Acrylatharze - Ulrich Poth - E-Book

Acrylatharze E-Book

Ulrich Poth

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Beschreibung

Gerade als umweltfreundliche und hochwertige Bindemittelalternativen haben sich Acrylate bereits bewährt. Das besondere Leistungsspektrum und die hohe Variabilität der Polyacrylate erlaubten die Verbreitung dieser Produktklasse als Bestandteil für verschiedenste Materialien. Das eBook von Poth, Schwalm und Schwartz verschafft dem Leser einen tiefen Einblick in die Herstellung, die Eigenschaften und Anwendungsbereiche dieser wichtigen Bindemittelklasse. Es wendet sich an den Studierenden, den Einsteiger in die Lack- und Anstrichproblematik und an den erfahrenen Acrylatanwender in den unterschiedlichsten Industrien.

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Vincentz Network GmbH & Co KG

Ulrich Poth, Reinhold Schwalm, Manfred Schwartz, Roland Baumstark

Acrylatharze

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Ulrich Poth, Reinhold Schwalm, Manfred Schwartz, Roland Baumstark

Acrylatharze

Hannover: Vincentz Network, 2011

FARBE UND LACK EDITION

ISBN 3-86630-820-5

ISBN 978-3-86630-820-6

© 2011 Vincentz Network GmbH & Co. KG, Hannover

Vincentz Network, P.O. Box 6247, 30062 Hannover, Germany

Das Werk einschließlich seiner Einzelbeiträge aus Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.

Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Das Verlagsverzeichnis schickt Ihnen gern:

Vincentz Network, Plathnerstr. 4c, 30175 Hannover, Germany

Tel. +49 511 9910-033, Fax +49 511 9910-029

E-mail: [email protected], www.farbeundlack.de

Satz: Vincentz Network, Hannover

ISBN 3-86630-820-5

ISBN 978-3-86630-820-6

eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

FARBE UND LACK EDITION

Ulrich Poth, Reinhold Schwalm, Manfred Schwartz, Roland Baumstark

Acrylatharze

Auf ein Wort

Polyacrylate sind als Bindemittel, Dispergierharze und Verdickerpolymere heute unverzichtbare Rohstoffe in verschiedenen Industrien, besonders in der Farben-und Lackindustrie.

Acrylatharze haben sich seit ihrer Einführung als umweltfreundliche und technisch hochwertige Bindemittelalternativen zu den früher vor allem eingesetzten lösemittelbasierten, lufttrocknenden Alkydharzen bewährt. Das besondere Leistungsspektrum und die hohe Variabilität der Polyacrylate erlaubten gemeinsam mit konsequenten Weiterentwicklungen die Verbreitung dieser Produktklasse als Bestandteil für verschiedenste Materialien.

Das vorliegende Buch gibt einen Überblick über Herstellung und erklärt die Eigenschaften sowie die Besonderheiten bei der Verwendung von Acrylatharzen, sei es als Lösemittelpolyacrylate, wässrige Acrylatdispersionen oder strahlungshärtbare Acrylatharze. Dabei wird neben einer allgemeinen Einführung in die drei Acrylatgebiete am Anfang des jeweiligen Gebietes in Spezialkapiteln eine tiefergehende Einsicht in die vielfältigen Anwendungen und Besonderheiten gewährt.

Ziel des Buches ist es, den aktuellen Stand über Acrylatharze in Lösemitteln, als wässrige Dispersionen und strahlungshärtbare Systeme in verständlicher und anschaulicher Form darzustellen. Aufgrund der Breite der Anwendungen von Acrylatharzen und der heutigen chemischen Wissensvielfalt wird im Rahmen des Buches auf die wichtigsten Aspekte und Theorien zur Herstellung und Verwendung von Acrylatharzen eingegangen. Umfangreiche Literaturzitate ermöglichen einen tieferen Einstieg in einzelne Themen.

Das Buch wendet sich sowohl an den Studierenden und Einsteiger in die Lack- und Anstrichproblematik als auch an den erfahrenen Acrylatharzanwender und Praktiker in den unterschiedlichsten Industrien. Durch entscheidende Hintergrundinformationen werden Hilfestellungen bei Auswahl und Einsatz von modernen Acrylatsystemen gegeben.

Münster, Ludwigshafen,

São Paulo, im September 2010

Ulrich Poth

Dr. Reinhold Schwalm

Dr. Manfred Schwartz

Dr. Roland Baumstark

Inhaltsverzeichnis

Ulrich Poth

1Einleitung und Definitionen

Ulrich Poth

2Acrylatharze: Zusammensetzung und Aufbau

2.1Radikal-Kettenpolymerisation

2.1.1Polymerisationsreaktionen

2.1.2Kinetik der Radikalkettenpolymerisation

2.1.3Einflüsse der Polymerisationsreaktionen

2.2Monomere

2.2.1Ester der Acrylsäure

2.2.2Ester der Methacrylsäure

2.2.3Funktionelle Monomere

2.2.3.1Monomere mit Hydroxylgruppen

2.2.3.2Monomere mit Carboxylgruppen

2.2.3.3Monomere mit Aminogruppen

2.2.3.4Monomere mit Amidgruppen

2.2.3.5Monomere mit Epoxidgruppen

2.2.4Etheracrylate und -methacrylate

2.2.5Poly-ungesättigte Acryl- bzw. Methacrylsäureverbindungen

2.2.6Comonomere

2.2.7Copolymerisation

2.2.8Charakterisierung der Monomere

2.2.8.1Glasübergangstemperaturen

2.2.8.2Stoffliche Eigenschaften

2.2.9Handhabung der Monomere

2.3Herstellverfahren

2.3.1Substanzpolymerisation

2.3.2Perlpolymerisation

2.3.3Lösungspolymerisation

2.3.4Emulsionspolymerisation

2.4Literatur

Ulrich Poth

3Lösungsacrylatharze

3.1Definition der Lösungsacrylatharze

3.2Geschichtliche Entwicklung

3.3Verfahren der Lösungspolymerisation

3.3.1Einfluss des Verfahrens auf die Acrylatharz-Eigenschaften

3.3.2Verfahrensablauf

3.3.3Einfluss der Verfahrensbedingungen

3.3.4Alternativen zum Lösungspolymerisationsverfahren

3.4Acrylatharz-Zusammensetzung beeinflussen die lacktechnischen Eigenschaften

3.4.1Monomere

3.4.2Initiatoren

3.4.3Regler

3.4.4Lösemittel

3.5Typen, Eigenschaften und Anwendung der Acrylatharze

3.5.1Acrylatharze für lösemittelhaltige Lacke

3.5.1.1Thermoplastische Acrylatharze: Anwendung früher und heute

3.5.1.2Acrylatharze mit Methylolamiden

3.5.1.3Acrylatharze mit Hydroxylgruppen für die Aminoharzvernetzung

3.5.1.4OH-Acrylatharze für die Isocyanatvernetzung

3.5.1.6Acrylatharze und alternative Vernetzungsverfahren

3.5.2Lösungsacrylatharze für wässrige Lacke

3.5.2.1Wasser als Löse- und Dispersionsmittel

3.5.2.2Herstellung von Sekundärdispersionen von Acrylatharzen

3.5.2.3Eigenschaften und Verwendung wässriger Acrylatharz-Sekundärdispersionen

3.5.2.4Vergleich der wässrigen Acrylatharze aus Sekundärdispersionen mit anderen Bindemitteln

3.5.3Acrylatharze für Pulverlacke

3.5.3.1Pulverlacke aus OH-Acrylatharzen und verkappten Polyisocyanaten

3.5.3.2Pulverlacke aus Epoxidgruppen enthaltenden Acrylatharzen

3.5.3.3Acrylatharz-Powder-Slurries

3.6Ausblick

3.7Literatur

Manfred Schwartz

4Primärdispersionen von Acrylatharzen

4.1Bindemittelklassen der Polyacrylate

4.1.1Polyacrylate durch Polymerisation

4.1.1.1Radikalische Copolymerisation

4.1.1.2Emulsionspolymerisation

4.1.2Polyacrylate: Reinacrylate und Acrylat/Styrol-Copolymere

4.1.3Filmbildung von Polymerdispersionen

4.1.4Kenngrößen und Eigenschaften von Bindemitteln

4.2Geschichtliche Entwicklung

4.2.1Zeitliche Perspektive

4.2.2Technische Perspektive

4.3Zusammensetzung der Acrylatharze beeinflusst die Lackeigenschaften

4.3.1Einflussgrößen bei der Bindemittelherstellung

4.3.2Einsatzstoffe

4.3.2.1Monomerenauswahl

4.3.2.2Hilfsstoffe

4.3.2.3Initiatoren und Regler

4.3.2.4Puffersubstanzen und Neutralisationsmittel

4.3.2.5Konservierungsstoffe

4.3.2.6Entschäumer

4.4Verfahren der Emulsionspolymerisation

4.4.1Polymerisationssteuerung

4.4.2Mehrphasige Systeme

4.4.3Saatpolymerisation

4.5Acrylat-Dispersionen in Kombination mit anderen Bindemitteln

4.5.1Kombination mit anderen Dispersionen

4.5.1.1Kombination mit PVAc-Dispersionen

4.5.1.2Kombination mit A/S-Dispersionen

4.5.1.3Kombination mit S/Bu-Dispersionen

4.5.1.4Kombination mit PVC/PVDC-Dispersionen

4.5.2Acrylatharz-Dispersionen

4.6Acrylat-Primärdispersionen in der Anwendung

4.6.1Dispersionsfarben

4.6.1.1Grundierungen

4.6.1.2Außenfarben

4.6.1.3Innenfarben

4.6.1.4Dispersionslackfarben

4.6.1.5Holz

4.6.2Polymerdispersionen in Silikatsystemen

4.6.2.1Feuchtigkeitsschutz

4.6.2.2Verseifungsbeständigkeit

4.6.2.3Wasseraufnahme

4.6.2.4Wechselwirkungen Dispersion-Wasserglas

4.6.2.5Forderungen an eine optimale Dispersion

4.6.2.6Dispersions-Silikat-System

4.6.2.7Dispersions-Silikatputze

4.6.2.8Rahmenformulierung für eine Dispersions-Silikatfarbe

4.6.2.9Rahmenformulierung für einen Dispersions-Silikatputz

4.6.3Polymerdispersionen als Bindemittel in Siliconharzsystemen

4.6.3.1Polymerdispersionen in Siliconharzsystemen

4.6.3.2Pigmentbindevermögen

4.6.3.3Siliconharzemulsion und KPVK

4.6.3.4Bewitterungsverhalten

4.6.3.5Forderungen an eine optimale Dispersion

4.6.3.6Formulierung von Siliconharzfarben

4.6.4Elastische Beschichtungssysteme

4.6.4.1Effektiver Feuchtigkeitsschutz nach Künzel

4.6.4.2Hauptanforderungen an Beschichtungssysteme zur Fassadenrenovierung

4.6.4.3Mechanische Eigenschaften von Dispersionsfilmen

4.6.4.4Anschmutzresistenz

4.6.5Kunstharzputze und Wärmedämmverbundsysteme

4.6.5.1Einteilung der Kunstharzputze und technische Anforderungen

4.6.5.2Wärmedämmverbundsysteme

4.6.5.3Formulierungsschema für Kunstharzputze

4.6.5.4Typische Bindemittel für Kunstharzputze

4.6.6Klebstoffe

4.6.6.1Theoretische Grundlagen

4.6.6.2Polymerdispersionen als Klebrohstoffe

4.6.7Bauchemikalien

4.6.7.1Acrylate in zementösen Systemen

4.6.7.2Bodenbelagsklebstoffe

4.6.7.3Dichtstoffe

4.6.7.4Neue Baustoffe

4.6.7.5PVC-Modifizierungsmittel

4.6.7.6Ready to Use – Spezialbeschichtungen

4.6.7.7Additive

4.6.8Faserbindung/Vliesstoffe

4.6.8.1Acrylat-Dispersionen für die Faserbindung

4.6.8.2Acrylat-Dispersionen für Vliesstoffe

4.6.8.3Acrylat-Dispersionen als Additive

4.6.9Fußbodenpflegemittel

4.7Vergleich der Acrylat-Primärdispersionen mit anderen Bindemitteln

4.7.1Weißstein-Prüfung

4.7.1.1Vergleich verschiedener Kurzprüfungen

4.7.1.2Bindemittelvergleich

4.7.2Vergleich der Acrylat-Dispersionen mit Acrylat/Styrol-Dispersionen

4.7.2.1Einfluss von Bindemittel und Pigmentvolumenkonzentration

4.7.2.2Einfluss Pigment-Füllstoffverhältnis

4.7.2.3Einfluss unterschiedlicher Füllstoffe

4.7.3Vergleich der Acrylat- mit Vinylester-Dispersionen

4.7.4Vergleich der Acrylat- mit Polyolefin-Dispersionen

4.7.5Vergleich der Acrylat-Dispersionen mit Styrol/Butadien-Dispersionen

4.7Ausblick

4.8Literatur

Reinhold Schwalm

5Acrylate für strahlenhärtende Lacke

5.1Einleitung und Definitionen

5.2Geschichtliche Entwicklung

5.3Chemische Grundlagen der Strahlenhärtung

5.4Lackrohstoffe für die Strahlenhärtung

5.4.1Acrylate – die bevorzugten strahlenhärtbaren Monomere

5.4.2Acrylatfunktionelle Reaktivverdünner

5.4.2.1Monofunktionelle Acrylate

5.4.2.2Mehrfunktionelle Acrylate

5.4.3Eurymerische Acrylate

5.4.3.1Acrylatfunktionalisierte Standardbindemittel

5.4.3.2Acrylatfunktionelle Spezialbindemittel

5.4.4UV-härtbare acrylatfunktionalisierte Dispersionen

5.4.5Struktureinfluss aufFormulierungseigenschaften

5.4.5.1Viskosität

5.4.5.2Reaktivität

5.4.5.3Oberflächenspannung – Grenzflächenspannung

5.5Struktur und Eigenschaften der Lackfilme

5.5.1Netzwerke

5.5.1.1Netzwerkbildung

5.5.1.2Funktionalität

5.5.1.3Vernetzungsdichte und Netzbogenlängen

5.5.1.4Glasübergangstemperatur in hochvernetzen Lacken

5.5.1.5Spröd-Zäh-Übergangstemperaturen bei Netzwerken

5.5.1.6Sauerstoffinhibierung

5.5.2Lackfilme: Struktur-Eigenschaftsbeziehungen

5.5.2.1Struktureinfluss auf den Härtungsumsatz

5.5.2.2Glasübergangstemperatur: Einfluss auf Härte und Flexibilität

5.5.2.3Kratzfestigkeit: Einfluss der Vernetzungsdichte

5.5.2.4Photochemische Vergilbung

5.5.2.5Thermische Vergilbung

5.5.2.6Witterungsstabilität

5.5.2.7Performance-Temperatur-Energie-Diagramme

5.6Anwendungen und Formulierungen

5.6.1Graphische Anwendungen

5.6.1.1UV-Überdrucklacke

5.6.1.2UV-Druckfarben

5.6.2Holzbeschichtungen

5.6.3Elektronik

5.6.4Sonstige industrielle Anwendungen

5.6.4.1UV-Klebstoffe

5.6.4.2Optische Glasfasern

5.6.4.3Stereolithographie

5.6.4.4Dentalmaterialien

5.6.5UV-Lacke für Außenanwendungen

5.6.5.1UV-Systeme für Automobilanwendungen

5.6.5.2UV-Systeme für Bauanwendungen

5.6.6UV-Härtung in alternativen Beschichtungstechnologien

5.6.6.1UV-Pulverlacke

5.6.6.2Dual Cure-Systeme (UV- und nicht-UV-Härtung)

5.6.6.3UV-Film-Beschichtungstechnologie

5.6.7Chancen für UV-Lacke in „neuen“ Anwendungen

5.7Literatur

Lebensläufe

Bezugsquellen

Index

1Einleitung und Definitionen

Ulrich Poth

Als Acrylatharze für Coatings (Beschichtungssysteme) bezeichnet man Bindemittel, deren Hauptbestandteil Ester der Acrylsäure bzw. der Methacrylsäure (eigentlich Methylacrylsäure) sind. Die Ester der Acrylsäure bzw. Methacrylsäure werden analog zu den Salzen anorganischer Säuren als Acrylate bzw. Methacrylate bezeichnet. Acrylsäure ist die Propensäure, Methacrylsäure ist die 2-Methylpropensäure.

Formel 1.1: Acrylsäure- und Methacrylsäureester

Obwohl Acrylsäureester gegenüber den Methacrylsäureestern manche unterschiedlichen Eigenschaften haben, werden die daraus hergestellten Polymere summarisch als Acrylatharze bezeichnet. Es gibt viele Produkte, die Mischungen beider Stoffklassen enthalten.

Bindemittel sind die Filmbildner von Beschichtungssystemen (Lacken). Der Name bezieht sich auf die Eigenschaft dieser Produkte Farbkörper (Pigmente) zu benetzen bzw. mindestens auf einem Substrat zu fixieren.

Der Begriff Harze geht auf die in der geschichtlichen Vergangenheit für Beschichtungssysteme verwendeten Naturharze zurück. Gemeint ist damit der physikalische Zustand dieser Produkte. Sie bestehen aus Polymeren, bzw. mindestens aus Oligomeren, die ein glasähnliches Verhalten zeigen. Physikalisch handelt es sich um Flüssigkeiten sehr hoher Viskosität, d.h. erstarrte Schmelzen. Es gibt auch Produkte, die bei normaler Umgebungstemperatur augenscheinlich „echte“ Flüssigkeiten sind.

Ester der Acrylsäure bzw. der Methacrylsäure zeichnen sich durch die Reaktionsfähigkeit ihrer Doppelbindungen aus. Diese Doppelbindungen sind Polymerisationsreaktionen zugänglich. Es gibt die Möglichkeiten von radikalisch und ionisch initiierten Polymerisationsreaktionen.

Die Acrylatharze werden in zwei Gruppen unterschieden:

Die erste Gruppe umfasst die Polyacrylate. Dabei handelt es sich um Produkte, die durch Polymerisationsreaktionen der Acryl- bzw. Methacrylsäureester entstehen. Die in den Bausteinen enthaltenden Doppelbindungen werden also zum Aufbau der Bindemittel gebraucht. Die Polyacrylate werden nach verschiedenen Polymerisationsverfahren hergestellt. Die Polymerisationsverfahren bestimmen maßgeblich die Eigenschaften der damit erzeugten Bindemittel.

Das Verfahren der Lösungspolymerisation ist eine Möglichkeit, die Polymere herzustellen. Damit werden Polymere in organischer Lösung erzeugt, die als solche für Lackformulierungen verwendet werden (siehe Kapitel 3). Diese Produkte können auch in sekundäre, wässrige Dispersionen oder in Pulverharze umgewandelt werden. Einige Bindemittel für die genannten Anwendungsbereiche werden nach dem Verfahren der Substanzpolymerisation oder der Perlpolymerisation hergestellt.

Außerdem gibt es das Verfahren der Emulsionspolymerisation, damit werden primäre wässrige Acrylatdispersionen hergestellt (siehe Kapitel 4).

Die Ester der Acrylsäure bzw. Methacrylsäure als Bausteine für Polymere bezeichnet man als Monomere. Weitere Bausteine, die gemeinsam mit den Estern der Acrylsäure bzw. Methacrylsäure polymerisiert werden können, bezeichnet man als Comonomere.

Die zweite Gruppe umfasst die reaktionsfähigen Acrylatharze, die noch die Doppelbindungen der Acrylsäure- bzw. Methacrylsäureester enthalten. Acrylsäure- bzw. Methacrylsäure oder ihre Ester werden durch andere Aufbaureaktionen (Kondensations- oder Additionsreaktionen) in Polymere bzw. Oligomere eingefügt. Solche Bindemittel sind dann in der Lage durch Polymerisationsreaktionen beständige Filme zu bilden. Fast immer unter Einfluss energiereicher Strahlung (z.B. durch UV-Licht) entstehen dabei räumlich vernetzte Makromoleküle.

Diese Acrylatharze, die durch Polymerisation der Doppelbindungen der Acrylsäure- bzw. Methacrylsäureester Filme bilden, werden nach ihren Aufbaureaktionen bzw. den dabei verwendeten Reaktionspartnern unterschieden und bezeichnet (siehe Kapitel 5).

Abbildung 1.1: Einteilung der Acrylatharze für Coatings

2Acrylatharze: Zusammensetzung und Aufbau

Ulrich Poth

Es gibt aus der allgemeinen Zusammensetzung und dem Aufbau der Acrylatharze resultierende Eigenschaften, die sich auf die Anwendung der daraus hergestellten Bindemittel in Beschichtungsstoffen auswirken.

2.1Radikal-Kettenpolymerisation

2.1.1Polymerisationsreaktionen

Die Polymerisationsreaktionen [1-6] der Doppelbindungen der Acrylatmonomere können ionisch oder radikalisch gestartet (initiiert) werden. Die wichtigste und gebräuchlichste Reaktion ist eine radikalische Initiierung. Die dabei verwendeten Initiatoren (Peroxyverbindungen, Azoverbindungen) zerfallen spontan bei Temperaturerhöhung in Radikale (Initiatorreaktion). Die Zerfallsgeschwindigkeit ist dabei vom Typ des ausgewählten Initiators und der Temperatur abhängig.

Formel 2.1: Initiatorreaktion (Beispiel Peroxyverbindung)

Die gebildeten Initiatorradikale reagieren mit den π-Elektronen der Doppelbindung eines Monomers. Das Monomer bildet eine neue Einfachbindung und ein einsames Elektron, also ein neues Radikal. Das ist die Startreaktion der radikalisch initiierten Polymerisation.

Formel 2.2: Startreaktion

Die planare Struktur des Doppelbindungssystems geht dabei in energieärmere Tetraederstrukturen des Moleküls über. Dabei wird relativ viel Wärme frei. Die Aktivierungsenergie ist aufgrund des radikalischen Initiators relativ gering, somit ist die freie Polymerisationsenthalpie der Monomere deutlich negativ mit ca. -60 bis -80 kJ/mol (Beispiele: Acrylsäure -75 kJ/mol, Methylmethacrylat -58 kJ/mol bei 298 K).

Abbildung 2.1: Darstellung der Reaktion der Doppelbindung

Das durch die Startreaktion gebildete Monomerradikal ist dann seinerseits erneut in der Lage, ein weiteres Monomer zu addieren und den Radikalstatus darauf zu übertragen. Diese Reaktion kann fortgesetzt werden, so lange Monomermoleküle zur Verfügung stehen. Es entsteht ein Kette aus angelagerten Monomeren, die am einen Ende ein Radikal enthält. Diesen Polymeraufbau bezeichnet man als Kettenwachstumsreaktion.

Formel 2.3: Kettenwachstumsreaktion

Die Polymerketten können wachsen bis schließlich zwei Radikale aufeinander treffen und eine σ-Bindung ausbilden. Bei den Radikalen kann es sich entweder um eine andere gewachsene Kette mit einem Radikalende handeln oder um ein Initiatorradikal. Diese Abbruchreaktion bezeichnet man als Rekombination.

Formel 2.4: Abbruchreaktion, Rekombination

Eine weitere Möglichkeit des Kettenabbruchs besteht in der Reaktion des Radikals an der Kette mit einem beweglichen Atom oder einer Atomgruppe unter Ausbildung eines Kettenendes und eines neuen Radikals am Reaktionspartner. Man bezeichnet diese Reaktion als Kettenübertragung. Der Reaktionspartner kann eine andere Polymerkette mit beweglichen Wasserstoffatomen sein. Dann kann am entstehenden Radikal dieser Polymerkette neues Kettenwachstum starten, es entstehen verzweigte Polymermoleküle. Kettenübertragungen können auch mit anderen Molekülen im Reaktionsgemisch stattfinden, z.B. mit Lösemitteln. An den gebildeten Radikalen können neue Polymerketten gestartet werden. Es gibt Substanzen, die für eine Kettenübertragungsreaktion besonders geeignet sind (z.B. Mercaptane). Solche Substanzen werden gezielt in kleinen Mengen verwendet, man bezeichnet sie als Regler.

Formel 2.5: Abbruchreaktion, Kettenübertragung

Eine andere Abbruchreaktion besteht in einer Disproportionierung des Radikalzustands. Dabei handelt es sich auch um eine Übertragung eines Wasserstoffatoms. Der relativ hohe Energiegehalt von Radikalen reicht aus, um durch Übertragung eines Wasserstoffatoms die beiden benachbarten energieärmeren Zustände des Radikalzustands zu erzeugen. Aus zwei Radikalen entstehen zum einen ein gesättigtes Kettenende und zum anderen eine Doppelbindung.

Formel 2.6: Abbruchreaktion, Disproportionierung

Das Polymermolekül mit der Doppelbindung am Ende kann dann wiederum – als Makromonomer – in eine weitere wachsende Kette mit einbezogen werden. Auch dabei entstehen verzweigte Polymermoleküle.

Die Anteile der verschiedenen Abbruchreaktionen hängen vom Polymerisationsverfahren und den dabei gewählten Reaktionsbedingungen ab. Es wird davon ausgegangen, dass Rekombinationsreaktionen und Abbruchreaktionen mit anderen Molekülen bevorzugt sind, so dass mehrheitlich lineare Polymermoleküle entstehen, die allerdings meistens deutlich verknäult sind. Verzweigte Polymermoleküle, wie sie bei der Kettenübertragung an andere Polymermoleküle und bei der Disproportionierung entstehen, ergeben durchaus andere anwendungstechnische Eigenschaften bei der Anwendung der Polymere in Beschichtungsfomulierungen.

Je nach dem verwendeten Polymerisationsverfahren und den dabei gewählten Reaktionsbedingungen gibt es auch Nebenreaktionen, die die Eigenschaften der Polymermoleküle bzw. auch die der daraus hergestellten Systeme deutlich beeinflussen können (siehe Beschreibung der Polymerisationsverfahren).

Bei der Filmbildung aus reaktionsfähigen Acrylatharzen – meistens unter Einfluss energiereicher Strahlung (siehe Kapitel 5) laufen die gleichen Reaktionen ab, wie beim Aufbau von Polymeren. Da dabei bevorzugt Moleküle mit mehr als einer Doppelbindung verwendet werden, werden die Moleküle mehrfach an Radikalkettenpolymerisationsreaktionen beteiligt. Daher entstehen vernetzte Filmmoleküle.

2.1.2Kinetik der Radikalkettenpolymerisation

Der Initiatorreaktion ist eine Zerfallsreaktion erster Ordnung unter Bildung zweier Radikale [7] deren Geschwindigkeit (v1) von der Initiatorkonzentration (cI) und der Temperatur abhängt. Für die Geschwindigkeit der Initiatorreaktion gilt [2]:

Formel 2.7: Geschwindigkeit der Initiatorreaktion

Die Geschwindigkeit der Startreaktion (v2) ist von der Konzentration der Initiatorradikale (cR•), der Konzentration der Monomere (cM) und – natürlich – von der Temperatur abhängig.

Formel 2.8: Geschwindigkeit der Startreaktion

Vergleicht man die Geschwindigkeitskonstanten der Initiatorreaktion mit der der Startreaktion so gilt, dass die Konstante der Initiatorreaktion bedeutend kleiner ist als die der Startreaktion. Die Geschwindigkeit der Startreaktion im Ganzen (vSt) ist also letztlich ausschließlich von der Effektivität des Initiatorzerfalls (kSt) bestimmt.

K1 << K2

Formel 2.9: Vergleich der Geschwindigkeitskonstanten

Beim Kettenwachstum stellt sich in sehr kurzer Zeit ein Gleichgewicht zum Kettenabbruch ein. Die Geschwindigkeit des Kettenabbruchs (vA) ist abhängig von der Konzentration der Radikale tragenden Ketten (cRnM•).

Formel 2.10: Geschwindigkeit des Kettenabbruchs

Im Gleichgewicht ist dann die Änderung der Radikalkonzentration (cRnM•) gleich Null und damit ist die Wachstumsgeschwindigkeit gleich der Abbruchgeschwindigkeit.

Formel 2.11: Gleichgewichtssituation

Daraus ergibt sich für die Bestimmung der Wachstumsgeschwindigkeit (vW):

Formel 2.12: Wachstumsgeschwindigkeit

Die molare Wachstumsgeschwindigkeit (nW) ist als Funktion der Zeit abhängig von der Wachstumskonstante (kW) und der Monomerenkonzentration (cM).

Formel 2.13: Molare Wachstumsgeschwindigkeit

Als Beispiele sind in der Tabelle 2.1 die kinetischen Daten für die Methylester der Acrylsäure und der Methacrylsäure aufgeführt [2]:

Tabelle 2.1: Kinetische Daten für Monomere

Setzt man die Daten für diese Monomere in die Gleichungen der Wachstumsgeschwindigkeit ein, so erhält man für Methylacrylat eine Wachstumsgeschwindigkeit von 165·10-5 mol/l·s und 20380 Moleküle Monomer pro Sekunde, für Methylmethacrylat eine Wachstumsgeschwindigkeit von 17-10-5 mol/l·s und 3120 Moleküle Monomer pro Sekunde [2]. Einzelne Polymermoleküle mit einer mittleren Molmasse von ca. 10.000 g/mol entstehen also innerhalb von 0,007 Sekunden bei Methylacrylat bzw. innerhalb von 0,03 Sekunden bei Methylmethacrylat. Acrylsäureester polymerisieren also um fast eine Zehnerpotenz schneller als Methacrylsäureester. Daher enthalten die Acrylatharze mit reaktiven Doppelbindungen (siehe Kapitel 5) bevorzugt Ester der Acrylsäure.

Im Gegensatz zur Polykondensation entstehen die fertigen Polymermoleküle also in sehr kurzen Zeiten. Ebenfalls im Gegensatz zur Polykondensation ist die Polymerisationsreaktion keine Gleichgewichtsreaktion. Daher folgt die Molmassenverteilung in Abhängigkeit von der mittleren Molmasse den allgemeinen statistischen Regeln unter den gegebenen Bedingungen. Allerdings ist die Polymerisationsreaktion natürlich abhängig von den energetischen Bedingungen. Es gilt die Gleichung nach Gibbs-Helmholtz:

Formel 2.14: Vereinfachte Gibbs-Helmholtz-Gleichung

Danach laufen Reaktionen nur dann ab, wenn der die freie Reaktionsenthalpie (G), d.h. die Differenz aus dem Betrag der gesamten Reaktionsenthalpie (H) und dem Produkt der Temperatur (T) und der Reaktionsentropie (S) negativ ist. Mit steigender Temperatur wird danach der Betrag der freien Reaktionsenthalpie immer kleiner. Bei dem Wert 0 oder bei positiven Werten für die freie Reaktionsenthalpie ist eine Polymerisationsreaktion für das betreffende Monomer nicht mehr möglich. Die Grenztemperatur, ab der keine Polymerisationsreaktion mehr ablaufen kann, wird Ceiling-Temperatur bezeichnet. Die Ceiling-Temperatur von Methylmethacrylat ist beispielsweise 373 K (200 °C). Methacrylate haben generell niedrigere Ceiling-Temperaturen als Acrylate. Aus dem Zusammenhang von Polymerisation und Temperatur resultiert auch der Vorteil der effektiven Strahlenhärtung von Acrylatharzen mit reaktiven Doppelbindungen bei niedrigen Temperaturen (siehe Kapitel 5).

2.1.3Einflüsse der Polymerisationsreaktionen

Zusammenfassend soll festgehalten werden, dass Polymerisationsreaktionen durch Initiatoren, die durch Wärmezufuhr die Aktivierungsenergie überwinden, gestartet werden, dann aber – beim Starten und Wachsen der Polymerketten – deutlich exotherm sind. Dem haben die technischen Bedingungen der Polymerisationsverfahren Rechnung zu tragen, was die Variabilität der Herstellung und damit der zu erwartenden Eigenschaften der Polymere deutlich beeinflusst. Ab einer bestimmten Temperatur, die abhängig vom Typ des Monomers ist, findet keine Polymerisation mehr statt.

Das molekulare Wachstum der Polyacrylate ist keine Gleichgewichtsreaktion, so folgt diese Reaktion daher rein statistischen Bedingungen [02]. Die Molmassenverteilung von Polyacrylaten, die nach dem Verfahren der radikalisch initiierten Kettenpolymerisation hergestellt werden, ist daher im Trend stets deutlich breiter als die von Polykondensationsprodukten. Es gibt besondere Methoden, niedrige mittlere Molmassen und relativ engere Molmassenverteilungen zu erreichen. Die radikalisch initiierte Kettenpolymerisation erlaubt auch – je nach Verfahren – besonders große, nicht vernetzte Moleküle herzustellen (bis zu mittleren Molmassen von über 106 g/mol).

Polyacrylate, die bei üblichen Bedingungen der verschiedenen Verfahren hergestellt werden, enthalten meistens lineare Moleküle oder zumindest hohe Anteile davon. Solche Moleküle verknäulen sich relativ deutlich, was sich auf verschiedene lacktechnische Eigenschaften auswirkt, wie Löslichkeit und Lösungsviskosität, Geschwindigkeit der physikalischen Filmbildung aus Dispersionen und Lösungen, Benetzung und Fließverhalten während der Filmbildung, Effektivität der Vernetzung. Ein steigender Anteil verzweigter Polymermoleküle senkt den Grad der Verknäulung, erhöht die Lösungsviskosität und verbessert die Zugänglichkeit reaktiver Gruppen für eine chemische Filmbildung.

2.2Monomere

2.2.1Ester der Acrylsäure

Acrylsäure wird heute fast ausschließlich aus Propen durch eine ein- oder zweistufige katalytische Oxidationsreaktion gewonnen [8]. Die Ester der Acrylsäure werden durch katalytische Veresterung von Acrylsäure mit dem entsprechenden Monoalkohol gewonnen [9]. Es gibt inzwischen enzymatische Veresterungsverfahren mit geringerem Energieaufwand und hohen Ausbeuten [10]. Einige Ester können auch direkt hergestellt werden. So kann man Ethylacrylat aus Acrylnitril und Ethanol unter dem Einfluss von Schwefelsäure [11, 12] oder aus Acetylen, Kohlenmonoxid und Ethanol direkt herstellen [13]. Weiterhin besteht die Möglichkeit, Acrylsäureester höherer Alkanole durch Umesterung aus niedrig molekularen Estern herzustellen.

Technisch gut verfügbar für die Herstellung von Polymeren sind die Ester der Acrylsäure mit Methanol, Ethanol, n-Butanol, iso-Butanol, tert.-Butanol, 2-Ethylhexanol, n-Dodecylalkohol und Cyclohexanol. Die Ester andere Alkanole mit Acrylsäure können eine untergeordnete Rolle spielen. Die Länge der Alkanolreste und deren Verzweigung beeinflussen signifikant die Eigenschaften der daraus hergestellten Acrylatharze und damit der damit formulierten Beschichtungssysteme (siehe Kapitel 2.2.6).

2.2.2Ester der Methacrylsäure

Methacrylsäure wird aktuell nach verschiedenen Verfahren hergestellt. Verbreitet ist die Herstellung aus Aceton und Cyanwasserstoff über das Acetoncyanhydrin. Acetoncyanhydrin wird zunächst mit Schwefelsäure dehydratisiert und anschließend verseift. Über das Methacrylamid entsteht mit Wasser die freie Methacrylsäure und mit Alkoholen mehr oder weniger direkt ein Ester der Methacrylsäure [12].

Die Oxidation von Isobutylen ergibt über das Methacrolein die Methacrylsäure [18].

Aus Propen und Kohlenmonoxid entsteht Isobuttersäure, die zu Methacrylsäure dehydriert werden kann [12].

Aus Ethylen entsteht mit Synthesegas Propionaldehyd, das mit Formaldehyd die entsprechende Methylolverbindung bildet, die zu Methacrylsäure dehydratisiert und oxidiert werden kann.

Tabelle 2.2: Physikalische Eigenschaften der Acrylester von Monoalkoholen [19-22]

Zur Herstellung von Acrylatharzen ist eine ganze Reihe von Alkanolestern der Methacrylsäure technisch verfügbar. Es gibt die Ester von Methanol, Ethanol, n-Butanol, iso-Butanol, tert.-Butanol, 2-Ethylhexylalkohol, Isodecylalkohol, Isotridecylalkohol, Cyclohexanol. Spezielle Monomere sind die Methacrylester von Benzylalkohol, p.-tert.-Butylcyclohexanol, Norbornol, Dicyclopentadienalkohol und von Fettalkoholen.

Die Ester der Methacrylsäure werden nach konventionellen Veresterungsverfahren hergestellt, höhere Ester auch durch Umesterung aus z.B. Methylmethacrylat. Auch hier beeinflussen die Art und Größe der Seitenketten der Methacrylsäureester signifikant die Eigenschaften der Polymere bzw. der daraus hergestellten Beschichtungsmittel (siehe Kapitel 2.2.6).

Methacrylsäureester polymerisieren deutlich langsamer als Acrylsäureester.

Tabelle 2.3: Physikalische Eigenschaften der Methacrylester von Monoalkoholen [19-22]

2.2.3Funktionelle Monomere

Für die Herstellung von Polymeren, die noch reaktionsfähige Gruppen enthalten sollen (siehe Kapitel 3) und für die Herstellung von reaktiven Acrylatharzen, die noch Doppelbindungen enthalten (siehe Kapitel 5) werden Monomere verwendet, die neben der Doppelbindung noch andere funktionelle Gruppen enthalten.

2.2.3.1Monomere mit Hydroxylgruppen

Wenn formal eine Hydroxylgruppe eines Polyalkohols mit Acrylsäure oder Methacrylsäure verestert wird, entsteht ein Monomer, das noch verbliebene freie Hydroxylgruppen enthält. Technisch werden solche Monomere hauptsächlich durch Umsetzung von Epoxiden mit Acrylsäure bzw. Methacrylsäure hergestellt.

Aus Acrylsäure und Methacrylsäure entstehen durch Umsetzung mit Ethylenoxid oder Propylenoxid die Monomere 2-Hydroxyethylacrylat und -methacrylat bzw. 2-Hydroxypropylacrylat und -methacrylat [23].

Formel 2.15: Herstellung von 2-Hydroxyethylacrylat

Hydroxyfunktionelle Monomere werden auch durch partielle Veresterung von Polyolen hergestellt. Aus je einem Mol Acrylsäure und Butandiol-1,4 entsteht Butandiolmonoacrylat.

Ein spezielles Monomer ist das Glycerinmonoacrylat aus Acrylsäure und Glycidol.

Polymere, die Monomere mit freien Hydroxylgruppen enthalten, werden in Reaktivlacken verwendet. Die Polymere vernetzen bei der Filmbildung mit den dafür ausgewählten Reaktionspartnern. Als Reaktionspartner für die Hydroxylgruppen kommen:

•Polyisocyanate mit freien Isocyanatgruppen, Aminoharze mit reaktionsfähigen Gruppen (Methylolgruppen und veretherte Methylolgruppen)

•verkappte Polyisocyanate,

•Aminoharze mit reaktionsfähigen Gruppen (Methylolgruppen und veretherte Methylolgruppen)

in Frage (siehe Kapitel 3). Die genannten hydroxyfunktionellen Monomere unterscheiden sich durch ihre Struktur und die unterschiedliche Reaktivität ihre OH-Gruppen. Dem entsprechend werden sie für die Herstellung von Acrylatharzen ausgewählt.

2.2.3.2Monomere mit Carboxylgruppen

Verwendet man Acrylsäure oder Methacrylsäure als solche, erhält man Acrylatharze mit der entsprechenden Menge freier Carboxylgruppen.

Carboxylgruppen können ebenfalls zu Vernetzungsreaktionen herangezogen werden. Als Reaktionspartner werden vor allem Epoxidgruppen enthaltende Verbindungen verwendet.

Carboxylgruppen in Polymeren lassen sich mit Alkalien oder mit Aminen neutralisieren. Die dabei gebildeten Carboxylationen sind so hydrophil, dass sie die Polymere, die sie enthalten, in eine stabile wässrige kolloidale Lösung überführen können. Solche Acrylatharze bilden als Sekundärdispersionen wichtige Bindemittelkomponenten für wasserbasierte Lacksysteme.

Bestimmte Mengen an Carboxylgruppen in Acrylatharzen wirken katalytisch. Das gilt vor allem für die Reaktion von Hydroxylgruppen mit den funktionellen Gruppen der Aminoharze (Methylolgruppen, veretherte Methylolgruppen), die durch die Acidität der Carboxylgruppen beschleunigt wird.

Weiterhin wird Diacrylsäure (Carboxyethylacrylat) in speziellen Fällen als Carboxylträger in Polymeren verwendet.

Andere Carboxylträger sind die Ester eines Diols (Ethylenglykol) mit Acrylsäure und Bernsteinsäure bzw. Maleinsäure, die dann jeweils noch eine freie Carboxylgruppe tragen.

2.2.3.3Monomere mit Aminogruppen

Primäre und sekundäre aliphatische Amine reagieren mit den Doppelbindungen der Acrylsäure bzw. Methacrylsäure leicht in einer Additionsreaktion (Michael-Addition); es gibt daher keine stabile Verbindung mit beiden Gruppen. So entstehen zunächst nur Monomere mit tertiären Aminogruppen, die kein reaktionsfähiges Wasserstoffatom mehr enthalten. Solche aminofunktionellen Monomere werden durch Umsetzung tertiärer Aminoalkanole mit Acrylsäure bzw. Methacrylsäure unter Bildung von Estern gebildet. Die wichtigsten technisch verfügbaren aminofunktionellen Monomere sind N,N-Dimethylaminoethylacrylat bzw. -methacrylat.

Ein Monomer mit einer sekundären Aminogruppe ist dennoch verfügbar. Es ist das N-tert.-Butylaminoethylmethacrylat. Dieses Monomer ist deshalb relativ stabil, weil die sekundäre Aminogruppe durch den tertiären Butylrest so sterisch abgeschirmt ist, dass sie für eine Michaeladdition kaum verfügbar ist.

Es gibt auch Monomere die quartäre Ammoniumsalze enthalten z.B. 2-Trimethylammoniumethylmethacrylatchlorid.

Polymere mit einem signifikanten Anteil an Aminogruppen können durch Zugabe flüchtiger Säuren neutralisiert werden. Sie bilden dann kationische Trägergruppen für die Herstellung stabiler wässriger, kolloidaler Lösungen (vergleichbar zu den anionisch stabilisierten Carboxylaten).

Polymere mit Aminogruppen zeichnen sich durch besondere Haftungseigenschaften auf Metallen und Kunststoffen aus. Sie finden auch bei der Papierherstellung Anwendung und bei der Formulierung von Klebstoffen.

Tertiäre Amine wirken ebenso als Katalysatoren. Einmal wird die Reaktion von Hydroxylgruppen mit Isocyanaten beschleunigt (siehe Kapitel 3). Zum anderen forcieren tertiäre Aminogruppen die Reaktionen bei der Vernetzung durch UV-Licht (siehe Kapitel 5).

2.2.3.4Monomere mit Amidgruppen

Durch Hydrolyse von Acrylnitril bzw. Methacrylnitril entstehen Acrylamid bzw. Methacrylamid. Polymere mit signifikanten Anteilen an Acrylamid oder Methacrylamid sind sehr polar. Sie werden hauptsächlich in der Papierindustrie und der Textilindustrie verwendet. Polymere mit Acrylamid werden in den Wasseraufbereitungsverfahren benötigt.

Weiterhin finden diese Amide Anwendung als Lackbindemittel für die Herstellung selbstvernetzender Polyacrylate (siehe Kapitel 3). Dabei werden die Amide mit Formaldehyd und Monoalkoholen (bzw. den entsprechenden Halbacetalen) zu Methylolverbindungen bzw. veretherten Methylolverbindungen umgesetzt. Diese Reaktionen können polymeranalog durchgeführt werden. Es gibt außerdem Monomere, die diese Modifizierung bereits enthalten: Methylolmethacrylamid, N-(n-Butoxy)-methylacrylamid und das N-Isobutoxymethylacrylamid, bzw. die entsprechenden Methacrylate.

Acrylamid bzw. Methacrylamid kann am Amidstickstoff alkyliert sein, z.B. N-Ethylmethacrylamid und N,N-Dimethylacrylamid.

Polymere aus (Meth)acrylamiden deren NH-Gruppen mit tertiären Aminoalkylgruppen substituiert sind, z.B. das 3-Dimethylaminopropylmethacrylamid, finden ebenso Einsatz: u.a. als Flockungsmittel, für Papierbeschichtungen und Textilausrüstungen.

2.2.3.5Monomere mit Epoxidgruppen

Großtechnisch verfügbar ist bisher das Glycidylmethacrylat (2,3-Ethoxypropyl-1-methacrylat). Polymere mit Glycidylmethacrylat als Baustein können mit primären und sekundären Aminogruppen (schon bei Raumtemperatur) und mit Carboxylgruppen (meistens bei erhöhter Temperatur) reagieren. Vernetzen solche Polymere mit Polyaminen und mit Polycarbonsäuren bzw. deren Derivaten kommt es zur Filmbildung. Eine wichtige Anwendung sind Pulverlacke auf Basis von Acrylatharzen mit Glycidylmethacrylat als Baustein.

Tabelle 2.4: Physikalische Daten technisch verfügbarer funktioneller Monomere

2.2.4Etheracrylate und -methacrylate

Genau wie Diole lassen sich auch oligomere Etherdiole mit Acrylsäure oder Methacrylsäure verestern. Wenn nur eine OH-Gruppe verestert wird, entstehen Monomere mit Etherseitenketten und einer Hydroxylgruppe. Beispiele sind Diethylenglykolacrylat und Triethylenglykolmethacrylat.

Glykolmonoether lassen sich mit Acrylsäure oder Methacrylsäure verestern. Technisch verfügbar sind Acrylate und Methacrylate des Methoxyethanols, des Ethoxyethanols, des Methyldiglykols und des Methyltriglykols. Es gibt auch Acrylsäure- und Methacrylsäureester des Phenols und des Phenoxyethanols.

Polyether entstehen durch Addition von Ethylenoxid oder Propylenoxid an Monoalkohole oder Polyalkohole. Es gibt auch Blockpolymere aus beiden cyclischen Oxiden. Die Produkte können mit Acrylsäure oder Methacrylsäure verestert werden. Eine Reihe von Produkten mit unterschiedlicher Länge der Etherseitenketten sind verfügbar.

Polyethylenglykol- und Polypropylenglykolacrylate und -methacrylate mit einer Doppelbindung sind Monomere für die Herstellung von Acrylatpolymeren. Die in den Polymeren enthaltenden Polyetherseitenketten erzeugen eine hohe Plastifizierung und zwar umso mehr, je größer die Kettenlänge der Polyether ist. Die Seitenketten aus Polyethylenglykol ergeben eine ausgeprägte Hydrophilie der Polymere. Solche Polymere mit signifikanten Anteilen an Polyethylenglykol-Seitenketten ermöglichen daher die Herstellung nichtionisch stabilisierter wässriger, kolloidaler Lösungen bzw. Dispersionen.

Auch Furfuryl- und Tetrahydrofurfurylacrylat bzw. -methacrylat gehören zu den Etheracrylaten.

2.2.5Poly-ungesättigte Acryl- bzw. Methacrylsäureverbindungen

Verestert man mehr als zwei Hydroxylgruppen eines Polyols mit Acrylsäure bzw. Methacrylsäure erhält man poly-ungesättigte Monomere. Da alle Doppelbindungen einer Radikalkettenpolymerisation zugänglich sind, bilden solche Monomere Brücken zwischen Polymerketten. Bei der Herstellung von Polyacrylaten ergeben sehr kleine Anteile poly-ungesättigter Monomere verzweigte Polymerketten. Höhere Anteile führen zur Vernetzung der Polymere. Diese Möglichkeit wird für die Herstellung von Mikrogelen (wässrig und nichtwässrig) genutzt.

Die Möglichkeit zur Vernetzung wird hauptsächlich für die Formulierung und Herstellung von reaktiven Acrylatbindemittelsystemen für die Strahlenhärtung genutzt (siehe Kapitel 5). In dem Zusammenhang werden auch die poly-ungesättigten Acrylatmonomere beschrieben.

2.2.6Comonomere

Eine Reihe ungesättigter Verbindungen sind leicht gemeinsam mit Acrylestern zu polymerisieren (siehe Kapitel 2.2.7). Diese Verbindungen werden Comonomere genannt. Diese Verbindungen werden herangezogen, um bestimmte Eigenschaften für Acrylpolymere zu erreichen.

Comonomere sind zunächst die Abkömmlinge der Acrylsäure bzw. Methacrylsäure wie Acrylnitril bzw. Methacrylnitril. Die Nitrile erzeugen in Polymeren, die sie enthalten, besonders gute Haftung – vor allem auf metallischen Substraten.

Das wichtigste Comonomer ist allerdings das Styrol (Vinylbenzol). Auch Vinyltoluole und Methylstyrole können gemeinsam mit Acrylaten oder Methacrylaten polymerisiert werden. Diese aromatischen Comonomere ergeben für Polymere, die sie enthalten, hohe Härten und bilden aus Lösungen Filme durch schnelle physikalische Trocknung

Olefine polymerisieren dagegen nicht ohne weiteres mit Acrylestern und Methacrylestern.

Das gilt auch für Vinylhalogenide, Vinylester und Vinylether.

Auch Maleinsäure und ihre Derivate polymerisieren nicht einfach mit Acrylsäure- bzw. Methacrylsäureestern.

Tabelle 2.05: Physikalische Daten technisch verfügbarer Comonomere für Acrylatharze

Dagegen kann man N-Vinylverbindungen gut mit Acrylsäureestern und Methacrylsäureestern gemeinsam polymerisieren. Solche Comonomere sind N-Vinylpyrrolidon, N-Vinylimidazol, N-Vinylcaprolactam und N-Vinylcarbazol. Auch diese Monomere erzeugen besonders effektive Benetzung auf Metall, Papier und Kunststoffen. Sie werden weniger für die Herstellung von Acrylatpolymeren, als für die Herstellung von Beschichtungsmaterialien verwendet, die durch UV-Licht härten. Allerdings sind diese Produkte schwieriger zu verarbeiten, weil sie Schmelzpunkte im Bereich der Umgebungstemperatur bzw. auch deutlich darüber haben.

Weitere spezielle Monomere enthalten fluorierte Alkylseitenketten wie z.B. das Hexafluorobutylmethacrylat. Solche Fluor enthaltenden Monomere erzeugen für Polymere, die sie enthalten, spezielle Oberflächeneigenschaften.

Es gibt auch Acrylsäurederivate mit Siloxanen, z.B. das Trimethylsiloxyethylmethacrylat oder Polydimethylsiloxanmethacrylate, die oberflächenwirksame Monomere darstellen.

2.2.7Copolymerisation

Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem gemeinsamen Polymerisationsprozess zweier Monomere an einem Radikalende der wachsende Polymerkette mit dem Monomer 1 ein weiteres Monomer 1 oder ein Monomer 2 anlagert und umgekehrt,

ist von der Konzentration der Monomere und der zu diesem Reaktionsschritt gehörenden Geschwindigkeitskonstante abhängig. Es gibt daher vier Geschwindigkeitskonstanten (k[1.1], k[1.2] und k[2.1], k[2.2].

Sind die Geschwindigkeitskonstanten der Reaktion der verschiedenen Monomerradikale untereinander (k[1.2]und k[2.1]) sehr hoch gegenüber denen der Reaktion mit der eigenen Art (k[1.1]und k[2.2]), so entstehen alternierende Copolymerketten unabhängig von der Monomerenkonzentration [2].

Zur Berechnung des Copolymerisationsverhaltens gilt für die differentielle Änderung der Monomerenkonzentration über die Zeit der Quotient aus den Verhältnissen der Geschwindigkeitskonstanten und der Monomerkonzentrationen nach Gleichung 2.16.

Es ist leicht zu erkennen, dass die Berechnung der Copolymerisationsverhältnisse bereits bei zwei kombinierten Monomeren sehr kompliziert ist.

Formel 2.16: Berechnung der Copolymerisationsverhältnisse

Das gilt natürlich erst recht, wenn mehrere Monomere für eine Copolymerisation vorgesehen sind. Die meisten Acrylatharze entstehen aus einer Mischung mehrerer Monomere. Es wird daher versucht, das Copolymerisationsverhalten von Monomeren individuell zu quantifizieren [24]. Dazu werden die Geschwindigkeitskonstanten in die Effekte der Resonanzstabilität des Radikals (Q) und der Polarität (e) des Monomers zerlegt und zu dem Verhalten des Styrols, als gebräuchlichem Monomer, in Relation gebracht. Für Styrol wurden die Werte für Q mit 1,0 und e mit -0,8 festgelegt. Es gilt die Beziehung:

Formel 2.17: Berechnung der Q- und e-Werte

Trägt man die Werte von Q und e für die verschiedenen Monomere in ein Diagramm ein, erhält man das Diagramm in Abbildung 2.2[2].

Das Q/e-Diagramm ergibt eine Abschätzung der Tendenz für einzelne Monomere mit anderen statistisch zu copolymerisieren. Allgemein gilt, dass Monomere, deren Werte nahe beieinander liegen, in der Lage sind, effektiv statistisch miteinander zu copolymerisieren.

Für die meisten der Acrylatharze ist eine statistische Verteilung der Monomere in der Polymerkette erwünscht.

2.2.8Charakterisierung der Monomere

2.2.8.1Glasübergangstemperaturen

Verschiedene Ansätze, die unterschiedlichen Eigenschaften der Monomere aus dem Einfluss der Seitenkette zu quantifizieren, sind möglich.

Der wichtigste besteht in der Definition der Glasübergangstemperatur. Die Glasübergangstemperatur eines Polymeren ist die Temperatur, bei der dessen Molekülverbund vom Glaszustand in der elastischen Zustand übergeht. Im Glaszustand sind die Moleküle eines Polymers ziemlich unverrückbar miteinander assoziiert (verknäult) und haben einen hohen Widerstand gegenüber mechanischer Verformung.

Abbildung 2.2: Q/e-Diagramm

Bei Erhöhung der Temperatur beginnt die Möglichkeit, dass Moleküle, bzw. zunächst Teile davon, sich unter mechanischem Einfluss bewegen, wobei sie nach Aufhebung des Einflusses wieder den vorigen Zustand einnehmen. Das ist der elastische Zustand des Polymeren. Bei weiterer Erhöhung der Temperatur beginnen sich die Polymermoleküle ohne eine Rückstellungsmöglichkeit zu entknäulen; das Polymer erweicht und fängt an zu fließen (plastischer Zustand, Schmelze).

Abbildung 2.3: Elastizitätsmodul eines Polymeren in Abhängigkeit von der Temperatur

Die Lage der Temperatur des Übergangs vom Glaszustand in den elastischen Zustand hängt von der Intensität des molekularen Assoziationsverhaltens der Polymermoleküle ab. Die Glasübergangstemperatur kann mit verschiedenen Methoden bestimmt werden. Hier wird als aussagekräftigste Methode die „Dynamisch Thermomechanische Analyse“ (DTMA) [25] gesehen. Dabei wird das viskoelastische Verhalten eines Polymerfilms in Abhängigkeit von der Temperatur bestimmt und durch Angabe des Elastizitätsmodul (E", Speichermodul) dargestellt. Die Abbildung 2.3 zeigt die Kurve des Elastizitätsmodul E" eines nichtvernetzten Polymers über den Temperaturverlauf. Die Temperatur am Wendepunkt der Kurve wird als Glasübergangstemperatur definiert.

Eine weitere Methode zur Bestimmung der Glasübergangstemperatur ist die „Dynamische Differenz-Kalorimetrie“ (Dynamic Scanning Calorimetry, DSC) [26]. Die genaue Lage der Glasübergangstemperatur ist von der Messmethode und den angewendeten Messbedingungen abhängig. Oberhalb einer bestimmten Mindestmolmasse ist die Glasübergangstemperatur unabhängig von der Molmasse.

Für Acrylatharze gilt: Je steifer die Kette der Polymere ist und je kürzer die Seitenketten und je polarer die Bausteine sind, desto höher ist die Glasübergangstemperatur.

Eine weitere Abbildung zeigt die Glasübergangstemperaturen technisch verfügbarer Monomere in Abhängigkeit der Anzahl der C-Atome ihrer Seitenketten.

Abbildung 2.4 zeigt, dass Methacrylsäureester deutlich höhere Glasübergangstemperaturen haben als die entsprechenden Acrylsäureester. Das liegt daran, dass die Methylgruppe des Methacrylsäurerestes die Kettenbeweglichkeit einschränkt (im Gegensatz zu Methylseitenketten bei Polyestern).

Abbildung 2.4: Abhängigkeit der Glasübergangstemperatur von der Anzahl der C-Atome der Seitenketten

Die Glasübergangstemperaturen der Ester fallen deutlich mit steigender Kettenlänge und zwar bei den Methacrylsäureestern stärker als bei den Acrylsäureestern. Bei den Methylestern ist der Abstand 95 °C, beim n-Hexylester nur noch 37 °C.

Bei den Monomeren mit längerer linearer Seitenkette steigt die Glasübergangstemperatur bei höheren linearen Alkoholresten mit steigender Kettenlänge wieder an. Das liegt daran, dass die längeren linearen Ketten wieder zur Molekülassoziation beitragen (wachsartiges Verhalten linearer Alkylketten). Dieses Ansteigen der Glasübergangstemperaturen ist bei den Acrylestern deutlicher als bei den Methacrylsäureestern, weil dann die Methylgruppe an der Polymerkette als Abstandhalter wirkt.

Verzweigte Seitenketten ergeben stets höhere Glasübergangstemperaturen im Vergleich zu den entsprechenden Monomeren mit linearen Seitenketten. Aromatische Seitenketten ergeben aufgrund des zusätzlichen Assoziationsverhaltens des aromatischen Rings ziemlich hohe Glasübergangstemperaturen. Hydroxyfunktionelle Monomere haben höhere Glasübergangstemperaturen als die Ester mit der entsprechenden Zahl an C-Atomen. Allerdings hat das Butandiol-1,4-Monoacrylat eine besonders niedrige Glasübergangstemperatur. Polare Monomere wie Säuren, Amide und Nitrile haben sehr hohe Glasübergangstemperaturen aufgrund der zusätzlichen Assoziationsfähigkeit der darin enthaltenden polaren Gruppen.

Die meisten Acrylatharze bestehen aus Monomergemischen, so stellt sich die Frage, welche Glasübergangstemperaturen diese Gemische haben. Es stellt sich heraus, dass Monomere in Gemischen über ihren Massenanteil die Glasübergangstemperatur des Gemisches bestimmen. Es werden aus Gemischen allerdings nicht lineare Mittelwerte der Glasübergangstemperaturen gebildet, sondern reziproke Mittelwerte [27].

Formel 2.18: Glasübergangstemperatur von Polymermischungen

Am Beispiel eines Gemisches von n-Butylacrylat und Styrol zeigt die folgende Abbildung 2.5 die Glasübergangstemperaturen der jeweiligen Copolymere.

Es wird deutlich, dass bereits kleine Anteile an n-Butylacrylat die Glasübergangstemperatur des Styrolcopolymeren deutlich senken, weil sie die Kettensegmente (mit dem Styrol darin) auseinanderhalten. Umgekehrt wirken sich kleinere Anteile von Styrol im Copolymer mit n-Butylacrylat kaum auf eine Steigerung der Glasübergangstemperatur aus, weil sich die wenigen statistisch verteilten Styrol-Molekülbausteine noch nicht assoziieren können. Dieses Verhalten beschreibt die Kurve der reziproken Mittelwerte näherungsweise recht gut. Es gibt auch einige Copolymere, die andere Kurven zeigen, weil die Molekülsegmente miteinander wechselwirken.

Auswirkungen der Tg auf die Polymer- und somit Beschichtungseigenschaften

Aus dem Wert für die Glasübergangstemperatur (Tg) resultieren viele wichtige Polymereigenschaften. Die Glasübergangstemperatur bestimmt direkt die Mindestfilmbildungstemperatur für Acrylatdispersionen (siehe Kapitel 4). Hohe Glasübergangstemperaturen ergeben hohe mechanische Widerstände bei Umgebungstemperaturen, d.h. hohe Härten der Polymere. Damit verbunden ist eine hohe Diffusionsdichte, die wiederum bessere Beständigkeit gegen Lösemittel und Chemikalien bedeutet. Allerdings ergibt eine hohe Glasübergangstemperatur auch eine geringe Flexibilität. Erst durch eine Verbesserung der elastischen Komponente der Flexibilität – d.h. durch Vernetzung – kann dieser Sprödigkeit begegnet werden.

Abbildung 2.5: Glasübergangstemperaturen von Copolymeren des Styrols mit n-Butylacrylat (Mittelwertbildung)

Niedrige Glasübergangstemperaturen bedeuten dagegen hohe Flexibilität (plastische Komponente der Flexibilität), allerdings auch geringere Härten und Beständigkeiten bei Umgebungstemperaturen. Flexiblere Polymere sind auch besser kratzfest, weil die Polymeroberfläche der Belastung ausweichen kann, bzw. weil Oberflächenverletzungen wieder ausheilen können (kalter Fluss).

Die Lage der Glasübergangstemperatur von Polymeren wird durch Vernetzungsreaktionen erhöht, zum Teil deutlich. Mit einer Vernetzung sind höhere Flexibilität (elastische Komponente) höhere mechanische Beständigkeit und Beständigkeit gegen Lösemittel und Chemikalien verbunden.

2.2.8.2Stoffliche Eigenschaften

Acrylatpolymere aus Monomeren mit kurzen Seitenketten sind recht polar. Sie benötigen für die Herstellung stabiler Lösungen demnach polare Lösemittel.

Das gilt auch für Polymere, die höhere Anteile funktioneller Gruppen enthalten und auch für die mit aromatischen Monomeren. Insgesamt sind Polymere mit Methacrylsäurederivaten polarer als die entsprechenden mit Acrylsäurederivaten. Acrylatpolymere mit längeren Seitenketten sind deutlich unpolarer und demnach in unpolaren Lösemittel gut löslich. Daraus resultiert wiederum ein günstigeres Applikationsverhalten: bessere Versprühbarkeit, bessere Benetzung verschiedener Untergründe, besserer Verlauf und homogenere Verfilmung aus wässrigen Dispersionen.

Acrylatpolymere mit längeren Seitenketten haben deutlich niedrigere Viskositäten in organischen Lösungen und in der Schmelze. Acrylatharze, die hauptsächlich Methacrylatmonomere enthalten, haben generell signifikant höhere Lösungsviskositäten als Acrylatharze mit den entsprechenden Acrylatmonomeren. Monomere mit cycloaliphatischen Seitengruppen ergeben besondere Effekte. Obwohl die Glasübergangstemperaturen hoch liegen – nahe bei den entsprechenden aromatischen Bausteinen – und eine hohe Härte erreicht wird, sind die Lösungsviskositäten deutlich niedriger als die der Bindemittel mit Monomeren mit kurzen Seitenketten oder mit aromatischen Bestandteilen. Diese Monomere erzeugen eine optimale Balance zwischen Härte und Beständigkeit einerseits und niedriger Lösungsviskosität und Flexibilität andererseits. Sie sind im Gegensatz zu den aromatischen Bausteinen durchlässig für UV-Licht, was für Klarlacke ein Vorteil sein kann. Allerdings sind diese Monomere vergleichsweise kostspieliger als die übrigen.

Funktionelle Monomere in Acrylatpolymeren dienen der Vernetzung; sie können Trägergruppen für wässrige Sekundärdispersionen bilden, sie vermitteln Benetzung und Haftung und können katalytisch wirken.

Polymere aus Monomeren mit Etherseitenketten ergeben höhere Flexibilität als die mit entsprechenden Alkylseitenketten. Längere Seitenketten aus Ethylenoxid eröffnen die Möglichkeit zur Herstellung nichtionisch stabilisierter wässriger Sekundärdispersionen. Die Anteile der Ethergruppen in solchen Polymeren sind nicht beständig gegen UV-Licht.

2.2.9Handhabung der Monomere

Weil die Monomere bereits bei geringen katalytischen Einflüssen und auch bei geringen Temperaturerhöhungen spontan polymerisieren können, werden sie für den Versand und die Lagerung mit Inhibitoren dotiert. Während zunächst vor allem Hydrochinon als Inhibitor verwendet wurde, ist heute der gebräuchlichste Polymerisationsinhibitor das Methylhydrochinon, aufgrund seiner breiteren Löslichkeit. Weitere technisch verwendete Polymerisationsinhibitoren, die noch besser löslich sind, sind der Hydrochinonmonomethylether (4-Methoxyphenol), das 4-tert.-Butylbrenzcatechin und das 2,5-Di-tert.-Butyl-4-methylphenol (BHT, Ionol). Je nach Monomertyp und Versandziel (z.B. Schiffsfracht in die Tropen) werden 15 bis 500 ppm eines Inhibitors zugesetzt. Die Säuren, Amide und Nitrile und auch die Hydroxylträger benötigen höhere Mengen als die einfachen Ester. Methacrylatmonomere benötigen geringere Mengen als Acrylatmonomere.

Bei allen Monomeren handelt es sich um sehr reaktionsfähige Verbindungen, daraus resultieren gesundheitliche Risiken, die allerdings sehr unterschiedlich sind [19-22].

N,N-Dimethylaminoethylacrylat ist sehr giftig (Gefahrensymbol: T+) N,N-Dimethylaminoethylmethacrylat gilt dagegen als „nur“ gesundheitsschädlich und reizend (Xn, Xi).

Als toxisch (Gefahrensymbol: T) eingestuft sind: 2-Hydroxyethylacrylat, 2-Hydroxypropylacrylat, Acrylnitril, Methacrylnitril, Acrylamid, N,N-Dime-thylacrylamid, N-Isobutoxymethylacrylamid und ein Polyethylenglykolmethyletheracrylat.

Die Monomere Acrylsäure, Methacrylsäure, 2-Hydroxyethylacrylat, 2-Hydroxypropylacrylat und N,N-Dimethylaminoethylacrylat sind ätzend (Gefahrensymbol: C). Die niedrigsiedenden Ester der Acrylsäure und Methacrylsäure, die Säuren und Nitrile sind leicht entzündlich bzw. hochentzündlich (Gefahrensymbole: F und F+).

Die Acrylester der Alkanole mit bis zu vier C-Atomen und das 4-Hydroxybutylacrylat sind gesundheitsschädlich (Gefahrensymbol: Xn). Das 4-Hydro-xybutylacrylat gilt außerdem als umweltgefährdend (Gefahrensymbol: N). Alle Derivate der Acrylsäure und Methacrylsäure sind als reizend eingestuft (Gefahrensymbol: Xi). Die Ester der Acrylsäure mit bis zu acht C-Atomen in der Seitenkette und die der Methacrylsäure mit bis zu vier C-Atomen in der Seitenkette und auch die polyfunktionellen Acrylester der meisten Polyole sind sensibilisierend. Die Derivate der Methacrylsäure werden als geringer gefährlich eingestuft als die Derivate der Acrylsäure, was bei den funktionellen Monomeren besonders deutlich wird.

Für den Umgang mit Monomeren sind daher abgestufte Sicherheitsmaßnahmen dringend erforderlich. Bei der Herstellung von Polymeren sollte der Restgehalt an freien Monomeren bestimmte niedrige Grenzwerte nicht überschreiten. Bei den reaktiven Acrylatharzen werden unter anderem freie Monomere in den Verkehr gebracht. Die Lacksysteme daraus sind also nur unter Einhaltung bestimmter Sicherheitsvorkehrungen zu verarbeiten.

2.3Herstellverfahren

Die Verfahren zur Herstellung von Acrylatpolymeren sind allgemein so ausgerichtet, dass die bei der Polymerisation anfallende Wärmeenergie optimal abgeführt werden kann und dass reproduzierbare Produkte entstehen. Die Reproduzierbarkeit bezieht sich auf die Molmassen und die Molmassenverteilung und eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Monomere bei der Copolymerisation. Für die Herstellung von Polyacrylaten für Beschichtungsstoffe gibt es die Substanzpolymerisation, die Perlpolymerisation, die Emulsionspolymerisation und die Lösungspolymerisation.

Bei der Herstellung reaktiver Acrylatharze werden funktionelle Monomere mit Oligomeren umgesetzt, ohne dass die Doppelbindungen reagieren. Dabei finden die üblichen Verfahren der Polyaddition oder Polykondensation Anwendung (siehe Kapitel 5).

2.3.1Substanzpolymerisation

Bei der Substanzpolymerisation [28] werden Monomermischungen mit radikalisch wirkenden geeigneten Initiatoren gemischt und auf die Polymerisationstemperatur erwärmt. Die bei dem Ablauf der Polymerisation anfallende Wärmeenergie wird durch Außenkühlung aufgenommen. Die resultierenden Polymere haben eine relativ breite Molmassenverteilung, es können sehr hohe mittlere Molmassen erreicht werden. Oft ist es schwierig, einen vollständigen Umsatz zu erreichen. Aufgrund der hohen exothermen Reaktion werden nach diesem Verfahren meistens nur kleinere Chargen produziert. Vorteilhaft für die Wärmeabführung ist eine Massenpolymerisation in relativ dünnen Schichten. So werden Kunststoffteile hergestellt, z.B. so genanntes Acrylglas aus Polymethylmethacrylat. Die Massenpolymerisation ist vorteilhaft, wenn es das Ziel ist, 100 %-ige Polymere, z.B. für wässrige Sekundärdispersionen oder Pulverlacke, zu erzeugen, allerdings dann mit den genannten Einschränkungen.

Eine Abwandlung des Verfahrens der Substanzpolymerisation ist eine unvollständige Polymerisation in einem kontinuierlichen Verfahren. Dabei werden Monomermischungen und geeignete Katalysatoren bei relativ hohen Temperaturen durch einen Rohrreaktor oder ein Durchlaufgefäß geführt und zum Teil polymerisiert. Danach werden Polymer und freie Monomere über eine Destillation voneinander getrennt. Die dabei wieder anfallenden Monomere können in den Prozess zurückgeführt werden. Durch die Wahl der Verfahrensbedingungen und der Chargengröße der Monomermischung muss sichergestellt sein, dass gleichmäßige Produkte bezüglich der Molmassen und Molmassenverteilung und der Zusammensetzung der Copolymere entstehen. Die bei hohen Temperaturen möglichen Nebenreaktionen müssen vermieden werden. Die Polymerisations-temperatur müsste unterhalb der Ceiling-Temperatur der Bestandteile liegen. Prinzipiell entstehen bei diesem Verfahren Polymere mit relativ niedrigen Molmassen und schmaleren Molmassenverteilungen als bei der Substanzpolymerisation. Es ist möglich nach diesem Verfahren (SGO: solid grade oligomer process) auch funktionelle Acrylatharze für die Herstellung festkörperreicher Lacke herzustellen [29], die nach der Polymerisation in geeigneten Lösemitteln gelöst werden. Außerdem lassen sich aus solchen Produkten lösemittelfreie Sekundärdispersionen herstellen.

2.3.2Perlpolymerisation

Bei der Perlpolymerisation oder Suspensionspolymerisation [30] werden Monomermischungen in eine wässrige Emulsion überführt und eine radikalische Kettenpolymerisation mit organisch löslichen Initiatoren gestartet. Die Emulsion enthält relativ große Teilchen. Schutzkolloide (z.B. Polyvinylalkohol) und spezielle Emulgatoren werden verwendet, um ein Zusammenfließen der Teilchen zu verhindern. Die Scherbedingungen (Rührertyp, Rührgeschwindigkeit) beeinflussen die Teilchengröße und Teilchengrößenverteilung.

Für das Verfahren werden bevorzugt Monomere mit hohen Glasübergangstemperaturen ausgewählt. Prinzipiell läuft die Polymerisation genauso ab wie bei der Substanzpolymerisation, eben nur in den einzelnen Monomertröpfchen. Das Medium Wasser nimmt die Polymerisationswärme auf. Nach Ablauf der Polymerisationsreaktion werden die entstandenen Polymerteilchen ab gefiltert und intensiv gewaschen, um die Schutzkolloide und Emulgatoren möglichst vollständig abzutrennen. Die Polymerteilchen werden als solche gehandelt. Die entstehenden Produkte haben meistens recht hohe Molmassen und breite Molmassenverteilungen – wie die aus der Substanzpolymerisation. Diese Polymerisate werden bevorzugt für die Herstellung physikalisch trocknender Lacke verwendet.

2.3.3Lösungspolymerisation

Bei der Lösungspolymerisation werden Monomermischungen und organophile Initiatoren in Lösemitteln polymerisiert. Sowohl Monomere als auch die entstehenden Polymere sind in den ausgewählten Lösemitteln löslich. Die Lösemittel nehmen die Reaktionswärme auf. Die Lösungen bilden die Lieferform der Acrylatharze, sie sollten daher auch den Applikationsbedingungen der daraus hergestellten Lacke gerecht werden (siehe Kapitel 3).

2.3.4Emulsionspolymerisation

Bei der Emulsionspolymerisation werden Monomermischungen mit geeigneten Tensiden in Wasser emulgiert. Die Polymerisation bei erhöhter Temperatur wird durch wasserlösliche Initiatoren gestartet. Die Polymerisationsreaktion geht von Mizellen aus. Es entstehen stabile wässrige Acrylatharzdispersionen, die für Dispersionsfarben im Bereich Bautenschutz und handwerklich verarbeitete Beschichtungen aber auch für Adhesive (Kleber), Druckfarben und Textilausstattungen Verwendung finden (siehe Kapitel 4).

2.4Literatur

[1]J. C. Bevington: Journ. Chem. Soc. (1956)

[2]Bruno Vollmert: Grundriss der Makromolekularen Chemie, E. Vollmert Verlag, Karlsruhe (1979)

[3]P. J. Flory: Principles of Polymer Chem.; Cornell Univ. Press; Ithaka (1986)

[4]K. Matyjaszewski, T.P. Davis: Handbook of Radical Polymerization, J. Wiley & Sons, N. Y. (2002)

[5]B. Tieke: Makromolekulare Chemie, Wiley-VCH (2002)

[6]H. G. Elias: Makromoleküle, Wiley-VCH (2002)

[7]A. M. North: The Kinetics of Free Radical Polym.; Pergamon Press; Oxford (1965)

[8]F. T. Maler, W. Bayer: Encyclopedia Chem. Process Des. 1 (1976)

[9]D. J. Hadley, E. M. Evans: Propylene and its Derivates, J. Wiley & Sons, New York (1973)

[10]beschrieben z.B. in DE 102004033555 und US 2006084779 der BASF SE

[11]E. H. Riddle: Monomeric Acrylic Esters; Reinhold; New York (1954)

[12]H. Rauch-Puntigam, T. Völker: Acryl- und Methacrylverbindungen. Springer, Berlin (1967)

[13]W. Reppe 1939 bei Röhm & Haas

[14]D. J. Hucknell: Selective Oxidation of Hydrocarbons, Academic Press, London (1974)

[15]Acetoncyanhydrinprozess 1933 bei Röhm & Haas in Darmstadt

[16]J. W. Crawford: Chem. Abstr. 28 (1934)

[17]beschrieben z.B. in GB 405 699 (1934) der ICI

[18]Isobutenprozess J. W. Nemec, W. Bayer: Acrylic and Methacrylic Polymers, Encycl. Polym. Science and Engineering; J. Wiley & Sons, New York (1985)

[19]Datenblätter der Evonic (Röhm)

[20]Datenblätter der BP

[21]Datenblätter der BASF SE

[22]Datenblätter der International Speciality Chemicals (Bisomer)

[23]beschrieben z.B. in DE 1568487 (1966) der Farbenfabriken Bayer

[24]Alfrey und Price, Ableitung aus der Arrhenius-Gleichung

[25]W. F. Hemminger, H. K. Cammenga: Methoden der Thermischen Analyse. Springer Verlag Berlin

[26]Höhne, G. Hemminger, W. and Flammersheim, H.-J. (1996): Differential Scanning Calorimetry – An introduction for Practioners. Springer-Verlag Berlin

[27]Fox-Gleichung

[28]H. F. Mark: Encyclopedia of Polymer Science and Engineering, J. Wiley & Sons, London (1985)

[29]beschrieben z.B. in US 6552144 (2000) der Johnson Polymer

[30]C. E. Schildknecht und I. Skeist: Polymerisationsprozesses; Polymerisation in Suspension J. Wiley & Sons, London (1977)

3Lösungsacrylatharze

Ulrich Poth

3.1Definition der Lösungsacrylatharze

Als Lösungsacrylatharze werden hier die Acrylatharze bezeichnet, die nach dem Verfahren der Lösungspolymerisation hergestellt werden. Die meisten der auf diese Weise hergestellten Acrylatharze werden als Bindemittellösungen direkt für die Formulierungen verschiedenster lösemittelhaltiger Lacke verwendet.

Aus den Lösungsacrylatharzen können auch wässrige Lacke hergestellt werden. Acrylatharze bilden unter Wirkung von hydrophilen Trägergruppen stabile wässrige Dispersionen. Das Lösemittel des Herstellverfahrens bildet dann entweder einen Cosolventanteil der wässrigen Lösung, oder es kann über eine Destillation entfernt werden, um eine lösemittelfreie wässrige Bindemittellösung herzustellen. Lösungsacrylatharze können auch über den Zusatz von Tensiden (Emulgatoren) und einer Dispergierung in Wasser in wässrige Sekundärdispersionen überführt werden. Dabei wird das Lösemittel des Herstellverfahrens meistens per Destillation abgetrennt. Es gibt auch gemischte Verfahren, die beide Methoden beinhalten.

Durch ein Abdestillieren des Lösemittels, das durch das Herstellverfahrenseingeschleppt wird, können sogenannte Festharze hergestellt werden, die dann ausschließlich als Acrylatharze für Pulverlacke verwendet werden.

3.2Geschichtliche Entwicklung

Für die Verwendung von Lösemitteln wurden von Anfang an Vorteile für die Herstellung von Polyacrylatharzen für Anwendungen in Beschichtungsstoffen gesehen. Die Vorteile waren einmal die Möglichkeit, die bei der Polymerisation anfallenden Wärmeenergie vom Prozesslösemittel aufzufangen und abzuführen und somit für die Siedekühlung zu nutzen. Zum anderen ist die Tatsache, dass man die entstehenden Lösungen direkt als Bestandteile für die Lackformulierungen verwenden konnte, ein weiterer Vorteil. Polyacrylatharze, gelöst in organischen Lösemitteln, wurden zunächst als physikalisch trocknende Lacke – vor allem im Wettbewerb zu Cellulosenitrat – verwendet. Herausgestellt wurde die bessere Wetterbeständigkeit.

Dazu wurden in den 1980er Jahren die genannten High Solid-Acrylatharze entwickelt und in den Markt gebracht, die für die Lacke daraus möglichst hohe Verarbeitungsfestkörper (nfA) ergeben. Solche Produkte beherrschen bis heute den Markt industriell verarbeiteter Lacke auf Basis von Acrylatharzen. Spezielle High Solid-Acrylatharze können auch über ein praktisch lösemittelfreies kontinuierliches Hochtemperaturverfahren hergestellt werden [2]. Parallel wurde intensiv nach neuen Vernetzungsverfahren für Lacke auf Basis von Acrylatharzen als Lösungspolymere gesucht. Man ist in den meisten Anwendungsfällen bis heute bei den schon länger bekannten Vernetzungsprinzipien geblieben, auch wenn es dabei neuere evolutionäre Entwicklungen gegeben hat.

Obwohl das Prinzip der Herstellung wasserverdünnbarer Sekundärdispersionen von Acrylatharzen seit Längerem bekannt ist, gibt es bisher dafür kein breites Anwendungsfeld. Die Hauptprobleme dabei entstehen aus dem schwierigen Applikationsverhalten. Seit den frühen 1990er gibt es auch Pulverlacke auf Basis von Acrylatharzen, die nach dem Verfahren der Lösungspolymerisation hergestellt werden. Wegen ihrer typischen Eigenschaften sind solche Pulverlacke für wetterbeständige Einschichtlacke, Decklacke und Klarlacke geeignet. Aufgrund der recht hohen Rohstoff- und Herstellkosten konnten sich solche Pulverlacke bisher nicht nachhaltig durchsetzen. Eine Restriktion besteht vor allem in der notwendigen hohen Schichtdicke für Pulverlacke generell, wenn man hochwertige glatte und glänzende Oberflächen fordert. Dagegen haben seit einiger Zeit die anderen 100 %-Systeme, auf Basis flüssiger Acrylatharze für die UV-Vernetzung, Fuß gefasst und zeigen kontinuierliche Zuwachsraten am Lackmarkt (siehe Kapitel 5).

3.3Verfahren der Lösungspolymerisation

3.3.1Einfluss des Verfahrens auf die Acrylatharz-Eigenschaften

Früher bestand die Kritik am Verfahren der Lösungspolymerisation aufgrund der Tatsache, dass meistens nur geringere Molmassen erreicht wurden als bei der Substanzpolymerisation, der Perlpolymerisation oder bei der Emulsionspolymerisation. Inzwischen wird gerade in dieser Bedingung ein besonderer Vorteil gesehen.

Es gibt weitere Vorteile der Lösungspolymerisation im Vergleich zu den anderen Polymerisationsverfahren. Fährt man den Prozess der Lösungspolymerisation nach dem Zulaufverfahren unter geeigneten Randbedingungen, entstehen besonders einheitliche Moleküle, sowohl von der Größe als auch von der sequentiellen Zusammensetzung – der statistischen Verteilung der Monomere über die Molekülketten. Dieses ist gerade für die lacktechnischen Eigenschaften der so hergestellten Acrylatharze besonders vorteilhaft, sowohl für die Herstellung, für die Verarbeitung der Lacke in Bezug auf Viskositäten, Applikationsfestkörper, Applikationsverhalten, z.B. Spritzfähigkeit, Verlauf und Glätte; als auch für die Filmeigenschaften dieser Lacke wie Vernetzung, Härte, Flexibilität, Chemikalienbeständigkeit, Wetterbeständigkeit. Bei den anderen Verfahren wird nach Bedingungen gesucht, möglichst einheitlich zusammengesetzte Polymere zu erzeugen, aber das Verfahren der Lösungspolymerisation beinhaltet die günstigsten physikalischen Voraussetzungen dafür, solche Moleküle zu erzeugen und bietet damit die Möglichkeit einer maximalen Optimierung.

3.3.2Verfahrensablauf

Am Anfang der Herstellung von Acrylatharzen als Lösungspolymere hat man ein einfaches sogenanntes Eintopfverfahren angewendet, bei der die Bestandteile Monomere, Lösemittel und Initiatoren gemeinsam in einem Reaktor erhitzt wurden. Dabei gibt es natürlich eine starke exotherme Reaktion, die nur schwer durch die Siedekühlung des Lösemittels kompensiert werden kann. Es entstehen ziemlich uneinheitliche Produkte, die Reproduzierbarkeit ist gering.

Dieser Prozess wurde daher schon bald in das bis heute übliche Zulaufverfahren geändert. Das Lösemittel wird vorgelegt und auf die geeignete Polymerisationstemperatur erwärmt. Dann werden aus getrennten Zudosierbehältern die Monomermischung und der Initiator – meistens als Lösung – über einen bestimmten Zeitraum gleichzeitig zudosiert. Bei den älteren Verfahren wird die Temperatur bei rückfließendem Lösemittels gehalten. Hier entstehen aufgrund der konstanten Temperatur (Rückflusstemperatur des Lösemittels) viel einheitlichere Produkte. Es gibt längst Reaktoren mit indirekter Beheizung (z.B. mit Druckwasser) die deutliche exotherme Reaktionsabläufe effektiv aufnehmen können. Zur Vervollständigung der Polymerisation ist es üblich, nach einer Nachreaktionszeit noch einmal eine gewisse Menge an Initiator zuzugeben. Es ist von Vorteil, die Initiatorlösung kontinuierlich zuzudosieren, und zwar über die Dosierung der Monomermischung hinaus. Auch diese Maßnahme unterstützt die Einheitlichkeit der gebildeten Polymermoleküle über die gesamte Reaktionszeit, wie GPC-Untersuchungen eindrucksvoll belegen. Weiterhin ist es günstig, bei der Herstellung von Acrylatharzen in größeren Anlagen, mit der Dosierung der genannten Initiatorlösung etwas früher zu beginnen als mit der Dosierung der Monomermischung. Offensichtlich wird damit die rechtzeitige Ausbildung einer bestimmten Radikalkonzentration unterstützt. Obwohl die Polymermoleküle – wie im Kapitel 2 beschrieben – binnen Bruchteilen von Sekunden entstehen, wird damit die Polymerisationsreaktion insgesamt auf einen Zeitraum verteilt. Zunächst kann dadurch die exotherme Reaktion viel besser beherrscht werden. Die Abbildung 3.1 zeigt schematisch den Ablauf des beschriebenen hier optimierten Herstellverfahrens [3].

Abbildung 3.1: Verfahrensablauf der Lösungspolymerisation

Die Abbildung 3.1 zeigt die Herstellung eines Acrylatharzes, das nach Abschluss des Verfahrens als 60 %-ige Lösung vorliegt. Die Menge der freien Monomere kann an Proben, die mit einem Inhibitor versetzt werden, über eine GC-Analyse bestimmt werden. In der Darstellung wurde die Initiatormenge nicht berücksichtigt.

Noch entscheidender als die Verteilung der exothermen Reaktion über einen bestimmten Zeitraum ist, dass – wenn man Einflussgrößen optimal einstellt – so etwas wie ein stationärer Zustand ausgebildet wird, was zu einheitlichen Molekülen führt. Es ist prinzipiell möglich, die absolute Menge der noch freien Monomere konstant zu halten. Die relative Konzentration der Monomere fällt dann zwar ab, aber trotzdem zeigt die GPC-Analyse praktisch keine Änderung der Molmassenverteilung. Das mag daran liegen, dass die Viskosität des Reaktionsgemisches mit der Bildung des Polymers über die Zeit steigt. Bei Norrish Trommsdorff[4] wird beschrieben, dass mit steigender Viskosität die Abbruchreaktionen gegenüber der Wachstumsreaktion langsamer werden, was zu höheren Molmassen führt. Dieser Effekt zeigt sich vor allem bei der Substanzpolymerisation und spielt auch hier eine gewisse Rolle: so dass der Wachstum reduzierende Effekt, hier das Absinkens der freien Monomerenkonzentration, kompensiert wird.

Der dritte Vorteil dieses Verfahrens liegt in den Bedingungen für eine optimal statistische Monomerenverteilung im Polymer. Wenn die aktuelle Konzentration der Monomere über die Dosierzeit relativ klein und konstant gehalten wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass alle Monomere reagieren, größer als bei anderen Verfahrensbedingungen. Langsamer reagierende Monomere werden also mit höherer Wahrscheinlichkeit in die Polymerkette eingebaut. Erst wenn die Polymerisationsparameter von Monomeren sehr viel unterschiedlicher sind (z.B. bei Vinylestern) können sich diese auch bei diesem Verfahren anreichern. Dann müsste man andere Verfahrensbedingungen wählen um eine statistische Copolymerisation zu erreichen, entweder eine Gradientenfahrweise (unterschiedliche Dosiergeschwindigkeiten) oder die Vorlage der „langsamen“ Monomere mit dem Lösemittel.

3.3.3Einfluss der Verfahrensbedingungen

Abgeleitet aus den Bedingungen der Wachstumsgeschwindigkeit der Polymermoleküle (siehe Gleichung 2.12 im Kapitel 2) ergeben sich die grundlegenden Einflussgrößen für das Verfahren der Lösungspolymerisation – ohne die Einflüsse der stofflichen Zusammensetzung der Monomere, des Lösemittel und des Initiators: die Polymerisationstemperatur (T), die Initiatorkonzentration (I), die Lösemittelmenge bzw. Konzentration des entstehenden Polyacrylatharzes (P), die Dosierzeit der Monomere (t). Die quantitative Wirkung dieser Einflussgrößen und ihre Wechselwirkungen untereinander wurden mittels statistischer Versuchsplanung [5] am Beispiel einer festgelegten Acrylatrezeptur [6] untersucht. Ziel ist es, die dem Fachmann an sich bekannten Einflüsse bei der Herstellung von Lösungsacrylatharzen an einem grundlegend interpretierbarem Beispiel zu quantifizieren und vor allem die Wechselwirkungen der Einflussgrößen untereinander zu analysieren. Es werden konventionelle Grenzen für diesen Versuchplan gewählt:

•Initiatorkonzentration (I) von 1,0 bis 2,5 % bezogen auf die Monomermischung

•Polymerisationstemperatur (T) von 100 bis 160 °C

•Lösemittelmenge, bzw. nichtflüchtiger Anteil (P) der fertigen Polymers von 50 bis 80 m-%

•Dosierzeit (t) der Monomerenmischung von 0 bis 5 Stunden

Für diese Versuchsreihe werden Molmassen und Viskositäten bzw. Festkörper (nfA) der Produkte und auch einige lacktechnische Parameter bestimmt und bewertet. Bei den Molmassen und den Viskositäten, die aktuell besonders wichtig sind für die Herstellung festkörperreicher Lacksysteme, ergeben sich große Unterschiede.