A Rebel's Heart - Lisa Marten - E-Book

A Rebel's Heart E-Book

Lisa Marten

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Beschreibung

Maria arbeitet bei der »Rebels«-Stuntcrew. Riskante und actionreiche Einsätze ist sie daher gewöhnt - nicht aber, dass sie plötzlich zwischen zwei Männern steht! Zwei Männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Da ist zum einem ihr sexy Auftraggeber Jonas: unnahbar, geheimnisvoll und unglaublich attraktiv. Der aufstrebende Rockstar Connor hingegen ist charmant und liebevoll. Er betet Maria geradezu an und legt ihr die Welt zu Füßen.
Eigentlich ist Connor genau der Mann, den Maria in ihrem Leben braucht. Aber trotzdem muss sie immer wieder an die heißen Abenteuer mit Jonas denken. Absolute Sicherheit oder ein wenig Risiko? Im Job ist das für Maria keine Frage. Aber wagt sie auch in der Liebe den Sprung ohne Netz und doppelten Boden?
Leidenschaftliche Charaktere, heiße Szenen und eine atemberaubende Story: Lass dich begeistern vom ersten Band der sexy Liebesroman-Reihe um die »Rebels«- Stuntcrew.

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Seitenzahl: 426

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber dieses BuchTitelZitat1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. KapitelÜber die AutorinImpressum

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Über dieses Buch

Maria ist Stuntfrau bei einer Berliner Crew: den Rebels. Nach einem Dreh verdreht ihr Auftraggeber Jonas den Kopf, ein unnahbarer, unglaublich attraktiver, mysteriöser Typ – sie lässt sich auf eine heiße Affäre mit ihm ein. Doch zeitgleich lernt sie Connor kennen. Der aufstrebende Rockstar betet Maria an und legt ihr die Welt zu Füßen, eigentlich genau so ein Mann, wie sie ihn braucht. Wenn doch nur ihre Gedanken nicht immer wieder zu Jonas und ihren heißen Abenteuern abschweifen würden …

L I S A  M A R T E N

it is a golden thing we’ve got

1. Kapitel

Kein Zögern. Kein Hadern.

Der Abzug der schwarz glänzenden Glock klickte metallisch. Keine Sekunde später schoss ein dumpfer Druck durch Marias Brustkorb. Ein kurzer wuchtiger Impuls, der ihren Rumpf augenblicklich nach hinten katapultierte. Pures Adrenalin entlud sich wie Funkenregen bei einem Feuerwerk.

Sie war voll da und trotzdem wie im Rausch.

Kein Zögern, kein Hadern.

Gleich würde sie mit dem Rücken auf dem Boden aufschlagen. Die Muskeln nicht anspannen, weich bleiben, den Kopf schützen. Den intuitiven Schutzreflex ausschalten. Nicht weiterdenken, bloß funktionieren. Fallen lassen. Das war das einzig Knifflige. Sich bewusst machen, dass es kurz schmerzhaft werden würde. Eine Tatsache, nichts weiter. Und der Energieschub danach machte es wett.

Sobald sie rücklings aufschlug, tanzten kleine Lichter vor ihrem geistigen Auge. Flüssigkeit durchtränkte ihr Shirt. Liegen bleiben. Kontrolliert atmen. Keine Bewegung. Kein Muskelzucken. Auch wenn ihr Verstand danach schrie und sie sofort den Impuls verspürte, sich umzudrehen. Doch Menschen, denen vor einem Sekundenbruchteil mit einer Halbautomatik ein Schuss ins Herz verpasst worden war, bewegten sich nicht mehr.

Die Schritte des Schützen verhallten in der Ferne. An ihre Stelle trat ein tiefes Pochen, das durch ihre Ohren rauschte. Ihr Pulsschlag.

»Cut!«

Maria schlug die Augen auf und verfolgte für einen Moment die glitzernden Staubpartikel, die in der Luft tanzten. Erbarmungslos heiß brannten die Tageslichtlampen von oben auf sie herab. Der Leichtkran mit der schweren Kamera schnitt durch ihr Sichtfeld wie ein futuristischer Roboter.

Ein breites Grinsen huschte über ihre Lippen, während sie sich auf die Seite drehte, um so schonend wie möglich auf die Beine zu kommen. Das Kunstblut hatte die Vorderseite des grauen Shirts fast komplett verfärbt, ihre Haut fühlte sich noch taub und fremd an. In der nächsten Sekunde war das jedoch alles vergessen, denn der Schub des körpereigenen Chemiecocktails, der durch sie strömte, überwältigte sie regelrecht. Wie jedes Mal, wenn sie sich diesem heiklen Job stellte, fühlte sie sich hinterher wahnsinnig lebendig.

»Alles klar?« Sam packte ihre Hüfte. Eine vermeintlich freundschaftliche Geste, die sie in Wahrheit stützte. Vermutlich hatte ihr bester Freund und Chef der Rebels Stunt Crew das leichte Taumeln in ihrer Bewegung sofort erkannt.

Vor ihren Augen tanzten kleine Lichtpunkte. Ihr Kreislauf, mehr nicht.

»Top, das sah richtig echt aus. Ihr seid spitze!« Breit grinsend kam Bruno auf sie zu und schlug wie ein Kind in die Hände, dem man Schokolade geschenkt hatte. »Das war der Take.«

Prompt stieg Freude in Maria hoch, und sie nickte lächelnd. Wenn alles so reibungslos wie heute ablief, fühlte es sich an, als würde eine Brausetablette voll Euphorie in ihr sprudeln, bis sie überschäumte vor Glück. Klar, blaue Flecken und Blessuren gab es manchmal. Das brachte der Job der Stuntfrau mit sich. Aber durch perfekte Vorbereitung und das passende Equipment minimierten sie die Risiken von Verletzungen. Die restlichen Parameter blieben unvorhersehbar. Das hing vom Wetter ab, von der Location und vom Team. Und natürlich von der individuellen Vorstellung des Regisseurs, wie die Szene am Ende aussehen sollte.

Apropos … Gegen den Spot anblinzelnd, der immer noch direkt auf sie gerichtet war, konzentrierte sie sich wieder auf ihre Umgebung. Vom Rest der Crew, die um sie herumstand, erkannte sie kaum etwas. Das grelle Licht fraß die Schemen auf und ließ nur zerfaserte Umrisse aufflackern. Doch aus den undeutlichen Gesprächsfetzen hörte sie eine Person klar heraus. Jonas Mark, der Head Of Production der Firma mavicord, von der die Rebels Crew häufig eingekauft wurde. Seine Stimmfarbe klang tief und weich. Er akzentuierte Silben auf eine klare und fast einschneidende Weise. Wobei das im krassen Gegensatz zu der kühlen Wirkung stand, die er nach außen hatte. Auf den ersten Blick wirkte er glatt, ohne Reibungsfläche. Manchmal sarkastisch, auf eine überhebliche Art. Wenn er sprach, hatte es den Anschein, als wäre jedes einzelne Wort bewusst gewählt, in der Betonung waberte jedoch eine impulsive und temperamentvolle Nuance mit.

Alles in allem fand Maria den Klang seiner Stimme, sein Timbre wahnsinnig sinnlich. Als könnte man darin eintauchen, bis die Haut über und über damit benetzt war und man sich wohlig rekeln wollte … Stopp. Mühsam riss sie sich von den Gedanken los.

»Braucht ihr noch was?« Dafür, dass sich ihre Knie butterweich anfühlten, klang sie erstaunlich klar. Sie lehnte sich locker an Sam, der sofort Gegendruck aufbaute. Aber wenn der Kunde letzte Wünsche hatte, würde sie die ganze Nummer wiederholen, ohne mit der Wimper zu zucken. Die Rebels galten als eine der besten Stuntcrews Deutschlands. Sie arbeiteten professionell, sauber und ohne Zicken.

Und – sie brannten für ihren Job.

Sean Greiner, der Regisseur, trat an Brunos Seite. »Ich habe alles«, bedankte er sich persönlich bei ihr, bevor er Sam die Hand hinstreckte.

»Du kannst du dich umziehen, Maria.« Sam warf ihr ein Lächeln zu und wartete ein leichtes Nicken als Reaktion ab, um abschätzen zu können, ob sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Dann ließ er sie los.

Nickend drehte sie sich um, und für einen Atemhauch streifte ihr Blick den von Jonas. Er fixierte sie kurz, und auf seltsame Weise fühlte sie sich durchschaut. Als würde er ihr trotz ihres massiven Selbstbewusstseinsschubs genau ansehen, dass seine Stimme purer Zunder für ein sinnliches Feuer in ihr war.

Doch sobald er sich abwandte, hatte sie sofort das Gefühl, sich getäuscht zu haben. Das erlebte sie immer wieder. Es gab diese kurzen Momente zwischen ihnen, ein Blick, eine Geste. Etwas, das ihr auffiel. Und Sekundenbruchteile später verschwand es, als wäre es pure Einbildung gewesen. Kopfkino.

Maria stand nicht gern im Mittelpunkt oder im Fokus einer Person. Genauso wenig war sie eine Frau, die einen Mann auf Entfernung anhimmelte. Keine Ahnung, warum Jonas ihr auffiel. Klar, er sah gut aus. Die dunklen Haare trug er kurz geschnitten. Sein Vollbart verlieh ihm etwas Düsteres, und seine grünen Augen wirkten unergründlich, ja einzigartig. Manchmal stob ein rätselhaftes Smaragdfunkeln in ihnen auf. Diese Kühle, die er ausstrahlte, schwand, wenn man in seinem Blick verloren ging. Das triggerte sie, es fühlte sich geheimnisvoll und spannungsgeladen an. Doch mehr als einen kurzen Gruß oder ein flüchtiges Händeschütteln hatte sie noch nie mit ihm gewechselt. Dazu gab es keinen Grund. Sie teilten eine rein geschäftliche Beziehung. Trotzdem flammte da immer etwas auf, was Maria nicht klar definieren konnte. Vielleicht irritierte sie schlicht ihre starke Reaktion auf ihn. Allein, dass sie sich mit einem flüchtigen Blickkontakt beschäftigte – verrückt.

Gedankenverloren setzte sie einen Fuß vor den anderen, bis sie die zwei Treppenstufen zum Bauwagen der Crew hochgestiegen war. Das Hochgefühl machte sich wieder lautstark bemerkbar, sodass sie beflügelt die Tür aufzog. Die Rebels hatten den Dreh gerockt. Der Stunt war nahezu perfekt abgelaufen. Von der ersten bis zur letzten Szene hatten sie abgeliefert.

Im Wagen zog sie das rot durchtränkte Shirt über den Kopf und löste die festgeklebten Protektoren von der Haut. Die runden Schutzkleber hinterließen dunkle Abdrücke auf ihrer zitternden Bauchdecke. Ein roter Film Kunstblut klebte auf ihrer Haut. Die Bandage über den Brüsten behielt sie an, während sie einen Ice Pack aus der Kühlbox fischte und ihn auf den Brustkorb presste. Auf die Stelle, an der sie das vermeintliche Projektil getroffen hatte. Kühlen und kontrolliert atmen, das war der Trick, um blaue Flecken zu minimieren und den Stress für den Körper im Zaum zu halten.

Vor der offenen Tür hüpfte ein dunkler Vogel über einen Riss im Beton. Das Gefieder glänzte hinten an den langen Schwanzfedern blauschwarz. Die Elster krächzte dreimal hintereinander laut, als forderte sie irgendwas, ohne sich vom Verkehr oder dem Lärm der Stadt stören zu lassen. Dann breitete sie die Flügel aus, zog den kurzen Kopf ein und flog los. Das schwarz-weiße Muster der Federn hob sich vom klaren blauen Himmel ab.

Maria verfolgte den Vogel noch einen Moment mit ihrem Blick, eher dieser wie magnetisch zum Straßenrand gelenkt wurde, wo Jonas gerade den Gehweg hinunterlief. Der dunkle lange Parka verlieh ihm etwas Elegantes. Ganz im Gegenteil zu der Blondine, die neben ihm ging und mit den hohen Absätzen ihrer Stilettos mechanische, irgendwie staksende Schritte vollführte.

Obwohl Jonas eine Sonnenbrille trug, sah es so aus, als schaute er die ganze Zeit zum Bauwagen – in ihre Richtung. Maria wusste nicht, ob sie sich das nur einbildete, konnte aber trotzdem nicht verhindern, dass ihr Puls in die Höhe schoss und ein aufgeregtes Prickeln durch ihren Körper rauschte.

Die Scheinwerfer eines stahlgrauen Mercedes-AMG blinkten kurz, dann drehte sich die Blondine mit ihrem blauen Kleid schwungvoll zu Jonas um und legte die Hände um seinen Nacken. Bestimmt zog sie ihn zu sich und presste die Lippen auf seine.

Hitze schoss in Marias Wangen. Kurz war sie versucht, sich abzuwenden, weil sie sich wie eine Voyeurin fühlte. Außerdem schuf es ein seltsam zermürbendes Ziehen in ihrem Magen, diese intime Situation zu verfolgen. Doch Jonas veränderte seine Blickrichtung nicht. Also ließ sie den vermeintlichen Kontakt genauso wenig abreißen. Falls sie sich nicht irrte und er sie beobachtete, würde sie dem jetzt standhalten. Auch wenn es verwirrend und seltsam war.

Die Blondine löste sich, und Jonas öffnete die Fahrertür, damit seine Begleitung einsteigen konnte. Dann schloss er die Fahrertür und griff in die Jackentasche. Sein Smartphone am Ohr, bewegte er die Lippen, als würde er einen Anruf annehmen, während er um den Wagen ging. Doch sein Blick haftete weiter auf ihr.

Der Gedanke, in seinem Fokus zu stehen, sein Interesse zu wecken, war reizvoll. Außerdem hatte der Kuss zwischen den beiden nicht sonderlich leidenschaftlich gewirkt. Aber es war ein Kuss gewesen, verflixt. Warum dachte sie also über den Wert eines Kusses oder dessen Qualität nach? Jonas hatte offensichtlich was mit der Blondine am Laufen.

Trotzdem loderte das Kopfkino wie eine Feuersbrunst in ihr. Wenn sie seine Hände sah, dachte sie sofort darüber nach, wie es wäre, von ihm berührt zu werden. Dabei entstanden sinnliche Bilder in ihren Gedanken. Die sehr schnell und sehr deutlich in glühenden Sex übergingen. Leidenschaftlich und direkt, ohne Umschweife. Keine Ahnung, aus welchem verbotenen Winkel ihres Unterbewusstseins dieser lustvolle Reflex kam, doch er war unaufhaltsam. Unberechenbar – eine Möglichkeit. Etwas, an das man dachte. Was man jedoch nie zu tun wagte.

Jonas Mark war wie ein menschgewordener Auslöser zu massiv erotischen Bildern. Diese kühle Distanz, die er ausstrahlte, zog sie an. Weil sie vermutete, dass er auch genau das Gegenteil sein konnte. Fordernd und heißblütig.

Vielleicht ähnelten sie sich sogar.

Sam hatte ihr einmal gesagt, sie wirke unnahbar und damit oftmals nur schwer einschätzbar. Bis heute erinnerte sie sich daran, wie fasziniert sie ihm zugehört hatte. Er hatte erklärt, dass man nur an ihren Augen sehen konnte, wenn sie etwas wirklich gepackt hatte. Ansonsten wirkte sie taff, und er hatte die Befürchtung gehabt, dass sie über ihre Grenzen ging und er ihr Pokerface nicht durchschaute. Seit diesem Gespräch hatten sie ein paar codierte Worte für gefährliche Jobsituationen festgelegt. Signale, falls etwas am Set nicht so lief, wie Maria es geplant hatte. Ohne sofort das ganze Drehteam darauf aufmerksam zu machen.

In Jonas’ Fall hoffte sie, dass er nicht in ihr lesen konnte. Sie wollte ebenso unnahbar auf ihn wirken wie er auf sie. Bei ihm gab es keine Signale, die ihr halfen, ihn zu deuten. Dazu kam, dass sie so gut wie nichts von ihm wusste.

Über seine Vergangenheit kursierten die heißesten Gerüchte. Er sei Waise oder als Flüchtlingskind aus dem Kosovo gekommen. Diese Geschichte ähnelte ihrer. Sie war genauso löchrig und geheimnisvoll, wenn sie der Wahrheit entsprach. Vermutlich hatte er studiert und sich später zur Führungsposition hochgearbeitet. Sie sah ihn immer nur auf dem Sprung. Von einem Termin zum nächsten hetzend. Unnahbar und trotzdem präsent. Maria vermutete, dass man sich besser nicht mit ihm anlegte. Er wirkte karriereorientiert und hart. Außerdem wurden ihm zahlreiche Affären nachgesagt. Klatsch, der sie nicht interessierte. Obwohl ihr der Gedanke lieber war, dass es sich auch bei der Blondine nur um eine Affäre handelte. Obwohl diese nun mit dem Mercedes losfuhr, blieb Jonas am Straßenrand stehen. Die Arme locker auf ein Wagendach gelegt, hörte er dem Anrufer zu.

Die Wasserperlen des kühlenden Ice Packs hätten direkt auf ihrer erhitzten Haut verdampfen können. Ob er sie wirklich beobachtete? Plötzlich wurde Maria klar, dass sie außer der weißen Bandage über ihren Brüsten und der weiten Jeans nichts am Körper trug. Sie zappelte in einem Netz aus Faszination und Scham. Im Gegensatz zu den üblichen Frauentypen, mit denen sich Männer schmückten, war sie schmal gebaut und mit ihren ein Meter achtundsechzig für ihren Job eher klein. Trotzdem mochte sie ihren Körper. Sie war selbstbewusst, eben weil sie sportlich und in der Lage war, viel auszuhalten. Aber hier und jetzt fühlte sie sich seltsam nackt.

»Wie sieht’s aus?« Sam kam in den Bauwagen und unterbrach ihren Blickkontakt zu Jonas.

Aus den Gedanken gerissen verlagerte sie ihren Fokus und nickte ihm zu.

»Wie machst du das, Küken?« Vorsichtig hob Sam den Kühlbeutel an und linste kurz darunter, bevor er den Abstand zwischen ihnen wieder vergrößerte und sich ihr gegenüber an die Spinde lehnte. Er wusste, dass sie sich mit Berührungen schwertat. Körperliche Nähe machte sie schnell nervös, eine gewisse Distanz war ihr lieber. Doch falls sie sich von jemandem helfen ließ, Polsterungen, Kabel oder Zünder an ihren Körper zu kleben, dann von diesem massiv gebauten Kerl vor ihr. Irgendwann hatte er begonnen sie Küken zu nennen. Niemals vor den anderen. Nur, wenn sie unter sich waren. Sam zog sie nicht auf, bei ihm schwang immer etwas Fürsorgliches und Bewunderndes mit. Er war der große Bruder, den sie nie gehabt hatte.

»Wie meinst du das?«, hakte sie nach.

»Du hast das Talent, keine blauen Flecken zu bekommen.« Seine blauen Augen blitzten begeistert auf, als er das Wort keine betonte wie das Schlüsselwort zu ihrem Geheimnis der Unsterblichkeit.

Sie schüttelte den Kopf. »Das ist kein Talent.« Sich leicht nach vorne beugend legte sie verschwörerisch eine Hand an den Mund, bevor sie flüsterte: »Ich bin eine verkappte, vollkommen durchgeknallte Superheldin.«

Sam pfiff durch die Zähne und hob überspitzt anerkennend die Augenbrauen. »Wir können verdammt froh sein, dass wir dich haben, Küken.«

Maria warf einen beiläufigen Blick zur Straße. Jonas war fort. Sie musste über sich selbst schmunzeln. Kopfkino, nicht mehr. »Andersherum wird ein Schuh draus. Ohne dich hätte es diese Chance für mich nie gegeben.«

Seit drei Jahren arbeitete sie als Stuntfrau bei den Rebels.

Mit sechsundzwanzig war sie die jüngste und einzige Frau in der Crew. Inmitten von Haudegen und Adrenalinjunkies. Nachdem sie das Sportstudium in Bayreuth geschmissen hatte, war Berlin ihre Wahlheimat geworden. Dort hatte sie sich ohne Vorkenntnisse und passendem Lebenslauf bei Sam vorgestellt. Obwohl der Weg in die professionelle Leichtathletik für sie zum Greifen nah gewesen war, hatte sie einen anderen gewählt. Damals reines Bauchgefühl. Der klare Wunsch nach mehr. Und mehr bedeutete für sie auch, dass sie sich nicht auf den einfachsten Weg festlegen wollte. Sie hatte das tiefe Bedürfnis, sich anders kennenzulernen, an Grenzen zu gehen, um zu erkennen, wie viel und vor allem, was sie wollte. Eine Karriere, Heirat, Kinder, ein Haus bauen und in Perfektion leben – das war zu diesem Zeitpunkt nicht ihr Weg. Sie fand, wenn man nicht wusste, woher man kam, dann musste man sich die Welt genau ansehen. Die krasse Entscheidung für dieses Abenteuer auf ihre Kindheit zu schieben, kam ihr seltsam vor. Klar war es nicht schön, dass sie weder wusste, welche Wurzeln sie hatte, noch, warum diese so abrupt abgerissen worden waren. Aber jeder Mensch hatte seine Geschichte und nur weil sie sich nicht psychoanalytisch hinterfragte, hieß das nicht, dass sie es nicht reflektierte.

Im Alter von sechs Jahren war sie an der deutsch-tschechischen Grenze in der Nähe der Kleinstadt Železná Ruda gefunden worden. Maria hatte keine Erinnerung daran. Nicht an den Moment, als sie wie ein liegen gelassener Regenschirm von einer älteren Frau mitgenommen worden war, und auch nicht an die Jahre zuvor. Wenn sie das Foto ansah, das man an dem Tag von ihr gemacht hatte, dann wirkte das kleine zerzauste Mädchen in den verschmutzten lila Leggings fremd. Es starrte aus großen braunen Augen in die Kameralinse, die Finger der rechten Hand in den Saum des ausgeleierten grauen Shirts gekrallt. Das war ihr kindliches Ich, das weder mit Rita, dem gesetzlich festgelegten Vormund des Jugendamtes, noch mit einer anderen Person gesprochen hatte. Sieben Monate lang. Kein Sterbenswort. Im Übergabeprotokoll der behördlichen Station in Grenznähe stand, dass sie ansprechbar und wach gewirkt hatte. Bis heute war ihr Alter geschätzt, ihr Geburtstag am zehnten Mai frei erfunden. Das Datum existierte nur, weil sie an diesem Tag aufgefunden worden war. Was Zuhause bedeuten konnte, hatte sie erst bei ihren Pflegeeltern erlebt.

Und jetzt wohnte sie in Berlin und arbeitete als Stuntfrau.

Weil sie es gut konnte. Weil sie die beste körperliche Fitness mitbrachte und nicht zögerte. Niemals. Wirkte diese Tatsache so, als ob sie mit sich im Unreinen wäre? Im Gegenteil – sie wusste genau, wie viel sie ihrem Körper zutrauen konnte. Wie sehr sie ihre Schmerzgrenze ankratzen konnte. Wie frei sie sich fühlen wollte. Und sie war süchtig nach diesem Kick. Dem Wissen, dass sie einen Stunt gerockt hatte. Dieser Job war kein Wettkampf. Sie maß sich nicht mit einer Konkurrentin wie beim 100-Meter-Lauf. Es war Teamwork, jeder Auftrag eine Herausforderung anderer Art, und sie stand nicht im Rampenlicht. Als sie dann das erste Mal einen Stuntjob gemacht hatte, war sie sofort Feuer und Flamme gewesen. Was als Experiment begonnen hatte, war jetzt ihre Passion. Die Blessuren, der Respekt vor den halsbrecherischen Manövern, all das waren Begleiterscheinungen. Der Nervenkitzel in diesem Moment, dieses absolute Überwinden von Grenzen, flutete den ganzen Körper.

Es war wie Sex. Ein überwältigender Reiz.

»Ich kümmere mich um das Equipment, mach du Pause.« Sams Worte zogen sie aus ihren Gedanken. Er begann die ersten Sachen zusammenzuräumen, während sie vor Kälte zitternd das Coolpack wegnahm. Schnell wickelte sie die Bandage ab und tupfte vorsichtig die Feuchtigkeit mit einem Handtuch auf. Dann zog sie ein frisches Shirt über und eine weite Jogginghose an. Auf einen BH verzichtete sie. Ihr Brustkorb brauchte eine kurze Erholungsphase ohne enge Unterwäsche. In ihren ausgelatschten Puma-Sneakern sah sie aus wie aus den Neunzigern entsprungen. Sie krempelte die kurzen Ärmel des Shirts über die Schultern, zog ihren Hoodie über und schnappte sich eine Flasche Wasser. Weil Sam darauf bestand, die Stunt-Ausrüstung allein zu verstauen, ging sie nach draußen und beobachtete das Treiben am Set.

Hier wurden parallel die Kulissen auseinandergebaut und in Lastwagen verladen. Ein surrealer Ort verschwand, verstaut in Alu-Boxen und auf Lkw-Ladeflächen gestapelt. Seitenwände, in reinem Grün gestrichen, damit sie Raum für digitale Nachbearbeitung boten. Rampen, Podeste und verschiedene Stative mit unzähligen Lampen und Spots. Die Crew zog ratschend die letzten Grip-Klebestreifen vom Boden. Es war faszinierend, wie schnell alles wieder dem Erdboden gleichgemacht wurde. Diese Branche war schnelllebig und kalt. Menschen wie Jonas passten perfekt hinein, fand sie.

Dabei war sie eigentlich keinen Deut besser. Sie gab kaum etwas von sich preis, weil sie viel zu vorsichtig war. Nicht, weil sie per se Angst hatte, verletzt zu werden. Oder weil sie an das Böse im Menschen glaubte und damit rechnete, dass alle egoistisch waren. Sondern weil es ihr etwas bedeuten würde. Wenn sie sich jemandem anvertraute und erzählte, woher sie kam, was sie darüber wusste und was diese kargen Infos mit ihr machten, dann bedeutete das etwas. Und zwar, dass ihr dieser Mensch in dem Moment viel wert war. Und dann? Vielleicht erwartete sie daraufhin etwas. Und sie fand es unbeschwerter, sich treiben zu lassen. Man konnte auf eine Reaktion viel leichter eingehen, als eine exakte zu erwarten.

Ja, wer war sie eigentlich, so über Jonas zu urteilen?

»Wir sind startklar«, rief Sam ihr zu. »Es gibt eine Planänderung.« Er fuhr mit den Fingern durch seine kurzen dunkelblonden Haare, während sie auf den Beifahrersitz des mattschwarzen Vans der Rebels kletterte. »Wir müssen noch bei mavicord ranfahren.«

»Kein Problem, ich laufe von dort aus. Lass mich da einfach raus.« Mit einem Klicken rutschte ihr Gurtverschluss in die Sicherung des Sitzes. Die Produktionsfirma saß in Berlin Mitte. Bis nach Kreuzberg war es ein Stück, aber es war besser, als im Wagen zu warten.

»Du müsstest mitkommen«, sagte Sam.

»Was?« Maria drehte sich um. Erst jetzt fiel ihr auf, dass Jasper und der Rest der Crew fehlten.

»Jasper bringt die Jungs nach Hause und den gemieteten Sprinter zurück, dann kommt er ins Studio«, erklärte Sam.

Jasper Ulis war das dritte feste Mitglied der Rebels. Der ehemalige Boxer war Freifall- und Pyrotechnik-Experte und außerdem Marias Sparringspartner. Ein schweigsamer Zeitgenosse, genau wie Sam zu hundert Prozent verlässlich. Brauchten sie für eine Auftrag mal mehr Leute, buchte ihr Boss weitere frei arbeitende Stuntkollegen dazu, so wie heute.

Doch gerade hing Maria noch an Sams erstem Satz. Es war nicht nur äußerst untypisch, dass er sie fragte, ob sie ihn zu einem geschäftlichen Termin begleitete. Er wusste auch, dass sie solche Treffen vermied. Zu viele Menschen, zig Stimmen, die sich wichtig nahmen. Das war nicht ihr Ding. Solche Besprechungen regelte Sam üblicherweise allein.

»Es geht um einen Stunt für eine weibliche Person. Es ist relativ kurzfristig.«

»Kurzfristig?«, hakte Maria nach.

»Pkw in Wasser.«

Das war ein gefährlicher Auftrag und ja, bei solchen Stunts war Koordination und Planung unerlässlich. Kurzfristig klang abenteuerlich.

»Bruno, der Aufnahmeleiter, wird dabei sein und Jonas Mark. Wahrscheinlich noch ein paar Produktionsmenschen, keine Ahnung.« Sam schaltete einen Gang höher, als sie auf den Stadtringzubringer fuhren. »Ich weiß, dass du solche Treffen nicht magst, aber es wäre gut, wenn du mitkommen würdest. Also, falls du in den nächsten zwei Stunden keine anderen Termine hast?«

Sam bat sie. Das machte er sonst nicht.

Maria sah an ihren schlabberigen Klamotten nach unten. Warum schoss ihr jetzt das wallende blaue Kleid der Blondine durch den Kopf?

»Können wir vorher am Studio anhalten? Ich würde gerne duschen.« Auf ihrer Haut klebte noch das Kunstblut, und bei den Rebels gab es zwei Duschen. Außerdem hatte sie in ihrem Spind zumindest Wechselsachen.

»Klar!« Sam lächelte ihr zu. »Danke, Küken.«

»Alles gut, Sam.«

In Wahrheit verursachte die Tatsache, dass sie gleich zu mavicord fahren würden, ein nervöses Flattern in ihrer Magengegend. Jonas’ Blick hatte sich in ihr eingebrannt, wie ein Mal, das glühte.

2. Kapitel

Fünfzehn Minuten später fuhr Sam den Van auf den Hinterhof in Tempelhof. Der Sitz der Stuntcrew befand sich in einer alten Fabrikhalle, die sie sich mit einer Druckerei teilten. Diese nutzte ihren Teil als Lagerfläche, während im Teil der Rebels ihr Studio lag.

»Ich lade das Equipment aus, beeil dich, okay?«, sagte Sam, während er ausstieg.

Sie nickte ihm zu und sprang vom Beifahrersitz. Quietschend zog sie die schwere Eisentür auf. Der fahle Lichtschein, der ihr entgegenstrahlte, stammte von einer alten Leuchtreklame. Das Schild, auf dem in verschnörkelten, gold glänzenden Lettern das Wort Zierfische zu lesen war, machte das sonst karge Innenleben des Studios zu einer eigenen Kulisse. Es sah herrlich unkompliziert und improvisiert aus. In hohen Schränken bewahrte Sam seine Technik, die Schutzausrüstung und die Requisiten auf, die sich über Jahre angesammelt hatten. Außerdem standen dort Trainingsgeräte und ein provisorischer Boxring. Sams Schreibtisch mit dem Rechner wirkte gegenüber der ausladenden, abgesessenen beigen Ledercouch wie ein geschrumpftes Möbelstück. Trotzdem fühlte sie sich hier unglaublich wohl und musste unweigerlich an ihr Bewerbungsgespräch denken.

Damals hatte Sam hinter seinem kleinen Schreibtisch gesessen und riesig auf sie gewirkt. Kein Wunder, denn mit seinem kräftigen Körperbau und einer Größe von fast zwei Metern war er ein Hüne. Seine kurz geschorenen dunkelblonden Haare und ein Dreitagebart auf seinem kantigen Kinn hatten das Bild abgerundet. Allerdings hatte sie sein so imposantes Äußeres nicht so stark beeindruckt wie seine ruhige und gelassene Art. Obwohl er nur ein paar Jahre älter war als sie, strahlte er diese geerdete Ruhe aus. Sie selbst war vollkommen durch den Wind gewesen. Weil sie überhaupt nicht wusste, warum sie sich magisch von dem unscheinbaren Schild, das an der Backsteinmauer zur Straßenseite angebracht gewesen war, angezogen gefühlt hatte. Den Wunsch, Stuntfrau zu werden, hatte sie vor Berlin nicht gehabt. Doch der Schriftzug Rebels Stunt Crew hatte eine Neugier in ihr geweckt, die sie nicht zu ignorieren vermochte.

Sam hatte zur Kenntnis genommen, dass sie frisch von der Uni kam. Sportstudium abgebrochen und so weiter. Er hatte irgendwas in seinen Rechner getippt, hinter dem er hervorragte wie ein Riese. Dann hatte er ihr Sportklamotten gegeben und war mit ihr laufen gegangen. Zwölf Kilometer. Kein weiteres Wort. Einen Tag später hatte er mit ihrer Ausbildung begonnen. Zunächst hatte sie nur kleine Jobs abbekommen. Sich bei Verfolgungsjagden in der U-Bahn anrempeln lassen oder als Statistin durch ein qualmendes Treppenhaus rennen. Dreh für Dreh hatte sie sich gesteigert und nie gezögert. Sam hatte sie gefördert. Er hatte ihr einen Tauch- und Fallschirmschein finanziert. Diese waren wie Zusatzqualifikationen in dem Job. Jetzt war sie hier. Und gehörte neben Jasper zum festen Kern der Rebels.

Verrückt und schön zugleich. Kopfschüttelnd ließ sie die Erinnerungen hinter sich und eilte Richtung Dusche. Als sie schließlich aus dem Umkleidebereich kam, wartete Sam bereits am Ring auf sie. »Fertig?«

Sie nickte ihm zu und schnappte sich ihre schwarze Lederjacke. Es gab Kleidungsstücke, die sie schon ihr halbes Leben lang begleiteten. Die Bikerjacke war eines davon. In Kombination mit ihren Boots, schwarzen Jeans und dem hellen Longsleeve war es vielleicht kein meetingtaugliches Outfit, aber sie fühlte sich so wohl.

Zwanzig Minuten später parkte Sam den Van auf einem der Firmenparkplätze von mavicord im Hinterhof der Ackerstraße. Erste Regentropfen platzten auf den Boden. Der September war bisher angenehm warm gewesen, wenn auch etwas wechselhaft.

Maria fröstelte, als sie ausstieg. Es war kurz nach sieben Uhr, ihr knurrte der Magen, und sie war nervös, weil sie nicht wusste, was sie erwartete. Hinter Sam stiefelte sie zurück Richtung Hauptstraße.

Die Firma saß in den beiden obersten Stockwerken eines riesigen Altbaukomplexes an der Straßenecke. Stuckschnörkel verzierten die Fassade, die alte Bausubstanz strahlte trotz der Renovierung durch. Ein mattes Silberschild, auf dem in schlichten Buchstaben mavicord eingraviert war, prangte unten neben dem Lastenaufzug. Einmal war sie bereits hier gewesen, aber nur auf dem Sprung während eines Drehs, um etwas abzuholen. Nichtsdestotrotz hatte Maria eine sehr genaue Ahnung, was sie oben erwarten würde. Schließlich war die Firma auf Instagram aktiv und gewährte der Öffentlichkeit einen ausführlichen Blick auf Interior, Events und Produktionen. Natürlich alles in High-Class-Qualität. Was aber fast Seltenheitswert hatte, waren Fotos mit Jonas.

Maria hatte sie durchstöbert. Skurril, dass man durch die sozialen Medien die Chance bekam, Momentaufnahmen aus Jonas’ Leben zu entdecken. Noch seltsamer war, dass sie danach gesucht hatte.

Auf den Bildern sah man einen Mann, der grundsätzlich perfekt gekleidet war. Jeans und Hemd – ein minimalistischer Look. Das Outfit jedoch passgenau geschnitten. An der Uhr und den Schuhen konnte man den Wert ausmachen. Er stellte seinen Erfolg nicht offen aus – er lebte ihn. Aber er lächelte nicht auf den Fotos. Nie. Ein Schwarz-Weiß-Bild hatte sie fasziniert. Darauf saß er an einem großen ausladenden Schreibtisch, wahrscheinlich sein Büro. Der Grauton der Wände ließ auf modernen Sichtbeton schließen. Aus dem breiten Fenster im Hintergrund drang nur schwacher Lichtschein. Jonas hatte die Hände locker hinter den Kopf gelegt und sah direkt in die Linse. Es wirkte geheimnisvoll inszeniert und doch ehrlich ungeschönt. Das Schattenspiel in seinem Gesicht ließ seine Augen intensiv herausstechen. Sein Blick blitzte herausfordernd und vielversprechend rebellisch. Ein Eindruck, der nicht zu diesem perfekten Schein passte. Als wäre da mehr. Etwas Wildes, Impulsives. Beim Betrachten des Bildes hatte sie sich sofort gefragt, wer das Foto gemacht hatte. Und ob Jonas auf eine bestimmte Person reagiert hatte.

Ein kurzer Signalton ertönte, dann öffneten sich die schweren Fahrstuhltüren. Sie fuhren in den fünften Stock. Zwei ausgebaute Etagen. Hohe Decken. Kühle Schlichtheit. An den Wänden hingen große Bilder. Es mutete ein bisschen an wie in einer Galerie.

»Die wechseln«, flüsterte Sam ihr zu.

Sie machte ein zustimmendes Geräusch und musterte einen Schwarz-Weiß-Druck, auf dem ein Frauenkopf abgebildet war. Die Frau trug eine runde Brille, die mit gelben Farbklecksen bedeckt wurde. Von den Flecken liefen Rinnsale nach unten und zogen geradlinige Bahnen über das Gesicht.

»Vermutlich kennt Mark Gott und die Welt. Es sind immer nur vier Bilder, die hier hängen. Aber die Künstler wechseln«, fuhr Sam fort.

Am Empfang, einem rund angelegten Schalter aus indirekt beleuchteten Glassteinen, warteten sie, bis die Disponentin das Headset abnahm.

»Sorry, heute ist die Hölle los.« Ihr französischer Akzent verschmolz melodisch mit ihren Worten. Sam wurde mit Küsschen links und rechts begrüßt. Maria wich leicht zurück und war dankbar, dass sie mit einem kurzen Händedruck abgefertigt wurde.

Das Telefon klingelte erneut, doch die Disponentin winkte ab und deutete auf eine in sich gewundene Stahltreppe, die nach oben führte. Maria folgte ihr und Sam nach oben. Das oberste Stockwerk war komplett in Beton-Optik gehalten. Nur die hohen Doppel-Kassettentüren glänzten in dunklem Holz. Der Gegensatz der kühlen Wände und der warmen Türen gefiel Maria.

Die Disponentin hielt inne, klopfte, kurz darauf drückte sie die Messingklinke nach unten und betrat das Büro.

Neugierig ließ Maria ihre Finger über die Klinke streichen. Ihre Vermutung bestätigte sich. Die Türklinken aus Messing schienen alt zu sein. Kleine Erhebungen und Vertiefungen im Material wiesen auf Gebrauch hin. Sie riss sich von dem Gedanken los und folgte Sam in das Büro. Hinter der Tür lag genau der Raum, den sie von dem Foto kannte. Nur diesmal saß Jonas leibhaftig und in Farbe an dem breiten Schreibtisch. Dahinter das bodentiefe Fenster, auf dem sich in feinen Striemen der vom Wind gepeitschte Regen abzeichnete.

Jonas stand auf und begrüßte sie.

Höflich, trotzdem so flüchtig wie möglich, gab sie ihm die Hand – und hatte wieder den Eindruck, dass es einen Moment zu lang dauerte, bis er ihre Finger losließ. Die Wärme der Berührung hallte nach, als sie neben Sam auf der schwarzen Ledercouch Platz nahm.

Bruno, der Aufnahmeleiter, saß in einem tiefen Designer-Ledersessel.

»Danke, dass ihr gekommen seid.« Jonas lehnte sich mit der Hüfte an seinen Schreibtisch und blieb ihnen gegenüber stehen. Er trug eine dunkelgraue Hose und ein schwarzes Longsleeve. Dezent, minimalistisch. Unter dem schwarzen, eleganten Parka waren ihr seine breiten Schultern schon aufgefallen. Jetzt erkannte man noch klarer, dass sein Körperbau etwas von einem Schwimmer hatte.

Sam nickte. »Um was geht es genau?«

»Um den Pitch eines englischen Musikproduzenten. Das Label möchte mit seinen Künstlern den europäischen Markt aufmischen. Deshalb wollen sie auch eine Produktion, die in Europa sitzt. Drei deutsche Filmproduktionen sind im Rennen. Eine davon wir. Jeder Produzent hat einen Newcomer, einen Song und ein Briefing bekommen. Leider erst heute Mittag. Wir haben fünf Tage. Dieser Pitch soll viral gehen, deshalb die Spielerei und der Wettkampf.«

Das war knapp, so viel war klar. Wenn man die Vorbereitung nahm. Dann der Dreh an sich, plus die Endfertigung mit Postproduktion und allem Pipapo.

»Das ist das vorläufige Konzept.« Jonas nahm einige Unterlagen vom Schreibtisch und reichte sie Sam. »Wir haben Connor Scott mit seinem neuen Song. Ein Singer-Songwriter, gebürtiger Engländer mit deutschen Eltern. Ein bisschen Ed Sheeran mit mehr Charakter in der Stimme.«

Maria linste in das Handout, als Sam die Mappe aufschlug. Oben rechts war das Logo von mavicord aufgedruckt. Also hatten Jonas und seine Leute das Drehbuch entworfen. Ein Storyboard, in dem man in kleinen Rechtecken handgezeichnete Skizzen der geplanten Szene erkennen konnte. In der jeweiligen Einstellungsgröße, mit Pfeilen versehen, falls es sich um eine Kamerafahrt oder einen Schwenk handelte. Neben den Skizzen standen eine Kurzbeschreibung und die dazu geplante Songzeile.

Abgesehen von einem Mastertake des Musikers, der mit seiner Gitarre am Spreeufer des ehemaligen Zollhafens saß, gab es zwei weitere Parallelgeschichten. Eine zeigte, wie eine junge Frau in einem Club mit einem Kerl tanzte. In der zweiten fuhr die Frau in einem Wagen, bis sie am Ende samt dem Auto in den Fluss jagte.

Die drei Stränge wurden im Schnitt miteinander verwoben. Klassischer Aufbau, doch mavicord setzte oft auf neue Montage-Ideen oder spezielle Kameraperspektiven. An der Qualität des Clips zweifelte Maria keine Sekunde, selbst wenn die kurze Vorbereitungszeit happig schien.

»Fünf Tage sind knapp«, erwähnte Sam. Er deutete auf die letzte Seite und die Skizze des in den Fluss stürzenden Autos.

Jonas nickte. Sein Blick streifte ihren.

Ein Stunt – Auto in Wasser. Dabei gab es viele Unberechenbarkeiten. Das war kein normaler Tauchgang, das war der pure und klare Kampf mit der eigenen Urangst. Allein dort unten konnten selbst die Taucher, die grundsätzlich bei so einer Stuntszene anwesend sein mussten, nicht helfen.

»Bedeutet – ihr möchtet so schnell wie möglich drehen?«, fragte Sam.

»Übermorgen«, Maria deutete mit dem Zeigefinger auf das geplante Produktionsdatum, das oben links auf der ersten Seite prangte.

»Wie wollt ihr das anstellen?« Sam warf das Storyboard schwungvoll auf den Tisch vor sich, bevor er die Hände hinter dem Kopf verschränkte. »Was ist mit dem Auto?«

»Ist alles geregelt«, betonte Bruno. »Wir haben viel Geld in die Hand genommen.«

»Du kannst so viel Scheißgeld in die Hand nehmen, wie du willst!« Sams Stimme schnitt in Brunos Worte wie ein zackig geworfenes Messer. »Wenn da einer meiner Leute drinsitzen soll. Dann baue ich das Teil persönlich noch mal auseinander, darauf kannst du dich verlassen. Und dafür brauche ich Zeit.«

Gerade als Bruno hochrot anlief, um zu einem Konter anzusetzen, nickte ihm Jonas kurz zu. Eine knappe Geste, die seinen Aufnahmeleiter sofort verstummen ließ.

In Marias Magengegend kroch ein mulmiges Gefühl. Sie fand Jonas mysteriös und spannend, keine Frage. Aber es gab Augenblicke, die sie irritierten. So ein Macht-Geplänkel fand sie seltsam. Diese Mikrogeste, die erschreckender und deutlicher erschien als eine eindeutige, ausgesprochene Warnung. Auch wenn es eher von Bruno ausging, hier einen auf dicke Hose zu machen. Eine Handbewegung und das Volk gehorchte, das passte nicht in Marias Wertvorstellung. Eine Demonstration seines Status, mehr nicht. Interessieren würde sie, wie Jonas zu dieser Macht gekommen war. Noch nie hatte sie erlebt, dass er ausgerastet war oder ihn streng mit seinen Leuten sprechen hören. Sicher, er war der Chef, doch das konnte nicht der alleinige Grund sein.

»Wir machen das so, wie Sam es möchte.« Jonas zog die Augen zu Schlitzen zusammen, und Maria war froh, nicht im Zentrum seiner Aufmerksamkeit zu stehen.

»Was für ein Wagen?«, fragte Sam mürrisch in Brunos Richtung.

»Ein BMW.«

»Eine Limousine?«

Bruno nickte.

»Wie ist er präpariert?« Sams Stakkatofragen trieben Bruno in die Enge. Aber es ging gar nicht darum, ihn persönlich in die Pfanne zu hauen. Sam hatte recht. Ein Stunt wie dieser barg nicht nur unschätzbare Risiken, es war auch eine Mammutaufgabe, so etwas zu organisieren. Der BMW musste komplett sauber sein. Kein Benzin, kein Öl. Völlig entkernt. Wenn er noch rollen sollte, brauchte er einen extra Tank, zur Not mit Salatöl befüllt. Der Umweltschutz musste zustimmen, die ganze Sache abnicken. Jemanden von der Behörde in Berlin so schnell zu mobilisieren, das ging einzig über Kontakte oder Vitamin B, nicht über Geld. Und Jonas wusste, dass Sam dieses Know-how hatte und vor allem die Kontakte. Sams Stärke war das Vernetzen, er kannte die Branche aus dem Effeff. Haarklein erklärte er Jonas und Bruno, was im Vorfeld mit dem Auto geschehen sollte, bevor er einen seiner Leute unter Zeitdruck da reinsetzen würde.

»Und?« Jonas Augen blitzten ihr entgegen.

»Was?« Sie war aus den Gedanken gerissen und erschrocken darüber, dass nach Sams klaren Worten plötzlich alle Blicke auf sie gerichtet waren.

»Würdest du es machen?«, fragte Sam nach. In seiner Miene erkannte sie sofort die unterschwellige unheilvolle Nuance. Er legte den Kopf schief und runzelte die Stirn. Sam mochte solche schnellen Nummern nicht, andererseits war mavicord ein großer Auftraggeber der Stuntcrew.

Sie nickte schon, bevor ihre Lippen zu einem klaren Ja ansetzten. Die Rebels schafften das. Sie würden den aufwendigen Stunt rocken, kein Thema. Ob sie Respekt davor hatte? Natürlich. Der war wichtig, vor jedem Job. Doch sie hatte das beste Team der Welt.

Sams Augenbrauen zuckten resigniert nach oben.

»Wie sieht’s aus, Sam? Wollen wir morgen ein Konzept ausarbeiten? Oder lieber jetzt gleich?« Obwohl Jonas die Frage direkt an ihren Freund richtete, lag sein Blick noch auf ihr.

»Sofort, wenn’s recht ist.« Das Zittern in Sams Stimme zog Marias Fokus zu ihm. Mit geschlossenen Augen legte er Daumen und Fingerkuppen an die Schläfen und massierte sie.

»Gibt es hier Cola light?«, fragte sie leise.

»Ist okay, Maria.« Sam winkte ab.

Doch sie wusste, dass er rasende Kopfschmerzen bekam. Damit hatte er immer zu kämpfen, sobald der Stress zunahm oder der Druck zu groß wurde. Sam übernahm sich regelmäßig. Und da halfen weder Schmerztabletten noch Ruhe. Skurrilerweise aber Cola light.

»Unten steht ein Getränkeautomat, im Kameralager.« Bruno klang fast gehässig.

»Alles klar.« Maria sprang auf.

»Ich bring dich hin.« Jonas’ Stimme floss wie warmes Massage-Öl über ihre Haut und hinterließ dort ein aufgeregtes Prickeln, das von ihrer Stirn bis zu ihren Zehen reichte.

Sie nickte und lief hinter ihm aus dem Raum. Dabei fiel ihr auf, dass er ihr nicht die Tür aufhielt. Irritierend, denn es passte nicht zu seinem sonst so galanten Auftreten. Sie beeilte sich, ihm die Wendeltreppe nach unten zu folgen. Am Empfang saß niemand mehr, nur in den Schnitträumen, in die man durch verglaste Türen einen Blick werfen konnte, arbeiteten Cutter und Autoren vor flackernden Bildschirmen.

»Was hat es mit der Cola light auf sich?«, fragte Jonas.

»Sam ist sehr kontrolliert, was Fitness und Ernährung angeht, aber mit Cola light bekommt man ihn.« Dass Sam zu Migräne tendierte, wenn er zu viel arbeitete oder Stress hatte, ließ sie gezielt aus.

Am Aufzug angekommen, hielt Jonas seinen an einem Schlüsselbund befestigten Transponder an die Kontaktstelle der Anzeigetafel, woraufhin das Licht aufleuchtete.

»Ihr kennt euch sehr gut«, erwähnte er beiläufig, als sich die Türen des Aufzugs zischend öffneten. Diesmal ließ er sie sogar vorgehen.

Kurz haderte sie, ob es sich bei der Aussage um eine versteckte Frage handelte. Ob Jonas herausfinden wollte, ob sie und Sam privat ein Paar waren. Und das war auf mehr als einer Ebene seltsam, schließlich redeten sie zum ersten Mal einfach so miteinander. Außerdem hatte er es sogar auf diese Situation angelegt. Und wieder stob da dieser Eindruck auf, dass in diesem Mann mehr steckte als diese unnahbare Kühle.

»In diesem Job ist es wichtig, dass man sich sehr gut kennt.« Sie lächelte ihn kurz an, bevor sie sich an dem silbernen Geländer anlehnte. Die Vorstellung, ihm im Falle einer versteckten Frage keine klare Antwort gegeben zu haben, gefiel ihr. Ein bisschen fühlte es sich an wie der Beginn eines Spiels. Frage-Antwort-Poker.

»Warum habt ihr euch nichts Einfacheres einfallen lassen? Das Drehbuch, die Idee, meine ich. Ihr hättet es euch leichter machen können.« Sie versuchte so locker wie möglich zu klingen, obwohl ein Schweißtropfen zwischen ihren Brüsten nach unten rollte, der auf ihrer Haut kitzelte.

Sein linker Mundwinkel zuckte nach oben, bevor er sich erst dem Boden zuwandte und sie dann ansah. Und allein dieser Blick erweckte ein Endorphinfeuerwerk in ihr.

»Ich tue nichts, nur weil es leicht ist. Wäre langweilig. Oder nicht?«

Seine Stimme, die Betonung der einzelnen Worte. Diese durchdringende Art, sie anzuschauen. Die Atmosphäre in der Fahrstuhlkabine prickelte aufgeladen.

»Kommt darauf an, denke ich.« Sie hielt ihm stand und wagte nicht einmal zu blinzeln, bis er wieder zu den leuchtenden Knöpfen blickte. Pures Sex-Kopfkino strömte durch ihre Gedanken. Eine Explosion an Was-wäre-wenn-Bildern. Sie verschränkte die Arme vor dem Körper und hoffte, dass er ihr nicht ansah, wie nervös er sie machte.

Der Signalton des Fahrstuhls ertönte.

Jonas ging vor und deutete auf einen Getränkeautomaten, der im Flur vor sich hinbrummte. Entgegen ihrer Hoffnung herrschte hier unten gähnende Leere. Kein Kamerateam, keine Angestellten. Das schummrige Licht des Automaten beleuchtete gerade mal die kahle Betonwand. Raum für weitere erotische Fantasien.

Sie fummelte ihr Portemonnaie aus der engen Tasche der Lederjacke und versuchte dabei ihr Smartphone nicht herunterwerfen. Mit zitternden Fingern steckte sie schließlich etwas Kleingeld in den Geldschlitz, bevor sie die Taste für Cola light drückte und eine Flasche mit Gepolter in der Auffangschale landete.

Sie spürte Jonas’ Blick im Rücken. Beeindruckend, dass sie in ihrem Job perfekt funktionierte, aber hier und jetzt vollkommen verloren schien in der inneren Aufregung.

»Wir haben noch nichts gegessen. Ihr?«, fragte Jonas.

Sie wandte sich ihm zu und schüttelte den Kopf. Momentan schien ihr Hunger wie weggeblasen, aber faktisch hatte sie seit heute Morgen nichts in den Magen bekommen.

»Wollen wir was bestellen?« Er ging zurück zum Fahrstuhl und hielt den Transponder an die Schaltfläche.

»Gern.«

Es tat gut, dass er auf erfrischende Weise unkompliziert mit ihr sprach. Sie folgte ihm in den Aufzug und lehnte sich an das Geländer. Die eiskalte, beschlagene Flasche in ihrer Hand jetzt an ihren überhitzten Nacken zu halten, kam ihr gerade sehr verführerisch vor.

»Es gibt einen Italiener, hier um die Ecke.« Er zog die Stirn in Falten.

»Klingt ziemlich gut.« Sie lächelte, während sie den von der nassen Flasche feuchten Daumen über ihren rasenden Puls am inneren Handgelenk gleiten ließ.

Jonas’ Blick haftete auf ihren Lippen. Kurz blitzte in seinen Augen etwas auf, das gelöst wirkte. Als ob sie ihn mit ihrem Lächeln und der knappen Antwort überrascht hätte.

»Mich bekommt man mit Limonade. Aber warum die Beruhigungs-Cola für Sam?« Er spielte auf die Tatsache an, dass Sam selten nervös wurde. Die Rebels hatten einen Ruf, der auf Professionalität und Erfahrung beruhte.

Mit einem Zischen öffneten sich die Türen, und diesmal ging Maria vor. »Ist das nicht ein Widerspruch in sich?« Ihr Grinsen wurde breiter. »Die Cola mit Beruhigungs-Funktion, meine ich.«

Wieder loderte ein Funkeln in seinen Augen auf. Als würde ihm diese Art von Spiel gefallen. Die Lockerheit darin.

Flirteten sie?

»Ist der Stunt gefährlich?« Er ging nicht auf die Frage ein, die ihm ein kurzes, fast unscheinbares Lächeln auf die Lippen gelegt hatte. Wie ein scheues Aufflackern eines Gefühls, das er selten zur Schau trug.

»Sam wird euch alles erklären. Er ist der Fachmann. Meine Meinung tut da nichts zur Sache, Jonas.« Seinen Namen auszusprechen und das sogar zum ersten Mal, fühlte sich sinnlich an. Kurz haderte sie, ob das zu frech war. Andererseits …

Kurz bevor sie die Türklinke ergreifen konnte, landete seine Handfläche neben ihr am Rahmen. »Deine Meinung tut sehr viel zur Sache.« Er stand so nah hinter ihr, dass sie nur an seinen Kragen greifen müsste, um ihn zu sich zu ziehen. Es wäre eine regelrechte Explosion aufgestauter und impulsiver Lust.

Ihr Atem stockte, und sie legte eine Nuance Misstrauen in ihren Blick, bevor sie ihn ansah. Nein, er brauchte sie nicht. Und auch ihre Meinung nicht. Er hatte von allem genug.

Ein dumpfer Brummton zerrte sie in die Realität zurück.

Jonas zog sein Smartphone aus der Hosentasche und sah auf das Display. »Sorry.« Er nahm den Anruf entgegen, ging ein paar Schritte zurück und nickte ihr kühl zu. »Ist wichtig.«

Abrupt wurde die Tür geöffnet. Bruno stand vor ihnen und musterte sie irritiert.

Beides. Jonas sachliches Umschaltvermögen auf den Anruf und Brunos Auftauchen fühlten sich an wie eine eiskalte Dusche.

Mit dem Smartphone am Ohr ging Jonas an ihr vorbei in das Büro. Als würde sie wie eine Marionette gelenkt, folgte sie ihm. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, gab sie Sam die Cola light und setzte sich neben ihn. Den Kronkorken hebelte er mit seinem Schlüsselanhänger von der Flasche, bevor er einen tiefen Schluck nahm. Maria beobachtete die einzelnen Handgriffe, als wäre das ein rettender Anker für ihre Aufmerksamkeit. Unmöglich, sich jetzt Jonas zuzuwenden.

Irgendwie fühlte sie sich sogar peinlich berührt, als hätte sie die Situation vollkommen falsch eingeschätzt.

»Danke«, sagte Sam, der sich so auf die Männer konzentrierte, dass ihm ihre Verwirrung offensichtlich entging. Oder sie wahrte besser Haltung, als sie dachte. »Wir sollten Maria nach Hause gehen lassen. Sie hatte einen langen Tag und die Vorbereitung kann ich mit euch machen.«

Normalerweise hätte sie protestiert, weil sie Sam nicht allein die Arbeit erledigen lassen wollte. Doch diesmal kam ihr der Vorschlag gelegen.

»Natürlich, wir rufen dir ein Taxi.« Jonas legte auf und nickte Bruno zu, der daraufhin sein Smartphone zückte.

»Bist du sicher, Sam?«, fragte sie. Eine Pro-forma-Frage. In ihr tobte ein bizarrer Mix aus: Was ist eben passiert? Und wie konnte ich es nur so falsch deuten? Sie schämte sich dafür, so schnell auf Jonas angesprungen zu sein. Es gab sicher zig Frauen, die ihn umschwärmten, und sie war keine Frau für solche Männer. Nicht ihr Typ Mann. Zu egozentrisch, zu ambivalent, zu wankelmütig – jemand, der schnell umschalten konnte. Und sie war sich schlicht zu schade für so einen Kerl.

»Komm, hau ab, es war ein langer Tag.« Sam sah müde aus. »Danke für die Coke.«

Als sie sagen wollte, dass sie kein Taxi brauchte, fuchtelte Bruno mit der Hand herum. Wahrscheinlich um ihr zu bedeuten, dass er längst ein Taxiunternehmen an der Strippe hatte.

Gott! Hatten die allesamt kein Benehmen?

Sie stand auf und verabschiedete sich knapp. Ihr plötzlicher Aufbruch kam vermutlich einer Flucht gleich, egal. Nur raus hier.

3. Kapitel

Als sie allein im Fahrstuhl stand, atmete sie tief durch. Es roch nach Jonas. Vielleicht schwirrten noch zig Pheromone oder sein Testosteron in der engen Kabine umher. Was genau, konnte sie nicht sagen. Eigentlich mochte sie den Geruch. Frisch, herb, holzig, sehr präsent. Nicht süß, eher wie Rosmarin oder Sandelholz. Einnehmend. Wenn man das über einen Duft behaupten konnte, dann schien dieser hier fast arrogant, überheblich und trotzdem sinnlich. Warum fühlte sie sich zu so etwas hingezogen?

Sobald sich die Türen zischend öffneten und die kühle Nachtbrise in die Kabine drang, verschwand der Geruch. Mindestens genauso schnell, wie Jonas seine Contenance wiedergefunden hatte.

Vorne an der Straße wartete ein Taxi. Während Maria die Tür aufzog und auf den kalten Ledersitz rutschte, klingelte ihr Smartphone. Sie nannte dem Fahrer hastig ihre Adresse und nahm den Anruf entgegen.

»Alles in Ordnung, meine Süße?« Im Hintergrund lief Jazz. Sarahs bevorzugter Musikstil.

Augenblicklich erinnerte Maria sich an das Atelier und die Wärme des Holzofens darin. An kühle Regentage, an denen ihre Mutter Kakao gemacht hatte und sie danach einen Sahnebartvergleich erfunden hatten.

»Natürlich. Was gibt’s Neues?« Maria telefonierte alle paar Tage mit ihren Eltern. Meist riefen die beiden an.

»Arthur stapelt seit Stunden Holz, und ich habe Zeit für mein Specksteinprojekt. Es ist für die Kunsthalle in Wien.«

»Er stapelt Holz?«, fiel sie Sarah ins Wort.

»Ja, draußen am Unterstand«, erklärte diese perplex.

»Ich weiß, wo er normalerweise Holz stapelt.« Maria beobachtete, wie der vor Haargel schimmernde Pferdeschwanz des dunkelhaarigen Taxifahrers hin und her wippte, während er an der Kreuzung auf freie Fahrt wartete. Es sah fast so aus, als schaute er ein rasantes Tennismatch.

»Aber die Tatsache, dass ihr Holz besorgt habt, lässt darauf schließen, dass ihr den Ofen wieder befeuern möchtet.«

»Ja, natürlich. Auch wenn wir erst Herbst haben, wird es irgendwann Winter«, antwortete Sarah irritiert.

Maria seufzte mit einem Lächeln auf den Lippen. »Habt ihr den Abzug diesmal von einem Schornsteinfeger prüfen lassen?« Sie betonte das Wort diesmal sehr deutlich, weil sie sich noch an das Befeuern im letzten Jahr erinnerte.

»Der Abzug ist frei.« Sarahs Stimme nahm einen liebevoll bemutternden Ton an.

In dem Moment hörte Maria, dass Arthur kam. Er keuchte schwer, bevor er mit tiefer Stimme in Richtung Hörer rief, wann sie sich endlich mal wieder blicken lassen würde.

»Du hattest tagelang keine Augenbrauen«, erinnerte Maria Sarah an den kleinen Unfall, den sie aufgrund einer ziehenden Schlotwirkung eines verstopften Kaminabzugs und einer Stichflamme gehabt hatte.

»Erinnere mich nicht daran«, betonte Sarah.

»Die Augenbrauensache?« Arthur feixte im Hintergrund.

»Ich weiß nicht, was ihr habt, das hätte euch genauso passieren können«, erklärte Sarah wenig überzeugend.

Maria verkniff sich ihr Lachen. Ihre Mutter war chaotisch, hochkreativ und liebenswert. Arthur kam ruppig rüber, aber in den Tiefen seines Herzens war er weich wie Butter. Die beiden ergänzten sich perfekt.

»Wahrscheinlich hätten wir uns damals solidarisch alle die Augenbrauen abrasieren müssen«, sagte Maria. Was ein Familienfoto es wohl geworden wäre, wenn sie das in die Tat umgesetzt hätten, samt Kakao-Sahne-Bart auf den Oberlippen?

»Ja, das wäre wenigstens mitfühlender gewesen als eure Lachsalven«, meinte Sarah belustigt.

Die augenbrauenlose Zeit bildete nur eine von zig Anekdoten, die Marias Herz seit ihrer Ankunft bei ihren Pflegeeltern wie warme Zuckerwatte umwoben. Sarah und Arthur hatten auch schon damals auf einem alten Dreiseitenhof in Weidenberg, einem Ort in Oberfranken, gelebt. Der Hof war eine Mischung aus Villa Kunterbunt und Zeltlager. Sarah arbeitete in einer alten Scheune, die zu einem Atelier umgebaut war. Dort versank die Bildhauerin stundenlang in kreativen Schüben. Arthur arbeitete hingegen als Architekt. Die beiden nahmen regelmäßig Pflegekinder auf. Alle nur für eine gewisse Zeit, bevor sie weitervermittelt oder wieder in ihre Ursprungsfamilien eingegliedert wurden. Doch Maria war geblieben. Sarah und Arthur hatten sie liebevoll großgezogen. Sie zu ihrem ersten Judo-Kurs begleitet und gespürt, dass Maria den Sport brauchte, um sich zu fühlen. Als wäre das ein Ventil.

Woher Maria ihren Vornamen hatte, wusste sie nicht. Aber mit sechzehn Jahren bekam sie den Nachnamen Laurenz. Ab diesem Zeitpunkt galt offiziell, was in ihrem Herzen schon jahrelang festgestanden hatte: Sarah und Arthur waren ihre Herzeltern. Auch wenn die räumliche Distanz seit Abbruch des Studiums groß schien, hatten die beiden Marias Entscheidung für Berlin akzeptiert.

»Ich will, dass du an dich glaubst. Wir stehen hinter dir. Und wenn du nach Hause möchtest, sind wir da.« Das hatte Arthur damals zu ihr gesagt, als sie ihm mit pochendem Herzen von ihrem Wunsch erzählt hatte, das Studium abzubrechen. Die beiden gaben ihr Freiheit, genauso wie Sicherheit und Wärme. Für sie war Maria ein Wunsch-, kein Findelkind. Ein Geschenk, kein Pool fremder Gene.

»Also, wie geht’s dir, Kleines?«, fragte Sarah.

»Gut, alles in Ordnung.« Maria beobachtete, wie die Lichter Berlins am Taxifenster vorbeihuschten. Es hatte keinen schöneren Ort gegeben als ihr Elternhaus. Trotzdem suchte sie nach Freiheit. Seltsam, wenn man in einem nach Tannennadel-Wunderbaum duftenden Taxi zwischen Betonbuchten durch eine Großstadt fuhr. Und das momentan als Freisein definierte. »Wann ist die Ausstellung in Wien?«