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AD ASTRA 018 Buchausgabe: Unternehmen Dunkelplanet - von W. A. Travers: „Die Vergangenheit wird zur Zukunft!“ Remake des gleichnamigen Romans Zauberkreis-SF 107, Zauberkreis Verlag 1971 – sein erster veröffentlichter Roman überhaupt, nach ungezählten Kurzgeschichten etc.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Unternehmen Dunkelplanet
W. A. Travers
ISSN 1614-3280
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"Die Vergangenheit wird zur Zukunft"
Anfangs der Sechziger des vorigen Jahrhunderts, ab zarten dreizehn Jahren, begann ich gegen Honorar zu schreiben. Und dies begann in der Redaktion einer damals noch existierenden Tageszeitung, für die Wochenendbeilage. Ein durch und durch christlicher Verlag, nebenbei bemerkt, der auch mehrere streng christliche Zeitschriften herausgab. Und ausgerechnet für diesen Verlag begann ich zu arbeiten, zumindest eben für die Tageszeitung, obwohl ich damals überzeugter Agnostiker war. Nun, die wussten das natürlich nicht.
Dass ich überhaupt eine Chance bekam zu jener Zeit, lag möglicherweise daran, dass ich vortäuschte, bereits achtzehn Jahre alt zu sein. Jedenfalls bildete ich mir ein, das sei unbedingt nötig. Immerhin in dem Alter, in dem ich mich wirklich befand. Da ist man sowieso ständig der Meinung, älter zu sein wäre viel besser.
Jedenfalls veröffentlichte ich in der Folgezeit nicht nur für diese Zeitung ungezählte Glossen, Essays, Kulturnotizen, Kurz- und Minikrimis. Unter anderem sogar in einem Rauchermagazin. Ja, das gab es tatsächlich. Es wurde kostenlos in Shops für Tabakwaren verschenkt, als Kundenzeitschrift. Bedingung für jede Geschichte war, dass es Werbung für eine bestimmte Zigarettenmarke enthalten musste. Von dieser Marke bekam man auch das Honorar ausbezahlt. Heutzutage undenkbar? Ja, das ist es!
Es lief recht gut für mich, unter dem Strich gesehen. Dennoch blieb es in einem Punkt unbefriedigend für mich: Es war keinerlei Science Fiction gefragt! Und ich war immerhin als SF-Leser ganz heiß darauf, da auch mal was zu veröffentlichen. Das gelang mir zwar in gewissen Fanzines mit ersten SF-Kurzgeschichten, natürlich honorarfrei, doch es blieb eben insgesamt gesehen unbefriedigend. Pabel, wo damals SF verlegt wurde, lehnte meine ersten Versuche, Romane auf die Beine zu bringen, kategorisch ab. Die wurden erst später auf mich aufmerksam. Blieb damals für mich nur noch Zauberkreis. Und da gelang mir der erste Wurf – sozusagen. Aber nur unter einem Pseudonym. Das wurde mir zur Bedingung gemacht. Ich wählte W. A. Travers. Allerdings musste ich vorher auch noch das Ende umschreiben. Das tat ich gern, denn der Lektor hatte wirklich brauchbare Tipps parat, die ich flugs umsetzte.
Und dann erschien dieser erste Science Fiction-Roman von mir am Kiosk, eben unter dem Pseudonym W. A. Travers. Wogegen ich persönlich gar nichts hatte. Im Gegenteil: Ich hielt es sogar für einen Vorteil, weil dadurch in meinem damaligen Hauptberuf kein Kollege mitbekam, dass ich auch noch Heftromane schrieb. Ich war ja im Hauptberuf Zollbeamter.
Gott, was war ich stolz darauf! „Unternehmen Dunkelplanet“ fand ich als Titel megacool (allerdings hat man damals noch nicht dieses Wort benutzt, wohlgemerkt!). Auch andere Dinge in diesem Erstlingswerk, die ich später dann als nicht ganz so gut gelungen wie gewünscht entlarvte, um daraus zu lernen und es künftighin besser zu machen. Man entwickelt sich ja stetig weiter. Obwohl erstaunlicherweise der Roman damals schon sehr gut bei den Lesern ankam. Besser als überhaupt von mir erwartet oder auch nur erhofft.
Und jetzt darf ich mich ein weiteres Mal freuen: Den Roman gibt es wieder! Hier und heute nämlich!
Mein Vorschlag: Freut euch doch einfach gemeinsam mit mir! Beim Lesen diesmal. Denn gemeinsame Freude ist bekanntlich mindestens doppelte Freude, nicht wahr?
Euer Wilfried A. Hary, alias W. A. Travers
Unternehmen Dunkelplanet
Remake des gleichnamigen Romans Zauberkreis-SF 107, Zauberkreis Verlag 1971 – mein erster veröffentlichter Roman überhaupt, nach ungezählten Kurzgeschichten etc.
Der Gleiter senkte sich automatisch auf das Dach des Riesengebäudes hinab. Ted Herold beseitigte durch Tastendruck die elektronische Sperre und öffnete die Kabinentür. Ein frischer Morgenwind blies über das Parkdach. Tief sog Ted Herold die kühle Luft in seine Lungen. Sie belebte ihn und trieb den Rest von Schlaf, der sich bis jetzt noch hartnäckig gehalten hatte, aus den Gliedern. Die Kabinentür glitt automatisch ins Schloss, als er sich von dem Fahrzeug entfernte.
Inmitten des Parkdachs erhob sich die Spitze eines Antigravliftes. Ted steuerte darauf zu.
Der Lift wurde durch ein überhängendes Dach vor einfallendem Regen geschützt.
Ted Herold war froh, dass um diese Zeit noch nicht der sonst übliche Betrieb herrschte. Er stellte sich vor den Schacht, der nach unten führte und gab deutlich die gewünschte Stockwerkzahl an.
Im gleichen Augenblick ergriff ihn das leistungsstarke Feld und riss ihn mit sich.
Die Anlage bestand aus zwei Teilen und wurde von einem Positronengehirn gesteuert. Auf der einen Seite ging es in der Art eines Paternosters nur nach unten und auf der anderen Seite aufwärts. Jeweils wurde nur eine einzige Person von dem Lift transportiert. Allerdings erfolgte alles so schnell, dass niemand lange zu warten brauchte, wenn der Andrang nicht zu groß war.
Ted Herold wurde in Sekundenschnelle auf dem angegebenen Stockwerk abgesetzt. Ohne sich ein einziges Mal umzusehen, machte er sich auf den Weg.
Der Flur erschien endlos. Er glich einer gewaltigen Röhre.
Er war nicht der einzige seiner Art. Ein rundes Dutzend Flure verbanden das gesamte Stockwerk untereinander. Alle endeten sie vor dem Antigravlift, welcher neben dem Notausgang die einzige Verbindung nach draußen darstellte.
Herold kannte sein Ziel. Die unzähligen Türen, die rechts und links des Flures lagen, waren nur durch Nummern sichtbar gemacht. Ansonsten fügten sie sich so perfekt in die glatte Flurwand ein, dass der Eindruck von einer Röhre noch verstärkt wurde.
Vor der Nummer zweihundertdreizehn machte er Halt. Geduldig blieb er vor der geschlossenen Tür stehen.
Er wusste, dass er jetzt von einem unsichtbaren Kontrollsystem abgetastet wurde. Nur wenn diese Untersuchung im Sinne des Erfinders ausfiel, würde sich die Tür automatisch öffnen und ihm Einlass gewähren.
Sie tat es und Ted Herold betrat einen hell erleuchteten Raum. Die gegenüberliegende Wand schien nur aus Fenstern zu bestehen. Kein Vorhang verdeckte die Sicht nach draußen.
Aber dieser Eindruck täuschte. In Wirklichkeit befand sich an dieser Stelle eine harte Betonwand. Die Täuschung wurde durch ein wandgroßes, dreidimensionales Bild hervorgerufen, das aus sich heraus leuchtete und dem Raum diese Lichtfülle verlieh.
Ted Herold trat lächelnd auf den wuchtigen Schreibtisch zu, der schräg zu dem Wandbild aufgestellt war.
Ein Mann saß dahinter und schien eifrig beschäftigt zu sein. Er achtete nicht auf seinen Besucher.
Ted Herold kannte die Gewohnheiten seines Chefs. Letzterer ließ sich grundsätzlich bei seiner Arbeit nicht stören.
Ted wählte sich eine der reichlich vorhandenen Sitzgelegenheiten aus und nahm Platz.
Das Warten dauerte nicht so lange, wie er angenommen hatte. Kaum hatte er die Beine übereinander geschlagen, sah Ernest Gronwell auf.
»Es freut mich, Mister Herold, dass wir uns einmal wieder persönlich sehen können«, sagte er freundlich und streckte seine Hand über den Tisch.
Ted Herold sprang auf und ergriff die ihm dargebotene Rechte.
»Die Freude ist ganz meinerseits«, sagte er ehrlich.
Sein Chef öffnete eine kleine, verzierte Truhe und schob sie Ted hin.
»Bitte, wenn Sie rauchen wollen?«
»Danke«, sagte Ted Herold und bediente sich.
Er steckte sich die Zigarette in den Mundwinkel und sog daran. Die Spitze entzündete sich selbständig. Ted Herold setzte sich und rückte einen der Aschenbecher näher.
Ernest Gronwell sah ihn nachdenklich an.
»Sie werden sich wohl gewundert haben, Mister Herold, wieso ich Sie persönlich zu mir gebeten habe. Normalerweise ist es nicht üblich, dass ein Angestellter im Außendienst von mir selbst einen Auftrag erhält. Dazu habe ich andere.«
Ernest Gronwell machte eine Kunstpause. Sein nachdenklicher Blick blieb.
Ted Herold war gefasst. Er hatte sich gleich denken können, dass etwas nicht stimmte. Eigentlich war immer mit etwas Positivem oder Negativem zu rechnen, wenn der Chef einen persönlich kommen ließ.
Er zog an seiner Zigarette und hielt dem Blick seines Chefs stand.
Dieser erhob sich plötzlich. Er begann, unruhig hin und her zu laufen.
»Sie sind nun schon vierzehn Jahre bei unserem Unternehmen. Im Großen und Ganzen bin ich mit Ihnen zufrieden, Mister Herold. Ich habe Sie also nicht bestellt, um Ihnen eine Abfuhr zu erteilen. Die Gründe liegen tiefer.«
Er blieb abrupt stehen und blickte sich nach Ted Herold um. Dann setzte er sich wieder in Bewegung.
»Sie wissen, dass das Brot, das wir verdienen, oft kein leichtes ist. Unsere Aufgabe besteht darin, Leute mit kriminellen Veranlagungen durch eine Umformung wieder auf den rechten Weg zu bringen.
Bei einer solchen Umformung wird dem Gehirn das Erinnerungsvermögen genommen und durch einen Kunstgriff ersetzt. Der Vorgang gleicht einem Sterben und der folgenden Wiedergeburt. Der Behandelte lebt fortan in einer Scheinwelt. Seine künstliche Erinnerung lässt ihn zu einem völlig neuen Individuum werden. Aus diesem Grunde ist es verboten, einen Kriminellen zu der Behandlung zu zwingen.
Früher hatte man die Todesstrafe. Sie wurde bald abgeschafft. Dann führte man die Zwangsumformung ein. Sie trat an die Stelle des Galgens, des Henkerbeiles und des elektrischen Stuhles. Auch hier hat man sich rechtzeitig besonnen und die Umformung auf freiwilliger Basis geschaffen.
Sie, Mister Herold, sind im Außendienst tätig. Ihre Aufgabe ist es, gewissen Kriminellen, die zum Teil noch hinter Gittern sitzen, die Vorteile einer Umformung darzulegen.«
Wieder blieb er stehen und fixierte seinen Untergebenen mit einem nachdenklichen Blick.
Ted Herold räusperte sich fast verlegen.
»Mister Gronwell, wenn ich mir einmal eine Frage erlauben darf: Warum erzählen Sie mir das? Hat es etwas mit meinem neuen Auftrag zu tun?«
»Nun, Mister Herold, ich verstehe, dass Sie meinen Ausführungen verständnislos gegenüberstehen. Immerhin sind Sie bereits vierzehn Jahre bei uns tätig und kennen Ihren Beruf gut genug. Aber, es war mir sehr wichtig, Ihnen Ihre Aufgaben noch einmal vor Augen zu führen. Sie werden gleich wissen, warum!«
Entschlossen ging er wieder zu seinem Sessel hinter dem Schreibtisch und setzte sich.
»Passen Sie auf, Mister Herold. Sie wurden für einen bestimmten Auftrag ausgewählt. Natürlich erfolgt eine solche Wahl willkürlich und ist nicht an den einzelnen Typ gebunden. Man geht von gewissen Gesichtspunkten aus, wie Entfernung zum Ort des Auftrages, ob der Außendienstangestellte im Moment verfügbar ist und dergleichen mehr.«
Ted Herold bedachte ihn mit einem merkwürdigen Blick. Er konnte das Gefühl nicht loswerden, dass eine Sensation in der Luft lag. Der Chef wollte ihm etwas sagen, zögerte es aber aus irgendeinem Grunde hinaus.
»Mister Herold, kennen Sie eigentlich Ihr Recht, auf einen Auftrag zu verzichten, wenn der Betroffene in irgendeinem Verhältnis zu Ihnen steht?«
Ted Herold richtete sich steif im Sessel auf. Daher wehte also der Wind. Die Sache versprach langsam interessant zu werden.
»Bis jetzt habe ich von diesem Recht noch nicht Gebrauch machen müssen«, sagte er gedehnt. »Ich wüsste auch nicht, dass sich in meinem Bekanntenkreis jemand befände, der eine Umformung nötig hätte.«
Ernest Gronwell nickte heftig. »Sehen Sie, Mister Herold, gerade in diesem Punkt irren Sie!«
Ted runzelte die Stirn, sagte aber nichts mehr.
»Wie ich schon sagte: Bei einem Auftrag spielt die Person des Angestellten überhaupt keine Rolle«, fuhr Gronwell fort. »Erst nachdem alles beschlossen war, erfuhr ich von allem - und das auch nur mehr durch Zufall. Nun, noch ist es nicht zu spät. Noch können Sie nein sagen.«
»Um was handelt es sich, Sir?«, fragte Ted Herold fest.
Sein Chef trommelte nervös mit den Fingern. Abermals sprang er auf.
»Ich kann nicht willkürlich den Auftrag an jemand anders geben. Sie kennen die Bestimmungen unseres Unternehmens. Der Kriminelle hat den Antrag gestellt. Nach der Vorlage bei uns wurde ein Agent ausgewählt und der Name desselben sofort zurückgeleitet. Erst dann wird der Agent benachrichtigt. Wenn ich jetzt den Auftrag zurückziehe und einen anderen Namen auf die Liste setze, verstoße ich gegen die gesetzliche Regelung. Es besteht die Gefahr, dass das Ereignis einen psychologischen Einfluss auf den Kriminellen hat. Sie wissen, Mister Herold, wie streng die Gesetze in dieser Hinsicht sind.«
Er beugte sich vor und stützte sich mit beiden Armen auf die Tischfläche. »Ich beschwöre Sie, Mister Herold: Lehnen Sie den Auftrag ab! Tun Sie es freiwillig! - Zwingen kann Sie selbstverständlich niemand.«
Ted Herold schüttelte entschieden den Kopf. Die Sache erschien ihm irgendwie unwirklich. Er konnte sich nicht denken, was den Chef aus seiner sonst so berühmten Ruhe brachte.
»Bevor ich den Auftrag ablehnen kann, muss ich erst einmal wissen, worum es sich handelt!«
»Das habe ich erwartet«, sagte Gronwell leise und ließ sich auf seinen Sessel plumpsen.
»Also gut, Sie haben es selbst gewollt. Der Mann, den Sie besuchen sollen, sitzt noch hinter schwedischen Gardinen. Seit genau zwölf Jahren sitzt er dort!«
Die Augen Herolds weiteten sich. Unbeirrt fuhr Gronwell fort: »Der Mann ist der Mörder Ihrer Frau, Mister Herold!«
Jetzt war es heraus. Ted Herold sprang auf. Die Zigarette fiel ihm aus dem Mundwinkel. Er achtete nicht darauf. Seine Lippen wollten Worte formen, aber es gelang ihm nicht sofort.
Ernest Gronwell wagte nicht, seinen Angestellten anzusehen. Mit gerunzelter Stirn suchte er seinen Schreibtisch nach einem imaginären Gegenstand ab.
Ted Herold hatte sich schnell in der Gewalt. Seine Stimme klang völlig gefühllos, als er sagte: »Okay, Sir, ich nehme den Auftrag an. Bitte geben Sie mir nähere Instruktionen.«
Die Kinnlade Gronwells klappte überrascht herab.
»Wie Sie wollen, Mister Herold«, sagte er endlich. »Sie benutzen den Transmitter nach Alpha zwei. Beachten Sie bitte Folgendes...«
Herolds Haushaltsautomatik übernahm das Packen und eine Weile später senkte sich der Gleiter auf den riesigen Parkplatz vor dem Transmitter-Bahnhof. Die Gleitertür hatte sich kaum geschlossen, da schwebte auch schon eine der automatischen Plattformen heran. Wie von Geisterhänden gepackt, stiegen die Gepäckstücke empor und stellten sich auf den Minitransporter.
er Gleiter hob selbständig ab und beschleunigte. Das winzige Gehirn im Innern des Fluginstruments würde dafür sorgen, dass er sicher durch den Verkehr kam.
Ted Herold strebte einem der weit offenen Portale zu, die in das Innere des Bahnhofs führten.
Bahnhof war ein etwas übertriebener Ausdruck für ein Gebäude, das die Grundfläche eines großen Flugplatzes bedeckte. Wuchtige Mauern umschlossen den zwanzig Stockwerke hohen Giganten.
Der Service der Einrichtung war perfekt. Nachdem Herold eine der weiträumigen Empfangshallen betreten und einem Empfangsrobot neben seiner Kreditkarte die Informationen über das gewünschte Ziel überlassen hatte, wurde er von einem sanften Transportfeld erfasst, das ihn sicher zu dem Transmitter geleitete, der in direkter Verbindung mit Alpha zwei stand.
Unterwegs dachte Ted Herold daran, dass er genau diesen Weg vor zwölf Jahren schon einmal eingeschlagen hatte.
Damals war er nicht allein mit seinem Gepäck gewesen, das hinter ihm her schwebte. Da hatten ihn seine junge, hübsche Frau und sein kleiner Sohn begleitet.
Zwei Jahre war er schon für Ernest Gronwell tätig gewesen. Der Sommerurlaub war ihm gerade recht gekommen.
Alpha zwei - das war die Heimat seiner jungen Frau Ann. Vor rund zweiundzwanzig Jahren hatte er sie hier auf Delta vier kennen gelernt.
Noch im selben Jahr war der Entschluss gefasst: Sie wollten heiraten und wünschten sich ein Kind.
In der modernen Welt war das keine Kleinigkeit. Nach dem Standesamt mussten sie zu einem Arzt, der die biologische Sperre beseitigte, die sofort nach der Geburt eines Mädchens eingesetzt wird, um eine Überbevölkerung zu vermeiden. Sie entschlossen sich für die Geburt außerhalb des Mutterkörpers.
Die meisten Menschen jener Zeit wählten diesen Weg. Es wurden die beschwerlichen neun Monate vermieden, die jede Frau früher hinter sich bringen musste, wenn sie ein Kind haben wollte.
Auch heute gab es noch Menschen, die den natürlichen Weg vorzogen. Aber sie waren dünn gesät. Niemanden kümmerte es, dass der Großteil der Menschen in Brutkästen heranwuchs.
Nach zwei Jahren konnten sie ihr Kind abholen. Es war ein Sohn und er befand sich bereits auf der geistigen Stufe eines Fünfjährigen.
Man gewährte ihm eine Schulung, die seiner Aufnahmefähigkeit entsprach. Das war so üblich. Es nützte keinem etwas, wenn man ihm Wissen beibrachte, das er nicht verarbeiten konnte und es aus diesem Grunde schnell wieder vergaß.
Sechs Jahre später war Ted Herold in die Dienste des Gronwellschen Unternehmens getreten.
Ted seufzte. Weiter vorn tauchte der Transmitter auf, der ihn befördern würde.
Es war genau wie damals, vor zwölf Jahren.
Eine ganze Reisegesellschaft hatte Alpha zwei zum Ziel gehabt. Da eine Transmitter-Kabine nur jeweils fünfzehn Personen fasste, musste der Rest warten, bis die Automatenstimme zum Eintreten aufforderte.
Ted Herold, seine Frau Ann und sein Sohn Bob waren die letzten. Sie warteten, bis die gesamte Reisegesellschaft abgereist war.
Beim letzten Schub geschah es dann: Genau dreizehn Leute von der Reisegesellschaft waren noch übrig. Ted wollte warten, bis auch diese komplett abgereist waren, um nicht von seiner Familie getrennt zu werden. Aber der Automat war anderer Meinung. Er forderte noch zwei weitere Personen auf, die Transmitter-Kabine zu betreten.
Nun, sie waren zu dritt. Außer ihnen war niemand mehr da. Ted wollte seiner Frau den Vortritt geben, wollte aber auch nicht seinen Sohn allein zurücklassen. So ließ er sie beide reisen und beschloss zu warten. Ein Transmitter-Sprung dauerte gewöhnlich nicht länger als fünf Minuten.
»Bitte eintreten!«, plärrte die Automatenstimme. Die breiten Gitter öffneten sich wie die Tür eines altmodischen Fahrstuhls. Ted Herold schrak aus seinen Gedanken hoch. Er zögerte. Im Moment schien nicht viel Reiseverkehr in Richtung Alpha zwei zu herrschen.
Falls der Verkehr für Stunden, Tage oder gar noch länger abflaute, konnte der entsprechende Transmitter auf ein zweites Ziel umgeschaltet werden, um einen anderen Reisestrom zu entlasten.
Damals waren ganze sechs Leute noch hinzugekommen und mit Ted eingetreten, nachdem sich wieder die Gitter geöffnet hatten. Er war ruhig gewesen. Wer Angst vor der Transmittertechnik hatte, der konnte sowieso gleich zu Hause bleiben. Es war völlig ungefährlich. Nur im Entwicklungsstadium dieses Transportinstruments hatte es gelegentlich Ärger gegeben. Aber die Erfindung steckte längst nicht mehr in den Kinderschuhen.
Weitere acht Leute betraten damals nacheinander die Gitterkabine. Endlich war die Zahl fünfzehn erreicht.
Aber die Tür schloss sich nicht. Kein in allen Farben fluoreszierendes Feld baute sich um die Menschen in dem Transmitter auf. Alles blieb tot.
Sie warteten geduldig. Erst als fast weitere fünf Minuten vergangen waren und vor der Tür auch noch andere Leute standen, die nach Alpha zwei wollten, wurden sie unruhig. Was war geschehen?
Ein beklemmendes Gefühl kam damals in Ted Herold auf und erinnerte ihn an seine Familie. Hatte der letzte Transport nicht geklappt und wurde der jetzige deshalb verzögert?
Die Automatenstimme hatte die Reisenden zu beruhigen versucht: »Bitte, meine Herrschaften, gedulden Sie sich noch ein paar Minuten. Der Transport wird gleich erfolgen. Nach der letzten Ankunft auf Alpha zwei hat es einen Zwischenfall gegeben. Es dauert nicht mehr lange.«
Ted Herold war der kalte Schweiß ausgebrochen. Er musste immer und immer wieder an seine Familie denken. Irgendein seltsames Gefühl sagte ihm, dass der Zwischenfall direkt mit Ann und Bob etwas zu tun hatte.