... aber nicht um jeden Preis - Werner Gross - E-Book

... aber nicht um jeden Preis E-Book

Werner Gross

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Beschreibung

Wo kein Geld ist, ist Druck: Man arbeitet immer mehr und härter für die Karriere oder überhaupt den Arbeitsplatz. Aber wie viel können wir ertragen? Wie können wir die Arbeit nicht nur durchstehen, sondern Spaß daran haben und Sinn darin sehen? Wo kann man etwas verändern? Wo muss man sich entscheiden, ob man weiter mitmachen will? - Werner Gross zeigt, wie wir einen guten Weg finden.

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Seitenzahl: 220

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Werner Gross

… aber nicht um jeden Preis

Karriere und Lebensglück

Impressum

Titel der Originalausgabe: … aber nicht um jeden Preis

Karriere und Lebensglück

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2013

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlagkonzeption: Agentur RME Roland Eschlbeck

Umschlaggestaltung: Verlag Herder

Umschlagmotiv: © VRD – Fotolia.com

Foto Werner Gross: © privat

E-Book-Konvertierung: epublius GmbH, Berlin

ISBN (E-Book): 978-3-451-80463-2

ISBN (Buch): 978-3-451-06591-0

Für die Mitarbeit an dem Buch bedanke ich mich herzlich bei Andreas Goshöfer-Neubert und Ute Kallenbach, die mir an vielen Stellen weitergeholfen haben, wenn die Arbeit am Buch mal wiederstockte und Vorlagen für ganze Textpassagen eingebracht haben.

Inhalt

Prolog: »Work-Life-Balance« oder: Die Kosten des beruflichen Erfolgs

1. Karriere und Lebensglück: Die Janusköpfigkeit der beruflichen Entwicklung

Was man davon hat: Erfolg, Geld, Macht, Herausforderung, Ehre, Glück …!?

Die Mühen des Aufstiegs oder: Was es bedeutet, sich nach oben zu boxen

Gut auf dem Weg: Mit Wissen, Können, Erfahrung und Herz?

Frauen und Karriere

Familie und Beruf: Der große Balanceakt

2. Berufswelt mit Risiken und Nebenwirkungen

Arbeit ist das ganze Leben: Arbeitssucht

Angst essen Leistung auf – über ein im Job verdrängtes Gefühl

Das Herz schlägt zurück: Karrierekrankheiten

Erst Feuer und Flamme, dann ausgebrannt wie ein Strohfeuer: Burnout

Das große Gähnen: Boreout-Syndrom

»Du brauchst keine Feinde, wenn du Kollegen hast«: Mobbing

3. Auswege und Hilfen: Innenweltschutz und Neuland

Selbstwert: Wie wir werden, was wir sind

Vom äußeren Erfolg zur inneren Befriedigung – wie man sich den Job zurechtbiegt

Coaching: Psychohilfe für die Karriere

Sabbatical: Ausstieg auf Zeit

Job-Nomaden und Expatriates: Dem Beruf hinterherziehen

Downshifting: Das ganz andere Leben, der ganz andere Job

Abgesang: Vom Leben neben der Karriere und danach

Anmerkungen

Literatur

Prolog: »Work-Life-Balance« oder: Die Kosten des beruflichen Erfolgs

»Ob es besser wird,

wenn es anders wird,

weiß ich nicht.

Dass es aber anders werden muss, 

wenn es besser werden soll,

weiß ich.«

Georg Christoph Lichtenberg

Die internationalisierte Wirtschaft und das globalisierte Arbeitsleben stellen sich derzeit dar, als wäre im Wilden Westen eine riesige Herde Bisons in Bewegung geraten und donnerte jetzt außer Rand und Band durch die Prärie. Wer sich ihr entgegenstellt, nicht in der richtigen Geschwindigkeit mitstürmt oder keine Nische findet, in die er sich flüchten kann, wird überrollt. Und das trifft für Manager genauso zu wie für Verwaltungsangestellte, Lehrer, Erzieher, Banker und Handwerker.

Wer bremst, verliert

Konkret heißt das: In Zeiten von Globalisierung, Umstrukturierung, Effizienzorientierung und vor allem Krise nahm und nimmt die Geschwindigkeit in fast allen Berufsfeldern zu – und damit der Arbeitsstress. 60 Arbeitsstunden pro Woche sind nicht mehr die Ausnahme und auf manchen Karrierestufen die Regel.

Die Folge: Der Kampf um den angenehmen und gut bezahlten Job wird immer härter, die Konkurrenz immer größer. Je nach Unternehmenskultur wird in einem Betrieb mit offenem Visier rivalisiert – zum Teil bis aufs Messer –, während in der Firma nebenan Fußangeln ausgelegt, Fallen gestellt werden und mit Häme reagiert wird, wenn einer durch die Falltür zwei Stockwerke nach unten saust. Das Ergebnis: Die Halbwertzeit der Berufspositionen wird immer kürzer. So werden aus Berufen »Jobs«. Kurz getaktete »Lebensabschnittjobs« werden die Regel und die Fluktuation wird immer höher.

»Multi-Jobber« und globales Roulette

Wer heute einen Job hat, klebt aus Angst vor Arbeitslosigkeit daran – selbst wenn er gar nicht damit zufrieden ist. Und das ist besonders schlimm für Berufseinsteiger, die es immer schwerer haben, einen Zugang zur Berufswelt zu finden – egal, ob sie eine Lehre hinter sich haben oder ein Studium. Aus lauter Verzweiflung reihen die Einsteiger mies bezahltes Praktikum an mies bezahltes Praktikum (wenn überhaupt dafür Geld bezahlt wird), einfach um Berufserfahrung vorweisen zu können. So werden sie zu »Multi-Jobbern«, die flexibel auf jedes Angebot reagieren. »Man kriegt den Fuß nur irgendwo rein, wenn man erst mal die Lakaienarbeit macht«, sagt ein 38-jähriger Architekt und Stadtplaner, der – weil er im erlernten Beruf nicht genug verdiente – seit über elf Jahren bei IKEA jobbt.

Heute wird zudem weltweit verglichen. In Zeiten der Globalisierung steht ein deutscher Ingenieur im Vergleich mit einem Polen, einem Ukrainer, einem Inder oder einem Chinesen. Und wenn ein chinesischer Ingenieur im Monat nur 300Euro verdient, verdient der deutsche mehr als das zehnfache. Ist der Deutsche auch zehnmal so gut? So effektiv, einsatzbereit, ideenreich, mobil und flexibel?

Die Devise in der Wirtschaft heißt längst nicht mehr »going global«, sondern »being global«. Und die Globalisierung wird unaufhörlich perfektioniert. Und mit der Arbeitsgeschwindigkeit rast die Lebensgeschwindigkeit. Und immer höhere Geschwindigkeiten haben einen ständig größer werdenden Einfluss auf unser alltägliches Leben – auf das Berufsleben und das Privatleben.

Wer schneller lebt, ist früher fertig

Unter den Managern, dem Personal auf den Führungsebenen und den höheren Angestellten, aber längst auch unter den mittleren Angestellten und ohnehin unter den Selbstständigen und all den Menschen, die pflegend oder pädagogisch tätig sind, ist eine stetige Zunahme seelischer und psychosomatischer Erkrankungen zu verzeichnen: Nicht nur die als »Managerkrankheiten« schöngeredeten Herz-Kreislaufprobleme, die Magenschleimhautentzündungen und vegetativen Dystonien, sondern auch die schwereren psychosomatischen Krankheiten, die Herzinfarkte und Nervenzusammenbrüche nehmen zu. Außerdem steigen seelische Erkrankungen wie Depressionen, Ängste und Suchterkrankungen. Das Thema »Burnout« ist wieder in aller Munde.

Können wir überhaupt noch eine haltbare Work-Life-Balance erreichen?

Keiner weiß, wo die Entwicklung hingeht und wo wir – wenn es so weitergeht – landen werden. Das Einzige, was wir wissen, ist: Die Effizienzoptimierungen weiten sich aus, die Geschwindigkeit und die Arbeitsanforderungen nehmen immer weiter zu.

Aber wo ist die Grenze? Wie viel können wir, kann unser Körper, kann unsere Psyche ertragen? Wann ist das Maß voll – bei diesem globalen Feldexperiment am Menschen?

Karrierekrisen und Arbeitsstress

Es grassiert die Angst. Nicht nur die hochbegehrten Karrierejobs, auch die ganz normalen Arbeitsplätze sind inzwischen auf dem Prüfstand – vom Angestellten, über die Verkäuferin und dem Handwerker bis hin zum Manager. Jeder sieht sich steigenden Arbeitsanforderungen gegenüber, und wer kann noch annehmen, dass sein Job sicher ist?

Da immer weniger Menschen immer mehr Arbeit leisten müssen, nehmen die seelischen und körperlichen Belastungen in vielen Betrieben zu. Die Mitarbeiter fühlen sich chronisch überfordert, demotiviert, einseitig beansprucht und zeigen die oben genannten psychischen und psychosomatischen Beschwerden. Das erinnert an ein amerikanisches Sprichwort »If you can’t stand the heat, stay out of the kitchen« –»Wenn du die Hitze nicht aushalten kannst, halt dich raus aus der Küche«. Die Frage ist nur, wo gibt es noch Plätze außerhalb der Küche, bei denen man ein ausreichendes Einkommen erwirtschaften kann?

Nur wenige erleben diese wirtschaftlichen Umbruchzeiten, in denen wir uns derzeit befinden, denn auch als Chance. Viele Karrieren geraten ins Trudeln: Wirtschaftskrisen sind eben auch fast immer Karrierekrisen. Die Zeiten sind unsicherer denn je.

Längst ist die Zeit vorbei, wo man im Crash-Kurs die Karriereleiter hinaufhechten konnte. Im Gegenteil: Mancher, der sich schon sicher im siebten Karrierehimmel wähnte, knallt ziemlich unsanft auf den harten Boden der Arbeitslosigkeit. Und noch viel mehr Menschen haben Angst nicht nur vor diesem Schicksal, sondern auch vor der Zunahme von Arbeitsstress, der härter werdenden Konkurrenz und nicht zuletzt den körperlichen und psychischen Karriereleiden. Schließlich: Wer kann es sich heute noch leisten, nicht erfolgreich zu sein?

Die seelischen Kosten der Karriere

Vor über 20 Jahre begann ich, mich mit dem Thema »Seelische Kosten der Karriere« zu beschäftigen. Damals war das noch ein Exotenthema, mit dem sich kaum jemand auskannte. Mein Zugang war ursprünglich die Beschäftigung mit dem Thema »Arbeitssucht«.1 Dann merkte ich bei meiner psychotherapeutischen Arbeit am Psychologischen Forum Offenbach (PFO) mit vielen Berufstätigen aus allen Hierarchieebenen, vor allem aber mit Führungskräften, dass viele der Probleme von so genannten Workaholics mit dem Begriff Arbeitssucht viel zu eng gefasst sind, und ich suchte nach einem neuen Begriff, der die Probleme der »High performer« und der »Portfolio-Virtuosen« am besten beschreiben würde. So kam ich zu der Formulierung »Seelische Kosten der Karriere«.

Für den Berufsverband Deutscher Psychologen (BDP) führte ich Ende der 1990er Jahre mehrere große Tagungen zu dem Thema durch.2 Damals war das Ziel, dem Phänomen, dass man für seine berufliche Karriere auch körperlich und psychisch zahlt, überhaupt zu öffentlicher Aufmerksamkeit zu verhelfen.

Längst ist das Thema allgemein akzeptiert. Heute geht es vor allem darum, wie man die seelischen Kosten des hohen Einsatzes für den Beruf und womöglich für den Aufstieg vermeiden oder wenigstens minimieren kann. Genauso wichtig: Wie kann man Karriere und Arbeitsalltag so gestalten, dass man diesen Weg nicht nur durchsteht und Geld verdient, sondern auch noch Spaß daran hat und einen Sinn darin sieht?

»Smart Career«: Die Kunst, einen schweren Job leicht zu nehmen

Dieses Buch handelt letztlich von dem Verständnis, dass eine gesunde und langfristig erfolgreiche berufliche Karriere kein Sprint ist, sondern ein Marathon. Man muss seine Kräfte gut einteilen, um langfristig Karriere zu machen. Ob als Führungskraft oder Selbstständiger, als Angestellter oder Lehrer: Das Ziel ist der langfristig gelingende berufliche Weg – derjenige, der sich in guter Balance verbindet mit dem Leben außerhalb der Firma.

Was kann man tun, um die seelischen Kosten zu minimieren? Wo kann man etwas verändern? Wo muss man sich entscheiden, ob man weiter mitmachen will? Finden Sie den zu Ihnen persönlich passenden Weg, Ihre Balance. Dazu möchte ich Sie auf den nächsten Seiten begleiten.

Werner Gross

1. Karriere und Lebensglück: Die Janusköpfigkeit der beruflichen Entwicklung

»Die Arbeit läuft dir nicht davon, wenn du deinem Kind den Regenbogen zeigst.

Aber der Regenbogen wartet nicht, bis du mit der Arbeit fertig bist.«

Chinesisches Sprichwort

Ihr Ziel ist eine gelingende berufliche Entwicklung, eine Karriere, in der Sie nicht nur überleben, sondern auch in einer zu Ihnen passenden »Work-Life-Balance« leben können. Auch wenn heute berufliche Entscheidungen längst keine Entscheidungen mit Ewigkeitswert mehr sind (schließlich werden die Jüngeren unter uns im Laufe ihres Lebens drei bis fünf verschiedene Jobs machen), so sind sie immer auch zweischneidig. Wir sollten nicht nur am Anfang, sondern immer wieder genau hinschauen: Passt das (noch) zu mir?

Viel erlebt – nix kapiert?

Vielleicht merkt man erst in ein paar Jahren, wenn man Praktikum an Praktikum, Job an Job hinter sich hat, was man mit seinem Leben und seiner Zeit veranstaltet hat. Man hat vielleicht unterschiedlichste Berufsfelder kennen gelernt, ist in der Welt herumgekommen, hat mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun gehabt – aber war es das eigentlich, was ich wollte? Das, was mir gut getan hat? War ich nur ein Blatt im Wind, das von den Trends der Berufswelt und den zufälligen Chancen, die sich auftaten, hin- und hergeweht wurde? Oder habe ich mir vorher überlegt, was ich eigentlich mit meinem Leben wollte, und dieses Ziel wie einen Leitstern immer wieder anvisiert und mich gefragt, bin ich eigentlich noch auf dem richtigen Weg? Habe ich vielleicht viel erlebt, aber wenig kapiert?

Wer nicht zum Himmel schaut, sieht es nicht, wenn Wolken aufziehen

Ein – nicht untypischer – Fall aus meiner Arbeit am Psychologischen Forum Offenbach (PFO):

Ganz aufgeregt ruft mich vor einiger Zeit ein 32-jähriger Mann an: Er berichtet, dass er plötzlich Angstzustände bekommen habe und nicht mehr arbeiten gehen könne. Er ist Abteilungsleiter in einem großen Chemieunternehmen und gilt als »High potential«, dem man bis dahin eine großartige Karriere vorausgesagt hatte.

Und wirklich – bis dahin war seine Karriere ungebrochen. »Straight to the top« war seine Devise. Schnelle Beförderungen, Auslandsaufenthalte, »Benefits« jeder Art. Krisen war er nicht gewohnt. Auch die aktuelle Krise hatte ganz unscheinbar angefangen: Auf dem Rückflug von seinem Tauchurlaub auf den Seychellen sagte er zu seiner Partnerin: »Ich habe überhaupt keine Lust, wieder zu arbeiten. Am liebsten würde ich noch eine Woche krankmachen«. Er dachte sich nichts dabei.

Erst als er drei Tage später mitten in der Nacht mit Panikattacken, Herzrasen und Schweißausbrüchen aufwacht, anfangs unruhig in der Wohnung auf und ab läuft und später so massive Beklemmungen bekommt, dass er an die frische Luft muss, fällt ihm der Satz ausdem Flugzeug wieder ein: »Am liebsten eine Woche krankmachen.«

Die Situation ist in dieser Nacht so dramatisch, dass seine Partnerin den Notarzt rufen muss. Der stellt allerdings keine körperlichen Ursachen fest, sondern nur seelische. Die allerdings sind so massiv, dass der Betroffene das Gefühl des Kontrollverlustes über sein Leben hat. Er sieht seine gesamte Karriere, seinen zentralen Lebensinhalt, zusammenbrechen.

Die Panikattacken wiederholen sich, später auch am Arbeitsplatz. Er lässt sich ein paar Mal krankschreiben und kommt nach einer fast sechsmonatigen Odyssee durch diverse Arztpraxen zu mir ins PFO.

Man kann sagen: Weil der Klient selbst keine Grenzen setzt, haben sich seine Psyche und sein Körper verweigert und die Notbremse gezogen.

An dieser Stelle möchte ich nicht viel über den Hintergrund der Ängste des Patienten sagen. Sicher hat der Horror vor der Rückkehr zum Arbeitsplatz damit zu tun, dass das Unternehmen sich in einem permanenten Umstrukturierungsprozess befindet (wie derzeit viele Firmen) bei dem, neben der sowieso schon übermäßigen Arbeitsbelastung, Sitzung auf Sitzung, Beratung auf Beratung, Konferenz auf Konferenz stattfindet. Und der Klient hatte das Gefühl: »Ich muss zurück in diese Mühle, die mich langsam immer kleiner mahlt.«

Diese Geschichte ist durchaus kein Einzelfall. Sie begegnet mir im Coaching, in der Supervision oder in der Psychotherapie am PFO immer wieder – wenn auch mit unterschiedlichen Symptomen: Mal steht eine Depression im Vordergrund, mal Ängste, mal eine psychosomatische Krankheit, und mitunter ist es auch das, was man im allgemeinen Sprachgebrauch einen »Nervenzusammenbruch« nennt.

Und es trifft auch nicht nur »High potentials«: Schließlich bemisst sich beruflicher Erfolg nicht nur am Einkommen; die Arbeit, die Haupttätigkeit, mit der wir unseren Alltag strukturieren, ist nun mal eine wichtige Säule der Identität. Denn mindestens genauso wichtig wie der materielle äußere Erfolg im Berufsleben ist die innere Zufriedenheit mit der beruflichen Tätigkeit essenziell für ein gelungenes Leben. Nicht nur am Anfang des Weges, sondern immer wieder sollten wir uns fragen: »Was habe ich mir davon versprochen? Und was habe ich davon?«

Was man davon hat: Erfolg, Geld, Macht, Herausforderung, Ehre, Glück …!?

Benefits: Die Sonnenseiten des beruflichen Erfolges

Keiner wird über die positive Seite der Karriere streiten: Gehälter, die im sechsstelligen Euro-Bereich oszillieren, Prestige und Ansehen, das mehr oder weniger dezent seinen Niederschlag findet in großzügigen Büros, dem gestylten Loft in einer besseren Wohngegend, den guten Plätzen in den richtigen Restaurants, den exklusiven Urlauben und der angemessenen Art von gepflegtem Chaos. Und dann gibt es da diese manchmal nervöse, manchmal selbstsichere Gelassenheit, die den Erfolg mehr oder weniger gelungen in das Mäntelchen des Normalen, des Gewöhnlichen kleidet.

Allerdings – geschenkt bekommt man nichts auf der Karriereleiter. Und bis man erst mal auf der richtigen Ebene ist, kostet das viel Mühe. Dann wird in diesen Kreisen nicht so gern von »Macht« gesprochen, eher von »Gestaltungsmöglichkeiten« und »Verantwortung«. Der Erfolg wird erst dann – manchmal – zum Selbstläufer, wenn man auf der Erfolgsschiene gelandet ist. Allerdings bedarf es jeder Menge Schweiß und Selbstdisziplin, um das Erreichte halten zu können. Mitunter entsteht dann ein regelrechter Zwang zum Fleiß.

Allerdings, was da so schön im goldenen Licht des Erfolges und in den Augen der Sieger glänzt (oder auch nur in den Fantasien der anderen), hat auch ein paar Schattenseiten. Schließlich: Neid muss man sich erarbeiten, Mitleid gibt’s umsonst. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Neid die ehrlichste Form der Anerkennung ist.

Managergehälter: Verdienen sie, was sie verdienen?

Seit 2008 und vor allem seit Beginn der Weltwirtschaftskrise ist die Diskussion um die Managergehälter mal wieder in Gang gekommen: Verdienen sie eigentlich, was sie verdienen? Ist es gerechtfertigt, dass sie – auch bei Misserfolgen, Pleiten, Pech und Pannen – auch noch zig Millionen Abfindungen kassieren? Wie steht es um ihre soziale Verantwortung: Wird massiver Stellenabbau auch noch mit Gehaltszulagen und Boni belohnt?

Hier fernab von politischen Diskussionen einige Zahlen: Die Skala der Einkünfte der DAX-Vorstandsvorsitzenden reichte 2007 von 14,3 bis 1,7 Millionen Euro – mit dem Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Josef Ackermann, als Top-Verdiener unter den Vorständen der deutschen DAX-Unternehmen.

Insgesamt stiegen die Gehälter der 4300 wichtigsten deutschen Vorstände und Top-Manager im Jahr 2007 noch mal um 17,5 Prozent auf durchschnittlich über 5 Millionen Euro jährlich. Im Vergleich zum Jahr 2003 stieg das Durchschnittsgehalt der Top-Manager sogar um zwei Drittel. Dabei verdienten die Vorstände der Dax-Konzerne 23,3 Prozent mehr als vor einem Jahr, leitende Angestellte von Unternehmen aus dem Tec-DAX bekamen sogar 50 Prozent mehr.

Ein einfacher Arbeitnehmer hatte im Gegensatz dazu nur drei Prozent mehr in der Tasche – maximal. Diese Diskrepanz birgt jede Menge Sprengstoff – vor allem, wenn das Thema verbunden wird mit der Diskussion um die kontinuierliche Austrocknung des Mittelstandes und das Auseinanderfallen der Gesellschaft in Arme und Reiche.

So war das Thema Manager-Gehälter 2008 der große Aufreger: Im Bundestag wurde heftig darüber diskutiert, und selbst Bundespräsident Horst Köhler geißelte »übertriebene Managergehälter« und mischte sich damit in die hitzige Debatte um die Bonuszulagen und Gehälter für Top-Manager ein. Bei der Deutschen Bank wurde 2008 bei den Top-Gehältern auf die Boni verzichtet; Josef Ackermann kassierte 90 Prozent weniger als im Vorjahr – doch immer noch weit über 1 Million Euro.

Gleichzeitig war und ist die Öffentlichkeit immer häufiger mit Nachrichten über Bagatellkündigungen befasst.

Karriere wie, Karriere wo? – Berufsmoden und ihre Zeitabhängigkeit

Was bringt die Zukunft? – Wohin driften die Karrieren im zweiten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends? Was davon wird in der Zukunft ähnlich sein? Und was ganz anders? Für die Zukunft lernt man am besten, wenn man die Vergangenheit kennt. Deshalb ein kurzer Blick zurück.

Karrieren sind in einem hohen Maße zeitabhängig und Moden unterworfen: Wer im wilhelminischen Kaiserreich Anfang des 20. Jahrhunderts etwas werden wollte, ging zum Militär. Angesagte Berufswünsche damals: Offizier – Hauptmann, Oberst, General. Und es war wichtig, einer studentischen Verbindung anzugehören – am besten einer schlagenden. Und wenn schon Studium, dann Jura.

Nach der Nazizeit wollte man davon nichts mehr wissen: Weil Militär und Staat diskreditiert waren, flüchtete man ins Zivilleben, krempelte die Ärmel hoch und baute aus den Kriegstrümmern die Bundesrepublik auf. Im hart erarbeiteten »Wirtschaftswunder« der 50er- und 60er-Jahre war erfolgreich, wer nach dem Gymnasium diszipliniert Jura studierte oder Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften.

In den 70er Jahren konnte man, angesichts einer brummenden Wirtschaft, fast studieren, was man wollte. Weil die Wirtschaft brummte, wurde jeder halbwegs qualifizierte Bewerber eingestellt – regelmäßig steigendes Gehalt und sorglose Euphorie, dass es immer so weitergeht, inklusive. Hauptsache, man war einigermaßen wirtschaftsfreundlich und loyal seinem Arbeitgeber gegenüber, und schon stand einer steilen Karriere in Wirtschaft, Industrie oder Bankwesen nichts im Wege.

Diese Himmelsstürmerkarrieren platzten zum ersten Mal, als Ende 1973 die OPEC den ersten Ölschock auslöste: Die Sorglosigkeit war vorbei. Aus dem Wirtschaftswunder war innerhalb von ein paar Jahren ein kaum mehr zu bezahlender »Wohlfahrtsstaat« geworden.

Und für karriereorientierte junge Leute bedeutete das: Unternehmen stellten kaum mehr ein, selbst der Staat zog die Notbremse.

Betroffen waren vor allem Studenten, die so genannte »Neigungsfächer« studiert hatten, ohne auf die späteren Berufschancen zu schielen: Das galt vor allem für Geistes- und Sozialwissenschaftler (Soziologie, Philosophie, Pädagogik …), die von den Unis wie am Fließband ausgespuckt wurden. Ihr bis heute geltendes Stigma: Studieren für die Arbeitslosigkeit. Der Sponti-Spruch: »Wenn schon arbeitslos, dann wenigstens in einem Beruf, der Spaß macht«, ist vor allem auf sie gemünzt.

Das ändert sich in den 80ern: Bei immer mehr Studies gilt es nicht mehr als abwegig, zu studieren, was einen guten Job und gutes Geld verspricht. So geht in dieser Zeit der Trend dahin, etwas Einträgliches zu studieren. Insbesondere Medizin oder Zahnmedizin sind angesagt. Dank unseres Gesundheitssystems werden Ärzten aller Art in dieser Zeit hervorragende Karrierechancen prognostiziert.

Aber auch in anderen Berufsfeldern tritt der Nützlichkeitsgedanke mehr und mehr in den Vordergrund: Utilitarismus wird schick. So beginnt auf einmal der Kaufmannsberuf zum Inbegriff des Zweckmäßigen zu werden und damit auch ein Fach, das lange ein Schattendasein an den Unis führte: Betriebswirtschaft. BWL, am besten noch in der Kombination mit einer Banklehre, wird zum angesagten Studium.

MBA (Master of Business Administration) vorzugsweise an einer renommierten Privathochschule, Teilnahme an Trainee- und Fellow-Programmen in einer der internationalen Beratungsfirmen wie »Pricewaterhouse Coopers«, »Ernst & Young«, »KPMG« oder in noblen Unternehmensberatungs-Kaderschmieden wie »McKinsey« und »Roland Berger« sind Insignien der Trendsetter in den 90ern.

Dieser Trend ist mittlerweile auch wieder überholt – es gibt zu viele, eher mittelmäßige Nachahmer der bekannten Business-Schools, die Beratungsfirmen verschlanken ihrerseits. Der Druck wächst – wenn man noch eine Anstellung bekommt, dann als Praktikant oder Trainee mit wenig Chancen, an die wirklich lukrativen Jobs zu kommen.

Und auch der medizinische Karriereweg – in den 80ern galt Medizin noch als Topstudium – wird für viele immer beschwerlicher. Langes, schlecht bezahltes Schuften als AiPler in Kliniken und sinkende Einkommen vor dem Hintergrund der Gesundheitsreformen schrecken immer mehr Berufseinsteiger ab. Im Deutschen Ärzteblatt wurde unlängst veröffentlicht, dass mehr als ein Drittel mit dem Gedanken spielen, ihre Praxis ganz aufzugeben, weitere 12 Prozent wollen ihre Kassenzulassung zurückgeben und 37 Prozent würden heute eine andere Berufsentscheidung treffen. Der Hintergrund: Mehr als ein Viertel der Ärzte ist Burnout-gefährdet. Und auch die wochenlangen Ärzte-Proteste 2007 und 2008 zeigen: Was früher einmal als der angesehenste Beruf überhaupt galt, ist heute nicht mehr angesagt, und die Studentenzahlen stagnieren – sodass man in den nächsten Jahren schon wieder mit einem Ärztemangel rechnet.

Upgrade yourself

Und heute? Heute fehlt die Mode(ll)karriere, eingedenk dessen, dass es kaum ein Studienfach gibt, das einen dauerhaften Job garantiert. Herausfinden, wo ich wirklich gut bin, was meine USP (unique selling proposition), meine »Exzellenz« ausmacht, und wozu ich auch langfristig Lust habe, ist wichtiger als die Wahl irgendeines Modestudiums oder Modeberufs. Anscheinend wird zukünftig der Berufsbereich, in dem man tätig sein möchte, für viele immer stärker austauschbar – ob im Management von Banken oder Versicherungen oder als Ingenieur in der produzierenden Wirtschaft. Ob ich meinen Idealismus bei »Greenpeace« leben möchte oder als »Start-up« mit eigenem Unternehmen – immer mehr werden folgende Fragen im Vordergrund stehen:

Was sind meine fünf wichtigsten Stärken, was meine Schwächen?

Was sind meine wirklichen Ziele?

Geht das, was ich aktuell plane oder tue, in die richtige Richtung? Ist es wirklich »mein Ding«?

Passt es zu mir – auch langfristig – oder ist es nur ein Durchgangsstadium?

Stimmt es für diese Phase meines Lebens? Komme ich dahin, wohin ich will?

Und: Tut es mir gut? Stimmt die Work-Life-Balance?

Zum Nachdenken

Erfolgreich und sinnvoll ist nicht das Gleiche.

Werde der du bist, dann kannst du sein, wer du willst.

Tu, was du kannst, mit dem, was du hast, dann kannst du erreichen, was du willst – solange es zu dir passt.

Wer nach oben will, muss Ballast abwerfen.

Bedenkenswerte Fragen

Wie sollten Sie Zeit zum Vordenken haben, wenn Sie sich nicht einmal Zeit zum Nachdenken nehmen?

Worauf freuen Sie sich heute?

Was sind Ihre »Frustschutzmittel«?

Die Mühen des Aufstiegs oder: Was es bedeutet, sich nach oben zu boxen

Hans P. ist mit 33 Jahren Abteilungsleiter der Vermögensverwaltung einer Bank. Ihm scheint der berufliche Erfolg nur so zuzufliegen. Innerhalb von zweieinhalb Jahren schaffte er – gerade von einem lockeren Assistentenjob an einer Auslandsuni kommend – den Sprung auf die Ebene direkt unterhalb der Geschäftsleitung. Er hat, wie es in diesen Kreisen heißt, »a lot of potential«, jede Menge Potential.

»Die größte Umstellung ganz am Anfang war sicherlich die Kleidung. Ich hatte bis zum Alter von 30, 31, außer zu meiner Examensprüfung nie einen Anzug getragen. Und auf einmal musste ich mir da jeden Morgen einen Knoten um den Hals machen. Das war schon mal eine bittere Pille, eine unangenehme Erfahrung.«

Am Anfang ließ man Hans erst mal Raum, sich in der Bank einzufinden, sich zu akklimatisieren. Aber natürlich blieb es nicht dabei. So einfach verdienen sich die Hunderttausende dann doch nicht. Hans hat bald durch die ersten Erfolge Blut geleckt. Er ist fasziniert von der Tätigkeit. Die Psychologen würden sagen, er ist »intrinsisch« motiviert, das heißt er macht es nicht nur wegen der äußeren Belohnung, sondern brennt innerlich für seinen Job.

»Man hat mir nicht nur Aufgaben gegeben, sondern ich habe mich sozusagen selbst in die Position reingebracht, eben Aufgaben zu übernehmen, wo sie noch gar nicht vergeben worden waren. Ich hab dann morgens früh angefangen, bin abends länger geblieben und fast immeram Wochenende in der Bank gewesen. Ganz schnell ging das. Das war gerade mal zwei Monate, nachdem ich angefangen hab. Da war das eigentlich schon üblich geworden dann.«

Hans ist von dem gemächlichen Freiraum, den er anfangs hatte, heute Lichtjahre entfernt. Inzwischen kommt Hans locker auf 70 bis 80 Stunden Arbeitszeit pro Woche, mitunter auch mehr. Er hat vor allem die Fähigkeit entwickelt, sich von seinem Job gebrauchen zu lassen.

Der Stress hat ihn inzwischen voll im Griff. Nachdem der »Karriere-Honeymoon« der ersten Wochen vorbei war, hat man ihn erst mal richtig in die Stiefel gestellt. Und nachdem er sich auch in massiven Leistungsdrucksituationen bewährt hat und nicht eingeknickt ist, hat man ihn ganz schnell zum Abteilungsleiter von gleich zwei Ressorts gemacht. Seitdem muss er sich über fehlende Arbeitsbelastung und sozialen Stress nicht mehr beklagen:

»Das sind Leute, die sich nicht über ihren Intelligenzquotienten definieren. In dieser Abteilung ist es so, die Leute messen sich an monetären, an finanziellen Maßstäben, an dem, was sie sich rausnehmen können, daran, wie sie sich wem gegenüber verhalten, wie sie wem gegenüber erscheinen, an all solchen Dingen. Eine völlige Umkehr. Dort ist jeder Tag so, dass ich weiß, dass die Abteilung auf meinen Fehler hofft, auf meinen ersten größeren Fehler. Das ist ein Haifischbecken, ganz klar.«

Ganz klar, dass man sich in so einem Haifischbecken gut anziehen muss, um sich zu schützen:

»Das geht bis zur absoluten Selbstverleugnung. Ich glaube, sagen zu können, wenn ich morgens meinen Anzug anziehe, wechsele ich die Identität. Ich habwirklich das Gefühl, dass der Gesichtsausdruck dann anders ist und meine Mimik anders wird. Ich weiß es nicht genau, aber ich hab das Gefühl, dass ich dann vom, na ja, einigermaßen gemütlichen Menschen, dann zu dem werde, der ich in der Bank bin.«

Inzwischen ist Hans mehr oder weniger klar, was er da eigentlich tut, und er hat eine ironische Distanz, eine fast zynische Grundhaltung dazu entwickelt: