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Gerhard Rohlfs beschreibt seine Teilnahme an der britischen Expedition im Nordosten Afrikas gegen den diktatorischen abessinischen König Theodor II. (Téwodros), der mehrere europäische Persönlichkeiten gefangen hielt. Unter großem Aufwand gelangten die britischen Truppen durch schwer zugängliche Gebirgs-Gebiete zu ihrem Ziel. Gerhard Rohlfs schildert die äthiopische Landschaft, die dort lebenden muslimischen und koptisch-christlichen Menschen und deren Kultur. Rezession: Ich bin immer wieder begeistert von der "Gelben Buchreihe". Die Bände reißen einen einfach mit. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechslungsreiche Themen aus verschiedenen Zeit-Epochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlicht hat. Alle Achtung!
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Seitenzahl: 209
Veröffentlichungsjahr: 2022
Gerhard Rohlfs
Abessinien-Expedition 1868 – Band 212e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski
Band 212e in der gelben Buchreihe
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort des Herausgebers
Der Autor Gerhard Rohlfs
mit dem Englischen Expeditions-Corps nach Abessinien
Vorwort
1 Antritt der Reise und Ankunft in Zula
2 Lager von Mulkutto und Abreise nach Senafe
3 Von Senafe nach Antalo
4 Weiterer Marsch nach Süden und Ankunft Sir Roberts im Lager
5 Durch Uadjerat nach dem See Aschangi
6 Letzter Marsch der englischen Armee durch die abessinischen Lande und Ankunft vor Magdala und der Armee des Königs
7 Gefecht von Aroge, Auslieferung der Gefangenen, Erstürmung Magdalas und Tod Theodors
8 Schluss-Kapitel
Anhang 1
Anhang 2
Die maritime gelbe Buchreihe
Weitere Informationen
Gerhard Rohlfs:Im Auftrag seiner Majestät des Königs von Preußen
Impressum neobooks
Vorwort des Herausgebers
Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche.
Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.
Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leser-Reaktionen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ weitere.
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2022 Jürgen Ruszkowski
Ruhestands-Arbeitsplatz
Hier entstehen die Bücher und Webseiten des Herausgebers
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Der Autor Gerhard Rohlfs
Gerhard Rohlfs (* 14. Juli 1892 in Lichterfelde; † 12. September 1986 in Tübingen) war ein deutscher Romanist und Hochschullehrer an der Eberhard Karls Universität Tübingen und der Ludwig-Maximilians-Universität München.
https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/rohlfs.html
Geboren am 14. April 1831 in Vegesack bei Bremen. Gestorben am 2. Juni 1896 in Rüngsdorf bei Godesberg. Der Arztsohn brach das Medizinstudium ab; nach einer Militärzeit ging er zur Fremdenlegion nach Algerien, anschließend reiste er als Abenteurer und Wundarzt durch Nordafrika, bis er sich als ernsthafter Forschungsreisender allgemeine Anerkennung erwarb. Von 1862 bis 1879 unternahm er sechs große Forschungsreisen durch Nordafrika, Ägypten, Abessinien und quer durch die Sahara über den Tschadsee bis zur Guineaküste. Mehrfach war der scharfe Kritiker des Sklavenhandels in diplomatischer Mission unterwegs, so 1885 als deutscher Generalkonsul auf Sansibar.
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https://museum-schloss-schoenebeck.de/gerhard-rohlfs-1831-1896/
Gerhard Rohlfs zog durch die Sahara, gelangte an den Golf von Guinea, nach Ägypten und Äthiopien. Sechs abenteuerliche Expeditionen hat der gebürtige Vegesacker und später in Weimar ansässige Gerhard Rohlfs unternommen. 1865 bis 1867 gelang es ihm, Nordafrika von Tripolis bis Lagos zu durchqueren. Später reiste er mehrfach durch die Libysche Wüste. Der erfolglose Medizinstudent und einstige Fremdenlegionär betrat dabei ein weitgehend unbekanntes Terrain und schwebte oft in Lebensgefahr. Seine Erlebnisse, veröffentlicht in fesselnden Berichten und Landschaftsbeschreibungen, machten ihn berühmt. Seine Bücher und Vorträge faszinierten auch Kaiser Wilhelm I..
Wilhelm I., mit vollem Namen Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen (* 22. März 1797 in Berlin; † 9. März 1888 ebenda), aus dem Haus Hohenzollern war von 1861 bis zu seinem Tod König von Preußen.
Gerhard Rohlfs, der seinen Lebensabend in Bad Godesberg verbrachte, hat den größten Teil seines Nachlasses der Stadt Vegesack vermacht. Durch sie gelangte dieser Nachlass in das Heimatmuseum Schloss Schönebeck.
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Gerhard Rohlfs:Im Auftrag seiner Majestät des Königs von Preußen
mit dem Englischen Expeditions-Corps nach Abessinien
https://www.projekt-gutenberg.org/rohlfs/abessin/abessin.html
Erstmals 1883 erschienen
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Vorwort
Wie ich die Eindrücke bekam und gleich zu Papier brachte, so übergebe ich diese Tagebuchblätter dem Publikum. Sie stellen insoweit den Gang der englischen Expedition dar, als ich von Senafe an als Dolmetscher den Chef der „rekonnoitring party“, den Oberst Phayre, bis zum Fall Magdala's begleitete.
Colonel R. Phayre
Wenn es mir durch die Großmut Seiner Majestät des Königs von Preußen ermöglicht wurde, dieser interessanten Expedition beizuwohnen, welche an Schwierigkeiten und Hindernissen weder von der in China, noch von der französischen in Mexico überboten wurde, an glänzendem Erfolg, freilich durch ausnahmsweise Glücksumstände begünstigt, beide bedeutend übertraf, so muss ich andererseits hier auch anerkennen, dass der Engländer gastliches Benehmen gegen uns Fremde nicht genug hervorgehoben werden kann.
Vielleicht werden die Engländer finden, ich hätte manchmal zu scharf über Sir Robert und seine Kriegführung (die Seele der Expedition bildete das Triumvirat Phayre, Merewether und Munzinger) geurteilt: indess, die nachstehenden Zeilen wurden während der Expedition geschrieben; man vergleiche nur die Korrespondenzen der „Times“, des „Daily Telegraph“ und anderer Journale aus jenen Tagen, und man wird finden, dass mein Urteil nur darin von dem jener Korrespondenten, also der Engländer selbst, abweicht, dass es milder und unparteiisch gehalten ist.
In neuerer Zeit sind nun in der Presse in Deutschland Stimmen laut geworden, welche sich sogar darzutun bemüht haben, Sir Robert habe Theodor gegenüber nicht ehrlich gehandelt; das sind boshafte Verleumdungen. Man hat selbst der englischen Armee schlechtes Betragen den Eingebornen gegenüber vorgeworfen, und doch wissen alle fremden Offiziere, von denen es in Abessinien Repräsentanten fast aller Nationen gab, dass nicht nur das Privateigentum eines jeden Abessiniers geschätzt war, sondern auch jedes Geringste bar bezahlt, auch nie die kleinste eigenmächtige Gewalttätigkeit gelitten wurde.
Die aus Magdala befreiten Europäer wurden mit aller Sorgfalt und jeder Zuvorkommenheit von den Engländern behandelt, und als sie sich von der Armee trennten, großmütig mit Geld für die ersten notwendigen Bedürfnisse unterstützt.
Man könnte fragen, warum ich meine Rückreise über den interessanten Ort Lalibala und Axum nicht dem Tagebuch beigefügt habe. Teilweise ist in den „Geografischen Mitteilungen“ jene Reise nebst einer Spezialkarte schon erschienen, teilweise wird dieselbe in der „Zeitschrift der Berliner Gesellschaft für Erdkunde“, ebenfalls mit einer Spezialkarte, zur Veröffentlichung kommen.
Hier habe ich eben dem Publikum nur den Marsch der englischen Armee von Zula nach Magdala im Zusammenhang vorführen wollen. Eine ausgezeichnete Karte, von Petermann's Meisterhand entworfen und in Justus Perthes' Anstalt ausgeführt, veranschaulicht dem Leser den Weg der Armee.
August Heinrich Petermann, Kartograph, * 1822 – † 1878
Johann Georg Justus Perthes (* 11. September 1749 in Rudolstadt; † 1. Mai 1816 in Gotha) war ein deutscher Buchhändler und Verleger.
Gerhard Rohlfs
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1 Antritt der Reise und Ankunft in Zula
Es war Ende November 1867, als ich mich an Bord der PELUSE, Dampfer der Messagerie impériale, in Marseille einschiffte, um nach Ägypten zu fahren. So kalt das Wetter bis dahin in Frankreich gewesen war, denn selbst in Marseille hatte es am letzten Tag noch Eis gefroren, so schön und sommerlich war es, als wir uns an Bord begaben.
Seine Majestät der König von Preußen hatte mich beauftragt, der englischen Expedition, die bekanntlich durch die Gefangennahme der englischen Konsuln und Gesandten durch König Theodor von Abessinien hervorgerufen wurde, beizuwohnen, und nach einem fünfmonatlichen Aufenthalt in Europa, der mich von den Fiebern und Anstrengungen, die ich auf meiner letzten Reise in Zentralafrika zu erleiden gehabt, erstärkt hatte, beeilte ich mich, dieser ehrenvollen und für mich so interessanten Aufforderung Folge zu leisten.
Theodor II. (ቴዎድሮስ, Téwodros) wurde 1818 an der Westgrenze des christlichen Abessiniens, des heutigen Äthiopien, geboren. † 1868. Seine Mutter war von geringer Herkunft, sein Vater Hailu war früher Stattalter von Quara.
Da die Engländer in Erteilung der Erlaubnis, sich der Expedition anschließen zu dürfen, nicht bloß für Ausländer, sondern auch für ihre eigenen Landsleute sehr schwierig waren, so hatte mir Graf von Bismarck durch seinen Einfluss diese direkt beim Indian Board erwirkt und mir einen Introduktionsbrief vom Chef dieser Behörde für Sir Robert Napier, der das Expeditions-Corps leiten sollte, zukommen lassen.
Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen, ab 1865 Graf von Bismarck-Schönhausen, ab 1871 Fürst von Bismarck, ab 1890 auch Herzog zu Lauenburg (* 1. April 1815 in Schönhausen (Elbe); † 30. Juli 1898 in Friedrichsruh bei Aumühle), war ein deutscher Politiker und Staatsmann.
Robert Cornelis Napier, 1. Baron Napier of Magdala, (* 6. Dezember 1810 in Colombo; † 14. Januar 1890 in London) war ein britischer Feldmarschall.
Meine Ausrüstung hatte ich vornehmlich in Paris gemacht, und meine Begleitung bestand bis jetzt bloß in meinem kleinen Neger Nöl, der mich auf meiner letzten Reise durch Afrika auch begleitet hatte, und sich dabei, so jung er auch noch war, als äußerst nützlich erwiesen hatte.
Gerhard Rohlfs und Diener Henry Noël
An Bord angekommen, dauerte es auch nicht lange mehr und die PELUSE dampfte aus dem Hafen und gewann, beim Château d'If vorbeifahrend, bald die hohe See. Im Winter, wo die Tage so kurz sind, konnten wir uns nicht lange der schönen Ufer der französischen Küste erfreuen; obgleich der Dampfer Südost haltend noch lange ziemlich nahe den zackigen Gebirgsausläufern blieb, entzog uns die Dunkelheit bald jede Fernsicht.
Ich fing an mich nun an Bord etwas umzusehen, und fand, dass meine Mitpassagiere, wenigstens die der ersten, fast lauter Franzosen waren, was ich gleich daran erkannte, dass jeder ein rotes Bändchen der Ehrenlegion im Knopfloch des Überrockes stecken hatte. Die Franzosen nämlich, welche diese Dekoration erhalten haben, sind so begierig darauf, dies der Welt zu zeigen, dass sie ihre Dekoration nicht bloß auf Gehröcken und bei besonderen Gelegenheiten, sondern auch auf leichten Sommerröcken, auf Pelzröcken und die böse Welt sagt, sogar auch auf Nachtröcken, tragen. Genug, fast alle waren dekoriert und trugen das zur Schau. Indess traf ich doch auch deutsch redende Herren; der holländische Generalkonsul von Alexandrien, der dänische, ein amerikanischer Geologe, der nach Nubien wollte, sprachen vollkommen gut Deutsch; an Damen waren bloß die Töchter von Mariette Bei, eine feine Pariser Lorette der Demi-monde und zwei andere Damen vorhanden. Mariette Bei, Vorsteher des Ägyptischen Museums in Bulak bei Kairo, war auch an Bord und hatte die Gegenstände, die er auf der Pariser Exposition gehabt hatte, wieder mit sich.
François Auguste Ferdinand Mariette, auch Auguste-Édouard Mariette (* 11. Februar 1821 in Boulogne-sur-Mer; † 18. Januar 1881 in Bulaq bei Kairo, war ein französischer Ägyptologe.
Im Ganzen mochten wir 40 Passagiere sein, so dass wir alle räumlich sehr gut untergebracht waren, indem an Bord für 150 Personen erster Klasse Platz war.
Das Leben an Bord der Dampfer der Messagerie impériale (Die Messageries Maritimes (MM) war eine französische Reederei mit Hauptsitz in Paris, Heimathafen der Schiffe war Marseille. Die Reederei betrieb Liniendienste nach Fernost, Indien, Australien und Neuseeland.) ist äußerst angenehm; die Offiziere, wenn sie meist auch nicht die Bildung der deutschen und englischen Postdampfer-Offiziere haben, sind vollkommen abgeschliffene Männer und in gesellschaftlicher Beziehung meist von feinster Politur, die Kost an Bord, ohne so reichlich, aber auch so roh zubereitet zu sein wie auf englischen Schiffen, ist äußerst geschmackvoll, die Bedienung vortrefflich.
Meine Tischnachbarn wurden in unmittelbarer Nähe die Pariser Lorette, die nach Ägypten Fortuna machen ging und vielleicht auf das Harem irgendeines der Paschas spekulierte, vielleicht auf das allerhöchste selbst, dann ein ägyptischer Oberst vom Generalstab, und gegenüber hatte ich den dänischen Generalkonsul und einen anderen ägyptischen Offizier. Man kann sich denken, dass bei solch verschiedenen Persönlichkeiten es nie an Unterhaltung fehlte, und besonders trug die Lorette, deren Namen ich leider nicht in Erfahrung gebracht habe, nicht wenig dazu bei, dieselbe zu würzen. Namentlich zur Zeit des Nachtisches, wenn das Fräulein fleißig der Flasche zugesprochen, und das tat sie immer ohne Umstände, um nicht seekrank zu werden, zeichnete unsere Gesellschaft sich immer durch besondere Heiterkeit aus.
Man wird wohl nicht verlangen, dass ich hier eine spezielle Beschreibung einer Mittelmeerdampfschifffahrtsreise machen soll. Heutzutage sind dieselben so alltäglich geworden, und ich für meine Person hatte diese Tour so oft gemacht, dass ich meine Leser in möglichster Schnelle nach Alexandrien führen werde. Und ich kann das mit umso größerer Gewissenhaftigkeit, als wir auf unserer ganzen Fahrt vom ausgezeichnetsten Wetter begünstigt waren trotz der schon sehr vorgerückten Jahreszeit, wo das Mittelländische Meer manchmal recht tückisch ist.
Durch die Straße von Bonifacio kommend, bei Caprera vorbei, nachdem wir vorher die herrliche Küste von Korsika mit den jetzt schon weißen Gipfeln dieser Insel bewundert hatten, behielten wir nun fast immer Land in Sicht, bis wir nach Messina kamen, sei es nun, dass wir westlich die sardinischen Berge oder östlich die italienischen Küsten hatten. Wie immer, lagerte eine ruhige, sich kaum verstärkende oder vermindernde weiße Dampfwolke auf dem Stromboli und so dicht fuhren wir bei diesem Vulkan vorbei, dass wir das Rufen der Leute hören konnten. In Messina hatten wir nur einen einstündigen Aufenthalt, um Passagiere an Bord zu nehmen und Proviant zu erneuern; da es Abend war, ging natürlich niemand ans Land und am folgenden Tag war jede Küste unseren Blicken entrückt. Aber nur noch einige Tage und wir waren an dem ägyptischen Ufer.
Wir waren morgens sehr früh vor Alexandrien, konnten aber nicht eher als mit Sonnenaufgang in den Hafen einlaufen, da der Eingang sehr gefährlich ist.
Alexandrien
Pompejus-Säule – Foto: Tentoila
Obgleich wegen einiger Bauten, einiger Altertümer, wie die Pompejus-Säule, die Kleopatra-Nadeln, eigentümlich, hat der Anblick von Alexandrien nichts Schönes und noch weniger etwas Imponierendes. Die Menge von Schiffen aber, meist aus den Ländern des Mittelmeeres, ist allerdings bedeutend, indess hat alles einen schmutzigen Anstrich, der noch vermehrt wird durch die vielen dazwischen herumrudernden kleinen Boote, von den zerlumptesten halbnackten Eingeborenen gehandhabt. Sobald dann auch die Sanitätsformalitäten vorüber waren, kamen diese lungrigen Bengel an Bord, um sich der Reisenden und ihrer Bagage zu bemächtigen, und nur durch die kräftigsten Schimpfworte und Stockprügel, was sie sich aber auch wieder ganz geduldig gefallen ließen, konnte man Herr seiner selbst und seines Eigentumes bleiben.
Ich hatte keine große Eile ans Land zu kommen, da ein paar Kisten, die mir das preußische Konsulat in Marseille an Bord geschafft hatte, ohne dass ich gegenwärtig war, gar nicht zu finden waren; als aber dies doch zu lange dauerte, nahm auch ich eine Barke, um mich nach der Duane rudern zu lassen. Vorher hatte man mich indess nach der Hafenpolizei gerudert und verlangte, meinen Pass zu sehen. Auf meine Aussage, dass ich keinen Pass besäße, denn ich hielt es natürlich nicht für passend, ihnen mein von Graf Bismarck unterschriebenes Instruktionsschreiben vorzulegen, welches die Polizeibeamten höchstens mit ihren ungewaschenen Händen würden beschmutzt haben, sagte man mir, für mich sei allerdings gar keine Schwierigkeit, ans Land zu gehen, aber da ich einen Schwarzen bei mir habe und Sklaverei in Ägypten streng verboten sei, müsste ich mich über ihn legitimieren. Mir kam im Anfang diese Sache so außerordentlich vor, dass ich nicht recht wusste, ob die Polizisten Ernst oder Spaß machten; aber um die Sache abzukürzen, verlangte ich einfach, sie sollten mir einen Polizei-Kawassen mitgeben und aufs preußische Generalkonsulat fahren. Das geschah denn auch, und damit hatte die Sache natürlich ein Ende.
Sodann fuhren wir zum Gutshof, deren es in Alexandrien eine Menge gibt und die alle ziemlich gleich schlecht, d. h. sehr teuer und schmutzig sind; ich stieg an der Place des Konsuls im Oriental Hôtel ab, welches vorzugsweise Aufenthalt der Deutschen ist und wo man, wenn man sich einschränkt, mit 25 Frs. per Tag leben kann. Alexandrien machte einen grauenhaften Eindruck auf mich; es hatte gerade am Tag vorher geregnet, die Straßen waren unergründlich, so dass man, wenn man von einer Seite zur anderen wollte, eines Esels bedurfte. Indess befinden sich einige hübsche Häuser in der Stadt, nur müssen sie nicht den Eingeborenen gehören, sonst, selbst wenn sie vor wenigen Jahren erbaut sind, zeigen sie äußerlich sichere Spuren des Verfalls. Auch auf die öffentlichen Gebäude der Christen scheint sich die Nichtstabilität des mohammedanischen Wesens übertragen zu haben: die englische Kirche, so niedlich und neu wie sie ist, zeigte äußerlich bedeutende Beschädigungen, ohne dass jemand daran dachte, sie auszubessern. Ebenso das neu erbaute Theater Lizinia. Der Kontrast der glänzendsten Toiletten der griechischen, anderen europäischen und orientalischen Damen mit den entsetzlich zerlumpten und hungrigen Eingeborenen, die bettelnd und nichts tuend die Straßen durchlungern, war ebenfalls nicht geeignet, einen günstigen Eindruck hervorzurufen. Überall sah man Trümmer, d. h. große Holzgestelle, welche von der Beleuchtung herrührten zu Ehren der Rückkehr des Vizekönigs Ismael Pascha.
Ismail Pascha, إسماعيل باشا, * 1830 – † 1895 Nach dem Tode seines Onkels Muhammad Said am 18. Januar 1863 wurde er ohne Widerspruch zu dessen Nachfolger proklamiert.
Während ich den ganzen Tag damit beschäftigt war, nach meinen Kisten herumzulaufen, ohne zu einem Resultat zu kommen, verbrachte ich indess abends einige angenehme Stunden im Kreis von Herrn Menshausen's Familie, hanseatischem Generalkonsul für Ägypten. Am anderen Morgen früh gelang es mir endlich, meine Kisten auf der DUANE zu finden, und durch Herrn Menshausen's Güte wurden sie mir zollfrei überliefert. Noch am selben Tag fuhren wir 3 Uhr nachmittags von Alexandrien ab, und ich sollte zum ersten Mal kennen lernen, was es heißt, auf einer ägyptischen Eisenbahn fahren. Die Waggons befinden sich in einem schauderhaften Zustand, so dass ich lieber vorziehen möchte, in Deutschland oder überhaupt in Europa 3. Klasse zu fahren, als in Ägypten 1. Klasse. Diese ist so schmutzig, dass man sich scheut, Platz zu nehmen. Überhaupt sehen alle Waggons, Packwagen, Lokomotiven schon neu äußerlich so zerfallen und schmutzig aus, dass man sie eben nur mit der Regierung des Landes selbst vergleichen kann.
Da es bald dunkel wurde, konnten wir von der Gegend nichts sehen, überdies hatte ich von Alexandriens Wundern, der Pompejus-Säule, den Kleopatra-Nadeln, den Katakomben auch nichts, als eine entfernte Ansicht gewonnen. Der Weg, wenn man ihn ordentlich bewahren würde, könnte von Alexandrien bis Kairo in höchstens 4 Stunden zurückgelegt werden; wir brauchten mehr als 6, denn erst nach 9 Uhr trafen wir in der Kalifen-Stadt ein. Aber ist das zu verwundern? Vor wenigen Tagen kam es vor, dass ein hochgestellter Pascha müde wurde, der Train musste anhalten und als nach einem dreistündigen Schlaf einige Europäer, die mit im Zug waren, sich beschwerten, ließ er noch 3 Stunden anhalten, um in Ruhe seinen Tschibuk zu rauchen und seinen Kaffee zu schlürfen. Kleinere Dinge der Art kommen alle Tage vor. Herr Menshausen, der mich nach Kairo begleitete, wurde am Bahnhof, bei uns würde man ihn einen provisorischen Schuppen nennen, von seinem Neffen erwartet, der auch für einen Wagen gesorgt hatte, deren es jetzt in Kairo Hunderte gibt. Obgleich auch hier der Schmutz unergründlich war, so machte das einen viel weniger peinlichen Eindruck, als in Alexandrien, weil man eben gleich sah und fühlte, dass man in einer vollkommen mohammedanischen Stadt war, in welchen eben Schmutz und Dreck nun einmal ebenso unvermeidlich sind, wie die Ruinen. Vom Bahnhof aus über den Esbekieh-Platz fahrend, der abends mit seinen Akazien, Sykomoren, Granaten und Orangen stattlich aussah, bogen wir in die Musky ein, die Hauptstraße Kairos, wo die europäischen Magazine sind und welche die Stadt der Breite nach durchschneidet. Von hier ab mussten wir indess eine andere kleine Straße zu Fuß hinab wandern, weil ihre Breite keinen Wagen mehr erlaubte; in dieser war das Haus des Herrn Menshausen gelegen, auch das Hôtel du Nil, wo ich absteigen wollte und auch gleich darauf ein Unterkommen fand.
Ich unterlasse es, hier eine Beschreibung von Kairo zu geben, und wenn ich auch in den vierzehn Tagen, die ich da war, Muße genug gehabt, alle Merkwürdigkeiten zu sehen, so hatte ich teils noch viele Einkäufe, als Pferd, Zelt etc. zu besorgen, was, da man mit Mohammedanern oder Europäern, die nicht besser waren, zu tun hatte, viel Zeit wegnahm, teils glaubte ich, alle Tage Anweisung nach Suez zum Einschiffen zu bekommen, so dass ich mich immer bereit halten musste.
Gleich im Anfang ging ich indess nach Suez mit der Eisenbahn, um mich mit Capitain Willaugby, dem dortigen Depot-Kommandanten, in Verbindung zu setzen; er telegrafierte auch sogleich nach Bombay an Sir Napier, um Passage für mich zu verlangen.
Nach einem Aufenthalt von einer Nacht kehrte ich nach Kairo zurück. Um indess doch etwas von der Stadt zu sehen, besuchte ich die Zitadelle, wo man einige hübsch eingerichtete Salons des Vizekönigs findet. Wie sie indess das erste Mal möbliert worden sind, so bleiben sie, und die Divans fangen jetzt an, zu zerreißen. Es findet sich hier auch der Saal der Abgeordneten, mit Thron, Ministersitzen etc., ganz wie bei uns, nur en miniature. Als Ismael Pascha, der jetzige Vizekönig, vor zwei Jahren die erste Abgeordneten-Versammlung eröffnete, hatte man den Leuten vorher gesagt, dass man Rechte, Zentrum und Linke unterscheiden und haben müsste, dass die Rechte immer mit, die Linke gegen die Regierung stimme und das Zentrum bald für, bald gegen. Als nun Seine Hoheit die Versammlung eröffnen und sich mit seinen Ministern, deren er ebenso viele wie der Kaiser von Frankreich oder olim Soulouque von Haiti hat, in den Sitzungssaal begeben will, hört er einen furchtbaren Lärm und Aufruhr. Mit Vorsicht werden die Flügeltüren geöffnet und ein Eunuch vorangeschickt, um zu erkunden, was es gäbe. Ismael Pascha glaubte schon an eine Juli- oder Februar-Revolution, wenn er anders von dergleichen Dingen Kunde gehabt hatte. Aber, o Wunder! Der Eunuch vernimmt mit Staunen, dass zuerst ein Streit und Drängen stattgefunden habe, wer rechts sitzen solle, da alle Deputierte der Rechten gehören wollten, dass dadurch zuletzt eine große Schlägerei und Prügelei entstanden sei, welche noch dauere. Seine Hoheit konnte denselben Tag die Sitzung nicht eröffnen, teils hatten die meisten Deputierten schwere Verletzungen auf ihren glatt rasierten Köpfen erhalten, teils hatten sie sich den Schnurrbart ausgerissen, teils auch waren alle Sessel zerbrochen, indem man sich wegen Mangel an Waffen der Stuhlbeine bedient hatte.
Auf der Zitadelle befindet sich auch eine schöne, in jetziger Zeit, ich glaube von Mahommed Ali erbaute Moschee. Äußerlich schon wieder in Zerfall geratend, ist sie im Innern großartig und schön, natürlich von Europäern gebaut oder wenigstens von Christen.
Wir hatten eines Tags beschlossen, die Pyramiden, die man von Kairo aus recht gut sehen kann, in der Nähe zu besichtigen, und mehrere Gäste, die im Hôtel mit logierten, teils Engländer, teils Deutsche, dann der preußische Konsul mit seinem Kanzler und Diener, machten wir uns früh auf den Weg, mit Vorräten für zwei Tage versehen. Der Esel ist, trotz der Konkurrenz, die ihm die Wagen, welche wirklich in Kairo recht gut sind, zu machen anfangen, immer noch das Hauptlokomotionsmittel in und um Kairo. In schnellem Galopp ging es dahin durch die Straßen, dann nach Bulak, wo wir beim Nilmesser der Insel übersetzten und in Giseh landeten. Unsere Esel waren auch mit übergeschifft worden und man kann sich denken, dass die Barken der Fähre groß sein mussten, da wir alle nur eine nötig hatten, obwohl wir in allem 20 Mann waren und ebenso viele Stück Langohren hatten. Von hier hatten wir noch einen dreistündigen Ritt bis an die Pyramiden, der unter Scherzen und Lachen schnell verging, namentlich belustigten wir uns über einen Herrn, ich glaube, Schödler war sein Name, der die Manie gehabt hatte, sich als Araber ausgeben zu wollen, sich ein arabisches Kostüm angelegt hatte und ein großes weißes Maultier ritt. Merkwürdigerweise speichelte dies fortwährend und ließ die Unterlippe herabhängen, welches den Eindruck machte, als ob es lachte. Als ich ihm einst sagte: „Herr Schödler, ihr Tier lacht fortwährend so graziös“, schlug er stolz seinen grünen in Europa fabrizierten Araber-Burnus zurück und meinte: „mein Gott, diese Tiere nehmen sehr schnell von ihrem Herrn die Eigenschaften an.“ Aber ehe wir an die Pyramiden kamen, mussten wir noch ein Hinterwasser des Nils, der jetzt erst zu fallen anfing, überschreiten und dies geschah mittelst der Beduinen, die uns auf ihren Rücken hinüber trugen; bald wird indess ein Damm bis zu den Pyramiden führen, welcher zum Nutzen der Kaiserin von Frankreich, welche vor einigen Jahren die Absicht hatte, Ägypten zu besuchen, angelegt, dann aber bis jetzt wieder liegen gelassen wurde.
Bei den Pyramiden angekommen, wurde gefragt, wer aufsteigen wollte, und dann rasch begonnen. Jeder wurde von zwei Arabern unter die Arme gegriffen und so sprang man teils, teils wurde man auf die hohen Stufen hinaufgeschwungen. Nichts greift indess mehr an als eine solche Pyramidenbesteigung und der Ehrgeiz, sagen zu können, auf dem höchsten Bauwerk, was von Menschenhand gemacht ist, gewesen zu sein, wird keineswegs belohnt durch eine schöne Aussicht, wohl aber hat man tagelang das Nachgefühl der Anstrengung.
Dicht bei dieser höchsten Pyramide ist eine zweite, nicht viel niedriger, und gewöhnlich bietet ein Araber sich an, in 10 Minuten die Giseh-Pyramide hinabzulaufen und die andere zu erklettern, was umso schwieriger ist, als die Spitze der anderen noch zum Teil ihre ursprünglich glatte Überdeckung hat. Einer unserer Araber führte das Kunststück in 9 ½ Minuten aus. Die Bakschisch-Verlanger oder Bettler verfolgen einen übrigens bis auf die Spitze der Pyramide; man kann in Ägypten keinen Schritt gehen, ohne von einer offenen Hand belästigt zu werden. Das Heruntersteigen geht schon besser, obgleich Vorsicht dazu gehört, da man einesteils bei der Höhe der Absätze, meist 2 ½', andererseits bei der Glattheit der Steine leicht zu Fall kommen kann. Leute, die an Schwindel leiden, sollten gar nicht aufzusteigen versuchen. Man hat so viel über den Zweck der Erbauung der Pyramiden gefaselt und ganze Abhandlungen darüber geschrieben, schließlich aber kommt man doch immer wieder auf die Ansicht der Alten, dass es einfache Begräbnisse waren, zurück.
Unten angekommen, wurde gefrühstückt, nachdem wir zuvor jedoch den kolossalen Sphinx-Kopf bewundert und die unterirdischen Tempel durchwandert hatten. Wir lagerten uns unter eine große Akazie, die unweit der Giseh-Pyramiden vereinzelt dasteht. Da wir den ganzen Tag noch nichts zu uns genommen hatten, und es 1 Uhr nachmittags geworden war, mundete es uns vortrefflich und Herr Nerenz, norddeutscher Konsul, dessen Weinkeller zuerst probiert wurde, erwarb sich aller Dank; nach dem Essen führten Araber Tänze auf, andere brachten uns Kaffee, natürlich alles gegen entsprechende Bakschische.