel vorgegaukelt hat..., sie sei allein unerklärlich. Aber eigentlich ist sie gar nichts im Vergleich zu allem anderen.«

Sie hieb mit der Hand in einem Anflug von Zorn auf das Steuerrad ein. »Ich will das nicht!«

Petra funkelte ihren Freund an, daß dieser erschrocken zusammenfuhr.

»Verstehst du, Fred? Ich habe es mir nicht ausgesucht. Aber jetzt weiß ich zumindest, daß ich nicht einfach nur verrückt geworden bin. Oder wieso kannst auch du diese Straße hier sehen, auf der wir fahren? Wir fahren doch auf einer Straße, oder?«

»Ja, klar, tun wir...«, murmelte Fred brüchig. Er wußte gar nicht, wie er auf den ungewohnten Zornesausbruch seiner Freundin reagieren sollte. So hatte er sie noch niemals zuvor erlebt.

Petra wollte sich gar nicht mehr beruhigen: »Wenn ich jetzt einfach das Steuer herumreiße... Sagen wir nach links? Was geschieht? Überschlagen wir uns bei dieser Geschwindigkeit im Gelände, bleiben wir auf dem Dach liegen, brennt der Wagen aus? Ist es unser Ende? Oder befinden wir uns ganz einfach nur wieder auf der alten Strecke, von der es eine Abzweigung gibt, die anscheinend nur ich allein sehen kann?«

»Bloß nicht!« rief Fred erschrocken und machte sich bereit, Petra ins Steuer zu fallen.

Sie lachte humorlos.

»Keine Bange, Fred, ich werde nichts dergleichen tun.«

Im nächsten Augenblick stieg sie auf die Bremse, so heftig, daß der Wagen leicht schlingernd zum Stehen kam. Ohne die Sicherheitsgurte hätte es sie beide nach vorn getrieben. Fred wäre schlimmer dran gewesen, denn es hätte ihn unvorbereitet getroffen.

»Uff!« machte er, als sie standen.

Petra brach regelrecht über dem Lenkrad zusammen. Sie begann zu weinen.

Fred versuchte, sie in die Arme zu nehmen, aber sie fühlte sich stocksteif an. Ein regelrechter Weinkrampf.

»Gott, Petra, ich...«, versuchte er, sie zu beruhigen, doch sie fiel ihm ins Wort:

»Laß gut sein, Fred«, sagte sie tränenerstickt. »Zumindest habe ich es geschafft, in einem weiteren Punkt die Vorgabe auszuhebeln: Nicht nur, daß du jetzt bei mir bist, sondern ich bin gestern die ganze Zeit durchgefahren, ohne Zwischenstop.«

»Wie kommst du eigentlich auf die Idee, von einer Vorgabe zu sprechen?« erkundigte sich Fred bemüht ruhig.

Das hatte mehr Wirkung auf Petra als alle Beruhigungsversuche zuvor.

Sie hielt überrascht inne und wandte sich ihm zu.

Er sah die dicken Tränen in ihrem Gesicht, ihre leicht geröteten Augen.

»Was hast du da gerade gesagt?«

»Du sprichst von einer Vorgabe, als sei das alles gestern gar nicht geschehen – in deinem ganz persönlichen Gestern meine ich.«

»Persönliches Gestern? Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.«

»Nun, du tust halt so, als sei es nur eine Vision gewesen, während du im Sessel gesessen hast. Trotzdem kannst du dich an solche Einzelheiten erinnern? Also, ich glaube da eher etwas anderes.«

»An ein persönliches Gestern etwa?« Petra hatte es belustigt aussprechen wollen, aber das mißlang ihr, denn ihre Gedanken begannen bereits, sich um diese Formulierung zu drehen. Um sich mit ihr anzufreunden?

»Genau!« bestätigte Fred überzeugt. »Du hast dies alles tatsächlich erlebt.«

»Aber es ist überhaupt keine Zeit vergangen inzwischen...«, gab Petra zu bedenken.

»Es gibt diese Straße ja auch nicht, obwohl sie uns so real vorkommt. Genauso real war sie für dich auch in jenem Gestern. Möglicherweise kehren wir irgendwann heute abend zurück nach Hause... und haben genauso wenig Beweise für diesen Tag wie du für den gestrigen?«

Ihre Augen weiteten sich entsetzt. Sie schaute ihren Freund an wie ein Gespenst.

In ihrem Innern tobte das schiere Chaos. Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Gedanken soweit geordnet hatte, um hervorzubringen: »Du – du hast möglicherweise recht!«

Er nickte und versuchte ein Lächeln. Es gelang ihm nur ansatzweise.

»Nicht nur möglicherweise. Wir könnten es ausprobieren, indem wir sofort zurückfahren. Aber was bringt es uns? Sicher wäre es interessanter, einfach weiterzufahren?«

Sie faßte das als Aufforderung auf und schaute nach vorn. Dann schaute sie wieder ihren Freund an.

»Danke!« sagte sie schlicht.

Er gab ihr einen Kuß auf den Mund und versuchte ein zuversichtliches Lachen. Zwar war es nicht ganz so überzeugend, doch es gab Petra neuen Mut. Sie griff in ihre Handtasche und fingerte ein Papiertaschentuch hervor, um sich die Tränen abzutrocknen.

»Jetzt ist das bißchen Schminke sicherlich im Eimer, aber eigentlich ist es mir egal.«

»Schau doch mal in den Spiegel, Darling. Dann siehst du es selber«, schlug Fred in gutmütigem Spott vor.

»Bloß nicht!« lehnte sie ab. »Es genügt, wenn ich dich damit erschrecke.«

Er mußte lachen. Diesmal klang es echt. »So, meinst du?«

»Ja, das meine ich!« antwortete sie eher grimmig als nach einem gelungenen Scherz und fuhr wieder an.

*

Eine Weile fuhren sie schweigend weiter. Die Zeit verflog wie im Traum.

Vielleicht ist es ja sowieso nichts anderes als nur ein Traum? sinnierte Petra.

Sie betrachtete die vorbeifliegende Landschaft draußen. Die Wüste. Nicht ganz tot, aber abgesehen von den wenigen Pflanzen, die sich an die mörderischen Bedingungen angepaßt hatten, doch sehr karg, wie es aussah. Wer hier zu Fuß war, weil sein Auto streikte, war verloren.

Petra runzelte ihre hübsche Stirn. Daran hatte sie bislang mit keinem einzigen Gedanken gedacht: Was war, wenn sie hier eine Panne hatten? Wohl kaum konnten sie per Mobiltelefon Hilfe herbeirufen. Auch gab es keine Pannensäulen, wie es normalerweise auf solchen Strecken üblich war.

Noch ein weiterer Punkt, der ihr erst jetzt auffiel.

Hinzu kamen die gelegentlichen Abzweigungen ohne Beschilderung, wohin sie führten. Eigentlich... eine echte Alptraumlandschaft!

Bloß nicht daran denken, daß unser Auto streiken könnte, hämmerte es hinter ihren Schläfen. Wir wären beide verloren.

Aber wären sie das wirklich? Schließlich befanden sie sich auf einer Straße, die es in der sogenannten Wirklichkeit offensichtlich gar nicht gab – und vielleicht sogar niemals gegeben hatte.

»Überhaupt, diese ganze Wüstenregion existiert eigentlich gar nicht in der Wirklichkeit«, sprach Petra laut aus, was sie insgeheim beschäftigte.

Fred horchte auf.

»Glaube ich nicht!« widersprach er.

»Wie?« Petra warf einen überraschten Seitenblick auf ihn.

»Ich meine, es ist dies hier dieselbe Region wie in der Wirklichkeit, aber irgendwie... überlagert sie das, was wir Wirklichkeit nennen.«

»Muß ich das jetzt verstehen?«

»Das wäre schon besser.« Er lachte humorlos. »Schließlich befindest du dich mittendrin.«

»Hör zu, ich habe gerade an die Möglichkeit gedacht, was wohl passiert, wenn wir mit dem Wagen liegenbleiben. Na, wie gefällt dir das?«

»Du hast eine seltsame Art, einen aufzumuntern, Liebes, aber du hast recht: Daran habe ich auch schon gedacht.«

»Und nichts gesagt?«

»Ich wollte dich nicht unnötig beunruhigen.«

»Unnötig?«

»Ja, so lange es nicht eintritt... Ich weiß ja auch nicht, ob es so etwas wie eine Wagenpanne in dieser Sphäre überhaupt geben kann und wie sie sich auswirkt.«

»Es gibt ein Auto, das auf der Straße ins Nirgendwo fährt. Also kann es auch eine Autopanne geben«, beharrte Petra. »Und ich glaube, es ist besser, wenn wir uns das nicht weiter ausmalen. Beim Museum befindet sich eine Tankstelle. Hoffen wir, daß wir unbeschadet bis dorthin kommen – und zurück.«

»Vergiß nicht, sobald wir diese Sphäre verlassen, ist alles so, als sei es nicht geschehen!« wollte ihr Fred Mut zusprechen. »Davon sollten wir immer ausgehen.«

Sie blies nur unwillig die Wangen auf.

»Laß das, Fred, ich bin kein Dummerchen. Ich weiß genau, wie weit wir von der sogenannten Zivilisation entfernt sind. Und willst du noch etwas wissen? Ich glaube kaum, daß wir hier Hilfe herbeirufen können.«

»Das käme auf einen Versuch an!« meinte Fred leichthin und zeigte sein Mobiltelefon. »Soll ich?«

»Und ob!« ermunterte ihn Petra.

Er schaltete es ein. Ungeduldig warteten sie, bis es bereit war. Petra konzentrierte sich zwar nach wie vor auf die Fahrt, doch sie konnte nicht anders und schielte immer wieder zu dem Mobiltelefon hin. Bis Fred bedauernd erklärte:

»Kein Empfang! Das Ding funktioniert zwar, aber in dieser Sphäre...«

»Also doch!« Zwar hatte Petra recht behalten, aber sie freute sich darüber ganz und gar nicht.

Fred meinte dazu: »Andererseits... Hier herrschen eben andere Bedingungen. Wieso zum Beispiel dieser endlos erscheinende Weg bis zu diesem Museum? Wo befindet sich außerdem jenes Haus auf dem Hügel? Ebenfalls in dieser Sphäre?«

»Das sind Fragen, die wir jetzt noch nicht beantworten können«, erinnerte ihn Petra. »Ich wäre schon froh, wenn wir endlich beim Museum wären, um dort zunächst einmal entsprechende Fragen stellen zu können, ehe wir Antworten erwarten und uns damit beschäftigen können.«

Fred wollte offensichtlich widersprechen, aber in diesem Augenblick sah er etwas, was Petras Augen entgangen war: »Sieh mal, da ist eine Abzweigung – und ausnahmsweise sogar ein Hinweisschild!«

Petra nahm unwillkürlich den Fuß vom Gas und schaute hin.

Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als könnte sie dadurch besser sehen.

In der Tat, bei ihrer ersten Fahrt war ihr das Schild überhaupt nicht aufgefallen. Aber es wäre eigentlich übertrieben gewesen, es als echtes Hinweisschild zu bezeichnen, denn es war halb aus der Halterung gebrochen und hing so windschief, als könnte es sich beim nächsten Windstoß vollends lösen und auf die Straße fallen.

Auch das Gestell, das dieses Hinweisschild tragen sollte, stand ziemlich schief, wie kurz vor dem Zusammenbruch.

Petra lenkte den Wagen näher und brachte ihn schließlich zum Stillstand.

Was auf diesem Schild einmal gestanden hatte, war jetzt so vergilbt, daß sie es nicht entziffern konnten. Nur eines war sicher: Es war etwas, das sich außerhalb der Hauptstrecke befand. Wenn sie hier geradeaus weiterfuhren, kamen sie nach Petras Erfahrung zum Museum mit der Tankstelle. Wohin aber führte diese Abzweigung?

Petra tauschte einen Blick mit ihrem Freund. Dann kurbelte sie am Lenkrad und fuhr wieder an: Sie fuhr nicht auf der Hauptstrecke weiter, sondern in diese Abzweigung hinein. Fred hatte nichts dagegen, sonst hätte er es gesagt.

Mit angespannten Sinnen schauten sie sich um. Jetzt erst fiel ihnen die Hügelkette abseits der Hauptstraße auf. Die Seitenstraße zeigte genau darauf.

Das Haus auf dem Hügel! dachte Petra unwillkürlich. Es stand auf einem solchen Hügel. Alles war kahl. Kein Wunder, denn es handelte sich um genau dieselbe Wüstenregion, die uns bis zum Horizont umgibt.

Zu Fred sagte sie nichts dergleichen. Der würde wahrscheinlich sowieso ähnliche Gedanken hegen.

Mit verminderter Geschwindigkeit rollte der Wagen der Hügelkette entgegen.

Unwillkürlich dachte Petra Hansen an den jungen Mann, der ihr in dieser seltsamen Stadt begegnet war. Wenn man bei einer so unmöglichen Situation überhaupt von Begegnung sprechen konnte. Ein Mann wie jener Schauspieler, der weltweit die Frauen ansprach, egal, welche Rolle er auch spielte. Ein Frauen- und Mädchenschwarm ersten Ranges gewissermaßen.

Ein seltsames Gefühl entstand in ihrer Brust, das sie erschrocken zusammenfahren ließ.

Sie warf einen raschen Seitenblick auf Fred, doch der war so damit beschäftigt, die Umgebung zu beobachten, daß er es nicht bemerkt hatte.

Ich habe es verdrängt! pochte es hinter ihrem Busen. Dieser junge Mann in der Kleinstadt am Fuße des Hügels... Er hat etwas in mir ausgelöst, was ich erfolgreich tief in mein Unterbewußtsein verdrängt habe. Bis jetzt. Was wunder: Es ist soviel passiert. Es gibt so viele Ungereimtheiten, ja, Unerklärbares... Da hatte ich ganz andere Probleme, als an ihn zu denken.

Sie lauschte ihren eigenen Gedanken nach und bemerkte, daß sie dabei war, sich selbst zu belügen: Nein, sie hatte nicht deshalb die Erinnerung an jenen jungen Mann verdrängt, weil sie anderes zu tun gehabt hatte, sondern... weil sie sich davor fürchtete!

Es war keine Furcht wie in einem Alptraum, sondern ganz im Gegenteil: Allein der Gedanke an ihn löste in ihr etwas aus, das nicht sein durfte: Sie liebte schließlich ihren Fred – und nur diesen!

Ein weiterer Seitenblick. Fred war nicht gerade häßlich, aber von seiner Attraktivität her weit entfernt von jenem jungen Mann. Aber war es nicht natürlich, wenn man von einem Frauenidol schwärmte, ohne jedoch die Liebe zu seinem Partner zu verlieren?

Sie lauschte wieder in sich hinein und stellte erschrocken fest: Das ist keine bloße Schwärmerei!

Sie konnte nicht anders und mußte wieder nach ihrem Fred sehen.

Wenn sie ihn betrachtete, spürte sie die Liebe, die sie für ihn empfand. Es war keine Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie hatten sich jedoch auf Anhieb besonders gut verstanden. Fred war ein Mann, mit dem man sowieso nur schwer Probleme bekam. Er war stets um Ausgleich bemüht, hatte sein Herz auf dem rechten Fleck, wie man so schön sagte, war rücksichtsvoller und einfühlsamer, als man es von einem Mann im allgemeinen überhaupt erwarten konnte... Kurzum, er war der ideale Partner für sie – überhaupt! Aus der anfänglichen starken Sympathie war Liebe geworden, ständig aufs neue geschürt durch ihre gemeinsamen Interessen, ihr gemeinsames Studium. Fred war der Mann, der sie glücklich machen konnte. Und genau das war sie bislang ja auch gewesen: glücklich mit ihm.

Sie schaute wieder nach vorn, ehe der Wagen doch noch von der Straße abkam – diesmal unbeabsichtigt.

Und ich bin immer noch glücklich mit dir, Fred! leistete sie in Gedanken Abbitte.

Und was war es dann, was sie für jenen jungen Mann empfand?

Sie hatte keinerlei Erklärung dafür.

Wie konnte sie auch nur entfernt so etwas wie Liebe empfinden – gegenüber einem Wildfremden? Nur weil dieser besonders gut aussah? Das paßte ganz und gar nicht zu ihr. Zumal in einer völlig unmöglichen Situation, in der sie sich befunden hatte, bei dieser Art von Begegnung...

»Endstation!« sagte Fred enttäuscht und deutete nach vorn.

Es dauert Sekunden, bis Petra begriffen hatte, was er überhaupt meinte. Erst hatte es sie erschreckt, weil es sich für sie beinahe so angehört hatte, als hätte er ihre Gedanken belauscht. Seit ihrem ganz persönlichen Gestern hatte sie Dinge erlebt, die ihr suggerierten, selbst dies sei möglich. Doch dem war nicht wirklich so. Sie sah es mit eigenen Augen: Eine Art Erdrutsch hatte die Straße unpassierbar gemacht.

Sie verringerte die Geschwindigkeit noch mehr und ließ den Wagen schließlich ausrollen. Nur zwei Schritte vor der Geröllhalde stoppten sie.

»Da kann man nicht einmal zu Fuß weiter«, sagte Fred enttäuscht. Er deutete mit der Linken nach oben. »Viel zu gefährlich! Alles ist locker aufgeschüttet. Das müßte mit einem großen Räumfahrzeug beseitigt werden. Dann könnte man weiterfahren.«

»Woran anscheinend niemand Interesse hat«, versetzte Petra und schaute sich mit verkniffener Miene um. »Wo kommt der ganze Schutt, das ganze Geröll, eigentlich her? Da sind doch keine hohen Berge, wo auch mal eine Lawine abgehen kann.«

Fred schüttelte den Kopf und sagte nichts. Er konnte sich den Schutt genauso wenig erklären wie Petra.

Diese wandte sich ihm achselzuckend zu und fragte: »Was jetzt? Umkehren und auf unserer ursprünglichen Strecke weiterfahren?«

»Haben wir denn eine Wahl?« stellte Fred die Gegenfrage. »Übrigens glaube ich zu wissen, was sich jenseits dieser unpassierbaren Halde befindet...«

»Was denn?« fragte Petra unschuldig, obwohl sie längst denselben Verdacht hegte:

»Das Haus auf dem Hügel über der Kleinstadt!«